Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken
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Pressemitteilung Nr. 10/17
Staatsanwaltschaft Saarbrücken stellt Ermittlungen
gegen Co-Pilotin einer Luxair-Maschine nach Flugun-
fall vom 30.9.2015 ein
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat mit Verfügung vom 28.2.2017 mangels
Nachweis eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens die Ermittlungen gegen eine
29-jährige Niederländerin eingestellt; diese stand unter Verdacht, als Copilotin eines
Luxair-Flugzeugs am 30.9.2015 einen Startunfall auf dem Flughafen Saarbrücken
verursacht zu haben.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen kann indes nicht der Nachweis geführt werden,
dass die Beschuldigte J. sich eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr (§ 315
StGB) bzw. einer Gefährdung des Luftverkehrs (§ 31 5a StGB) schuldig gemacht hat.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen, insbesondere dem Untersuchungsbericht der
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) sowie den Angaben der Beschuldigten
und des Flugkapitäns, ist der Flugunfall auf ein zu frühes Einfahren des Fahrwerks
beim Start des Flugzeugs, was seitens der Fahrwerkhebelbedienung und der Einfahr-
Regelungslogik nicht verhindert wurde, zurückzuführen. Das Einfahren des Fahrwerks
gehörte zum Aufgabenbereich der Copilotin in ihrer Funktion als Pilot Non Flying
(PNF). Die auch auf dem Flugzeugmuster Bombardier DHC-8-402 erfahrene Be-
schuldigte hat entgegen dem im Bordhandbuch der Luxair festgelegten Ablaufverfah-
ren ohne entsprechende Anforderung des verantwortlichen Piloten als Pilot Flying
(PF) beim Startlauf des Flugzeugs, nach Erreichen der Rotationsgeschwindigkeit, den
Fahrwerkshebel betätigt, wodurch das Fahrwerk beim Rotieren (Drehung um die
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Querachse) des Flugzeugs, mit angehobener Rumpfnase, einfuhr. Ohne das stützen-
de Hauptfahrwerk schlug das Heck des Flugzeugs auf die Piste auf. Nach dreimali-
gem Aufsetzen und Rutschen auf dem Rumpfboden kam das Flugzeug ca. 875 m
nach der ersten Bodenberührung zum Stillstand, etwa 425 m vor dem Pistenende.
Wegen der bei dem Rutschen auf der Piste entstandenen Rauch- und Geruchsent-
wicklung wurde unmittelbar nach Stillstand des Flugzeugs die Evakuierung veran-
lasst, von den vier Besatzurigsmitgliedern und den 16 Passagieren wurde niemand
verletzt.
Die Beschuldigte, die Angaben über ihren Verteidiger gemacht hat, kann sich das
vorzeitige Betätigen des Fahrwerkbedienhebels nicht erklären. Die BFU sieht darin
ein Augenblicksversagen, das in der Luftfahrtbranche als ,,Slip" bezeichnet wird und
Fehlhandlungen beschreibt, die bei häufig trainierten oder häufig wiederholten Hand-
lungsabläufen vorkommen und gegenüber denen niemand immun ist. Hinzu kam vor-
liegend der Umstand, dass die Fahrwerkshebelbedienung dieses Flugzeugmusters im
Vergleich zu anderen Techniken in der Verkehrsluftfahrt unüblich ist. Bei anderen
Flugzeugen wird eine Betätigung des Bedienhebels am Boden automatisch so lange
verhindert, bis die Sensoren am Fahrwerk das Luftfahrzeug frei vom Boden melden.
Des Weiteren fährt das Fahrwerk bei der Bombardier DHC-8 von Seiten der Rege-
lungsdesignlogik ein, wenn es vom Cockpit kommandiert wird und mindestens eiri
Fahrwerk (Bugrad oder ein Hauptfahrwerk) seitens der Gewichtssensoren frei vom
Boden ist. Dies ist auch beim Rotieren mit angehobener Rumpfnase der Fall.
Laut einer Befragung von Besatzungen des Unternehmens, die das betroffene Muster
fliegen, war diesen die Einfahrlogik des Fahrwerks nicht bekannt und gingen sie da-
von aus, dass dieses nicht am Boden eingefahren werden kann. Auch war ihnen nicht
bewusst, dass das Fahrwerk bereits einfahren kann, wenn nur ein Rad (wie etwa das
Bugrad) frei vom Boden ist. Als Konsequenz daraus hat die Luxair u.a. ein Übungs-
szenario im Rahmen der wiederkehrenden Schulungen der Besatzungen eingeführt,
um das Bewusstsein für die Bedeutung der Einhaltung der Vorschriften über das Ein-
fahren des Fahrwerks zu erhöhen.
Im Betriebshandbuch des Herstellers Bombardier finden sich zwar Vorgaben zur
Vermeidung von Landungen mit nicht ausgefahrenem Fahrwerk, Vorgaben bezüglich
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der Gefahr des Einfahrens von Fahrwerken am Boden sind darin jedoch nicht enthal-
ten. Aufgrund einer Direktive der Transportbehörde Kanadas hat der Hersteller zwi-
schenzeitlich eine Änderung der Entscheidungslogik für das Einfahren des Fahrwerks
veranlasst, wonach dieses erst dann einfahren kann, wenn alle Gewichtssensoren
das Luftfahrzeug frei vom Boden melden.
Bei dieser Sachlage kann eine Strafbarkeit der Beschuldigten nach den in Betracht
kommenden Strafvorschriffen der §§ 315, 31 5a StGB nicht festgestellt werden.
Die Tathandlung eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr im Sinne des § 315 l
StGB ist nicht auf Eingriffe von außen beschränkt, erfasst vom Tatbestand wird viel-
mehr auch verkehrsinternes Verhalten (BGH 21, 231, 232 ff.). Ein ähnlicher, ebenso
gefährlicher Eingriff im Sinne des Abs. 1 Nr. 4, der den Leitbeispielen des Abs. I Nr.
1-3 verwandt und ebenso abstrakt gefährlich ist, kann in dem Fehler der Beschuldig-
ten jedoch nicht gesehen werden. Dieses Auqenblicksversaqen reicht für die Erfüllunq
des obiektiven Tatbestandsmerkmals nicht aus.
Auch eirie Strafbarkeit wegen Gefährdung des Luftverkehrs nach § 315 a StGB ist
nicht gegeben. Die einzig in Betracht kommende Tatbestandsalternative eines Ver-
stoßes gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung des Luftverkehrs durch grob pflicht-
widriges Verhalten ist nicht erfüllt. Die Beschuldigte hat zwar gegen das von dem Luft-
fahrtunternehmen Luxair vorgegebene und im Operation Manual niedergelegte Ab-
laufverfahren beim Start verstoßen, indem sie ohne vorherige Anforderung seitens
des verantwortlichen Piloten das Fahrwerk eingefahren hat. Diese Regelung des
Bordhandbuchs ist jedoch kein formelles inländisches Gesetz oder Rechtsverordnung
zur Verkehrssicherung im Sinne dieser Strafbestimmung.
Ein Verstoß gegen luftverkehrsrechtliche Bestimmungen ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft
Saarbrücken