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01_Titel 21.05.12 09:21 Seite 1




                Jahresbericht 2011

               Unsere weltweite Arbeit
02-03_Inhaltsverzeichnis_ 21.05.12 16:27 Seite 2




    2




                                                   Caritasinternational Jahresbericht 2011
02-03_Inhaltsverzeichnis_ 21.05.12 16:27 Seite 3




                                            Inhalt                                                           3




                                            Vorwort Zum Geleit                                           4


                                            Katastrophenhilfe

                                            Ostafrika Wasser heißt Leben                                 8
                                            Japan Wie ein Auszug aus der Apokalypse                     12
                                            Arabische Welt Zwischen die Fronten geraten                 16


                                            Soziale Arbeit weltweit


                                            Kenia Endlich Luft zum Atmen                                18
                                            Indonesien „Wir leben wie in einer Familie“                 20
                                            Kuba & Ukraine „30 Grad plus – 30 Grad minus“               22


                                            Wir über uns


                                            Caritas international Teil der weltweiten Caritas-Familie   24
                                            Aktivitäten der Caritas Aktionen in Deutschland             26
                                            Standards & Konzepte Das Soziale in der Architektur         30
                                            Aktiv werden Gemeinsam mehr erreichen!                      32
                                            Der Verband Die Organe des Deutschen Caritasverbandes       34


                                            Zahlen und Fakten


                                            Spendengelder Wir sagen Danke                               36
                                            Geleistete Hilfen I Nach Arbeitsbereichen und Förderern     37
                                            Geleistete Hilfen II Nach Ländern und Kontinenten           38
                                            Bilanz I Kosten-Erlös-Rechnung                              40
                                            Bilanz II Verwaltungs- und Werbekosten                      42
                                            Impressum                                                   43




              Caritasinternational Jahresbericht 2011
04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 1




    4                              Vorwort
                                  Zum Geleit




                        Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde und Förderer von Caritas international,

                        das Jahr 2011 hat einen traurigen und für die betroffenen Menschen schrecklichen Trend bestä-
                        tigt: Die Zahl der Katastrophen nimmt weltweit seit Jahren zu. Der Rückblick auf die vergange-
                        nen zwölf Monate – wie wir ihn unten auch bildlich darstellen – macht dabei deutlich, dass die
                        Naturkatastrophen durch menschliche Fehler und gesellschaftliche Fehlentwicklungen in ihren
                        Wirkungen noch verstärkt werden.
                            Die schweren Überschwemmungen in Asien und Mittelamerika wie auch die Dürren in Ostafrika
                        stehen – wenn auch nicht im Einzelnen nachweisbar – in ihrer Häufung in Zusammenhang mit dem
                        weltweiten Klimawandel. Bürgerkriege, Armut und Misswirtschaft tun ein Übriges, um eine schwie-
                        rige Situation erst zu einer Katastrophe werden zu lassen. Die Katastrophe in Japan am 11. März
                        2011 mit dem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami hat 20.000 Menschen das Leben ge-
                        kostet. Der durch die Flutwelle ausgelöste atomare GAU – der größte anzunehmende Unfall – und
                        die Verseuchung ganzer Landstriche haben die Katastrophe auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch
                        hier hat unverantwortliches menschliches Handeln die Not der Betroffenen verschlimmert.




        DAS JAHR 2011 IN BILDERN
                       Rückkehr in den                                                                                 Die dreifache
                       Südsudan:                                                                                       Katastrophe:
                       Caritas hilft den Men-                                                                       Beben, Tsunami,
                       schen, nach dem Krieg                                                                        Atom-GAU. Viele
                       wieder Fuß zu fassen.                                                                     Menschen im Nord-
                       Nach der Gründung                                                                        osten Japans stehen
                       des neuen Staates                                                                             vor dem Nichts.
                       hoffen viele Rückkeh-                                                                    Sie benötigen mate-
                       rer auf einen friedli-                                                                     rielle und psycho-
                       chen Neuanfang.                                                                                  soziale Hilfe.


   Januar                                                                                                                                März
                                                    Februar
                                                                           Zwischen die
                                                                           Fronten geraten:
                                                                           Migrantinnen und
                                                                           Migranten fliehen
                                                                           vor den Kämpfen
                                                                           zwischen Militär und
                                                                           Demokratiebewegung
                                                                           in arabischen Staaten.
                                                                           Caritas international
                                                                           unterstützt sie in den
                                                                           Flüchtlingslagern der
                                                                           Nachbarstaaten.




                        Vorwort                                                                               Caritasinternational Jahresbericht 2011
04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 2




                                                                                                                                                         5




                                              Japan hat lange Erfahrung mit Erdbeben und Tsunamis; die Katastrophenvorsorge und die
                                          Warnsysteme sind gut ausgebaut, die Katastrophenhilfe gilt als vorbildlich. Und Japan ist ein
                                          Industriestaat. Warum also sollte Caritas international als Hilfswerk des Deutschen Caritasver-
                                          bandes in einem so reichen Land helfen? Die Antwort haben Sie, die Spenderinnen und Spen-
                                          der, gegeben: Wir helfen dort, wo Hilfe benötigt wird – und die von den Katastrophen Betroffe-
                                          nen in Japan hatten und haben Hilfe nötig. Denn auch in Industrieländern, das wissen wir aus
                                          eigener Erfahrung, haben nicht alle Menschen teil am gesellschaftlichen Reichtum. Und genau
                                          hier setzt die deutsche Caritas an: bei den Menschen, die besonders betroffen sind von Kata-
                                          strophen, von Krisen oder auch von den Ungerechtigkeiten des Alltags. Die Schwächsten zu
                                          stärken – das ist ein Grundsatz unserer Arbeit.
                                              Eine weitere Frage wird uns immer wieder gestellt: Warum macht ihr – als ein katholisches
                                          Hilfswerk – in eurer Hilfe keinen Unterschied zwischen Christen, Muslimen, Buddhisten oder Hin-
                                          dus? Warum helft ihr auch dort, wo es kaum Christen gibt: in Japan, in der arabischen Welt, in
                                          Somalia oder in Afghanistan? Die Antwort erschließt sich aus unserem biblischen und kirchlichen
                                          Selbstverständnis, aus den Prinzipien unserer Caritas-Arbeit. Caritas international gewährt   >>




                                                                                    Neue Hoffnung in
                                                                                    Zentralafrika:
                                                                                    Noch herrscht kein
                                                                                    Friede im Kongo. Die
                                                                                    Fortschritte im Frie-
                                                                                    densprozess, bei der
                                                                                    Demokratisierung und
                                                                                    der wirtschaftlichen
                                                                                    Entwicklung sind je-
                                                                                    doch sichtbar.


                                                                       Mai
         April                                                                                                                                    Juni
                           Bleiben, wenn                                                                                            Dialog der
                           das Militär geht:                                                                             Religionen im Irak:
                           In Afghanistan berei-                                                                     Vertreter aller Religionen
                           ten sich die interna-                                                                         treffen sich, um über
                           tionalen Truppen auf                                                                       Wege aus der Gewaltspi-
                           ihren Abzug vor.                                                                            rale zu reden. Zu Gast:
                           Das Hilfswerk der                                                                           Caritas-Präsident Peter
                           deutschen Caritas                                                                             Neher und Erzbischof
                           wird auch dann vor                                                                        Ludwig Schick, Vorsitzen-
                           Ort bleiben.                                                                                    der der Kommission
                                                                                                                     Weltkirche der Deutschen
                                                                                                                            Bischofskonferenz.




             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                                                  Vorwort
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    6                              Vorwort
                                  Zum Geleit




                        >> Hilfe und Schutz ohne Ansehen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Staatsangehörigkeit
                        oder politischer Überzeugung. Denn die von Gott geschenkte Würde kommt jedem Menschen
                        zu. Über die Notwendigkeit der Hilfe entscheidet ausschließlich die Bedürftigkeit der Betroffenen.
                            Caritas international arbeitet auch dort, wo der „natürliche“ Partner, die lokale Caritas, nur
                        sehr klein ist, streng nach dem Partnerprinzip. Die Nothilfe, der Wiederaufbau und auch die lang-
                        fristige soziale Arbeit werden immer in Kooperation mit lokalen und nationalen Organisationen
                        umgesetzt, die mit den Bedingungen vor Ort vertraut sind und die entsprechend schnell und ef-
                        fektiv helfen können. Dieses Prinzip zahlt sich aus. In Somalia etwa arbeitet Caritas international
                        seit vielen Jahren mit einer lokalen Hilfsorganisation zusammen. So konnte das Hilfswerk der
                        deutschen Caritas als eine von wenigen Organisationen in dem von Dürre und Bürgerkrieg
                        gebeutelten Land Nothilfe leisten.
                            Auch in Japan haben wir neben der Caritas unserer katholischen Kirche einen Partner mit
                        mehr als 30 Jahren internationaler Erfahrung in der Not- und Katastrophenhilfe sowie in der Be-
                        hindertenhilfe. In ihren ganz ähnlichen Zielen und Arbeitsansätzen ist diese Organisation ein idea-
                        ler Partner für Caritas international.




        DAS JAHR 2011 IN BILDERN
                                                                              Fluten erschweren
                                                                              Wiederaufbau:
                                                                              Ein Jahr nach der
                                                                              Jahrhundertflut stehen
                                                                              wieder weite Teile Pa-
                                                                              kistans unter Wasser.
                                                                              Mit dem Bau von Däm-
                                                                              men und Kanalsyste-
                                                                              men zielt die Caritas
                                                                              auf langfristige Ver-
                                                                              besserung der Lage.


                                                       August
            Juli                                                                                                          September
                        Schwere Dürre                                                                                     Friedensarbeit
                        in Ostafrika:                                                                                      in Kolumbien:
                        Somalia, Äthiopien,                                                                         Der Konflikt zwischen
                        Kenia und andere                                                                            Regierung und Rebel-
                        Länder am Horn von                                                                         len wird weiterhin ge-
                        Afrika leiden unter                                                                         waltsam ausgetragen.
                        einer langen Dürre.                                                                          Caritas international
                        Neben der akuten                                                                                sucht mit lokalen
                        Hilfe bedarf es nach-                                                                       Partnern nach friedli-
                        haltiger Projekte zur                                                                                 chen Wegen.
                        Verbesserung des
                        Wassermanagements.




                        Vorwort                                                                                  Caritasinternational Jahresbericht 2011
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                                                                                                                                        7




                                     Solche internationalen Partner-
                                     schaften lassen sich nur aufrecht-
                                     erhalten auf einem klaren christ-
                                     lichen Fundament und durch eine
                                     starke Basis im eigenen Land, die
                                     Sie alle gemeinsam bilden, die
                                     Unterstützer und Partner, die
                                     Spenderinnen und Spender.
                                     Ihrer Hilfe und Ihrem Engagement
                                     verdanken wir es, dass wir erfolg-
                                     reich und nachhaltig helfen und
                                     so etwas von Gottes Menschen-
                                     freundlichkeit sichtbar machen
                                     können. Dafür danken wir Ihnen      Prälat Dr. Peter Neher    Dr. Oliver Müller
                                                                          Präsident des Deutschen   Leiter Caritas international
                                     an dieser Stelle sehr herzlich!      Caritasverbandes




                                                                                                                  Winterhilfe nach
                                                                                                                    dem Erdbeben:
                                                                                                                Im Osten der Türkei
                          Überschwemmungen                                                                     leiden die Menschen
                          in Südostasien:                                                                     nach einem schweren
                          Caritas leistet in Thai-                                                           Beben auch unter dem
                          land, Vietnam und                                                                       frühen Winterein-
                          Kambodscha Nothilfe.                                                                 bruch. Caritas inter-
                          Langfristige Projekte                                                                     national und die
                          helfen bei der Kata-                                                               Partner vor Ort helfen
                          strophenvorsorge.                                                                   mit Decken und Öfen.


 Oktober                                                                                                                  Dezember
                                                            November
                                                                           Die Folgen des
                                                                           Klimawandels:
                                                                           In Südafrika sucht die
                                                                           Klimakonferenz nach
                                                                           politischer Einigung
                                                                           im Kampf gegen den
                                                                           Klimawandel. Caritas
                                                                           international begeg-
                                                                           net dem Wandel mit
                                                                           Projekten zur Kata-
                                                                           strophenvorsorge –
                                                                           wie hier in Bolivien.




             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                                          Vorwort
08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:33 Seite 8




    8                             Katastrophenhilfe         Soziale Arbeit weltweit          Wir über uns                Zahlen und Fakten
                                  Ostafrika




                             Wasser heißt Leben
                             Millionen Menschen waren von der Dürrekatastrophe am Horn von Afrika betroffen.
                             Durch gezielte Katastrophenvorsorge in Kenia und Äthiopien konnten viele Men-
                             schenleben gerettet werden. Auch mithilfe von Caritas international.



                             D    rei lange Jahre lang hat es hier nicht mehr gereg-
                                  net. Von Feldern oder Weiden kann längst nicht
                             mehr die Rede sein. Das Vieh zieht über steinharte
                                                                                       kann Gumato erstmals seit langem wieder lachen,
                                                                                       ihre fünf Kinder essen nebenan. „Mit dem gelieferten
                                                                                       Wasser habe ich als Allererstes etwas für die Kleinen
                             Böden, auf denen kein Halm mehr wächst. Yaa               gekocht. Ich hatte zwar noch Bohnen und Mais,
                             Odola liegt im völlig ausgedörrten Norden Kenias. Die     konnte aber nicht kochen“, erzählt sie. Zuvor habe
                             nächstgelegene Wasserstelle ist 65 Kilometer ent-         sie manchmal für zehn Tage nur 20 Liter Wasser ge-
                             fernt. Eine Distanz, die selbst die Kamele nicht mehr     habt – für die ganze Familie. Durch die Unterstützung
                             bewältigen können.                                        der Caritas stehen den sieben Familienmitgliedern
                                 Wie viele andere hat daher auch die Familie von       jetzt 200 Liter zur Verfügung. Die werden auch mit
                             Gumato Chachu zahlreiche Kamele verloren – ihnen          den Tieren geteilt. „Ohne Kamele können wir nicht
                             fehlt nun die überlebenswichtige Milch der Tiere.         überleben“, sagen die Bewohner von Yaa Odola bei
                             „Unsere Lage ist wirklich sehr schlimm“, sagt die 27-     der „Kora“, der Dorfversammlung. Schon in zwei
                             jährige Frau. Doch an diesem Tag im August 2011           Tagen wird der Wassertank erneut befüllt. Die lokale




    Genug auch für die Trockenzeit
    Wasserrückhaltesysteme wie hier in
    Äthiopien versorgen ganze Regionen.
    Caritas international hilft beim Bau.




                             Katastrophenhilfe Ostafrika                                                       Caritasinternational Jahresbericht 2011
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                                                                                  Sudan

                                                                                                        Äthiopien
                                                                                      Südsudan


                                                                                                                  Somalia
                                                                           Dem. Rep. Kongo




                                                                                                                                             stepmap.de
                                                                                             Uganda   Kenia
             10 Millionen Menschen benötigten Hilfe von außen                                                                                             9
                                                                                                              2
                                                                           3 Staaten: zusammen 2.3 Mio. km groß, 130 Mio. Einwohner




             Caritas-Partnerorganisation „Pacida“ versorgt so         tel zu den Bedürftigen zu bringen, und an Sicherheit
             noch weitere besonders von der Dürre gefährdete          für die Hilfsorganisationen. Anhaltende Kämpfe und
             Gemeinden mit Wasser. „Drei Lastwagen fahren jetzt       Gewalt gegen Zivilisten machten es vielen Menschen
             nonstop“, sagt Pacida-Leiter Wario Guyo Adhe, „um        schwer, sicher über die Grenzen in die Flüchtlingsla-
             das nötige Wasser anzuliefern.“ Auf diese Weise kön-     ger zu gelangen.
             nen in diesen besonders schwierigen Monaten im                Caritas international gehört zu den wenigen
             Sommer 2011 rund 1.330 Familien – etwa 8.000             Hilfsorganisationen, die in Somalia trotz der
             Menschen – regelmäßig mit sauberem Trinkwasser           schwierigen Bedingungen helfen können.
             versorgt werden. „Langfristig“, betont Wario Guyo        Mithilfe der lokalen Hilfsorganisation Da-
             Adhe, „wird es aber notwendig sein,                                  ryeel Bulsho Guud (= Hilfe für
             mehr Brunnen zu bohren, denn die Zahl         „Wir brauchen          alle), die seit 1992 von Caritas
             der Dürren nimmt stetig zu.“                  mehr Brunnen,          international und der Diakonie
                  Diese Beobachtung wird von Wis-                                 Katastrophenhilfe unterstützt
                                                           denn die Zahl
             senschaftlern bestätigt. Als Grund für                               wird, konnten Bedürftige sowohl
                                                           der Dürren
             die Dürre gilt La Niña. Dieses großräu-                              in den vom Staat als auch in
             mige klimatische Phänomen über dem            nimmt stetig zu.“ den von den Al-Shabab-Mi-
             Pazifik sorgt immer wieder dafür, dass                               lizen kontrollierten Gebie-
             Niederschläge in der Region ganz oder teilweise aus-     ten unterstützt werden. Lebensmit-
             fallen. Der Klimawandel verstärkt dieses natürliche      tel und Trinkwasser wurden verteilt,
             Ereignis, das von Meeresströmungen verursacht            Tiefbrunnen gebohrt und Wasser-
             wird. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit       speicher errichtet. Bislang bleiben
             1960 ist die Durchschnittstemperatur am Horn von         derartige Maßnahmen zur Kata-
             Afrika um durchschnittlich zwei Grad angestiegen;        strophenvorsorge in Somalia je-
             die letzten acht Jahre waren die heißesten, die je auf-  doch die Ausnahme.
             gezeichnet wurden; die Regenfälle haben sich um                Wie sehr solche Programme
             insgesamt 25 Prozent verringert. Während Dürreperi-      die Not abfedern können, zeigt
             oden früher in Abständen von 25 bis 30 Jahren auf-       sich in den Nachbarländern.
             traten, kommt es mittlerweile in Abständen von vier      So gibt es in Äthiopien eine
             bis fünf Jahren zu Dürren.                               einigermaßen funktionierende
                  Wie im Norden Kenias ist diese Tendenz auch in      Vorsorge vor Dürrekatastro-
             vielen anderen Regionen am Horn von Afrika spür-         phen,                       >>
             bar. Caritas international und die lokalen Partner
             entwickeln lokal angepasste Strategien. Denn die
                                                                         > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN
             Futterknappheit hat verschiedene Ursachen. Vieler-
             orts halten etwa Viehzüchter Rinder, Ziegen, Schafe          Die Dürre und die Hungersnot in Ostafrika haben viele
             und Kamele in zu großer Zahl, weil diese als Status-         Menschen in Deutschland zum Spenden bewegt. Gut
             symbole gelten. Doch die Tiere fressen ganze Wei-            12,3 Millionen Euro gingen 2011 allein beim Hilfs-
             deflächen kahl und zerstören die Bodenstruktur.              werk der deutschen Caritas für die Ostafrika-Hilfe ein.
             Mittels Beratung und durch das Angebot alternati-            Etwa 2,2 Millionen Euro verwendete Caritas interna-
             ver Einkommensquellen etwa durch Ackerbau soll               tional für die Nothilfe sowie erste Maßnahmen zur
             die Zahl der Tiere langfristig verringert werden.            Dürreprävention, im Wassermanagement und bei der
                                                                          Verbreitung dürreresistenten Saatguts. Diese nach-
                  Die schlimmsten Folgen hatte die Dürre für die
                                                                          haltige Hilfe kann aufgrund des hohen Spendenauf-
             Menschen in Somalia. Hier flohen die Menschen al-
                                                                          kommens in den kommenden Jahren fortgesetzt
             lerdings zuerst vor dem Bürgerkrieg, der das Land            werden. Sie ist nicht nur effektiv, sondern auch ver-
             seit vielen Jahren aufzehrt. Weil es seit vielen Jah-        gleichsweise günstig: Mit umgerechnet nur zwei
             ren keinen funktionierenden Staat mehr gibt, fehlte          Euro kann so einem Menschen einen ganzen Monat
             es – als die Ernten aufgrund der Dürre ganz oder zum         lang Zugang zu Trinkwasser verschafft werden.
             Teil ausfielen – an Transportmitteln, um Nahrungsmit-


             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                                 Katastrophenhilfe Ostafrika
08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:34 Seite 10




    10                       Katastrophenhilfe             Soziale Arbeit weltweit             Wir über uns                    Zahlen und Fakten
                            Ostafrika




                                                                                                              Praktische Hilfe zur Selbsthilfe
                                                                                                              Die Programme bringen Arbeit, Einkom-
                                                                                                              men – und ein Wasserrückhaltebecken.



                        >> die gemeinsam von Staat und Hilfsorganisatio-                 milie in Äthiopien für eine Pflanzzeit mit Saatgut aus-
                        nen über Jahre aufgebaut wurde. In mehreren Re-                  gestattet werden.
                        gionen finanziert das Hilfswerk der deutschen Cari-                    Zwar waren dennoch im Spätsommer 2011
                        tas den Bau von Brunnen, Wasserrückhaltebecken                   nach mehreren ausgefallenen Ernten insgesamt gut
                        und ganzen Bewässerungssystemen. Ziel ist es,                    zehn Millionen Menschen auf Hilfe von außen ange-
                        langfristig ein Netz der Wasserversorgung aufzu-                 wiesen, so dass auch die Caritas mit Trinkwasser
                        bauen, das auch lange Trockenzeiten überdauert.                  und Lebensmitteln helfen musste. Doch durch die
                        Der Bau einer Wasserrückhalteanlage kostet nur                   Vorsorgemaßnahmen konnte diesmal eine Hun-
                        rund 8.000 Euro und kann die umliegende Bevölke-                 gersnot mit vielen Tausend Toten, wie es sie zuvor
                        rung in Trockenzeiten bis zu sechs Monate lang mit               in Äthiopien schon mehrfach gab, verhindert wer-
                        Wasser versorgen.                                                den. Dieser Erfolg ist uns Ansporn, den Weg der
                            Ein anderer Schwerpunkt der Hilfen ist die Bereit-           langfristigen Hilfe und der Katastrophenprävention
                        stellung von dürreresistentem Saatgut, damit das Ge-             auch nach dem Ende der Hungersnot und auch in
                        treide nicht schon vor der Keimung verdorrt, wenn                anderen Ländern und Regionen weiterzugehen:
                        der Regen ausbleibt. Mit nur zehn Euro kann eine Fa-             nachhaltig, vorsorgend und mit langem Atem. n



                        VIELE WEGE – EIN ZWECK

                        Spendenaktionen für die Hilfe von Caritas international in Ostafrika

                        Die Not der Menschen in Ostafrika hat viele Menschen moti-       Die Sternstunden, die Benefizaktion des Bayeri-
                        viert, zu spenden oder Aktionen zu starten, um Spenden           schen Rundfunks, sammelten mit ihrer Sonderaktion
                        zu sammeln. Das ZDF rief während der Dürrekatastrophe zu         „Hungerhilfe Ostafrika“ insgesamt 15 Millionen Euro
                        Spenden für die Betroffenen in Ostafrika auf und richtete        Spenden. Mehr als 205.000 Euro gingen an Caritas
                        dazu ein Spendentelefon ein. Tausende Zuschauer melde-           international für die Arbeit am Horn von Afrika.
                        ten sich bei der Hotline, um die im Aktionsbündnis Kata-
                        strophenhilfe kooperierenden Hilfswerke – neben Caritas          Auch zahlreiche Gemeinden, Gruppen und Unterneh-
                        international das Deutsche Rote Kreuz, Unicef Deutschland        men unterstützten mit einfallsreichen Aktionen die
                           sowie die Diakonie Katastrophenhilfe – zu unterstützen.       Hilfe der Caritas. Besonders aktiv waren dabei Kin-
                                     1.781.950 Euro kamen dabei für die Hilfsmaß-        der und Jugendliche. An der Gemeinschaftsschule
                                      nahmen zusammen, das höchste jemals durch          Brakel etwa sprachen die Schülerinnen und Schüler
                                       eine Hotline erzielte Ergebnis für das Bünd-      im Unterricht über die Lage in Ostafrika und sammel-
                                       nis.. Für die Arbeit der vier Hilfswerke in Ja-   ten anschließend 1.000 Euro. Eine Kita in Friedberg
                                         pan erbrachten die Spenden über das ZDF-        verkaufte selbst gemachte Marmelade und Apfelsaft
                                          Spendentelefon weitere 1.181.483 Euro.         und spendete den Erlös in Höhe von 465 Euro.



                        Katastrophenhilfe Ostafrika                                                                  Caritasinternational Jahresbericht 2011
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                                                                         Mauretanien   Mali
                                                                                                Niger
                                                                                                         Tschad       Sudan




                                                                                                                                      stepmap.de
             Der Mensch lässt die Krisen zu Katastrophen werden                                                                                    11
                                                                           Sahelzone: 6.000 km lang, 150-800 km breit




                  Wann wird die Dürre zur Katastrophe?
                  Viele Organisationen erwarten eine Hungersnot im westlichen Sahel. Caritas interna-
                  tional leistet regional Hilfe, warnt aber vor Alarmismus. Langfristige Unterstützung,
                  keine Nahrungsmittelhilfen braucht die Region.

                  Die Hungersnot am Horn von Afrika dauerte            Überleben dazu wie die Wetterextreme: Entwe-
                  noch an, als bereits eine weitere drohende Hun-      der es regnet nicht oder der Regen flutet ganze
                  gerkatastrophe vermeldet wurde. Wieder waren         Landstriche. Das Wetter, wohl auch der Klima-
                  Bilder von ausgemergelten Böden und vertrock-        wandel, spielt eine wichtige Rolle.
                  neten Wasserlöchern in den Medien zu sehen.               Häufiger aber ist es der Mensch, der die Kri-
                  Im westlichen Sahel, in Mali, Niger,                                sen zur Katastrophe werden lässt.
                  Mauretanien, Burkina Faso, Senegal         Es herrscht              In Somalia war das der Bürgerkrieg.
                  und dem Tschad drohe Millionen von
                                                             keine Hungersnot Auch im Sahel verschärfen regio-
                  Menschen, so die Meldungen, Hun-                                    nale Konflikte wie die Tuareg-Rebel-
                                                             im Sahel. Der
                  ger oder gar der Hungertod.                                         lion die Lage. Gravierender noch ist
                      Es ist eine der wichtigsten Aufga-     Skandal ist die          im Sahel die chronische Armut der
                  ben der Hilfsorganisationen, rechtzei-     chronische               Bevölkerung, die die aktuellen Ern-
                  tig Alarm zu schlagen, wenn sich eine      Armut                    teausfälle erst zum großen Problem
                  Katastrophe anbahnt. Aber: Alarm-                                   macht. Es gibt in Westafrika genug
                  meldungen nutzen sich ab, wenn sie zu oft ohne       Nahrungsmittel, nur sind sie für viele Menschen
                  Not verbreitet werden. Orientierung geben die        viel zu teuer.
                  Kriterien der Vereinten Nationen, die mit gera-           Von einer aktuellen flächendeckenden Kata-
                  dezu unbarmherziger Nüchternheit festlegen,          strophe im Sahel können wir nicht reden. Der
                  wann eine Hungersnot ausgerufen wird: 1. Es          Skandal ist, dass die Krise der Normalfall ist.
                  sterben jeden Tag zwei von 10.000 Menschen,          Die Lebensbedingungen durch langfristige Maß-
                  2. 30 Prozent der Kinder sind unterernährt und       nahmen und Katastrophenprävention zu verbes-
                  3. mindestens 20 Prozent der Bevölkerung ha-         sern, das ist das Ziel von Caritas international. n
                  ben keinen Zugang zu 2100 Kilokalorien täglich.
                      Von solchen Zahlen ist Westafrika glückli-
                  cherweise weit entfernt. Bereits 2005, 2007 und
                  2009 gab es Ernteausfälle und Dürren in der Re-
                  gion. Das gehört für die Menschen im Sahel, so
                  traurig das ist, zum alltäglichen Kampf ums




             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                              Katastrophenhilfe Sahel
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    12                     Katastrophenhilfe     Soziale Arbeit weltweit    Wir über uns             Zahlen und Fakten
                           Japan




                       Wie ein Auszug
                       aus der Apokalypse
                       Die Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktorunfall zerstörte
                       am 11. März in Japan ganze Städte, forderte 20.000 Menschenleben und
                       machte über 100.000 von der Hilfe von außen abhängig. Der Wiederaufbau
                       wird Jahre dauern. Mit den Folgen des nuklearen Desasters in Fukushima aber
                       werden die Menschen noch über Generationen hinweg leben müssen.




                                                                                             Mahnmale der Naturgewalten
                                                                                             Eisenbahnwaggons, Lastwagen und
                                                                                             wie hier Schiffe schoben die Wellen
                                                                                             des Tsunami weit ins Landesinnere.




                       Katastrophenhilfe Japan                                             Caritasinternational Jahresbericht 2011
Russland




                                                               Nordkorea


Drei Katastrophen Beben, Tsunami, Atom-GAU                                                                                            13

                                                                                                    Fukushima

                                                               Südkorea
                                                                                         Japan
                                                                                                  Tokio




                                                                                                                         stepmap.de
                                                                Japan: 377.835 km2 groß, 128 Mio. Einwohner




E   s war nicht nur die größte und, mit Schäden in
    Höhe von 245 Milliarden Euro auch teuerste,
Naturkatastrophe seiner Geschichte, die Japan am
                                                            strophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktor-Unfall
                                                            forderte neben der Zerstörung zahlreicher Orte rund
                                                            20.000 Menschenleben und macht 100.000 Men-
11. März 2011 traf. Es waren drei Katastrophen auf ei-      schen über Jahre hinweg von der Hilfe von außen ab-
nen Schlag, drei Katastrophen Schlag auf Schlag. Die        hängig. Den Opfern der Katastrophe(n) half und hilft
eine löste die andere aus. Erst kam das Erdbeben.           Caritas international – in Kooperation mit den Partner-
Dann der Tsunami. Dann der Super-GAU. Ein Augen-            Organisationen Caritas Japan und Association for Aid
zeuge, der 79-jährige Keiko Kikuchi aus                               and Relief (AAR) –, von der Stunde 1 nach
der nordjapanischen Stadt Kesennuma,            „Erst kam das         der Katastrophe an. In der ersten Nothilfe-
drückt es so aus: „Zuerst kam das Was-          Wasser, dann          phase versorgte sie die Menschen mit Le-
ser. Dann kam das Feuer. Und dann war                                 bensmitteln, Decken, Heizgeräten, Medika-
                                                das Feuer. Es
da nur mehr Schutt und Asche, wo einst                                menten und notwendigen Haushaltswaren.
die große Stadt stand.“ Feuer? Richtig,
                                                blieben Schutt        Beim Wiederaufbau engagiert sich die Cari-
das kam in Kikuchis Heimatstadt Kesen-          und Asche.“           tas überall dort, wo die staatliche Versor-
numa auch noch dazu: Durch den Tsu-                                   gung Lücken hat, die auch in einem reichen
nami geriet dort ein Chemiewerk in Brand. Was sich          Land wie Japan existieren (s. Interview mit Caritasdi-
das Wasser nicht holen konnte, holte das Feuer, der         rektor Daisuke Narui, Seite 13). So wurden etwa in
größte Teil der Stadt ist zerstört. In anderen Küsten-      Kesennuma und Minami-Sanriku mit Unterstützung
städten war es alleine die gewaltige Flut, die ganze        von Caritas international zwei neue Behinderten-Ta-
Städte auslöschte. Etwa in Minami-Sanriku, einem            geszentren aufgebaut. Ebenso finanziert die Caritas
einst beschaulichen Küstenort mit 18.000 Einwoh-            Einrichtungen für alte Menschen und deren Betreu-
nern, 70 Kilometer südlich von Kesennuma.                   ung, organisiert Freizeiten für Kinder in den betroffe-
Das klingt wie ein Auszug aus der Apokalypse. Und in        nen Gebieten und hat in mehreren Städten Anlaufzen-
der Tat fühlen sich viele Menschen in Japan so, als         tren für Betroffene, Zentren niedrigschwelliger
hätten sie die Apokalypse erlebt. Die Dreifach-Kata-        Sozialarbeit, eingerichtet. Ein Schwerpunkt >>


   VIELE WEGE – EIN ZWECK

   Spendenaktionen für Japan
   Mehr als eine Million Euro kam bei der RTL-Spendenaktion zu Gunsten
   der Erdbeben- und Tsunamiopfer in Japan zusammen. Mit dem Geld
   unterstützte die Stiftung RTL – „Wir helfen Kindern“ Caritas
   international in der unmittelbaren Nothilfe und fördert be-
   troffene Kinder nachhaltig bei der Überwindung der lang-
   fristigen Folgen. So konnten in der ersten Phase der
   Nothilfe rund 27.000 Menschen in Notunterkünften
   versorgt werden. Sie erhielten unter anderem Lebens-
   mittel, Trinkwasser, Decken, Matten, Schlafsäcke und
   Hygieneartikel, Kinderwindeln und warme Kleidung.



Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                              Katastrophenhilfe Japan
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    14                     Katastrophenhilfe               Soziale Arbeit weltweit              Wir über uns                    Zahlen und Fakten
                           Japan




                                                                                                      Nothilfe nach dem Tsunami
                                                                                                      Mitarbeiter des Caritas-Partners AAR
                                                                                                      verteilen Lebensnotwendiges.


                       >> der Hilfe liegt in der psychosozialen Betreuung                Verstrahlung in der Region. Nachdem radioaktive Le-
                       der Opfer. Besonders bedrückend ist das Leben in                  bensmittel (Rindfleisch, Gemüse, Milch, Tee) in den
                       den Notunterkünften – Wohncontainern aus Metall, in               Handel gelangt waren, mieden die Japaner die Pro-
                       denen rund 100.000 Menschen auf 20 bis, je nach                   dukte aus den betroffenen Regionen. Kinder dürfen
                       Größe der Familie, maximal 40 Quadratmetern noch                  vielerorts nicht mehr im Freien spielen, um sich nicht
                       mindestens bis zum Jahr 2013 leben müssen.                        mit radioaktivem Material zu kontaminieren. Junge
                            Manche von ihnen müssen sich damit abfinden,                 Frauen haben Angst, keine gesunden Kinder mehr
                       vielleicht nie mehr in ihre Heimat zurückkehren zu                zur Welt bringen zu können. „Die jungen Leute aus
                       können: die Evakuierten aus der 20-Kilometer-Sperr-               der Region Fukushima ziehen weg, wenn sie nur
                       zone um das havarierte Kernkraftwerk Dai-Ichi bei                 können, und suchen sich anderswo Arbeit“, erklärt
                       Fukushima. Ihre Situation ist besonders deprimie-                 AAR-Helferin Natsuho Shoji. Die alten Menschen
                       rend. Es herrschen – nicht zuletzt bedingt durch                  bleiben alleine zurück. Es ist kein Zufall, dass in den
                       mangelhafte Informationspolitik – Angst und Verunsi-              Notunterkünften im Raum Fukushima vorwiegend
                       cherung über das wahre Ausmaß der radioaktiven                    alte Frauen und Männer leben. Die meisten von ihnen



                       CARITAS NETZWERK

                       Caritas Japan – Katastrophenhilfe im eigenen Land

                       Daisuke Narui, Direktor der Caritas Japan, er-           Können Sie konkrete Projekte nennen, in denen
                       klärt, warum humanitäre Hilfe auch in einem              sich dies auswirkt?
                       reichen Land notwendig ist und welche He-                Narui: Unsere Projekte gliedern sich in folgende
                       rausforderungen dies mit sich bringt.                    Bereiche auf: materielle Hilfe, Hilfe zur Verbes-
                                                                                serung der Lebensbedingungen, psychosoziale
                       Warum ist die Hilfe der Caritas in einem reichen         Betreuung, wirtschaftliche Wiederaufbauhilfe und
                          Land wie Japan überhaupt notwendig?                   Hilfe in Bereichen der Bildung. Dazu gibt es
                            Daisuke Narui: Weil die staatliche Hilfe Lücken –   zahlreiche Projekte. Direkt nach der Katastrophe
                             auch in diesem reichen Land – hat. Zum             haben wir zunächst in mehreren Pfarreien in
                             Beispiel überlässt die Regierung die psycho-       den Orten Kamaishi, Ishinomaki, Yonekawa und
                            soziale Betreuung der Opfer zum größten Teil        Shiogama Freiwilligenzentren aufgebaut und über
                           den Nichtregierungsorganisationen. Darum sieht       4.000 Freiwillige rekrutieren können. Diese Frei-
                            sich die Caritas in der Pflicht, sich überall dort   willigen haben geholfen, Schutt in den vom
                              zu engagieren, wo die Regierung nicht oder        Tsunami verwüsteten Gebieten wegzuräumen,
                                     nur ungenügend aktiv ist.                  den Opfern persönliche Gegenstände wie etwa



                       Katastrophenhilfe Japan                                                                        Caritasinternational Jahresbericht 2011
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             Fukushima ist auf Jahrzehnte unbewohnbar                                    > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN                              15

                                                                                         Nach der Katastrophe waren bei Caritas international
                                                                                         rund 6,7 Millionen Euro Spenden eingegangen. Das
                                                                                         Hilfswerk der deutschen Caritas hat davon 2,5 Mil-
                                                                                         lionen Euro für die Notversorgung der Bevölkerung
                                                                                         umgesetzt. 4,2 Millionen Euro sind für den Wieder-
                                                                                         aufbau von Kindergärten sowie Sozialeinrichtungen
                                                                                         für alte, kranke, obdachlose und behinderte Men-
                                                                                         schen umgesetzt oder verplant worden.
                                                                                         In den Katastrophenregionen arbeitet Caritas interna-
                                                                                         tional insbesondere mit den lokalen Partnern Caritas
                                                                                         Japan und AAR (Association for Aid and Relief) zusam-
                                                                                         men. Etwa 20.000 Menschen waren im März 2011 ums
                                                                                         Leben gekommen, 100.000 sind bis heute obdachlos.
                                                                                         Die Schäden der Dreifach-Katastrophe belaufen sich
                                                                                         geschätzt auf 245 Milliarden Euro. Sie ist damit die
                Nothilfe mit Selbstschutz
                gegen drohende Seuchen – und vor
                                                                                         teuerste Naturkatastrophe der Geschichte.
                allem gegen die Strahlung.


             teilen die Einstellung der 71-jährigen Toshiko Shiyoa
             aus Fukushima: „Ich will kein neues Leben mehr an-
             fangen. Mir macht es in meinem Alter auch nichts
             mehr aus, wenn ich in zehn oder 20 Jahren einmal
             Krebs bekomme.“
                  Fukushima bedeutet für die Hilfsorganisationen
             eine völlig neue Dimension. Bislang war die Phase
             des Wiederaufbaus nach schweren Katastrophen
             stets zeitlich abschätzbar. In Japan wird sie vor-
             aussichtlich noch drei, vielleicht vier Jahre dau-
             ern. „Fukushima aber“, glaubt Yukie Osa,
             die Präsidentin des Caritas-Partners
             AAR, „dürfte uns wohl eine ganze
             Generation lang beschäftigen.“ n




                                   Fotos zurückzubringen und die zerstörten
                                   Netze der Fischer zu flicken. Auf diese Weise
                                   haben sie zur betroffenen Bevölkerung ein
                                   gutes Verhältnis hergestellt, und dieses Ver-
                                   hältnis bildet die Basis für all unsere Aktivitäten       uns erst orientieren und Wege zur Umsetzung finden.
                                   in den Bereichen, die ich vorher nannte.                  Das ging in der Nothilfephase aber sehr schnell, weil
                                                                                             wir auf eine gute Zusammenarbeit mit den Diözesen
                                   Was war für Sie bisher die größte Herausforderung         bauen konnten und können.
                                   innerhalb des Hilfsprogramms?
                                   Narui: Die Caritas Japan ist eigentlich eine kleine       Was ist die größte Herausforderung für die Zukunft?
                                   Organisation und war bis zum Ausbruch der Kata-           Narui: Die Tausende von freiwilligen Helfern, die wir
                                   strophe am 11. März 2011 nur in anderen Ländern           über die Pfarreien gewonnen haben, weiter zu halten
                                   aktiv. Plötzlich im eigenen Land mit einem großen         und zu motivieren, um kontinuierlich und nachhaltig
                                   Programm Katastrophenhilfe zu leisten bedeutete           insbesondere die Menschen in Fukushima zu begleiten,
                                   für uns die größte Herausforderung. Wir mussten           die unter der radioaktiven Strahlung leiden.     n



             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                                          Katastrophenhilfe Japan
16-17_Arabischer-Fruehling 21.05.12 09:38 Seite 16




    16                       Katastrophenhilfe                  Soziale Arbeit weltweit         Wir über uns                   Zahlen und Fakten
                           Arabischer Frühling




                        Zwischen die Fronten geraten
                        Die arabische Revolution bringt vielen Menschen neue Freiheiten. Andererseits
                        mussten Tausende – wie in Libyen und Syrien – vor der Gewalt fliehen.



                        A    ls zur Jahreswende 2010/2011 in Tunesien Tau-
                             sende Menschen gegen das Regime des Macht-
                        habers Zine el-Abidine Ben Ali auf die Straßen gin-
                                                                                              Massenproteste führten relativ schnell dazu, dass
                                                                                          die tunesische Herrscherfamilie das Land verließ und
                                                                                          der ägyptische Präsident Husni Mubarak zurücktrat.
                        gen, ahnte noch niemand, dass daraus eine                         Der Präsident Jemens, Ali Abdullah Salih, kündigte
                        Revolutionsbewegung in der gesamten arabischen                    nach über 30-jähriger Herrschaft an, für keine weitere
                        Welt erwachsen würde. Anfang Januar 2011 began-                   Amtsperiode zu kandidieren. In Libyen verlief der
                        nen die ersten Unruhen in Algerien, am 25. Januar                 Umsturz sehr gewaltsam. Erst ein monatelanger Bür-
                        protestierten die ersten Menschen in Ägypten für                  gerkrieg, bei dem Rebellen durch die Nato militärisch
                        mehr Freiheit. Und in den Folgemonaten zog es auch                unterstützt wurden, brachte Staatschef Muammar al-
                        Regierungsgegner im Jemen, in Jordanien, in Libyen,               Gaddafi zu Fall. Die Kämpfe zwangen viele Men-
                        in Bahrain und in Syrien auf die Straßen und Plätze.
                             Für die lokalen Caritas-Organisationen und an-
                                                                                            > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN
                        dere Partner von Caritas international hatten die Er-
                        eignisse ganz unterschiedliche Konsequenzen. Einer-                 Caritas international fördert seit vielen Jahren Pro-
                        seits führte der Aufbruch dazu, dass auch die                       jekte in der Region, etwa zur medizinischen Versor-
                        Projekte von der Aufbruchstimmung profitierten. Die                 gung von Flüchtlingen in Ägypten oder zur
                        Partizipation von benachteiligten Menschen, das                     Unterstützung irakischer Flüchtlinge in Jordanien.
                        Hauptanliegen der Caritas, war plötzlich ein politisch              Daneben hat das Hilfswerk der deutschen Caritas ak-
                        und gesellschaftlich vieldiskutiertes Thema. Anderer-               tuell Hilfe für libysche Flüchtlinge in Ägypten (Volu-
                        seits führten und führen die Umbrüche auch zu Unsi-                 men 2011: 70.000 Euro) sowie für syrische
                                                                                            Flüchtlinge im Libanon (Volumen 2011: 50.000 Euro)
                        cherheiten: Wird der Konflikt friedlich oder gewaltsam
                                                                                            und in Jordanien (2011: 50.000 Euro) geleistet. Die
                        gelöst? Welche Ziele werden die neuen Machthaber
                                                                                            Projekte, bei denen die Menschen medizinisch und
                        verfolgen? Wie wird sich das Klima unter den Religio-               mit Lebensmitteln versorgt werden, dauern an.
                        nen entwickeln? (siehe Interview auf Seite 17).


                        Katastrophenhilfe Arabischer Frühling                                                        Caritasinternational Jahresbericht 2011
Tunesien                                  Syrien
                                                                                                      Libanon
                                                                                                                          Irak
                                                                                                                Jordanien
                                                            Algerien
                                                                                  Libyen                            Saudi-
                                                                                                Ägypten             Arabien




                                                                                                                                 stepmap.de
Flüchtlinge konnten nur ihr Leben retten                                                                                                           17
                                                             Arabischer Frühling: Demokratie auf dem Vormarsch?




schen, vor allem Gastarbeiter, zur Flucht in die Nach-
                                                               CARITAS NETZWERK
barländer. Viele wurden pauschal als Gaddafi-Anhän-
ger oder gar als Söldner diffamiert und verfolgt. Cari-        „Wir setzen uns gemeinsam für
tas international unterstützte Flüchtlinge aus Libyen
                                                               Freiheit und Demokratie ein“
in den Lagern in Ägypten und Tunesien.
    Nicht überall waren die Proteste erfolgreich. In Al-
gerien blieb Präsident Abd al-Aziz Bouteflika im Amt.          Der arabische Frühling hat Strukturen und
In Bahrain wurden die Demonstrationen im Februar               Alltag grundlegend verändert. Naguib Khouzam,
2011 von der Polizei niedergeschlagen, seither wird            der seit 25 Jahren als Leiter der ägyptischen
jeder Widerstand frühzeitig unterdrückt. Die meisten           Caritas-Partnerorganisation SETI vorbildhafte
Opfer aber fordert der Bürgerkrieg in Syrien, wo seit          Arbeit mit behinderten Menschen leistet, über
Beginn der Proteste gegen die Regierung des Präsi-             die Auswirkungen der Revolution.
denten Baschar al-Assad nach UN-Angaben mehr
als 9.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Die                Wie schätzen Sie die Revolution und die aktuelle
Regierung geht mit äußerster Brutalität gegen die              Lage in Ägypten ein?
Demokratiebewegung vor.                                        Naguib Khouzam: Die Revolution selbst war sehr
    Viele Menschen mussten das Land verlassen.                 wichtig und beeindruckend für uns alle. Und sie war
Ende 2011 lebten 20.000 Syrer in Flüchtlingslagern in          notwendig, denn die Menschen waren unzu-
der Türkei, etwa 10.000 in Jordanien und 20.000 im             frieden. Alle wichtigen Posten gingen an
Libanon. Caritas international unterstützt Bedürftige          Leute, die dem Präsidenten nahestanden,
mit ärztlicher Hilfe, Medikamenten, Nahrungsmitteln,           für die Mehrheit blieb dagegen nicht
Babynahrung und Heizgeräten. Das Hilfswerk der                 viel. Jetzt, nach Mubaraks Sturz, ist
                                                                                                            „Es geht um Solidarität“
deutschen Caritas kooperiert seit vielen Jahren mit            die Lage weiter unsicher und instabil.
                                                                                                            SETI-Leiter Naguib Khouzam hält die
verlässlichen Partnern. Neben den nationalen Caritas-          Wir wissen nicht, wie es weitergehen         Revolution in Ägypten für notwendig,
Organisationen ist dies im Libanon das „Caritas Leba-          wird. Aber das war zu erwarten, denn         sieht aber auch Gefahren.

non Migrant Center“, wo auch viele Flüchtlinge etwa            eine so grundlegende Transformation
aus dem Irak unterstützt wurden.                               der Gesellschaft braucht Zeit.
    Die Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen ist           Wie stellt sich die Situation für Christen dar?
deshalb so wertvoll, weil es um weit mehr als um ein           Khouzam: Viele Christen haben das Land verlassen.
Versorgungsproblem geht. Viele Menschen konnten                Ihnen ist die Lage zu unsicher. Schon die Muslimbrüder
nur das retten, was sie am eigenen Leib trugen. An-            stehen für einen islamisch geprägten Staat, in dem
gehörige wurden ermordet, sind vermisst oder im Ge-            für Christen und andere religiöse Minderheiten kaum
fängnis. Viele Menschen sind traumatisiert und brau-           ein Platz vorgesehen ist. Andere islamistische Gruppen
chen intensive Betreuung und medizinische und                  und Parteien sind noch weitaus radikaler. Andererseits
psychosoziale Hilfe.                                  n        gibt es auch viele liberale Muslime, die eine offene
                                                               Gesellschaft anstreben. Wir sollten diese Kräfte unter-
                                                               stützen und uns für eine Entwicklung in Ägypten ein-
                           Veränderung des Alltags
                           SETI setzt sich für die Rechte      setzen, die zu Freiheit, Toleranz und Demokratie führt.
                           behinderter Menschen ein.           Die Arbeit von SETI ist unter den gegebenen Umständen
                                                               sicherlich nicht einfach. Wie gehen Sie damit um?
                                                               Khouzam: Wir arbeiten eng mit dem Sozialministerium
                                                               zusammen – dort gab es in kurzer Zeit drei Minis-
                                                               terwechsel. Das zeigt, wie stark der Wandel unsere
                                                               Arbeit beeinflusst. Unser Ansatz ist, behinderte
                                                               Menschen und ihre Familien zu stärken, es geht um
                                                               ihre Rechte und um Solidarität untereinander.
                                                               Insofern leisten auch wir tagtäglich einen Beitrag
                                                               zur Veränderung in unserem Land.                      n



Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                    Katastrophenhilfe Arabischer Frühling
18        Katastrophenhilfe          Soziale Arbeit weltweit         Wir über uns                   Zahlen und Fakten
                                     Straßenkinder




     Endlich Luft zum Atmen
     Gesundheit und Bildung für Straßenkinder in Kenia


     R    uß, Küchenabfälle, Sondermüll – darin suchen sie
          nach Verwertbarem. Die Straßenkinder finden ih-
     ren Lebensunterhalt auf den Müllhalden. In Nakuru
                                                               Eltern sind geschieden, haben Alkoholprobleme oder
                                                               arbeiten weit weg. Andere sind Aidswaisen. Oft
                                                               müssen die Kinder in den Städten für ihr eigenes
     verbringen 3.000 Kinder den Tag auf der Straße –          Überleben sorgen. Die Situation der Straßenkinder
     viele von ihnen auch die Nacht.                           spiegelt die wirtschaftliche Misere wider, in der sich
         Nicolas, inzwischen 18 Jahre alt, atmet tief durch,   Kenia befindet: soziale Unsicherheit, steigende
     als er seine Geschichte erzählt. „Wir haben oft Leim      Lebensmittelpreise und eine Jugendarbeitslosigkeit
     geschnüffelt. Danach war der Hunger weg, die Kälte        von bis zu 60 Prozent.
     nicht mehr spürbar.“ Doch seine Lungen konnten                 Joseph und John von der Diözese Nakuru sind
     kaum mehr den Atem fassen, den er brauchte, um            bereits um acht Uhr in der Früh’ unterwegs. Erste
     vor den Sicherheitsbeamten der Stadtverwaltung            Station ist die städtische Mülldeponie Gioto. Hier
     wegzulaufen. Die vertreiben die Kinder aus der In-        treffen die beiden Straßensozialarbeiter Kinder und
     nenstadt, wenn sie sich dort ihre tägliche Mahlzeit       Jugendliche an, die kein Zuhause haben – und inzwi-
     beschaffen – aus den Müllsäcken, durch Betteln oder       schen ihre Klienten sind. Wenn die Mülllaster anrol-
     durch Mundraub.                                           len, sortieren sie alles, was noch verwertbar er-
         Viele Kinder, die auf der Straße leben, kommen        scheint: Metall, Plastik, Reifen, Elektronikschrott,
     wie Nicolas aus sozial vernachlässigten Familien. Die     Dosen, Batteriesäure. Essbares wandert in den



                                                                 > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN

                                                                 In Deutschland leben rund 20.000 Kinder auf der Straße
                                                                 – in Kenia über 250.000. Weltweit wird die Zahl der
                                                                 Straßenkinder auf 83 Millionen geschätzt. Allein in der
                                                                 Stadt Nakuru leben rund 3.000 Straßenkinder.
                                                                 Seit Beginn des Projekts im Jahr 1976 wurden mithilfe
                                                                 von Caritas international rund 2.450 Kinder und Ju-
                                                                 gendliche begleitet und in die Gesellschaft reinte-
                                                                 griert – großteils mit einem Schulabschluss. Einige
                                                                 der ehemaligen Straßenkinder studieren inzwischen an
                                                                 einer kenianischen Universität.
                                                                 Weltweit unterstützte Caritas international im vergan-
                                                                 genen Jahr 213 Projekte für Kinder und Jugendliche
                                                                 mit mehr als 8,3 Millionen Euro. Die Schwerpunkte lie-
                                                                 gen im Gesundheits- und im Bildungssektor.



     Soziale Arbeit weltweit Kenia                                                        Caritasinternational Jahresbericht 2011
18-19_Kenia 21.05.12 09:46 Seite 19




                                                                                                                         Somalia
                                                                                       Uganda
                                                                                                         Kenia

                                                                                                       Nakuru
                                                                                                        Nairobi




                                                                                                                                            stepmap.de
                                                                                        Tansania
                                                                                                                                                         19
                                                                                                   2
                                                                               Kenia: 580.000 km groß, 39 Millionen Einwohner




                 Bis zu zwei Euro täglich
                 verdienen sich die Straßenkinder,
                 indem sie Müll sortieren.



             Mund. „Verletzen kann man sich leicht an den Abfäl-         eine posttraumatische Behandlung ein. Ziel ist die
             len aus den Krankenhäusern. Da tritt man schnell            Reintegration in die Familien oder in eine Pflegefami-
             einmal in eine alte Injektionsnadel“, meint Geoffrey zu     lie. Aufklärungsarbeit über HIV/Aids und Drogenkon-
             den Gesundheitsrisiken. Bis zu zwei Euro am Tag             sum sind Teil des Unterrichts, meist werden dabei
             lassen sich so verdienen – genug für eine Portion           auch die Eltern einbezogen.
             Maisgrieß.                                                                     Berufliche Aus- und Weiterbildungen
                 Der 18-jährige Geoffrey ist der Kontakt-      „Nach der Schule         ergänzen das Programm. Die Straßen-
             mann für Joseph und John, wenn sie hier                                    kinder werden Automechaniker, Schlos-
                                                               ist die Straße
             die Straßenkinder suchen. Er ist eines von                                 ser oder Webdesigner. Einige schaffen
             2.450 Kindern, die von den Sozialarbeitern
                                                               keine Option mehr es bis zur Universität. Es ist oft mühsam,
             „rekrutiert“ wurden. Zwei Jahre ging er in        für dein Leben.“         das Recht der Straßenkinder auf Bildung
             eine Straßenkinderschule, die von Caritas                                  und Gesundheit durchzusetzen. „Hier
             international unterstützt wird. In den Tageszentren         muss die gesamte Gemeinde verantwortlich handeln
             Mwangaza und St. Francis werden derzeit rund 80             und den Kindern eine Chance geben“, sagt Basil Mu-
             Kinder von ausgebildeten Sozialarbeiterinnen auf eine       nyao, Koordinator des Sozialprogramms der Diözese.
             reguläre Schule vorbereitet. Hier erfahren die Kinder       Aufklärung über die Situation und die Rechte der Kin-
             Achtung, Zuwendung und Bestätigung. Therapie-An-            der ist daher wichtiger Teil der Arbeit. Sie erfolgt im
             gebote wie Malen, Handwerken, Sport und Spiele              Radio oder auf öffentlichen Foren, am „Tag des afrika-
             strukturieren den Alltag. Die Begleitung schließt oft       nischen Kindes“ und auf Kinderkonferenzen.              n



                 > PORTRÄT


                 Njokis Job ist auf der Müllhalde,                          sie die weiterführende Schule. Die Sozialarbeiter stellten
                 ihre Chance ist die Schule                                 den Kontakt zur Schule her, führten Gespräche mit der
                                                                            Schulleitung und zahlen 80 Prozent der Schulgebühren,
                 Die sechzehnjährige Phyillis sammelt in Gioto, der städ-   solange die Familie den Rest aufbringt. An schulfreien
                 tischen Müllhalde Nakurus, Metallreste aus dem Lade-       Tagen sammelt Njoki Abfall im Wert von rund 200 Schil-
                 gut des Lasters mit der Aufschrift „God gives“. Njoki      ling (zwei Euro). Ihre Mutter unterstützt sie darin.
                 lebt mit ihrer Mutter und vier Geschwistern in einem       Damit ist sich Njoki sicher, dass ihre Mutter auf ihrer
                 aus Planen gebauten Haus – mitten auf dem Müllberg.        Seite steht und ihre Pläne gutheißt. Alle finden diese
                 Als sie vor vier Jahren John von der Diözese kennen-       Vereinbarung und geteilte Verantwortung richtig.
                 lernte, der ihr ein Ohr und konkrete Unterstützung an-
                 geboten hat, änderte sich ihr Leben: Es gab plötzlich      Reportagen über das Straßenkinderprojekt in Nakuru
                 eine Zukunft jenseits des Abfallberges. Jetzt besucht      auf www.caritas-international.de/85062.html




             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                              Soziale Arbeit weltweit Kenia
20-21_Indonesien 21.05.12 09:46 Seite 20




    20                               Katastrophenhilfe              Soziale Arbeit weltweit   Wir über uns             Zahlen und Fakten
                                                                    Behindertenhilfe




         Schwer verletzt aus Trümmern
         Viele Opfer des Erdbebens 2006 leben heute
         mit körperlichen Behinderungen. Caritas in-
         ternational unterstützt sie und ihre Familien.




                               Soziale Arbeit weltweit Indonesien                                            Caritasinternational Jahresbericht 2011
20-21_Indonesien 21.05.12 09:46 Seite 21



                                                                                 Malaysia




                                                                           Jakarta          Indonesien




                                                                                                                                        stepmap.de
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                                                                                                  2
                                                                        Indonesien: 1,9 Mio. km groß, 238 Mio. Einwohner




             „Wir leben wie in einer Familie“
             Die Stärkung der Rechte von Behinderten und einer inklusiven Gesellschaft sind Ziele der
             Caritas in Indonesien. Die Projekte haben zu einem Bewusstseinswandel beigetragen.



             S   eit seiner frühen Kindheit leidet Sri Mulyo an den
                 Folgen einer Kinderlähmung. Als Jugendlicher litt
             er nicht nur körperlich darunter, sondern auch see-
             lisch. Weil ihm andere Jungen und Mädchen auf-
             grund seiner Behinderung nichts zutrauten, verlor er
             sein Selbstvertrauen und wurde äußerst schüchtern.
             Dennoch wollte er sich seine zwei größten Träume
             nicht nehmen lassen. Er wollte, so schwor er sich,
             einmal ein guter Bogenschütze werden. Und ein en-
             gagierter Menschenrechtler. Vielleicht gerade auf-
             grund seiner eigenen Erfahrungen entwickelte er eine
             besonders hohe Sensibilität für Menschen, die nicht
             mit Respekt behandelt werden.                                                                           Selbstbewusstsein stärken
                 Dass er sich beide Träume verwirklichen konnte                                                      Gezielte Förderung behinderter
                                                                                                                     Kinder in Indonesien.
             und aus ihm heute ein selbstbewusster junger Mann
             geworden ist, ist vor allem seinen Erfahrungen mit
             zwei Hilfsorganisationen in Indonesien zu verdanken,     beigetragen. Dieses Projekt hat die Menschen einan-
             mit denen Caritas international kooperiert: der Behin-   der nähergebracht und dazu geführt, dass sie jetzt
             dertenrechtsorganisation Persatuan Penyandang Ca-        wie in einer großen Familie zusammenleben.“
             cat Indonesia (PPCI – übersetzt: Verbund von Men-           Was den zweiten Traum, das Bogenschießen,
             schen mit Behinderung Indonesiens) und der Caritas       angeht, so nahm Sri Mulyo 2011 an den Paralym-
             der Erzdiözese Semarang (Karina KAS).                    pischen Spielen Asiens in Solo/Indonesien teil. Er
                 „Bei PPCI“, erzählt Sri Mulyo, „in meiner Heimat,    gewann zwar keine Medaille, überzeugte aber mit
             dem indonesischen Regierungsbezirk Klaten, wurde         beeindruckenden Leistungen. Seine Selbstein-
             mir klar, wie wenig die Gesellschaft über Behinderung    schätzung nach den Spielen ist ganz Ausdruck sei-
             und die damit verbundenen Fragen weiß und wie            nes neu gewonnenen Selbstbewusstseins: „Beim
             wichtig es daher ist, ein entsprechendes Bewusst-        nächsten Mal“, prophezeit er, „hole ich Gold.“     n
             sein zu schaffen.“
                 Dieser Bewusstseinsarbeit hat sich Sri Mulyo mit       > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN
             Herz und Seele verschrieben, seit er nach dem
             schweren Erdbeben auf der Insel Java 2006 bei der          Indonesien ist sehr häufig von Erdbeben, Vulkan-
             Caritas Indonesien die gemeinwesenorientierte Arbeit             ̈
                                                                        ausbruchen und Seebeben betroffen. Entsprechend hoch
             unterstützt. Die kommunalen Behörden stellten ein          ist die Zahl der Caritas-Projekte (2011: 41; insgesamt
             Stück Land zur Verfügung, das Menschen mit Behin-          1,21 Millionen Euro). In der Behindertenhilfe wurden
                                                                        im vergangenen Jahr 400.000 Euro umgesetzt, davon
             derung bewirtschaften können. Sri Mulyo und seine
                                                                                                                        ̈
                                                                        130.000 aus Mitteln des Bundesministeriums fur wirt-
             Kolleg(inn)en leiten sie und auch Menschen ohne Be-
                                                                        schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
             hinderung dabei in biologischem Landbau und der                             ̈
                                                                        Weltweit unterstutzt Caritas international 83 Projekte
             Fischzucht an. „Auf diese Weise“, freut sich Sri Mu-                                                   ̈
                                                                        für und mit Menschen mit Behinderung uber insge-
             lyo, „haben wir hier schon viel zum Zusammenleben          samt 3,3 Millionen Euro.
             von behinderten und nicht-behinderten Menschen


             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                     Soziale Arbeit weltweit Indonesien
22-23_Kuba 21.05.12 09:47 Seite 22




    22                            Katastrophenhilfe                Soziale Arbeit weltweit         Wir über uns                   Zahlen und Fakten
                                                                   Seniorenarbeit




                            „30 Grad plus – 30 Grad minus“
                            Weltweit nimmt die Zahl der Senioren zu. Was bedeutet dies für die Gesellschaften in
                            ärmeren Ländern? Seniorenprogramme der Caritas in Osteuropa und Lateinamerika
                            gehen unterschiedliche Wege.


                            Weltweit steigt die Zahl der über 60-Jährigen; nach              oder anderen Krankheiten gestorben sind. Auf der
                            UN-Angaben werden bis 2050 etwa 80 Prozent der Se-               anderen Seite sind alte Menschen bei Katastrophen
                            nioren in einkommensschwachen Ländern leben. Dies                besonders schwer betroffen. Diese vielfältigen Ent-
                            hat gravierende Auswirkungen auf die Gesellschafts-              wicklungen beeinflussen auch die Arbeit von Caritas
                            und Sozialstrukturen auch der Länder des Südens,                 international. Das Hilfswerk der deutschen Caritas
                            fällt ihnen doch oft eine Schlüsselrolle im sozialen             führt in vielen Ländern und Regionen Seniorenpro-
                            Leben zu. Senioren übernehmen zunehmend Aufgaben,                gramme durch – und setzte dazu 2011 in 85 Projekten
                            die junge Leute nicht mehr leisten können, weil sie in           fast vier Millionen Euro ein. Andrea Hitzemann,
                            den Städten arbeiten. In vielen Fällen erziehen Groß-            Leiterin des Referats Lateinamerika/Europa, erläutert
                            eltern die Kinder, deren Eltern in Kriegen, an Aids              die unterschiedlichen Ansätze in der Seniorenarbeit.

                                                                                             Was ist das Lateinamerikanische Netzwerk Gerontologie?
                                                                                             Andrea Hitzemann: In diesem Netzwerk haben wir uns
                                                                                             mit unseren Partnern aus Chile, Kuba, Mexiko, Panama
                                                                                             und Peru zusammengeschlossen. Es geht um einen fachli-
                                                                                             chen Austausch in der Seniorenarbeit über Ländergrenzen
                                                                                             hinweg – mithilfe einer gemeinsamen Website, durch
                                                                                             Fortbildungen und über regelmäße Treffen. Nicht nur wir
                                                                                             und unsere Partner sehen in dieser Art der Kooperation
                                                                                             viele Vorteile. Das Projekt wird auch durch das Bundesmi-
                                                                                             nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
                                                                                               wicklung – BMZ – gefördert.

                                                                                                   Wieso ist eine solche Netzwerkarbeit über Länder-
                                                                                                   grenzen hinweg so wichtig?
                                                                                                   Hitzemann: Neben dem sehr effektiven fachlichen
                                                                                                    Austausch geht es darum, die Regierungen und
                                                                                                    die Gesellschaften für das Thema zu sensibilisie-
                                                                                                     ren. Eine solche politische und Lobbyarbeit funk-
                                                                                                     tioniert besser im Verbund. Die Voraussetzungen
                                                                                                      in den verschiedenen Ländern sind ähnlich: Der
                                                                                                      Anteil der Menschen über 60 steigt stetig, dazu
                                                                                                      kommt die wachsende Verstädterung.

                                                                                                       Wieso spielt die Verstädterung eine Rolle in der
                                                                                                      Seniorenarbeit?
     Den Zusammenhalt stärken                                                                         Hitzemann: Die Verstädterung geht ja einher mit
     In der Ukraine und anderen osteuropäischen
                                                                                                     einer Veränderung des gesamten Lebens. In Städ-
     Staaten fehlt es oft an sozialen Strukturen.
                                                                                                    ten spielen traditionelle Strukturen wie im Dorf


                            Soziale Arbeit weltweit Kuba/Ukraine                                                        Caritasinternational Jahresbericht 2011
22-23_Kuba 21.05.12 09:48 Seite 23




                                                                                                                                            stepmap.de
                                                                                                                                                                  23




                                                                                                 Starkes soziales Miteinander:
                                                                                                 In Kuba hat das Gemeindeleben
                                                                                                 einen hohen Wert – auch im Alter.


             mit dem familiären und sozialen Zusammenhalt eine ge-          Ukraine leben Senioren dagegen häufig allein – im
             ringere Rolle. Auf der anderen Seite nutzen ältere Men-        schlechten Fall in einer kalten Plattenbauwohnung. Hier
             schen die Infrastruktur der Städte – von der U-Bahn bis        organisiert Caritas oft die Hauskrankenpflege. Das ist si-
             zum Theater. Seniorengerechtes Wohnen, Partizipation,          cherlich ein wenig vereinfacht dargestellt, trifft aber den
             aber auch Gewalt gegen Senioren sind Themen, die in der        Kern und lässt sich auch in Zahlen fassen: Im kubani-
             Gesellschaft diskutiert werden müssen. Daher organisiert       schen Seniorenprogramm arbeiten 3.000 Freiwillige mit,
             das Netzwerk beispielsweise Veranstaltungen in Schulen,        in der Ukraine müssen wir Freiwillige mühsam suchen.
             um Kindern das Leben der Senioren näherzubringen.
                                                                            Womit erklären Sie sich diese Gegensätze?
             Caritas unterstützt seit Jahren die Seniorenarbeit in Kuba.    Hitzemann: Im Realsozialismus Osteuropas war
             Gibt es einen „sozialistischen Weg“ in diesem Bereich?         fast alles institutionalisiert, bis heute wird
             Hitzemann: Es sind weniger die Gesellschaftsmodelle als        ehrenamtliches, gemeinsames Handeln kri-
             die Traditionen, die den Unterschied ausmachen. Das Le-        tisch beäugt und selten gefördert. In La-         „Voneinander lernen“
                                                                                                                              Andrea Hitzemann sieht Möglich-
             ben von Senioren in Kuba und in der Ukraine beispiels-         teinamerika dagegen – auch in Kuba – wird         keiten eines internationalen
             weise unterscheidet sich gravierend, während ich in La-        das Gemeindeleben dagegen seit jeher              Austauschs in der Seniorenarbeit.

             teinamerika mehr Parallelen als Unterschiede sehe. Es          groß geschrieben. Und auch wenn es banal
             gibt dort eine lange Tradition des Miteinanders, während       klingt: Das Klima spielt tatsächlich eine große Rolle.
             dieses in Osteuropa oftmals erst aufgebaut werden muss.
                                                                            Sehen Sie dennoch Möglichkeiten des Austauschs?
             Wie äußern sich diese Unterschiede?                            Hitzemann: Unbedingt. Die Kolleginnen und Kollegen aus
             Hitzemann: Auf den Punkt gebraucht würde ich sagen:            Kuba haben ein Interesse signalisiert an unseren Konzep-
             zwischen 30 Grad über und 30 Grad unter null. Auf Kuba         ten der Hauskrankenpflege, die vorbildhaft sind in vielen
             nehmen viele Senioren aktiv am sozialen Leben teil, das        osteuropäischen Staaten. Umgekehrt wäre es zum Beispiel
             oft im Freien stattfindet. Es gibt viele Gemeindefeste,         für ukrainische Fachkräfte der Seniorenarbeit interessant
             gemeinsame Essen oder Musikveranstaltungen. In der             zu sehen, wie Freiwilligenprogramme laufen können.        n


                > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN

                Seniorenarbeit Ukraine                                      Seniorenarbeit Kuba und Lateinamerika
                Der Schwerpunkt der Seniorenarbeit von Caritas interna-     Seit Anfang der 1990er Jahre bietet die Cáritas Cubana
                tional in der Ukraine liegt in der häuslichen Pflege. Mit-   ein Seniorenprogramm an, um Familienangehörige und
                arbeiter der Caritas Ukraine betreuen Pflegebedürftige       Freiwillige aus Pfarrgemeinden in der Seniorenarbeit zu
                medizinisch und helfen bei der Organisation des Alltags     schulen und zu unterstützen. Caritas international fördert
                durch Essen auf Rädern, Putzen oder Fahrdienste. Über       diese Arbeit. Um das Know-how der Seniorenarbeit auf
                den Zeitraum 2008 bis 2013 setzt das Hilfswerk der          dem Kontinent auszutauschen, wurde 1999 das Latein-
                deutschen Caritas dabei mehr als eine Million Euro um.      amerikanische Netzwerk Gerontologie gegründet, das
                Im Rahmen der Home Care Working Group wird der Aus-         Caritas international durch Mittel des Bundesministeri-
                tausch im Bereich Häusliche Pflege zwischen Caritas-Ein-     ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
                richtungen in ganz Osteuropa gefördert.                     (BMZ) mit bislang ca. 2,2 Mio. Euro unterstützt hat.



             Caritasinternational Jahresbericht 2011                                                       Soziale Arbeit weltweit Kuba/Ukraine
Caritas international jahresbericht2011
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  • 1. 01_Titel 21.05.12 09:21 Seite 1 Jahresbericht 2011 Unsere weltweite Arbeit
  • 2. 02-03_Inhaltsverzeichnis_ 21.05.12 16:27 Seite 2 2 Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 3. 02-03_Inhaltsverzeichnis_ 21.05.12 16:27 Seite 3 Inhalt 3 Vorwort Zum Geleit 4 Katastrophenhilfe Ostafrika Wasser heißt Leben 8 Japan Wie ein Auszug aus der Apokalypse 12 Arabische Welt Zwischen die Fronten geraten 16 Soziale Arbeit weltweit Kenia Endlich Luft zum Atmen 18 Indonesien „Wir leben wie in einer Familie“ 20 Kuba & Ukraine „30 Grad plus – 30 Grad minus“ 22 Wir über uns Caritas international Teil der weltweiten Caritas-Familie 24 Aktivitäten der Caritas Aktionen in Deutschland 26 Standards & Konzepte Das Soziale in der Architektur 30 Aktiv werden Gemeinsam mehr erreichen! 32 Der Verband Die Organe des Deutschen Caritasverbandes 34 Zahlen und Fakten Spendengelder Wir sagen Danke 36 Geleistete Hilfen I Nach Arbeitsbereichen und Förderern 37 Geleistete Hilfen II Nach Ländern und Kontinenten 38 Bilanz I Kosten-Erlös-Rechnung 40 Bilanz II Verwaltungs- und Werbekosten 42 Impressum 43 Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 4. 04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 1 4 Vorwort Zum Geleit Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde und Förderer von Caritas international, das Jahr 2011 hat einen traurigen und für die betroffenen Menschen schrecklichen Trend bestä- tigt: Die Zahl der Katastrophen nimmt weltweit seit Jahren zu. Der Rückblick auf die vergange- nen zwölf Monate – wie wir ihn unten auch bildlich darstellen – macht dabei deutlich, dass die Naturkatastrophen durch menschliche Fehler und gesellschaftliche Fehlentwicklungen in ihren Wirkungen noch verstärkt werden. Die schweren Überschwemmungen in Asien und Mittelamerika wie auch die Dürren in Ostafrika stehen – wenn auch nicht im Einzelnen nachweisbar – in ihrer Häufung in Zusammenhang mit dem weltweiten Klimawandel. Bürgerkriege, Armut und Misswirtschaft tun ein Übriges, um eine schwie- rige Situation erst zu einer Katastrophe werden zu lassen. Die Katastrophe in Japan am 11. März 2011 mit dem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami hat 20.000 Menschen das Leben ge- kostet. Der durch die Flutwelle ausgelöste atomare GAU – der größte anzunehmende Unfall – und die Verseuchung ganzer Landstriche haben die Katastrophe auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch hier hat unverantwortliches menschliches Handeln die Not der Betroffenen verschlimmert. DAS JAHR 2011 IN BILDERN Rückkehr in den Die dreifache Südsudan: Katastrophe: Caritas hilft den Men- Beben, Tsunami, schen, nach dem Krieg Atom-GAU. Viele wieder Fuß zu fassen. Menschen im Nord- Nach der Gründung osten Japans stehen des neuen Staates vor dem Nichts. hoffen viele Rückkeh- Sie benötigen mate- rer auf einen friedli- rielle und psycho- chen Neuanfang. soziale Hilfe. Januar März Februar Zwischen die Fronten geraten: Migrantinnen und Migranten fliehen vor den Kämpfen zwischen Militär und Demokratiebewegung in arabischen Staaten. Caritas international unterstützt sie in den Flüchtlingslagern der Nachbarstaaten. Vorwort Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 5. 04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 2 5 Japan hat lange Erfahrung mit Erdbeben und Tsunamis; die Katastrophenvorsorge und die Warnsysteme sind gut ausgebaut, die Katastrophenhilfe gilt als vorbildlich. Und Japan ist ein Industriestaat. Warum also sollte Caritas international als Hilfswerk des Deutschen Caritasver- bandes in einem so reichen Land helfen? Die Antwort haben Sie, die Spenderinnen und Spen- der, gegeben: Wir helfen dort, wo Hilfe benötigt wird – und die von den Katastrophen Betroffe- nen in Japan hatten und haben Hilfe nötig. Denn auch in Industrieländern, das wissen wir aus eigener Erfahrung, haben nicht alle Menschen teil am gesellschaftlichen Reichtum. Und genau hier setzt die deutsche Caritas an: bei den Menschen, die besonders betroffen sind von Kata- strophen, von Krisen oder auch von den Ungerechtigkeiten des Alltags. Die Schwächsten zu stärken – das ist ein Grundsatz unserer Arbeit. Eine weitere Frage wird uns immer wieder gestellt: Warum macht ihr – als ein katholisches Hilfswerk – in eurer Hilfe keinen Unterschied zwischen Christen, Muslimen, Buddhisten oder Hin- dus? Warum helft ihr auch dort, wo es kaum Christen gibt: in Japan, in der arabischen Welt, in Somalia oder in Afghanistan? Die Antwort erschließt sich aus unserem biblischen und kirchlichen Selbstverständnis, aus den Prinzipien unserer Caritas-Arbeit. Caritas international gewährt >> Neue Hoffnung in Zentralafrika: Noch herrscht kein Friede im Kongo. Die Fortschritte im Frie- densprozess, bei der Demokratisierung und der wirtschaftlichen Entwicklung sind je- doch sichtbar. Mai April Juni Bleiben, wenn Dialog der das Militär geht: Religionen im Irak: In Afghanistan berei- Vertreter aller Religionen ten sich die interna- treffen sich, um über tionalen Truppen auf Wege aus der Gewaltspi- ihren Abzug vor. rale zu reden. Zu Gast: Das Hilfswerk der Caritas-Präsident Peter deutschen Caritas Neher und Erzbischof wird auch dann vor Ludwig Schick, Vorsitzen- Ort bleiben. der der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Caritasinternational Jahresbericht 2011 Vorwort
  • 6. 04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 3 6 Vorwort Zum Geleit >> Hilfe und Schutz ohne Ansehen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Staatsangehörigkeit oder politischer Überzeugung. Denn die von Gott geschenkte Würde kommt jedem Menschen zu. Über die Notwendigkeit der Hilfe entscheidet ausschließlich die Bedürftigkeit der Betroffenen. Caritas international arbeitet auch dort, wo der „natürliche“ Partner, die lokale Caritas, nur sehr klein ist, streng nach dem Partnerprinzip. Die Nothilfe, der Wiederaufbau und auch die lang- fristige soziale Arbeit werden immer in Kooperation mit lokalen und nationalen Organisationen umgesetzt, die mit den Bedingungen vor Ort vertraut sind und die entsprechend schnell und ef- fektiv helfen können. Dieses Prinzip zahlt sich aus. In Somalia etwa arbeitet Caritas international seit vielen Jahren mit einer lokalen Hilfsorganisation zusammen. So konnte das Hilfswerk der deutschen Caritas als eine von wenigen Organisationen in dem von Dürre und Bürgerkrieg gebeutelten Land Nothilfe leisten. Auch in Japan haben wir neben der Caritas unserer katholischen Kirche einen Partner mit mehr als 30 Jahren internationaler Erfahrung in der Not- und Katastrophenhilfe sowie in der Be- hindertenhilfe. In ihren ganz ähnlichen Zielen und Arbeitsansätzen ist diese Organisation ein idea- ler Partner für Caritas international. DAS JAHR 2011 IN BILDERN Fluten erschweren Wiederaufbau: Ein Jahr nach der Jahrhundertflut stehen wieder weite Teile Pa- kistans unter Wasser. Mit dem Bau von Däm- men und Kanalsyste- men zielt die Caritas auf langfristige Ver- besserung der Lage. August Juli September Schwere Dürre Friedensarbeit in Ostafrika: in Kolumbien: Somalia, Äthiopien, Der Konflikt zwischen Kenia und andere Regierung und Rebel- Länder am Horn von len wird weiterhin ge- Afrika leiden unter waltsam ausgetragen. einer langen Dürre. Caritas international Neben der akuten sucht mit lokalen Hilfe bedarf es nach- Partnern nach friedli- haltiger Projekte zur chen Wegen. Verbesserung des Wassermanagements. Vorwort Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 7. 04-07_Vorwort 21.05.12 09:25 Seite 4 7 Solche internationalen Partner- schaften lassen sich nur aufrecht- erhalten auf einem klaren christ- lichen Fundament und durch eine starke Basis im eigenen Land, die Sie alle gemeinsam bilden, die Unterstützer und Partner, die Spenderinnen und Spender. Ihrer Hilfe und Ihrem Engagement verdanken wir es, dass wir erfolg- reich und nachhaltig helfen und so etwas von Gottes Menschen- freundlichkeit sichtbar machen können. Dafür danken wir Ihnen Prälat Dr. Peter Neher Dr. Oliver Müller Präsident des Deutschen Leiter Caritas international an dieser Stelle sehr herzlich! Caritasverbandes Winterhilfe nach dem Erdbeben: Im Osten der Türkei Überschwemmungen leiden die Menschen in Südostasien: nach einem schweren Caritas leistet in Thai- Beben auch unter dem land, Vietnam und frühen Winterein- Kambodscha Nothilfe. bruch. Caritas inter- Langfristige Projekte national und die helfen bei der Kata- Partner vor Ort helfen strophenvorsorge. mit Decken und Öfen. Oktober Dezember November Die Folgen des Klimawandels: In Südafrika sucht die Klimakonferenz nach politischer Einigung im Kampf gegen den Klimawandel. Caritas international begeg- net dem Wandel mit Projekten zur Kata- strophenvorsorge – wie hier in Bolivien. Caritasinternational Jahresbericht 2011 Vorwort
  • 8. 08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:33 Seite 8 8 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Ostafrika Wasser heißt Leben Millionen Menschen waren von der Dürrekatastrophe am Horn von Afrika betroffen. Durch gezielte Katastrophenvorsorge in Kenia und Äthiopien konnten viele Men- schenleben gerettet werden. Auch mithilfe von Caritas international. D rei lange Jahre lang hat es hier nicht mehr gereg- net. Von Feldern oder Weiden kann längst nicht mehr die Rede sein. Das Vieh zieht über steinharte kann Gumato erstmals seit langem wieder lachen, ihre fünf Kinder essen nebenan. „Mit dem gelieferten Wasser habe ich als Allererstes etwas für die Kleinen Böden, auf denen kein Halm mehr wächst. Yaa gekocht. Ich hatte zwar noch Bohnen und Mais, Odola liegt im völlig ausgedörrten Norden Kenias. Die konnte aber nicht kochen“, erzählt sie. Zuvor habe nächstgelegene Wasserstelle ist 65 Kilometer ent- sie manchmal für zehn Tage nur 20 Liter Wasser ge- fernt. Eine Distanz, die selbst die Kamele nicht mehr habt – für die ganze Familie. Durch die Unterstützung bewältigen können. der Caritas stehen den sieben Familienmitgliedern Wie viele andere hat daher auch die Familie von jetzt 200 Liter zur Verfügung. Die werden auch mit Gumato Chachu zahlreiche Kamele verloren – ihnen den Tieren geteilt. „Ohne Kamele können wir nicht fehlt nun die überlebenswichtige Milch der Tiere. überleben“, sagen die Bewohner von Yaa Odola bei „Unsere Lage ist wirklich sehr schlimm“, sagt die 27- der „Kora“, der Dorfversammlung. Schon in zwei jährige Frau. Doch an diesem Tag im August 2011 Tagen wird der Wassertank erneut befüllt. Die lokale Genug auch für die Trockenzeit Wasserrückhaltesysteme wie hier in Äthiopien versorgen ganze Regionen. Caritas international hilft beim Bau. Katastrophenhilfe Ostafrika Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 9. 08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:33 Seite 9 Sudan Äthiopien Südsudan Somalia Dem. Rep. Kongo stepmap.de Uganda Kenia 10 Millionen Menschen benötigten Hilfe von außen 9 2 3 Staaten: zusammen 2.3 Mio. km groß, 130 Mio. Einwohner Caritas-Partnerorganisation „Pacida“ versorgt so tel zu den Bedürftigen zu bringen, und an Sicherheit noch weitere besonders von der Dürre gefährdete für die Hilfsorganisationen. Anhaltende Kämpfe und Gemeinden mit Wasser. „Drei Lastwagen fahren jetzt Gewalt gegen Zivilisten machten es vielen Menschen nonstop“, sagt Pacida-Leiter Wario Guyo Adhe, „um schwer, sicher über die Grenzen in die Flüchtlingsla- das nötige Wasser anzuliefern.“ Auf diese Weise kön- ger zu gelangen. nen in diesen besonders schwierigen Monaten im Caritas international gehört zu den wenigen Sommer 2011 rund 1.330 Familien – etwa 8.000 Hilfsorganisationen, die in Somalia trotz der Menschen – regelmäßig mit sauberem Trinkwasser schwierigen Bedingungen helfen können. versorgt werden. „Langfristig“, betont Wario Guyo Mithilfe der lokalen Hilfsorganisation Da- Adhe, „wird es aber notwendig sein, ryeel Bulsho Guud (= Hilfe für mehr Brunnen zu bohren, denn die Zahl „Wir brauchen alle), die seit 1992 von Caritas der Dürren nimmt stetig zu.“ mehr Brunnen, international und der Diakonie Diese Beobachtung wird von Wis- Katastrophenhilfe unterstützt denn die Zahl senschaftlern bestätigt. Als Grund für wird, konnten Bedürftige sowohl der Dürren die Dürre gilt La Niña. Dieses großräu- in den vom Staat als auch in mige klimatische Phänomen über dem nimmt stetig zu.“ den von den Al-Shabab-Mi- Pazifik sorgt immer wieder dafür, dass lizen kontrollierten Gebie- Niederschläge in der Region ganz oder teilweise aus- ten unterstützt werden. Lebensmit- fallen. Der Klimawandel verstärkt dieses natürliche tel und Trinkwasser wurden verteilt, Ereignis, das von Meeresströmungen verursacht Tiefbrunnen gebohrt und Wasser- wird. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit speicher errichtet. Bislang bleiben 1960 ist die Durchschnittstemperatur am Horn von derartige Maßnahmen zur Kata- Afrika um durchschnittlich zwei Grad angestiegen; strophenvorsorge in Somalia je- die letzten acht Jahre waren die heißesten, die je auf- doch die Ausnahme. gezeichnet wurden; die Regenfälle haben sich um Wie sehr solche Programme insgesamt 25 Prozent verringert. Während Dürreperi- die Not abfedern können, zeigt oden früher in Abständen von 25 bis 30 Jahren auf- sich in den Nachbarländern. traten, kommt es mittlerweile in Abständen von vier So gibt es in Äthiopien eine bis fünf Jahren zu Dürren. einigermaßen funktionierende Wie im Norden Kenias ist diese Tendenz auch in Vorsorge vor Dürrekatastro- vielen anderen Regionen am Horn von Afrika spür- phen, >> bar. Caritas international und die lokalen Partner entwickeln lokal angepasste Strategien. Denn die > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN Futterknappheit hat verschiedene Ursachen. Vieler- orts halten etwa Viehzüchter Rinder, Ziegen, Schafe Die Dürre und die Hungersnot in Ostafrika haben viele und Kamele in zu großer Zahl, weil diese als Status- Menschen in Deutschland zum Spenden bewegt. Gut symbole gelten. Doch die Tiere fressen ganze Wei- 12,3 Millionen Euro gingen 2011 allein beim Hilfs- deflächen kahl und zerstören die Bodenstruktur. werk der deutschen Caritas für die Ostafrika-Hilfe ein. Mittels Beratung und durch das Angebot alternati- Etwa 2,2 Millionen Euro verwendete Caritas interna- ver Einkommensquellen etwa durch Ackerbau soll tional für die Nothilfe sowie erste Maßnahmen zur die Zahl der Tiere langfristig verringert werden. Dürreprävention, im Wassermanagement und bei der Verbreitung dürreresistenten Saatguts. Diese nach- Die schlimmsten Folgen hatte die Dürre für die haltige Hilfe kann aufgrund des hohen Spendenauf- Menschen in Somalia. Hier flohen die Menschen al- kommens in den kommenden Jahren fortgesetzt lerdings zuerst vor dem Bürgerkrieg, der das Land werden. Sie ist nicht nur effektiv, sondern auch ver- seit vielen Jahren aufzehrt. Weil es seit vielen Jah- gleichsweise günstig: Mit umgerechnet nur zwei ren keinen funktionierenden Staat mehr gibt, fehlte Euro kann so einem Menschen einen ganzen Monat es – als die Ernten aufgrund der Dürre ganz oder zum lang Zugang zu Trinkwasser verschafft werden. Teil ausfielen – an Transportmitteln, um Nahrungsmit- Caritasinternational Jahresbericht 2011 Katastrophenhilfe Ostafrika
  • 10. 08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:34 Seite 10 10 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Ostafrika Praktische Hilfe zur Selbsthilfe Die Programme bringen Arbeit, Einkom- men – und ein Wasserrückhaltebecken. >> die gemeinsam von Staat und Hilfsorganisatio- milie in Äthiopien für eine Pflanzzeit mit Saatgut aus- nen über Jahre aufgebaut wurde. In mehreren Re- gestattet werden. gionen finanziert das Hilfswerk der deutschen Cari- Zwar waren dennoch im Spätsommer 2011 tas den Bau von Brunnen, Wasserrückhaltebecken nach mehreren ausgefallenen Ernten insgesamt gut und ganzen Bewässerungssystemen. Ziel ist es, zehn Millionen Menschen auf Hilfe von außen ange- langfristig ein Netz der Wasserversorgung aufzu- wiesen, so dass auch die Caritas mit Trinkwasser bauen, das auch lange Trockenzeiten überdauert. und Lebensmitteln helfen musste. Doch durch die Der Bau einer Wasserrückhalteanlage kostet nur Vorsorgemaßnahmen konnte diesmal eine Hun- rund 8.000 Euro und kann die umliegende Bevölke- gersnot mit vielen Tausend Toten, wie es sie zuvor rung in Trockenzeiten bis zu sechs Monate lang mit in Äthiopien schon mehrfach gab, verhindert wer- Wasser versorgen. den. Dieser Erfolg ist uns Ansporn, den Weg der Ein anderer Schwerpunkt der Hilfen ist die Bereit- langfristigen Hilfe und der Katastrophenprävention stellung von dürreresistentem Saatgut, damit das Ge- auch nach dem Ende der Hungersnot und auch in treide nicht schon vor der Keimung verdorrt, wenn anderen Ländern und Regionen weiterzugehen: der Regen ausbleibt. Mit nur zehn Euro kann eine Fa- nachhaltig, vorsorgend und mit langem Atem. n VIELE WEGE – EIN ZWECK Spendenaktionen für die Hilfe von Caritas international in Ostafrika Die Not der Menschen in Ostafrika hat viele Menschen moti- Die Sternstunden, die Benefizaktion des Bayeri- viert, zu spenden oder Aktionen zu starten, um Spenden schen Rundfunks, sammelten mit ihrer Sonderaktion zu sammeln. Das ZDF rief während der Dürrekatastrophe zu „Hungerhilfe Ostafrika“ insgesamt 15 Millionen Euro Spenden für die Betroffenen in Ostafrika auf und richtete Spenden. Mehr als 205.000 Euro gingen an Caritas dazu ein Spendentelefon ein. Tausende Zuschauer melde- international für die Arbeit am Horn von Afrika. ten sich bei der Hotline, um die im Aktionsbündnis Kata- strophenhilfe kooperierenden Hilfswerke – neben Caritas Auch zahlreiche Gemeinden, Gruppen und Unterneh- international das Deutsche Rote Kreuz, Unicef Deutschland men unterstützten mit einfallsreichen Aktionen die sowie die Diakonie Katastrophenhilfe – zu unterstützen. Hilfe der Caritas. Besonders aktiv waren dabei Kin- 1.781.950 Euro kamen dabei für die Hilfsmaß- der und Jugendliche. An der Gemeinschaftsschule nahmen zusammen, das höchste jemals durch Brakel etwa sprachen die Schülerinnen und Schüler eine Hotline erzielte Ergebnis für das Bünd- im Unterricht über die Lage in Ostafrika und sammel- nis.. Für die Arbeit der vier Hilfswerke in Ja- ten anschließend 1.000 Euro. Eine Kita in Friedberg pan erbrachten die Spenden über das ZDF- verkaufte selbst gemachte Marmelade und Apfelsaft Spendentelefon weitere 1.181.483 Euro. und spendete den Erlös in Höhe von 465 Euro. Katastrophenhilfe Ostafrika Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 11. 08-11_Ostafrika-Sahel 21.05.12 10:34 Seite 11 Mauretanien Mali Niger Tschad Sudan stepmap.de Der Mensch lässt die Krisen zu Katastrophen werden 11 Sahelzone: 6.000 km lang, 150-800 km breit Wann wird die Dürre zur Katastrophe? Viele Organisationen erwarten eine Hungersnot im westlichen Sahel. Caritas interna- tional leistet regional Hilfe, warnt aber vor Alarmismus. Langfristige Unterstützung, keine Nahrungsmittelhilfen braucht die Region. Die Hungersnot am Horn von Afrika dauerte Überleben dazu wie die Wetterextreme: Entwe- noch an, als bereits eine weitere drohende Hun- der es regnet nicht oder der Regen flutet ganze gerkatastrophe vermeldet wurde. Wieder waren Landstriche. Das Wetter, wohl auch der Klima- Bilder von ausgemergelten Böden und vertrock- wandel, spielt eine wichtige Rolle. neten Wasserlöchern in den Medien zu sehen. Häufiger aber ist es der Mensch, der die Kri- Im westlichen Sahel, in Mali, Niger, sen zur Katastrophe werden lässt. Mauretanien, Burkina Faso, Senegal Es herrscht In Somalia war das der Bürgerkrieg. und dem Tschad drohe Millionen von keine Hungersnot Auch im Sahel verschärfen regio- Menschen, so die Meldungen, Hun- nale Konflikte wie die Tuareg-Rebel- im Sahel. Der ger oder gar der Hungertod. lion die Lage. Gravierender noch ist Es ist eine der wichtigsten Aufga- Skandal ist die im Sahel die chronische Armut der ben der Hilfsorganisationen, rechtzei- chronische Bevölkerung, die die aktuellen Ern- tig Alarm zu schlagen, wenn sich eine Armut teausfälle erst zum großen Problem Katastrophe anbahnt. Aber: Alarm- macht. Es gibt in Westafrika genug meldungen nutzen sich ab, wenn sie zu oft ohne Nahrungsmittel, nur sind sie für viele Menschen Not verbreitet werden. Orientierung geben die viel zu teuer. Kriterien der Vereinten Nationen, die mit gera- Von einer aktuellen flächendeckenden Kata- dezu unbarmherziger Nüchternheit festlegen, strophe im Sahel können wir nicht reden. Der wann eine Hungersnot ausgerufen wird: 1. Es Skandal ist, dass die Krise der Normalfall ist. sterben jeden Tag zwei von 10.000 Menschen, Die Lebensbedingungen durch langfristige Maß- 2. 30 Prozent der Kinder sind unterernährt und nahmen und Katastrophenprävention zu verbes- 3. mindestens 20 Prozent der Bevölkerung ha- sern, das ist das Ziel von Caritas international. n ben keinen Zugang zu 2100 Kilokalorien täglich. Von solchen Zahlen ist Westafrika glückli- cherweise weit entfernt. Bereits 2005, 2007 und 2009 gab es Ernteausfälle und Dürren in der Re- gion. Das gehört für die Menschen im Sahel, so traurig das ist, zum alltäglichen Kampf ums Caritasinternational Jahresbericht 2011 Katastrophenhilfe Sahel
  • 12. 12-15_Japan 21.05.12 10:15 Seite 12 12 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Japan Wie ein Auszug aus der Apokalypse Die Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktorunfall zerstörte am 11. März in Japan ganze Städte, forderte 20.000 Menschenleben und machte über 100.000 von der Hilfe von außen abhängig. Der Wiederaufbau wird Jahre dauern. Mit den Folgen des nuklearen Desasters in Fukushima aber werden die Menschen noch über Generationen hinweg leben müssen. Mahnmale der Naturgewalten Eisenbahnwaggons, Lastwagen und wie hier Schiffe schoben die Wellen des Tsunami weit ins Landesinnere. Katastrophenhilfe Japan Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 13. Russland Nordkorea Drei Katastrophen Beben, Tsunami, Atom-GAU 13 Fukushima Südkorea Japan Tokio stepmap.de Japan: 377.835 km2 groß, 128 Mio. Einwohner E s war nicht nur die größte und, mit Schäden in Höhe von 245 Milliarden Euro auch teuerste, Naturkatastrophe seiner Geschichte, die Japan am strophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktor-Unfall forderte neben der Zerstörung zahlreicher Orte rund 20.000 Menschenleben und macht 100.000 Men- 11. März 2011 traf. Es waren drei Katastrophen auf ei- schen über Jahre hinweg von der Hilfe von außen ab- nen Schlag, drei Katastrophen Schlag auf Schlag. Die hängig. Den Opfern der Katastrophe(n) half und hilft eine löste die andere aus. Erst kam das Erdbeben. Caritas international – in Kooperation mit den Partner- Dann der Tsunami. Dann der Super-GAU. Ein Augen- Organisationen Caritas Japan und Association for Aid zeuge, der 79-jährige Keiko Kikuchi aus and Relief (AAR) –, von der Stunde 1 nach der nordjapanischen Stadt Kesennuma, „Erst kam das der Katastrophe an. In der ersten Nothilfe- drückt es so aus: „Zuerst kam das Was- Wasser, dann phase versorgte sie die Menschen mit Le- ser. Dann kam das Feuer. Und dann war bensmitteln, Decken, Heizgeräten, Medika- das Feuer. Es da nur mehr Schutt und Asche, wo einst menten und notwendigen Haushaltswaren. die große Stadt stand.“ Feuer? Richtig, blieben Schutt Beim Wiederaufbau engagiert sich die Cari- das kam in Kikuchis Heimatstadt Kesen- und Asche.“ tas überall dort, wo die staatliche Versor- numa auch noch dazu: Durch den Tsu- gung Lücken hat, die auch in einem reichen nami geriet dort ein Chemiewerk in Brand. Was sich Land wie Japan existieren (s. Interview mit Caritasdi- das Wasser nicht holen konnte, holte das Feuer, der rektor Daisuke Narui, Seite 13). So wurden etwa in größte Teil der Stadt ist zerstört. In anderen Küsten- Kesennuma und Minami-Sanriku mit Unterstützung städten war es alleine die gewaltige Flut, die ganze von Caritas international zwei neue Behinderten-Ta- Städte auslöschte. Etwa in Minami-Sanriku, einem geszentren aufgebaut. Ebenso finanziert die Caritas einst beschaulichen Küstenort mit 18.000 Einwoh- Einrichtungen für alte Menschen und deren Betreu- nern, 70 Kilometer südlich von Kesennuma. ung, organisiert Freizeiten für Kinder in den betroffe- Das klingt wie ein Auszug aus der Apokalypse. Und in nen Gebieten und hat in mehreren Städten Anlaufzen- der Tat fühlen sich viele Menschen in Japan so, als tren für Betroffene, Zentren niedrigschwelliger hätten sie die Apokalypse erlebt. Die Dreifach-Kata- Sozialarbeit, eingerichtet. Ein Schwerpunkt >> VIELE WEGE – EIN ZWECK Spendenaktionen für Japan Mehr als eine Million Euro kam bei der RTL-Spendenaktion zu Gunsten der Erdbeben- und Tsunamiopfer in Japan zusammen. Mit dem Geld unterstützte die Stiftung RTL – „Wir helfen Kindern“ Caritas international in der unmittelbaren Nothilfe und fördert be- troffene Kinder nachhaltig bei der Überwindung der lang- fristigen Folgen. So konnten in der ersten Phase der Nothilfe rund 27.000 Menschen in Notunterkünften versorgt werden. Sie erhielten unter anderem Lebens- mittel, Trinkwasser, Decken, Matten, Schlafsäcke und Hygieneartikel, Kinderwindeln und warme Kleidung. Caritasinternational Jahresbericht 2011 Katastrophenhilfe Japan
  • 14. 12-15_Japan 21.05.12 10:16 Seite 14 14 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Japan Nothilfe nach dem Tsunami Mitarbeiter des Caritas-Partners AAR verteilen Lebensnotwendiges. >> der Hilfe liegt in der psychosozialen Betreuung Verstrahlung in der Region. Nachdem radioaktive Le- der Opfer. Besonders bedrückend ist das Leben in bensmittel (Rindfleisch, Gemüse, Milch, Tee) in den den Notunterkünften – Wohncontainern aus Metall, in Handel gelangt waren, mieden die Japaner die Pro- denen rund 100.000 Menschen auf 20 bis, je nach dukte aus den betroffenen Regionen. Kinder dürfen Größe der Familie, maximal 40 Quadratmetern noch vielerorts nicht mehr im Freien spielen, um sich nicht mindestens bis zum Jahr 2013 leben müssen. mit radioaktivem Material zu kontaminieren. Junge Manche von ihnen müssen sich damit abfinden, Frauen haben Angst, keine gesunden Kinder mehr vielleicht nie mehr in ihre Heimat zurückkehren zu zur Welt bringen zu können. „Die jungen Leute aus können: die Evakuierten aus der 20-Kilometer-Sperr- der Region Fukushima ziehen weg, wenn sie nur zone um das havarierte Kernkraftwerk Dai-Ichi bei können, und suchen sich anderswo Arbeit“, erklärt Fukushima. Ihre Situation ist besonders deprimie- AAR-Helferin Natsuho Shoji. Die alten Menschen rend. Es herrschen – nicht zuletzt bedingt durch bleiben alleine zurück. Es ist kein Zufall, dass in den mangelhafte Informationspolitik – Angst und Verunsi- Notunterkünften im Raum Fukushima vorwiegend cherung über das wahre Ausmaß der radioaktiven alte Frauen und Männer leben. Die meisten von ihnen CARITAS NETZWERK Caritas Japan – Katastrophenhilfe im eigenen Land Daisuke Narui, Direktor der Caritas Japan, er- Können Sie konkrete Projekte nennen, in denen klärt, warum humanitäre Hilfe auch in einem sich dies auswirkt? reichen Land notwendig ist und welche He- Narui: Unsere Projekte gliedern sich in folgende rausforderungen dies mit sich bringt. Bereiche auf: materielle Hilfe, Hilfe zur Verbes- serung der Lebensbedingungen, psychosoziale Warum ist die Hilfe der Caritas in einem reichen Betreuung, wirtschaftliche Wiederaufbauhilfe und Land wie Japan überhaupt notwendig? Hilfe in Bereichen der Bildung. Dazu gibt es Daisuke Narui: Weil die staatliche Hilfe Lücken – zahlreiche Projekte. Direkt nach der Katastrophe auch in diesem reichen Land – hat. Zum haben wir zunächst in mehreren Pfarreien in Beispiel überlässt die Regierung die psycho- den Orten Kamaishi, Ishinomaki, Yonekawa und soziale Betreuung der Opfer zum größten Teil Shiogama Freiwilligenzentren aufgebaut und über den Nichtregierungsorganisationen. Darum sieht 4.000 Freiwillige rekrutieren können. Diese Frei- sich die Caritas in der Pflicht, sich überall dort willigen haben geholfen, Schutt in den vom zu engagieren, wo die Regierung nicht oder Tsunami verwüsteten Gebieten wegzuräumen, nur ungenügend aktiv ist. den Opfern persönliche Gegenstände wie etwa Katastrophenhilfe Japan Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 15. 12-15_Japan 21.05.12 10:16 Seite 15 Fukushima ist auf Jahrzehnte unbewohnbar > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN 15 Nach der Katastrophe waren bei Caritas international rund 6,7 Millionen Euro Spenden eingegangen. Das Hilfswerk der deutschen Caritas hat davon 2,5 Mil- lionen Euro für die Notversorgung der Bevölkerung umgesetzt. 4,2 Millionen Euro sind für den Wieder- aufbau von Kindergärten sowie Sozialeinrichtungen für alte, kranke, obdachlose und behinderte Men- schen umgesetzt oder verplant worden. In den Katastrophenregionen arbeitet Caritas interna- tional insbesondere mit den lokalen Partnern Caritas Japan und AAR (Association for Aid and Relief) zusam- men. Etwa 20.000 Menschen waren im März 2011 ums Leben gekommen, 100.000 sind bis heute obdachlos. Die Schäden der Dreifach-Katastrophe belaufen sich geschätzt auf 245 Milliarden Euro. Sie ist damit die Nothilfe mit Selbstschutz gegen drohende Seuchen – und vor teuerste Naturkatastrophe der Geschichte. allem gegen die Strahlung. teilen die Einstellung der 71-jährigen Toshiko Shiyoa aus Fukushima: „Ich will kein neues Leben mehr an- fangen. Mir macht es in meinem Alter auch nichts mehr aus, wenn ich in zehn oder 20 Jahren einmal Krebs bekomme.“ Fukushima bedeutet für die Hilfsorganisationen eine völlig neue Dimension. Bislang war die Phase des Wiederaufbaus nach schweren Katastrophen stets zeitlich abschätzbar. In Japan wird sie vor- aussichtlich noch drei, vielleicht vier Jahre dau- ern. „Fukushima aber“, glaubt Yukie Osa, die Präsidentin des Caritas-Partners AAR, „dürfte uns wohl eine ganze Generation lang beschäftigen.“ n Fotos zurückzubringen und die zerstörten Netze der Fischer zu flicken. Auf diese Weise haben sie zur betroffenen Bevölkerung ein gutes Verhältnis hergestellt, und dieses Ver- hältnis bildet die Basis für all unsere Aktivitäten uns erst orientieren und Wege zur Umsetzung finden. in den Bereichen, die ich vorher nannte. Das ging in der Nothilfephase aber sehr schnell, weil wir auf eine gute Zusammenarbeit mit den Diözesen Was war für Sie bisher die größte Herausforderung bauen konnten und können. innerhalb des Hilfsprogramms? Narui: Die Caritas Japan ist eigentlich eine kleine Was ist die größte Herausforderung für die Zukunft? Organisation und war bis zum Ausbruch der Kata- Narui: Die Tausende von freiwilligen Helfern, die wir strophe am 11. März 2011 nur in anderen Ländern über die Pfarreien gewonnen haben, weiter zu halten aktiv. Plötzlich im eigenen Land mit einem großen und zu motivieren, um kontinuierlich und nachhaltig Programm Katastrophenhilfe zu leisten bedeutete insbesondere die Menschen in Fukushima zu begleiten, für uns die größte Herausforderung. Wir mussten die unter der radioaktiven Strahlung leiden. n Caritasinternational Jahresbericht 2011 Katastrophenhilfe Japan
  • 16. 16-17_Arabischer-Fruehling 21.05.12 09:38 Seite 16 16 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Arabischer Frühling Zwischen die Fronten geraten Die arabische Revolution bringt vielen Menschen neue Freiheiten. Andererseits mussten Tausende – wie in Libyen und Syrien – vor der Gewalt fliehen. A ls zur Jahreswende 2010/2011 in Tunesien Tau- sende Menschen gegen das Regime des Macht- habers Zine el-Abidine Ben Ali auf die Straßen gin- Massenproteste führten relativ schnell dazu, dass die tunesische Herrscherfamilie das Land verließ und der ägyptische Präsident Husni Mubarak zurücktrat. gen, ahnte noch niemand, dass daraus eine Der Präsident Jemens, Ali Abdullah Salih, kündigte Revolutionsbewegung in der gesamten arabischen nach über 30-jähriger Herrschaft an, für keine weitere Welt erwachsen würde. Anfang Januar 2011 began- Amtsperiode zu kandidieren. In Libyen verlief der nen die ersten Unruhen in Algerien, am 25. Januar Umsturz sehr gewaltsam. Erst ein monatelanger Bür- protestierten die ersten Menschen in Ägypten für gerkrieg, bei dem Rebellen durch die Nato militärisch mehr Freiheit. Und in den Folgemonaten zog es auch unterstützt wurden, brachte Staatschef Muammar al- Regierungsgegner im Jemen, in Jordanien, in Libyen, Gaddafi zu Fall. Die Kämpfe zwangen viele Men- in Bahrain und in Syrien auf die Straßen und Plätze. Für die lokalen Caritas-Organisationen und an- > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN dere Partner von Caritas international hatten die Er- eignisse ganz unterschiedliche Konsequenzen. Einer- Caritas international fördert seit vielen Jahren Pro- seits führte der Aufbruch dazu, dass auch die jekte in der Region, etwa zur medizinischen Versor- Projekte von der Aufbruchstimmung profitierten. Die gung von Flüchtlingen in Ägypten oder zur Partizipation von benachteiligten Menschen, das Unterstützung irakischer Flüchtlinge in Jordanien. Hauptanliegen der Caritas, war plötzlich ein politisch Daneben hat das Hilfswerk der deutschen Caritas ak- und gesellschaftlich vieldiskutiertes Thema. Anderer- tuell Hilfe für libysche Flüchtlinge in Ägypten (Volu- seits führten und führen die Umbrüche auch zu Unsi- men 2011: 70.000 Euro) sowie für syrische Flüchtlinge im Libanon (Volumen 2011: 50.000 Euro) cherheiten: Wird der Konflikt friedlich oder gewaltsam und in Jordanien (2011: 50.000 Euro) geleistet. Die gelöst? Welche Ziele werden die neuen Machthaber Projekte, bei denen die Menschen medizinisch und verfolgen? Wie wird sich das Klima unter den Religio- mit Lebensmitteln versorgt werden, dauern an. nen entwickeln? (siehe Interview auf Seite 17). Katastrophenhilfe Arabischer Frühling Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 17. Tunesien Syrien Libanon Irak Jordanien Algerien Libyen Saudi- Ägypten Arabien stepmap.de Flüchtlinge konnten nur ihr Leben retten 17 Arabischer Frühling: Demokratie auf dem Vormarsch? schen, vor allem Gastarbeiter, zur Flucht in die Nach- CARITAS NETZWERK barländer. Viele wurden pauschal als Gaddafi-Anhän- ger oder gar als Söldner diffamiert und verfolgt. Cari- „Wir setzen uns gemeinsam für tas international unterstützte Flüchtlinge aus Libyen Freiheit und Demokratie ein“ in den Lagern in Ägypten und Tunesien. Nicht überall waren die Proteste erfolgreich. In Al- gerien blieb Präsident Abd al-Aziz Bouteflika im Amt. Der arabische Frühling hat Strukturen und In Bahrain wurden die Demonstrationen im Februar Alltag grundlegend verändert. Naguib Khouzam, 2011 von der Polizei niedergeschlagen, seither wird der seit 25 Jahren als Leiter der ägyptischen jeder Widerstand frühzeitig unterdrückt. Die meisten Caritas-Partnerorganisation SETI vorbildhafte Opfer aber fordert der Bürgerkrieg in Syrien, wo seit Arbeit mit behinderten Menschen leistet, über Beginn der Proteste gegen die Regierung des Präsi- die Auswirkungen der Revolution. denten Baschar al-Assad nach UN-Angaben mehr als 9.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Die Wie schätzen Sie die Revolution und die aktuelle Regierung geht mit äußerster Brutalität gegen die Lage in Ägypten ein? Demokratiebewegung vor. Naguib Khouzam: Die Revolution selbst war sehr Viele Menschen mussten das Land verlassen. wichtig und beeindruckend für uns alle. Und sie war Ende 2011 lebten 20.000 Syrer in Flüchtlingslagern in notwendig, denn die Menschen waren unzu- der Türkei, etwa 10.000 in Jordanien und 20.000 im frieden. Alle wichtigen Posten gingen an Libanon. Caritas international unterstützt Bedürftige Leute, die dem Präsidenten nahestanden, mit ärztlicher Hilfe, Medikamenten, Nahrungsmitteln, für die Mehrheit blieb dagegen nicht Babynahrung und Heizgeräten. Das Hilfswerk der viel. Jetzt, nach Mubaraks Sturz, ist „Es geht um Solidarität“ deutschen Caritas kooperiert seit vielen Jahren mit die Lage weiter unsicher und instabil. SETI-Leiter Naguib Khouzam hält die verlässlichen Partnern. Neben den nationalen Caritas- Wir wissen nicht, wie es weitergehen Revolution in Ägypten für notwendig, Organisationen ist dies im Libanon das „Caritas Leba- wird. Aber das war zu erwarten, denn sieht aber auch Gefahren. non Migrant Center“, wo auch viele Flüchtlinge etwa eine so grundlegende Transformation aus dem Irak unterstützt wurden. der Gesellschaft braucht Zeit. Die Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen ist Wie stellt sich die Situation für Christen dar? deshalb so wertvoll, weil es um weit mehr als um ein Khouzam: Viele Christen haben das Land verlassen. Versorgungsproblem geht. Viele Menschen konnten Ihnen ist die Lage zu unsicher. Schon die Muslimbrüder nur das retten, was sie am eigenen Leib trugen. An- stehen für einen islamisch geprägten Staat, in dem gehörige wurden ermordet, sind vermisst oder im Ge- für Christen und andere religiöse Minderheiten kaum fängnis. Viele Menschen sind traumatisiert und brau- ein Platz vorgesehen ist. Andere islamistische Gruppen chen intensive Betreuung und medizinische und und Parteien sind noch weitaus radikaler. Andererseits psychosoziale Hilfe. n gibt es auch viele liberale Muslime, die eine offene Gesellschaft anstreben. Wir sollten diese Kräfte unter- stützen und uns für eine Entwicklung in Ägypten ein- Veränderung des Alltags SETI setzt sich für die Rechte setzen, die zu Freiheit, Toleranz und Demokratie führt. behinderter Menschen ein. Die Arbeit von SETI ist unter den gegebenen Umständen sicherlich nicht einfach. Wie gehen Sie damit um? Khouzam: Wir arbeiten eng mit dem Sozialministerium zusammen – dort gab es in kurzer Zeit drei Minis- terwechsel. Das zeigt, wie stark der Wandel unsere Arbeit beeinflusst. Unser Ansatz ist, behinderte Menschen und ihre Familien zu stärken, es geht um ihre Rechte und um Solidarität untereinander. Insofern leisten auch wir tagtäglich einen Beitrag zur Veränderung in unserem Land. n Caritasinternational Jahresbericht 2011 Katastrophenhilfe Arabischer Frühling
  • 18. 18 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Straßenkinder Endlich Luft zum Atmen Gesundheit und Bildung für Straßenkinder in Kenia R uß, Küchenabfälle, Sondermüll – darin suchen sie nach Verwertbarem. Die Straßenkinder finden ih- ren Lebensunterhalt auf den Müllhalden. In Nakuru Eltern sind geschieden, haben Alkoholprobleme oder arbeiten weit weg. Andere sind Aidswaisen. Oft müssen die Kinder in den Städten für ihr eigenes verbringen 3.000 Kinder den Tag auf der Straße – Überleben sorgen. Die Situation der Straßenkinder viele von ihnen auch die Nacht. spiegelt die wirtschaftliche Misere wider, in der sich Nicolas, inzwischen 18 Jahre alt, atmet tief durch, Kenia befindet: soziale Unsicherheit, steigende als er seine Geschichte erzählt. „Wir haben oft Leim Lebensmittelpreise und eine Jugendarbeitslosigkeit geschnüffelt. Danach war der Hunger weg, die Kälte von bis zu 60 Prozent. nicht mehr spürbar.“ Doch seine Lungen konnten Joseph und John von der Diözese Nakuru sind kaum mehr den Atem fassen, den er brauchte, um bereits um acht Uhr in der Früh’ unterwegs. Erste vor den Sicherheitsbeamten der Stadtverwaltung Station ist die städtische Mülldeponie Gioto. Hier wegzulaufen. Die vertreiben die Kinder aus der In- treffen die beiden Straßensozialarbeiter Kinder und nenstadt, wenn sie sich dort ihre tägliche Mahlzeit Jugendliche an, die kein Zuhause haben – und inzwi- beschaffen – aus den Müllsäcken, durch Betteln oder schen ihre Klienten sind. Wenn die Mülllaster anrol- durch Mundraub. len, sortieren sie alles, was noch verwertbar er- Viele Kinder, die auf der Straße leben, kommen scheint: Metall, Plastik, Reifen, Elektronikschrott, wie Nicolas aus sozial vernachlässigten Familien. Die Dosen, Batteriesäure. Essbares wandert in den > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN In Deutschland leben rund 20.000 Kinder auf der Straße – in Kenia über 250.000. Weltweit wird die Zahl der Straßenkinder auf 83 Millionen geschätzt. Allein in der Stadt Nakuru leben rund 3.000 Straßenkinder. Seit Beginn des Projekts im Jahr 1976 wurden mithilfe von Caritas international rund 2.450 Kinder und Ju- gendliche begleitet und in die Gesellschaft reinte- griert – großteils mit einem Schulabschluss. Einige der ehemaligen Straßenkinder studieren inzwischen an einer kenianischen Universität. Weltweit unterstützte Caritas international im vergan- genen Jahr 213 Projekte für Kinder und Jugendliche mit mehr als 8,3 Millionen Euro. Die Schwerpunkte lie- gen im Gesundheits- und im Bildungssektor. Soziale Arbeit weltweit Kenia Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 19. 18-19_Kenia 21.05.12 09:46 Seite 19 Somalia Uganda Kenia Nakuru Nairobi stepmap.de Tansania 19 2 Kenia: 580.000 km groß, 39 Millionen Einwohner Bis zu zwei Euro täglich verdienen sich die Straßenkinder, indem sie Müll sortieren. Mund. „Verletzen kann man sich leicht an den Abfäl- eine posttraumatische Behandlung ein. Ziel ist die len aus den Krankenhäusern. Da tritt man schnell Reintegration in die Familien oder in eine Pflegefami- einmal in eine alte Injektionsnadel“, meint Geoffrey zu lie. Aufklärungsarbeit über HIV/Aids und Drogenkon- den Gesundheitsrisiken. Bis zu zwei Euro am Tag sum sind Teil des Unterrichts, meist werden dabei lassen sich so verdienen – genug für eine Portion auch die Eltern einbezogen. Maisgrieß. Berufliche Aus- und Weiterbildungen Der 18-jährige Geoffrey ist der Kontakt- „Nach der Schule ergänzen das Programm. Die Straßen- mann für Joseph und John, wenn sie hier kinder werden Automechaniker, Schlos- ist die Straße die Straßenkinder suchen. Er ist eines von ser oder Webdesigner. Einige schaffen 2.450 Kindern, die von den Sozialarbeitern keine Option mehr es bis zur Universität. Es ist oft mühsam, „rekrutiert“ wurden. Zwei Jahre ging er in für dein Leben.“ das Recht der Straßenkinder auf Bildung eine Straßenkinderschule, die von Caritas und Gesundheit durchzusetzen. „Hier international unterstützt wird. In den Tageszentren muss die gesamte Gemeinde verantwortlich handeln Mwangaza und St. Francis werden derzeit rund 80 und den Kindern eine Chance geben“, sagt Basil Mu- Kinder von ausgebildeten Sozialarbeiterinnen auf eine nyao, Koordinator des Sozialprogramms der Diözese. reguläre Schule vorbereitet. Hier erfahren die Kinder Aufklärung über die Situation und die Rechte der Kin- Achtung, Zuwendung und Bestätigung. Therapie-An- der ist daher wichtiger Teil der Arbeit. Sie erfolgt im gebote wie Malen, Handwerken, Sport und Spiele Radio oder auf öffentlichen Foren, am „Tag des afrika- strukturieren den Alltag. Die Begleitung schließt oft nischen Kindes“ und auf Kinderkonferenzen. n > PORTRÄT Njokis Job ist auf der Müllhalde, sie die weiterführende Schule. Die Sozialarbeiter stellten ihre Chance ist die Schule den Kontakt zur Schule her, führten Gespräche mit der Schulleitung und zahlen 80 Prozent der Schulgebühren, Die sechzehnjährige Phyillis sammelt in Gioto, der städ- solange die Familie den Rest aufbringt. An schulfreien tischen Müllhalde Nakurus, Metallreste aus dem Lade- Tagen sammelt Njoki Abfall im Wert von rund 200 Schil- gut des Lasters mit der Aufschrift „God gives“. Njoki ling (zwei Euro). Ihre Mutter unterstützt sie darin. lebt mit ihrer Mutter und vier Geschwistern in einem Damit ist sich Njoki sicher, dass ihre Mutter auf ihrer aus Planen gebauten Haus – mitten auf dem Müllberg. Seite steht und ihre Pläne gutheißt. Alle finden diese Als sie vor vier Jahren John von der Diözese kennen- Vereinbarung und geteilte Verantwortung richtig. lernte, der ihr ein Ohr und konkrete Unterstützung an- geboten hat, änderte sich ihr Leben: Es gab plötzlich Reportagen über das Straßenkinderprojekt in Nakuru eine Zukunft jenseits des Abfallberges. Jetzt besucht auf www.caritas-international.de/85062.html Caritasinternational Jahresbericht 2011 Soziale Arbeit weltweit Kenia
  • 20. 20-21_Indonesien 21.05.12 09:46 Seite 20 20 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Behindertenhilfe Schwer verletzt aus Trümmern Viele Opfer des Erdbebens 2006 leben heute mit körperlichen Behinderungen. Caritas in- ternational unterstützt sie und ihre Familien. Soziale Arbeit weltweit Indonesien Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 21. 20-21_Indonesien 21.05.12 09:46 Seite 21 Malaysia Jakarta Indonesien stepmap.de Australien 21 2 Indonesien: 1,9 Mio. km groß, 238 Mio. Einwohner „Wir leben wie in einer Familie“ Die Stärkung der Rechte von Behinderten und einer inklusiven Gesellschaft sind Ziele der Caritas in Indonesien. Die Projekte haben zu einem Bewusstseinswandel beigetragen. S eit seiner frühen Kindheit leidet Sri Mulyo an den Folgen einer Kinderlähmung. Als Jugendlicher litt er nicht nur körperlich darunter, sondern auch see- lisch. Weil ihm andere Jungen und Mädchen auf- grund seiner Behinderung nichts zutrauten, verlor er sein Selbstvertrauen und wurde äußerst schüchtern. Dennoch wollte er sich seine zwei größten Träume nicht nehmen lassen. Er wollte, so schwor er sich, einmal ein guter Bogenschütze werden. Und ein en- gagierter Menschenrechtler. Vielleicht gerade auf- grund seiner eigenen Erfahrungen entwickelte er eine besonders hohe Sensibilität für Menschen, die nicht mit Respekt behandelt werden. Selbstbewusstsein stärken Dass er sich beide Träume verwirklichen konnte Gezielte Förderung behinderter Kinder in Indonesien. und aus ihm heute ein selbstbewusster junger Mann geworden ist, ist vor allem seinen Erfahrungen mit zwei Hilfsorganisationen in Indonesien zu verdanken, beigetragen. Dieses Projekt hat die Menschen einan- mit denen Caritas international kooperiert: der Behin- der nähergebracht und dazu geführt, dass sie jetzt dertenrechtsorganisation Persatuan Penyandang Ca- wie in einer großen Familie zusammenleben.“ cat Indonesia (PPCI – übersetzt: Verbund von Men- Was den zweiten Traum, das Bogenschießen, schen mit Behinderung Indonesiens) und der Caritas angeht, so nahm Sri Mulyo 2011 an den Paralym- der Erzdiözese Semarang (Karina KAS). pischen Spielen Asiens in Solo/Indonesien teil. Er „Bei PPCI“, erzählt Sri Mulyo, „in meiner Heimat, gewann zwar keine Medaille, überzeugte aber mit dem indonesischen Regierungsbezirk Klaten, wurde beeindruckenden Leistungen. Seine Selbstein- mir klar, wie wenig die Gesellschaft über Behinderung schätzung nach den Spielen ist ganz Ausdruck sei- und die damit verbundenen Fragen weiß und wie nes neu gewonnenen Selbstbewusstseins: „Beim wichtig es daher ist, ein entsprechendes Bewusst- nächsten Mal“, prophezeit er, „hole ich Gold.“ n sein zu schaffen.“ Dieser Bewusstseinsarbeit hat sich Sri Mulyo mit > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN Herz und Seele verschrieben, seit er nach dem schweren Erdbeben auf der Insel Java 2006 bei der Indonesien ist sehr häufig von Erdbeben, Vulkan- Caritas Indonesien die gemeinwesenorientierte Arbeit ̈ ausbruchen und Seebeben betroffen. Entsprechend hoch unterstützt. Die kommunalen Behörden stellten ein ist die Zahl der Caritas-Projekte (2011: 41; insgesamt Stück Land zur Verfügung, das Menschen mit Behin- 1,21 Millionen Euro). In der Behindertenhilfe wurden im vergangenen Jahr 400.000 Euro umgesetzt, davon derung bewirtschaften können. Sri Mulyo und seine ̈ 130.000 aus Mitteln des Bundesministeriums fur wirt- Kolleg(inn)en leiten sie und auch Menschen ohne Be- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). hinderung dabei in biologischem Landbau und der ̈ Weltweit unterstutzt Caritas international 83 Projekte Fischzucht an. „Auf diese Weise“, freut sich Sri Mu- ̈ für und mit Menschen mit Behinderung uber insge- lyo, „haben wir hier schon viel zum Zusammenleben samt 3,3 Millionen Euro. von behinderten und nicht-behinderten Menschen Caritasinternational Jahresbericht 2011 Soziale Arbeit weltweit Indonesien
  • 22. 22-23_Kuba 21.05.12 09:47 Seite 22 22 Katastrophenhilfe Soziale Arbeit weltweit Wir über uns Zahlen und Fakten Seniorenarbeit „30 Grad plus – 30 Grad minus“ Weltweit nimmt die Zahl der Senioren zu. Was bedeutet dies für die Gesellschaften in ärmeren Ländern? Seniorenprogramme der Caritas in Osteuropa und Lateinamerika gehen unterschiedliche Wege. Weltweit steigt die Zahl der über 60-Jährigen; nach oder anderen Krankheiten gestorben sind. Auf der UN-Angaben werden bis 2050 etwa 80 Prozent der Se- anderen Seite sind alte Menschen bei Katastrophen nioren in einkommensschwachen Ländern leben. Dies besonders schwer betroffen. Diese vielfältigen Ent- hat gravierende Auswirkungen auf die Gesellschafts- wicklungen beeinflussen auch die Arbeit von Caritas und Sozialstrukturen auch der Länder des Südens, international. Das Hilfswerk der deutschen Caritas fällt ihnen doch oft eine Schlüsselrolle im sozialen führt in vielen Ländern und Regionen Seniorenpro- Leben zu. Senioren übernehmen zunehmend Aufgaben, gramme durch – und setzte dazu 2011 in 85 Projekten die junge Leute nicht mehr leisten können, weil sie in fast vier Millionen Euro ein. Andrea Hitzemann, den Städten arbeiten. In vielen Fällen erziehen Groß- Leiterin des Referats Lateinamerika/Europa, erläutert eltern die Kinder, deren Eltern in Kriegen, an Aids die unterschiedlichen Ansätze in der Seniorenarbeit. Was ist das Lateinamerikanische Netzwerk Gerontologie? Andrea Hitzemann: In diesem Netzwerk haben wir uns mit unseren Partnern aus Chile, Kuba, Mexiko, Panama und Peru zusammengeschlossen. Es geht um einen fachli- chen Austausch in der Seniorenarbeit über Ländergrenzen hinweg – mithilfe einer gemeinsamen Website, durch Fortbildungen und über regelmäße Treffen. Nicht nur wir und unsere Partner sehen in dieser Art der Kooperation viele Vorteile. Das Projekt wird auch durch das Bundesmi- nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung – BMZ – gefördert. Wieso ist eine solche Netzwerkarbeit über Länder- grenzen hinweg so wichtig? Hitzemann: Neben dem sehr effektiven fachlichen Austausch geht es darum, die Regierungen und die Gesellschaften für das Thema zu sensibilisie- ren. Eine solche politische und Lobbyarbeit funk- tioniert besser im Verbund. Die Voraussetzungen in den verschiedenen Ländern sind ähnlich: Der Anteil der Menschen über 60 steigt stetig, dazu kommt die wachsende Verstädterung. Wieso spielt die Verstädterung eine Rolle in der Seniorenarbeit? Den Zusammenhalt stärken Hitzemann: Die Verstädterung geht ja einher mit In der Ukraine und anderen osteuropäischen einer Veränderung des gesamten Lebens. In Städ- Staaten fehlt es oft an sozialen Strukturen. ten spielen traditionelle Strukturen wie im Dorf Soziale Arbeit weltweit Kuba/Ukraine Caritasinternational Jahresbericht 2011
  • 23. 22-23_Kuba 21.05.12 09:48 Seite 23 stepmap.de 23 Starkes soziales Miteinander: In Kuba hat das Gemeindeleben einen hohen Wert – auch im Alter. mit dem familiären und sozialen Zusammenhalt eine ge- Ukraine leben Senioren dagegen häufig allein – im ringere Rolle. Auf der anderen Seite nutzen ältere Men- schlechten Fall in einer kalten Plattenbauwohnung. Hier schen die Infrastruktur der Städte – von der U-Bahn bis organisiert Caritas oft die Hauskrankenpflege. Das ist si- zum Theater. Seniorengerechtes Wohnen, Partizipation, cherlich ein wenig vereinfacht dargestellt, trifft aber den aber auch Gewalt gegen Senioren sind Themen, die in der Kern und lässt sich auch in Zahlen fassen: Im kubani- Gesellschaft diskutiert werden müssen. Daher organisiert schen Seniorenprogramm arbeiten 3.000 Freiwillige mit, das Netzwerk beispielsweise Veranstaltungen in Schulen, in der Ukraine müssen wir Freiwillige mühsam suchen. um Kindern das Leben der Senioren näherzubringen. Womit erklären Sie sich diese Gegensätze? Caritas unterstützt seit Jahren die Seniorenarbeit in Kuba. Hitzemann: Im Realsozialismus Osteuropas war Gibt es einen „sozialistischen Weg“ in diesem Bereich? fast alles institutionalisiert, bis heute wird Hitzemann: Es sind weniger die Gesellschaftsmodelle als ehrenamtliches, gemeinsames Handeln kri- die Traditionen, die den Unterschied ausmachen. Das Le- tisch beäugt und selten gefördert. In La- „Voneinander lernen“ Andrea Hitzemann sieht Möglich- ben von Senioren in Kuba und in der Ukraine beispiels- teinamerika dagegen – auch in Kuba – wird keiten eines internationalen weise unterscheidet sich gravierend, während ich in La- das Gemeindeleben dagegen seit jeher Austauschs in der Seniorenarbeit. teinamerika mehr Parallelen als Unterschiede sehe. Es groß geschrieben. Und auch wenn es banal gibt dort eine lange Tradition des Miteinanders, während klingt: Das Klima spielt tatsächlich eine große Rolle. dieses in Osteuropa oftmals erst aufgebaut werden muss. Sehen Sie dennoch Möglichkeiten des Austauschs? Wie äußern sich diese Unterschiede? Hitzemann: Unbedingt. Die Kolleginnen und Kollegen aus Hitzemann: Auf den Punkt gebraucht würde ich sagen: Kuba haben ein Interesse signalisiert an unseren Konzep- zwischen 30 Grad über und 30 Grad unter null. Auf Kuba ten der Hauskrankenpflege, die vorbildhaft sind in vielen nehmen viele Senioren aktiv am sozialen Leben teil, das osteuropäischen Staaten. Umgekehrt wäre es zum Beispiel oft im Freien stattfindet. Es gibt viele Gemeindefeste, für ukrainische Fachkräfte der Seniorenarbeit interessant gemeinsame Essen oder Musikveranstaltungen. In der zu sehen, wie Freiwilligenprogramme laufen können. n > DIE HILFE DER CARITAS IN ZAHLEN Seniorenarbeit Ukraine Seniorenarbeit Kuba und Lateinamerika Der Schwerpunkt der Seniorenarbeit von Caritas interna- Seit Anfang der 1990er Jahre bietet die Cáritas Cubana tional in der Ukraine liegt in der häuslichen Pflege. Mit- ein Seniorenprogramm an, um Familienangehörige und arbeiter der Caritas Ukraine betreuen Pflegebedürftige Freiwillige aus Pfarrgemeinden in der Seniorenarbeit zu medizinisch und helfen bei der Organisation des Alltags schulen und zu unterstützen. Caritas international fördert durch Essen auf Rädern, Putzen oder Fahrdienste. Über diese Arbeit. Um das Know-how der Seniorenarbeit auf den Zeitraum 2008 bis 2013 setzt das Hilfswerk der dem Kontinent auszutauschen, wurde 1999 das Latein- deutschen Caritas dabei mehr als eine Million Euro um. amerikanische Netzwerk Gerontologie gegründet, das Im Rahmen der Home Care Working Group wird der Aus- Caritas international durch Mittel des Bundesministeri- tausch im Bereich Häusliche Pflege zwischen Caritas-Ein- ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung richtungen in ganz Osteuropa gefördert. (BMZ) mit bislang ca. 2,2 Mio. Euro unterstützt hat. Caritasinternational Jahresbericht 2011 Soziale Arbeit weltweit Kuba/Ukraine