Noch größer wird dieses Erstaunen, wenn sich hinter dem vordergründig eindrucksvoll klingenden Text eine Leistung verbirgt, die in Schulnoten ausgedrückt nur einer 3 entspricht. Warum wurde für die
1. Geheimsprache Arbeitszeugnis – die entscheidenden Codes
Noch größer wird dieses Erstaunen, wenn sich hinter dem vordergründig eindrucksvoll klingenden
Text eine Leistung verbirgt, die in Schulnoten ausgedrückt nur einer 3 entspricht. Warum wurde für
die Erstellung von Arbeitszeugnissen eine solche “Geheimsprache” entwickelt? Der Grund liegt in der
Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Denn nach dieser müssen Zeugnisse nicht nur wahrheitsgemäß
sondern vor allem auch wohlwollend abgefasst werden. Während Arbeitszeugnisse früherer Tage oft
schonungslos ehrlich waren, was Arbeitsleistung und das persönliche Verhalten betraf, haben sich in
den letzten Jahrzehnten sogenannte “Geheimcodes” entwickelt, nach welchen Arbeitszeugnisse
systematisch abgefasst werden.
Eine eigene Sprache mit vielen Tücken
Die Anzahl der unterschiedlichen Formulierungen im Arbeitszeugnis nimmt weiterhin von Jahr zu
Jahr zu. Zu den Klassikern der Arbeitszeugnis-Prosa zählen Formulierungen wie “gesellig”, wenn auf
dezente Weise ein Alkoholproblem des betreffenden Arbeitnehmers angedeutet werden soll. Das
Problem hierbei ist: sobald sich eine solche Formulierung allgemein durchgesetzt hat, wird sie auch
arbeitsrechtlich angreifbar. Insofern entwickeln Arbeitgeber immer wieder neue Umschreibungen
für im Arbeitsverhältnis aufgetretene Probleme. Diese lassen sich vom Zeugnisempfänger jedoch
nicht immer einwandfrei identifizieren. Folglich stellt die Zeugnissprache nicht nur eine
“Geheimsprache” für unbedarfte Dritte dar, sondern vielfach auch für die Personal-Entscheider
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Auch Entscheider sind oft überfordert
Wenn Unternehmen eine offene Stelle öffentlich ausschreiben, erhalten diese in der Regel eine
Vielzahl von Bewerbungen. Bei der Vorauswahl besteht meistens jedoch nur die Möglichkeit einer
kursorischen Prüfung der eingereichten Unterlagen. Wenn neben dem Blick in den Lebenslauf die
Zeugnisse gesichtet werden, dann wird in der Regel nach den wichtigen zentralen Formulierungen
gesucht. Von entscheidender Bedeutung ist hier die Gesamtnote, also die zusammenfassende
Leistungsbeurteilung. Diese entspricht zum Beispiel der Schulnote 2, wenn sich dort die
Formulierung “stets zu unserer vollen Zufriedenheit” herauslesen lässt. Arbeitgeber suchen weniger
intensiv nach rhetorischen Fallstricken, wenn die Gesamtnote der Schulnote 1 entspricht, also “stets
zu unserer vollsten Zufriedenheit”. Denn eine sehr gute Beurteilung kann arbeitsrechtlich nicht
erzwungen werden. Es kommt also beim Arbeitszeugnis entscheidend auf die zentralen
Beurteilungen von Arbeitsleistung und persönlichem Verhalten an.