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Braucht es noch Krankenkassen-Zusätze?
Das kostet die freie Spitalwahl
NZZ, Equity Donnerstag, 13. September
Mit der Fallpauschale wird jeder Leistung ein Preis zugerechnet. (Bild: Gaëtan Bally /
Keystone)
Mit der Einführung der Spitalreform hat sich per Jahresbeginn 2012 die Abrechnungsmethode
für Spitalaufenthalte geändert. Die Versicherten müssen aus diesem Anlass die Zusatzdeckung
zur Grundversicherung der Krankenkasse überdenken.
Werner Grundlehner
Die Spitalzusatzversicherung «Spital allgemein ganze Schweiz» ist bei Schweizer
Versicherten beliebt. Dieser Zusatz zur obligatorischen Krankenversicherung deckt die
Kosten für stationäre Behandlungen ausserhalb des Wohnkantons. Das lohnt sich vor allem
dann, wenn ein ausserkantonales Spital näher liegt oder Spezialkliniken im eigenen Kanton
nicht in bester Qualität zur Verfügung stehen.
Freie Spitalwahl
Mit Jahresbeginn 2012 hat sich anlässlich der Spitalreform jedoch die Abrechnungsmethode
verändert. Die national einheitlichen Fallkostenpauschalen stellen öffentliche und private
Spitäler auf dieselbe Stufe, indem die gesamte medizinische Leistung neu pauschal pro
Behandlung mit einem einheitlichen Betrag abgegolten wird – unabhängig davon, wie lange
der Patient im Spital liegt. So können auch Versicherte, die lediglich über eine
Grundversicherung verfügen, in der ganzen Schweiz frei wählen, in welchem Spital sie sich
behandeln lassen möchten, sofern dieses auf der jeweiligen kantonalen Spitalliste steht.
Allerdings vergüten die Krankenkassen in der Grundversicherung nur die Kosten zum Tarif
ihres Wohnkantons.
Während die Tagespauschalen von aussen nicht durchschaubar waren, rechnen
Fallpauschalen jeder Leistung einen Preis zu – bei einer Hüftoperation also beispielsweise,
OP-Saal-Belegung, Chirurg, Anästhesie, Physiotherapie, Essen usw. Dank Fallpauschalen
würden nicht mehr Spitalkosten, sondern tatsächlich erbrachte Spitalleistungen durch
Kantone und Krankenversicherer gemeinsam bezahlt, sagt Stephan M. Wirz, Mitglied der
Geschäftsleitung des Maklerzentrums Schweiz.
Hat diese Änderung der Spitalabrechnung einen Einfluss auf die Beliebtheit von
Spitalzusatzversicherungen? Krankenkassen gaben an, dass 2011 teilweise bis zu 80% der
Versicherten eine Spitalzusatzversicherung abgeschlossen hatten. Einzelne
Versicherungsmakler vermeldeten in der ersten Jahreshälfte 2012 sogar eine weiter
steigende Nachfrage nach Spitalzusatzversicherungen. Gemäss Felix Schneuwly vom
Vergleichsdienst Comparis.ch kosten diese Zusatzversicherungen «Spital allgemein ganze
Schweiz» momentan zirka 3 bis 17 Franken im Monat.
Kurzfristig sollte sich für die Versicherten wenig ändern, die Systemänderung betreffe in
erster Linie die Spitäler, sagt Anne Durrer vom Krankenkassenverband Santésuisse. Durch
die Fallkostenpauschale entsteht ein Preisdruck auf die Spitäler, denn die Kosten werden von
den Krankenkassen nur noch zu maximal 45% vergütet. Der Konkurrenzkampf werde fairer,
sagt Schneuwly, weil das Kosten-Berechnungs- und Preisbildungssystem in der ganzen
Schweiz das gleiche sei. Wettbewerbsverzerrend sei jedoch, dass für die Preisverhandlungen
zwar Kosten-, aber keine Qualitätsdaten herangezogen würden.
(Infografik)
Langfristig sollten deshalb die Prämien der Zusatzversicherung sinken. Die Schweizerische
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren forderte im Hinblick auf die Spitalreform
eine drastische Verbilligung dieser Zusatzversicherung. Die meisten Krankenkassen haben
noch nicht reagiert, weil zuerst neue Modellrechnungen vorgenommen werden müssten.
Entscheiden, ob die Prämien angemessen sind, muss zu guter Letzt aber die
Finanzmarktaufsicht (Finma).
Die Kunden verständen die gesetzlichen Änderungen in Bezug auf die neue
Spitalfinanzierung und die Einführung der Fallpauschalen nicht, sagt Stephan M. Wirz. Es sei
für den Kunden weiter nahezu unmöglich, zu beurteilen, ob eine ausserkantonale
Behandlung nun übernommen wird oder nicht. Die Mehrheit der Maklerzentrum-Kunden
habe deshalb diese Zusatzdeckung weiterhin versichert.
Längerfristig dürfte der Zusatz «Spital allgemein ganze Schweiz» an Bedeutung verlieren und
auch günstiger werden. Gerade ältere Versicherte müssen sich jedoch bewusst sein, dass es
sich bei der Police nicht um die Grundversicherung handelt. Die Krankenkassen verlangen
für die Aufnahme eine Gesundheitsprüfung. Sollte sich also ein erneuter Abschluss
aufdrängen – beispielsweise wegen eines Umzugs in einen anderen Kanton –, dann kann je
nach Gesundheitszustand eine Aufnahmeverweigerung oder ein Ausschluss bei bestimmten
Diagnosen drohen.
Mehr Hotelkomfort
Weiterhin sinnvoll kann die Zusatzversicherung «Spital halbprivat und privat» sein. Sie
ermöglicht dem Patienten mehr Hotelkomfort (Einzelzimmer, Menuauswahl), die freie
Arztwahl im Spital sowie kürzere Wartezeiten bei nicht dringenden Eingriffen. Eine derartige
Versicherung brauchen nach Ansicht von Felix Schneuwly beispielsweise Patienten mit
einem Herzleiden, die sich aber nur dem Starchirurgen Thierry Carrel anvertrauen wollen.
Ob Thierry Carrel besser operiere als seine Kollegen im Inselspital oder in anderen Spitälern,
sei bis jetzt aus keiner publizierten Statistik ersichtlich, fügt Schneuwly an.
Die gesetzlich verankerte freie Spitalwahl ist ein gutes Verkaufsargument für die Kassen, die
günstigen Zusatzversicherungen anzupreisen. Aber nur 10% der Versicherten beanspruchen
jährlich eine stationäre Behandlung. Davon sind nur wenig nicht medizinisch indizierte,
ausserkantonale Behandlungen, davon wiederum nur ein Teil mit einem höheren
Fallpauschalpreis im ausserkantonalen Spital als im Wohnkanton. Diese
Zusatzversicherungen sind also ein gutes Geschäft für die Versicherer, wenn bis zu 80% der
Versicherten Prämien bezahlen und nur ein kleiner Teil davon Leistungen beansprucht.
Günstiger als halbprivat
Comparis weist darauf hin, dass der Zusatz «Allgemeine Abteilung Schweiz» wichtig bleibe
für Versicherte in Gebieten, in denen das nächste Spital ausserkantonal liegt und teurer ist
als die innerkantonalen. Auch das Maklerzentrum Schweiz rät, die Zusatzversicherung
beizubehalten, denn ohne sie bestehe die Gefahr, dass ein ausserkantonaler Aufenthalt im
gewünschten Spital aus Kostengründen nicht möglich sei. Bei einem bevorstehenden
Spitalaufenthalt oder bei gesundheitlichen Problemen kann diese Versicherungsdeckung
nicht mehr eingeschlossen werden. Diese Deckung sei im Vergleich zu einer halbprivaten
oder privaten Versicherungsdeckung wesentlich günstiger, lasse dem Versicherten aber
gegen einen Aufpreis alle Möglichkeiten offen.
Kündigungswillige müssen zudem in Betracht ziehen, dass es keine «schnellen
Kündigungen» gibt. Falls die Versicherungsprämie auf Ende 2012 erhöht wird, gilt eine
einmonatige Kündigungsfrist per Ende Jahr. Sonst haben die Krankenversicherer eine
ordentliche Kündigungsfrist von drei bis sechs Monaten. Bei den grossen Kassen kann man
einen Zusatzversicherungs-Vertrag nur per 31. Dezember auflösen.

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Braucht Es Noch Krankenkassen Zusätze Maklerzentrum Schweiz AGag

  • 1. Braucht es noch Krankenkassen-Zusätze? Das kostet die freie Spitalwahl NZZ, Equity Donnerstag, 13. September Mit der Fallpauschale wird jeder Leistung ein Preis zugerechnet. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone) Mit der Einführung der Spitalreform hat sich per Jahresbeginn 2012 die Abrechnungsmethode für Spitalaufenthalte geändert. Die Versicherten müssen aus diesem Anlass die Zusatzdeckung zur Grundversicherung der Krankenkasse überdenken. Werner Grundlehner Die Spitalzusatzversicherung «Spital allgemein ganze Schweiz» ist bei Schweizer Versicherten beliebt. Dieser Zusatz zur obligatorischen Krankenversicherung deckt die Kosten für stationäre Behandlungen ausserhalb des Wohnkantons. Das lohnt sich vor allem dann, wenn ein ausserkantonales Spital näher liegt oder Spezialkliniken im eigenen Kanton nicht in bester Qualität zur Verfügung stehen. Freie Spitalwahl Mit Jahresbeginn 2012 hat sich anlässlich der Spitalreform jedoch die Abrechnungsmethode verändert. Die national einheitlichen Fallkostenpauschalen stellen öffentliche und private Spitäler auf dieselbe Stufe, indem die gesamte medizinische Leistung neu pauschal pro Behandlung mit einem einheitlichen Betrag abgegolten wird – unabhängig davon, wie lange der Patient im Spital liegt. So können auch Versicherte, die lediglich über eine Grundversicherung verfügen, in der ganzen Schweiz frei wählen, in welchem Spital sie sich
  • 2. behandeln lassen möchten, sofern dieses auf der jeweiligen kantonalen Spitalliste steht. Allerdings vergüten die Krankenkassen in der Grundversicherung nur die Kosten zum Tarif ihres Wohnkantons. Während die Tagespauschalen von aussen nicht durchschaubar waren, rechnen Fallpauschalen jeder Leistung einen Preis zu – bei einer Hüftoperation also beispielsweise, OP-Saal-Belegung, Chirurg, Anästhesie, Physiotherapie, Essen usw. Dank Fallpauschalen würden nicht mehr Spitalkosten, sondern tatsächlich erbrachte Spitalleistungen durch Kantone und Krankenversicherer gemeinsam bezahlt, sagt Stephan M. Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung des Maklerzentrums Schweiz. Hat diese Änderung der Spitalabrechnung einen Einfluss auf die Beliebtheit von Spitalzusatzversicherungen? Krankenkassen gaben an, dass 2011 teilweise bis zu 80% der Versicherten eine Spitalzusatzversicherung abgeschlossen hatten. Einzelne Versicherungsmakler vermeldeten in der ersten Jahreshälfte 2012 sogar eine weiter steigende Nachfrage nach Spitalzusatzversicherungen. Gemäss Felix Schneuwly vom Vergleichsdienst Comparis.ch kosten diese Zusatzversicherungen «Spital allgemein ganze Schweiz» momentan zirka 3 bis 17 Franken im Monat. Kurzfristig sollte sich für die Versicherten wenig ändern, die Systemänderung betreffe in erster Linie die Spitäler, sagt Anne Durrer vom Krankenkassenverband Santésuisse. Durch die Fallkostenpauschale entsteht ein Preisdruck auf die Spitäler, denn die Kosten werden von den Krankenkassen nur noch zu maximal 45% vergütet. Der Konkurrenzkampf werde fairer, sagt Schneuwly, weil das Kosten-Berechnungs- und Preisbildungssystem in der ganzen
  • 3. Schweiz das gleiche sei. Wettbewerbsverzerrend sei jedoch, dass für die Preisverhandlungen zwar Kosten-, aber keine Qualitätsdaten herangezogen würden. (Infografik) Langfristig sollten deshalb die Prämien der Zusatzversicherung sinken. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren forderte im Hinblick auf die Spitalreform eine drastische Verbilligung dieser Zusatzversicherung. Die meisten Krankenkassen haben noch nicht reagiert, weil zuerst neue Modellrechnungen vorgenommen werden müssten. Entscheiden, ob die Prämien angemessen sind, muss zu guter Letzt aber die Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Kunden verständen die gesetzlichen Änderungen in Bezug auf die neue Spitalfinanzierung und die Einführung der Fallpauschalen nicht, sagt Stephan M. Wirz. Es sei für den Kunden weiter nahezu unmöglich, zu beurteilen, ob eine ausserkantonale Behandlung nun übernommen wird oder nicht. Die Mehrheit der Maklerzentrum-Kunden habe deshalb diese Zusatzdeckung weiterhin versichert. Längerfristig dürfte der Zusatz «Spital allgemein ganze Schweiz» an Bedeutung verlieren und auch günstiger werden. Gerade ältere Versicherte müssen sich jedoch bewusst sein, dass es sich bei der Police nicht um die Grundversicherung handelt. Die Krankenkassen verlangen für die Aufnahme eine Gesundheitsprüfung. Sollte sich also ein erneuter Abschluss aufdrängen – beispielsweise wegen eines Umzugs in einen anderen Kanton –, dann kann je nach Gesundheitszustand eine Aufnahmeverweigerung oder ein Ausschluss bei bestimmten Diagnosen drohen.
  • 4. Mehr Hotelkomfort Weiterhin sinnvoll kann die Zusatzversicherung «Spital halbprivat und privat» sein. Sie ermöglicht dem Patienten mehr Hotelkomfort (Einzelzimmer, Menuauswahl), die freie Arztwahl im Spital sowie kürzere Wartezeiten bei nicht dringenden Eingriffen. Eine derartige Versicherung brauchen nach Ansicht von Felix Schneuwly beispielsweise Patienten mit einem Herzleiden, die sich aber nur dem Starchirurgen Thierry Carrel anvertrauen wollen. Ob Thierry Carrel besser operiere als seine Kollegen im Inselspital oder in anderen Spitälern, sei bis jetzt aus keiner publizierten Statistik ersichtlich, fügt Schneuwly an. Die gesetzlich verankerte freie Spitalwahl ist ein gutes Verkaufsargument für die Kassen, die günstigen Zusatzversicherungen anzupreisen. Aber nur 10% der Versicherten beanspruchen jährlich eine stationäre Behandlung. Davon sind nur wenig nicht medizinisch indizierte, ausserkantonale Behandlungen, davon wiederum nur ein Teil mit einem höheren Fallpauschalpreis im ausserkantonalen Spital als im Wohnkanton. Diese Zusatzversicherungen sind also ein gutes Geschäft für die Versicherer, wenn bis zu 80% der Versicherten Prämien bezahlen und nur ein kleiner Teil davon Leistungen beansprucht. Günstiger als halbprivat Comparis weist darauf hin, dass der Zusatz «Allgemeine Abteilung Schweiz» wichtig bleibe für Versicherte in Gebieten, in denen das nächste Spital ausserkantonal liegt und teurer ist als die innerkantonalen. Auch das Maklerzentrum Schweiz rät, die Zusatzversicherung beizubehalten, denn ohne sie bestehe die Gefahr, dass ein ausserkantonaler Aufenthalt im gewünschten Spital aus Kostengründen nicht möglich sei. Bei einem bevorstehenden Spitalaufenthalt oder bei gesundheitlichen Problemen kann diese Versicherungsdeckung nicht mehr eingeschlossen werden. Diese Deckung sei im Vergleich zu einer halbprivaten oder privaten Versicherungsdeckung wesentlich günstiger, lasse dem Versicherten aber gegen einen Aufpreis alle Möglichkeiten offen. Kündigungswillige müssen zudem in Betracht ziehen, dass es keine «schnellen Kündigungen» gibt. Falls die Versicherungsprämie auf Ende 2012 erhöht wird, gilt eine einmonatige Kündigungsfrist per Ende Jahr. Sonst haben die Krankenversicherer eine ordentliche Kündigungsfrist von drei bis sechs Monaten. Bei den grossen Kassen kann man einen Zusatzversicherungs-Vertrag nur per 31. Dezember auflösen.