Anian Leistner, Senior Web Business Consultant bei der TFT, erläutert, warum es wichtig ist bei der Optimierung von Online-Shops die Disziplinen Usability, UX und CRO optimal zu verzahnen.
Usability vs. User Experience vs. CRO - warum eigentlich nicht miteinander?
Ganzheitliche optimierung.conversion optimierung mit usability und user experience anian leistner
1. Conversion-Optimierung
mit Usability und User Experience
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2. Die Basis des Erfolgs von Online-Shops steht und fällt mit einer übersichtlichen Struktur, ansprechenden Inhalten
und einer nutzerfreundlichen Navigation. Entscheiden sich Shop-Betreiber für eine Optimierung ihrer Seite, werden
Usability und Conversion leider häufig in verschiedene Hände gegeben. Da sich Usability-Ingenieure meist als „An-
walt des Shop-Besuchers“ und Conversion-Optimierer als „Anwalt des Shop-Betreibers“ sehen, verfolgen sie oft
konträre Ziele – den Parteien fehlt das Verständnis für die Notwendigkeit der Tätigkeit des Anderen.
Die zunehmende Professionalisierung des Online-Markts und steigende Kosten für den Traffic-Einkauf erfordern
jedoch eine optimale Verzahnung der Disziplinen Usability, User Experience und Conversion-Optimierung, um sich
weiterhin erfolgreich am Markt behaupten zu können.
Um zu verstehen, warum eine ganzheitliche Optimierung unter Verwendung von Strategien und Konzepten aus
den Bereichen Usability, User Experience und Conversion-Optimierung Sinn macht, gilt es zunächst, die einzelnen
Bereiche abzugrenzen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil unterschiedliche Vorstellungen zu den einzelnen Be-
griffen existieren.
Usability Usability-Optimierung wird fälschlicherweise oft mit dem Thema Usability-
Testing verwechselt oder im Hinblick auf Webauftritte mit Begriffen wie „User
Experience“ oder „Benutzerfreundlichkeit“ gleichgesetzt. Die korrekte deut-
sche Übersetzung lautet jedoch „Gebrauchstauglichkeit“, oder – bezogen auf
Internetseiten – „Bedienbarkeit“. Usability steht für die Erwartungen der Nut-
zer an die Struktur, den Aufbau und die Navigation.
Finden Besucher Website- oder Shop-Funktionen nicht an den Stellen, an
denen sie sie erwarten, kann es vorkommen, dass der Bestellprozess abge-
brochen oder die Website verlassen wird. Dies kann sich nicht nur kurzfris-
tig negativ auf das eigene Business auswirken, sondern auch langfristig dem
Image schaden.
Eine optimale und standardkonforme Usability stellt daher die wichtigste Basis
für den Erfolg eines Online-Shops dar. Während grobe Usability-Fehler (Feh-
ler, die Nutzer daran hindern, eine bestimmte Aktion durchzuführen oder be-
stimmte Informationen zu finden) relativ schnell im Entwicklungs- und Kon-
zeptionsprozess gefunden werden, bleiben kleinere Usability-Probleme häufig
unbeachtet. Ein Fehler, vor allem vor dem Hintergrund, dass sie zwar nicht
unmittelbar zum Abbruch führen, aber unbewusst unangenehm während des
Shopping-Erlebnisses mitschwingen. Sie können sich dadurch negativ auf den
Kaufentscheidungsprozess und damit auf die Conversionrate auswirken.
User Experience Die deutsche Definition von User Experience ist etwas holprig: „Wahrneh-
mungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der
erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleis-
tung resultieren“.
Während die Usability unmittelbar während der Benutzung stattfindet,
schließt die User Experience auch sämtliche Emotionen, Vorstellungen, Vor-
lieben, Wahrnehmungen, physiologischen und psychologischen Reaktionen,
Verhaltensweisen und Leistungen ein, die sich vor, während und nach der
Nutzung ergeben.
Usability stellt also einen Teil der User Experience dar. Zusätzlich spielen hier
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3. „Look“ (Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Harmonie und Stimmung) und „Feel“ (Joy of
Use, Interaktion und Reaktion) eine entscheidende Rolle. Während eine gute Usa-
bility die Basis für ein Online-Business ist und sich mittlerweile oft an Usability-
Standards orientiert, ist eine außergewöhnliche User Experience sowohl ein Mittel
zur Differenzierung vom Wettbewerb als auch ein Umsatztreiber. Eine gute User
Experience (UX) führt dazu, dass das Shoppen auf einer Plattform Spaß macht.
UX wirkt sich stark auf den emotionalen Zustand eines Kaufinteressenten aus.
Ein Beispiel hierfür ist die Produktpräsentation, die einen wesentlichen Conver-
sionfaktor darstellt. Diese muss, wie die UX, auf allen Ebenen eines Shops auf
die Zielgruppe zugeschnitten sein. Wollen Shop-Betreiber z.B. Frauen ansprechen,
muss die Produktpräsentation sehr emotional-visuell ausgerichtet sein und ein
Stöbern ermöglichen. Ein Beispiel für eine gute Umsetzung ist hier die unübliche,
aber sehr erfolgreiche Produktinszenierung von Tchibo. Alle Artikel einer Wochen-
welt werden auf einer einzigen Seite eingestreut. Die Produkte werden sowohl in
emotionaler Umgebung als auch freigestellt gezeigt. Wollen Shop-Betreiber da-
gegen Männer ansprechen, spielen Findability und Vergleichbarkeit sowie Infor-
mationen und Daten eine große Rolle.
Conversionrate-Optimierung (CRO) Die Conversion-Optimierung hat zum Ziel, Besucher zum Kauf oder zu einer
bestimmten Handlung zu bewegen. Während sich User Experience-Engineers
als „Anwalt des Besuchers“ sehen und versuchen, für den Kunden ein optimales
Shopping-Erlebnis zu entwickeln und dessen Besuch möglichst transparent zu
gestalten, besteht die Aufgabe klassischer Conversion-Optimierer darin, den po-
tenziellen Kunden durch bestimmte Maßnahmen möglichst beim ersten Besuch
des Shops zum Kauf zu verführen. Die Conversionrate-Optimierung misst den Er-
folg von Maßnahmen in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Conversionrate,
Umsatz, Warenkorbwert oder Wiederkäuferrate. Manche Conversion-Optimierer
beschränken sich sogar nur auf die Conversionrate und damit auf den schnellen
Sale. Nutzerbedürfnisse spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle.
Die Conversionrate-Optimierung bedient sich an Erkenntnissen, Methoden und
Maßnahmen aus der Werbeforschung, dem klassischen Marketing und aus der
aktuellen Hirnforschung. Potenziale werden zumeist mit Hilfe von Webanalyse-
Daten und Review-Modellen, wie z.B. dem List-Modell von Wider Funnel, identi-
fiziert. Conversion Optimierung ist kein Projekt, sondern sollte als kontinuierlicher
Prozess definiert werden.
Warum zusammen? Wie schon in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, hat die getrennte
Optimierung von Conversionrates und Usability bzw. User Experience Nachteile.
Es gibt viele Beispiele, anhand derer man die Relevanz des Zusammenspiels von
Usability- und Conversionrate-Optimierung aufzeigen kann. Besonders deutlich
wird dies jedoch am Beispiel der Optimierung von internen Suchergebnis- und
Kategorienseiten. Aus Sicht der Usability sollten diese Seiten die für den Besucher
relevantesten Inhalte enthalten. Diese Inhalte sind aber nicht immer diejenigen,
die die beste Conversionrate, den größten Umsatz oder den höchsten Waren-
korbwert zur Folge haben. Aus Sicht der Marketing-Optimierer ist aber genau die
Optimierung dieser KPIs das Ziel.
Das Einbeziehen von User Experience-Kriterien in den Conversionrate-Optimie-
rungsprozess hat unter anderem folgende Vorteile und Einflüsse auf die Conver-
sionrate:
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4. 1. Beachtung der Customer Journey
Conversionrate-Optimierer, die klassisch vorgehen, setzen den Fokus oft auf
die schnelle Conversion. In der Realität dauert der Kaufentscheidungsprozess
meist länger. Gerade vor dem Kauf komplexer oder teurer Produkte finden
mehrere Besuche statt. Bei diesen Besuchern, die noch nicht am Ende der
Customer Journey stehen, sondern sich noch mitten in der Explorations und –
Evaluierungsphase des Kaufentscheidungsprozesses befinden, spielt die User
Experience in Form einer gut visualisierten Produktpräsentation und Informa-
tionsaufbereitung eine entscheidende Rolle.
2. Retourenmanagement
Liegt der Schwerpunkt zu sehr auf schnellen Abschlüssen und hohen Con-
versions, kann dies negative Auswirkungen auf den Gewinn haben. Dies pas-
siert dann, wenn Besucher Produkte kaufen, ohne sich eingehend mit ihnen
beschäftigt zu haben und durch hohe Retourenquoten die Kosten nach oben
treiben. Eine optimierte User Experience, bei der der Schwerpunkt auf der
Produktpräsentation liegt, kann hier Abhilfe schaffen.
3. Unsicherheit und Ablenkung
Usability-Probleme und eine schlechte User Experience wirken sich – auch
unterbewusst – auf das Kauferlebnis aus und können damit den Kaufent-
scheidungsprozess und letztendlich die Conversion negativ beieinflussen.
4. Call-to-Action
Call-to-Action-Elemente anmieren zum Kauf und dienen gleichzeitig als Ori-
entierungshilfe für den nächsten Schritt (UX).
Wie Umsetzen? Aber wie lassen sich nun die erläuterten Themen in einem sinnvollen Opti-
Ein einfaches Vorgehensmodell mierungsprozess abbilden? Das folgende Modell zeigt eine mögliche Vorge-
hensweise, bei der die einzelnen Schritte und Methoden je nach Projektstadi-
um (Pre- oder Postlaunch) und Umfang der Maßnahmen modular angepasst
werden können.
1. Analysephase und Ermittlung der Bedürfnisse der Zielgruppe
2. Konzeption und Umsetzung mit Validierung der Zwischenschritte
3. Validierung mit Tests in der Live-Umgebung
1. Analysephase und Ermittlung der Bedürfnisse der Zielgruppe
In klassischen Optimierungsprozessen der Conversionrate oder des Umsatzes
beschränkt sich die Analysephase häufig auf qualitative und quantitative Un-
tersuchungen, die meist – angeblich aus Kostengründen – die Kunden nicht
wirklich einbeziehen. Beispiele hierfür sind die explorative Webanalyse, Ex-
pertenreviews oder Modelle, wie das Lift-Modell von Wider-Funnel.
Analysen dieser Art sind sehr wichtig, wirklich Zeit sparen und treffgenau
optimieren können Shop-Betreiber jedoch nur, wenn sie die Zielgruppe di-
rekt befragen. Dies muss nicht zwingend das klassische Usability-Interview
im Labor sein. Hinweise auf Schwachstellen und Potenziale können Anwender
auch durch den Einsatz von Online-Befragungstools wie z.B. KissInsights oder
Survey erhalten. Zusätzlich bietet der sogenannte „Schwiegermuttertest“
(Personen aus der Umgebung und aus Offline-Stores werden befragt und be-
werten die Konzepte) eine optimale Möglichkeit, um Kundenbedürfnisse zu
ermitteln und sich inspirieren zu lassen.
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5. Sehr hilfreich können auch Heatmaps sein, mit denen Shop-Betreiber erken-
nen, welche Seitenelemente Aufmerksamkeit erregen oder aber keine Beach-
tung finden.
Anwender sollten grundsätzlich versuchen, die Erkenntnisse der verschiede-
nen Analyse- und Erhebungsmethoden abzugleichen. Zusätzlich ist es wich-
tig, Webanalyse KPIs wie Absprung- und Ausstiegsraten, PIs und Conversi-
onrates zur Priorisierung der umzusetzenden Optimierungs-Maßnahmen
heranzuziehen.
Empfohlene Methoden und Tools
Methoden
• Explorative-Webanalyse
• Optimierungsmodelle, wie z.B. L.I.F.T. oder „Sieben Stufen der Conversion“
• Zielgruppen-Interviews
• „Feldforschung“
• Cardsort
• Mental Model
• Benchmarks
Online-Befragung
• KissInsights
• Adobe Omniture Survey
• Kampyle
Quantitative Messung der User Experience
• Clicktale
• Crazy-Egg
• M-Pathy
2. Konzeption und Umsetzung mit Validierung der Zwischenschritte
Konzeptions- und Umsetzunsgprozesse laufen auch im Online-Business meist
nach dem Wasserfall-Modell ab. Jede Phase (Strategie, Grobkonzeption, Wire-
framing, Design und Programmierung) findet dabei im Anschluss an die voran-
gegangene statt. Änderungen, die z.B. durch Fehler in der Usability oder auch in
der Logik verursacht werden, bedingen hohe Aufwände, da alle Schritte jeweils
aufs Neue durchlaufen werden müssen.
Moderne Prozesse, die sich stärker an den Nutzerbedürfnissen orientieren und
agiler sind, vermeiden die Enstehung dieser hohen Kostenblöcke schon in der
Konzeptionsphase. Jeder Fehler, der bereits vor der Umsetzung des Konzepts in
Design und Programmierung gefunden wird, spart Kosten.
Aber wie kann nun ein höheres Qualitätsniveau der Konzepte und Testvariationen
erreicht werden? Zum einen, indem im Vorfeld schon detailliert die Bedürfnis-
se von Nutzern und vom Shop-Marketing erfasst werden, zum anderen, indem
sehr früh im Konzeptionsprozess mit sogenannten Wireframes und funktionalen
Click-Dummies gearbeitet wird. Das sind funktionale Prototypen, die bereits in
der Konzeptionsphase mit qualitativen Nutzertests validiert werden können.
Der Vorteil: Im Vergleich zum üblichen Projektvorgehen, das meist unflexibel
und aus dem Bauch heraus stattfindet, werden Konzepte oder Testvariatio-
nen wesentlich treffgenauer und auf einem deutlich höheren Qualitäts- und
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6. Conversionniveau gelauncht. Zudem werden Kosten gespart, da im Nachinein we-
niger Scheifen gedreht werden müssen.
Empfohlene Methoden und Tools
• User Centered Design
• Wireframing
• Click-Dummies
• Personas
• Use Cases
3. Validierung mit Tests in der Live-Umgebung
Usability-Tests und qualitative Zielgruppenbefragungen können Antworten lie-
fern, warum Besuche abgebrochen werden und aus welchen Gründen manche
Dinge gut funktionieren und andere schlecht.
Ohne eine quantitative Validierung der Optimierungsmaßnahmen auf einem Live-
System unter normalen Bedingungen können jedoch keine endgültigen Aussagen
über das „was“ (welche Variante, welche Optimierungsidee) und das „wieviel“
(quantitativ gemessene Verbesserung) getroffen werden.
Daher sollte grundsätzlich jede Optimierungsmaßnahme mittels A/B- oder Multi-
variaten-Tests validiert werden. Dies hat mehrere Vorteile:
• Anwender können den Uplift der als Conversionziele definierten KPIs unabhän-
gig von äußeren Einflüssen genau quantifizieren. Eine Betrachtung mit Hilfe von
Webanalyse-Daten unterliegt immer einer Beeinflussung von zeitlichen Faktoren,
wie z.B. der Änderung der Traffic-Qualität oder saisonalen Einflüssen auf Kaufent-
scheidungsprozesse.
• Letztendlich entscheiden Besucher und Kunden, welche Variante am besten
funktioniert. Dadurch werden lange interne Diskussionen vermieden und der rich-
tige Schritt hin zu einer modernen „Data-Driven-Company“ ist gemacht.
Der Erfolg von Optimierungsmaßnahmen kommt dann voll zum Tragen, wenn Op-
timierung als iterativer Prozess dauerhaft im Unternehmen verankert wird.
Empfohlene Methoden und Tools
• Quantitive A/B/N-Tests
• Quantitative multivariate Tests
• Semiquantitative Online-Umfragen
Empfohlene Testing-Tools
• Google-Website-Optimizer
• Visual-Website-Optimizer
• Adobe Omniture Test&Target
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7. Informationen zum Autor:
Anian Leistner arbeitet als Senior Web Business Consultant für
TOMORROW FOCUS Technologies (TFT), eine der führenden Technik-
und Kreativagenturen für webbasierte IT-Lösungen. Als Experte für
E-Commerce Optimierung kümmert er sich erfolgreich um die Steigerung
von Umsatz und Conversion von Online-Shops und -Portalen.
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