1. 226 Komparative Übersicht
Autor
Aspekt
Marx Durkheim Simmel
Ansatz Materialismus (Analyse
ökonomischer Strukturen)
Methodologischer Holismus
(‚Positivismus‘)
Formale Soziologie
Soziologie-
verständnis
(Sozialphilosophischer
Vorläufer)
Wissenschaft von den Institu-
tionen (Zwang)
Soziologie als Analyse von
Vergesellschaftungsprozes-
sen und -formen
Methodik Dialektik (Denken in not-
wendig zu überwindenden
Widersprüchen)
Soziologische Tatbestände
wie Dinge betrachten
Analyse von Wechselwir-
kungen
Erklärungs-
vorstellung
Dialektisch im Ausgang von
ökonomischen Strukturen
Soziales durch Soziales
erklären (Dreischritt: kausal,
funktional, pathologisch)
Verursachungskonstellatio-
nen
Gesell-
schafts-
begriff
Klassengesellschaft: Besitz –
Besitzlosigkeit
Moralische Tatsache (Reali-
tät sui generis); zugleich
Arbeitsteilungs- und Solida-
ritätszusammenhang
Prozessual: komplexe Ver-
flechtung von Wechselwir-
kungen
Gesell-
schaftstypen
Klassenlose, Sklavenhalter-,
Feudal-, kapitalistische und
kommunistische Gesell-
schaftsformation
Segmentär differenzierte (tra-
ditionale) und funktional
differenzierte (moderne)
Gesellschaften
Traditionale und moderne
Gesellschaft
Macht und
Herrschaft
Herrschende – Beherrschte
(antagonistische Klassenver-
hältnisse)
-- --
Soziale
Ungleichheit
Arbeitsteilung und Ausbeu-
tung (Besitz–Besitzlosigkeit)
-- --
Sozialer
Wandel
Teleologisch; Widersprüche
zwischen Produktivkräften
und Produktionsverhältnissen
führen (sofern bewusst) zu
revolutionären Umbrüchen
Offener Prozess; dynamisie-
rende Faktoren: Volumen
und Dichte der Bevölkerung;
Arbeitsteilungsformen
Von einer Konzentrik zur
Kreuzung sozialer Kreise;
dynamisierender Faktor:
fortschreitende Individuali-
sierung
Soziale
Differenzie-
rung
Klassen: Besitz–Besitzlosig-
keit an Produktionsmitteln –
antagonistische Klassenver-
hältnisse
Segmentäre Differenzierung
– funktionale Differenzie-
rung
Pluralisierung sozialer Kreise
Soziale
Integration
Klassenbewusstsein
(„Klasse für sich“)
Produktion von Kollektivbe-
wusstsein: Mechanische
Solidarität qua Geburt,
Organische Solidarität qua
Arbeitsteilung
Soziologische Apriori,
Kreuzung sozialer Kreise
Zeitdiagno-
se: moderne
Gesellschaft
Ökonomisch begründete
Ausbeutung und Entfrem-
dung (Zwangsphänomene)
Individualisierung führt zu
Anomie und Demoralisie-
rung (Desintegration)
Individualisierung sowie
Auseinandertreten von
subjektiver und objektiver
Kultur
2. 227
Autor
Aspekt
Weber Elias Parsons
Ansatz Verstehende Soziologie
(methodologischer Individua-
lismus)
Prozess- und Figurationsso-
ziologie
Handlungsanalytische Sys-
temtheorie
Soziologie-
verständnis
Wissenschaft vom sozialen
Handeln
Wissenschaft der Verflech-
tungszusammenhänge
Gesellschaftstheorie und
Theorie der Sozialwissen-
schaften
Methodik Erklären und Verstehen
(idealtypische Begriffe)
Historische Analyse Funktionsanalyse sozialer
Systeme
Erklärungs-
vorstellung
Ursächlich erklären (Wahl-
verwandtschaften, z.B.
Calvinismus und Kapitalis-
mus)
Identifizierung historischer
Entwicklungsmuster (Struk-
turen)
Erklären über die Identifizie-
rung not-wendig zu lösender
Funktionsprobleme
Gesell-
schafts-
begriff
Prozessual: Vergesell- und
Vergemeinschaftung;
das Nebeneinander von
Wertsphären
Verflechtungszusammenhang
(Handlungsketten, Figuratio-
nen)
Normativ integrierter Funkti-
onszusammenhang; funktio-
nal stabilisiertes ‚Ganzes‘
(AGIL)
Gesell-
schaftstypen
(Frühe, vormoderne – mo-
derne Vergesellschaftungsty-
pen)
Monozentrische – Multizen-
tische Gesellschaften
Primitive, hochkulturelle,
vormoderne und moderne
Gesellschaft
Macht und
Herrschaft
Herrschaftstypen (charisma-
tische, traditionale, rational-
legale) als Institutionalisie-
rungsformen von Macht
Figurationen als historisch
spezifische Machtkonstellati-
onen
Politisches System (theore-
tisch: nicht übergeordnet);
Medium: Macht
Soziale
Ungleichheit
Klassenlagen und ständische
Lagen; Besitz- und Erwerbs-
klassen, Soziale Klassen
Ausschließungsprozesse:
Etablierte – Außenseiter
Einkommen, Macht, Prestige
Sozialer
Wandel
Ambivalenter, offener Pro-
zess; kulturelle Rationalisie-
rung (Entzauberung) und
gesellschaftliche Rationali-
sierung (Bürokratisierung)
Offener Prozess: Konkur-
renzkampf, Wandel von
Figurationen aufgrund nicht-
intendierter Handlungsfol-
gen;
Zivilisierungsprozess: vom
Fremd- zum Selbstzwang
Evolution: gerichteter und
unumkehrbarer Prozess; evo-
lutionäre Universalien führen
zur Steigerung gesellschaftli-
cher Anpassungsfähigkeit
Soziale
Differenzie-
rung
Differenzierung kultureller
Wertsphären
Figurationen,
Machtungleichgewichte
Fortschreitende Subsystem-
bildung (Differenzierung löst
Folgeprobleme von Differen-
zierungen)
Soziale
Integration
Legitimitätsglaube an Herr-
schaftsordnungen, Zurech-
nungsmodi (Fachschulung,
bürokratische Prozesse)
Zwang: qua fortschreitender
Affektkontrolle vom Fremd-
zwang zum Selbstzwang;
Zunahme langer Handlungs-
ketten: Interdependenzen
Institutionalisierung (Rollen)
– Internalisierung (Normen)
– Sozialisierung (Motive);
Erwartungsstrukturen;
wechselseitige intersystemi-
sche Austauschbeziehungen
(double interchanges) und
Kontrollhierarchie
Zeitdiagno-
se: moderne
Gesellschaft
Kulturelle Pluralisierung und
gesellschaftliche Bürokrati-
sierung führen zu Sinn- und
Freiheitsverlust
Individuell: Über-Ich-Domi-
nanz
Gesellschaftlich: Monopoli-
sierungen
Folgeprobleme funktionaler
Differenzierung
Komparative Übersicht
3. 228 Komparative Übersicht
Autor
Aspekt
Schütz Berger & Luckmann
Ansatz Sozial- und Wissenstheorie Sozial-, Wissens- und Gesellschaftstheorie
Soziologie-
verständnis
Reflexive Analyse der Strukturen der Le-
benswelt
Reflexive Analyse der Konstruktionsprozesse
sozialer Sinnzusammenhänge
Methodik Phänomenologisch sowie wissens- und hand-
lungsanalytisch
Sozialkonstruktivistisch (wissens- und hand-
lungsanalytisch)
Erklärungs-
vorstellung
Verstehend-rekonstruktiv Verstehend-rekonstruktiv
Gesell-
schafts-
begriff
Geflecht von Wirkensbeziehungen und Wis-
sensordnungen
Geflecht von Wirkensbeziehungen und Wis-
sensordnungen in wechselseitiger Formierung
von Institutionalisierungs- und Legitimie-
rungsprozessen
Gesell-
schaftstypen
(Frühe – moderne Gesellschaften) (Frühe – moderne Gesellschaften)
Macht und
Herrschaft
Wissensformierung Wissensformierung, Deutungsmacht und
soziale Kontrolle
Soziale
Ungleichheit
Ungleiche Verteilung von Wissen Ungleiche Verteilung von Wissen als Res-
source für politische Beteiligung und die
Akkumulation von Lebenschancen
Sozialer
Wandel
Grundlegende Prozessperspektive: fundamen-
tale Dialektik; Habitualisierung – Typisierung
– Institutionalisierung
Grundlegende Prozessperspektive: fundamen-
tale Dialektik; Habitualisierung – Typisierung
– Institutionalisierung
Soziale
Differenzie-
rung
Sinndifferenzierung in mannigfaltige Wirk-
lichkeiten
Symbolische Sinnwelten als soziale Kon-
struktionen kommunikativer Prozesse; Institu-
tionalisierung von Wissensmodi und Wis-
sensakteuren
Soziale
Integration
Geteiltes Wissen Nomosbildender Prozess qua kommunikativer
Praktiken und Konstruktionen
Zeitdiagno-
se: moderne
Gesellschaft
Sinnpluralisierung Kulturelle Pluralisierung
4. 229
Autor
Aspekt
Habermas Luhmann Coleman
Ansatz Kritische Gesellschaftstheo-
rie
Systemtheorie Rational-Choice Theorie
Soziologie-
verständnis
Aufklärung, Gesellschafts-
theorie
Soziologie als Theorie der
Gesellschaft
Aufklärung über Kausalzu-
sammenhänge
Methodik Rekonstruktive Analyse
(normativer Implikationen)
Konstruktivistisch (Beobach-
tungen zweiter Ordnung) –
Koevolution von Sozialstruk-
tur und Semantik
Nutzenkalkulatorisch (allge-
meine Theorie)
Erklärungs-
vorstellung
Verstehend-rekonstruktiv Erklären durch Verweis auf
die Strukturen gesellschaftli-
cher Differenzierungsformen
(funktionale Analyse)
Deduktiv-nomologisch;
Makro-Mikro-Makro-
Erklärungen
Gesell-
schafts-
begriff
Systemisch stabilisierter
Zusammenhang sozial inte-
grierter Gruppen
Soziales System als Kommu-
nikationssystem (kommuni-
kative Erreichbarkeit = Welt-
gesellschaft)
Soziales System als Tausch-
system
Gesell-
schaftstypen
Frühe, hochkulturelle, mo-
derne Gesellschaften
Segmentäre, stratifizierte,
funktional differenzierte
Gesellschaften
Traditionale (symmetrische),
moderne (asymmetrische)
Gesellschaften
Macht und
Herrschaft
Politische und administrative
Systeme und Eliten
Moderne Gesellschaften als
der Idee nach ent-
hierarchisierte Gesellschaften
Herrschaftsbeziehungen
aufgrund von Verfügungs-
und Tauschrechten; struktu-
relle Dominanz korporativer
Akteure qua Ressourcenak-
kumulationschancen
Soziale
Ungleichheit
Ungleiche materielle Repro-
duktion
Ausschluss aus gesellschaft-
lichen Teilsystemen (Exklu-
sion)
Bildung und Verfügen über
Ressourcen
Sozialer
Wandel
Rationalisierung (Versprach-
lichung des Sakralen, Sys-
temausdifferenzierung)
Differenzierungsdynamik Asymmetrisierung sozialer
Beziehungen
Soziale
Differenzie-
rung
Lebenswelt in institutionelle
Ordnungen, System in Sub-
systeme gegliedert
Segmentäre, stratifikatori-
sche, funktionale Differen-
zierung
Schichten
Soziale
Integration
Sozialintegration (kommuni-
kativ, Lebenswelt) und Sy-
stemintegration (strategisch,
System), Recht und Solidari-
täten
Kontingenzreduktion qua
Stabilisierung von Erwar-
tungsstrukturen; gleichzeitige
Unter- und Überintegration
Normative Integration und
Tausch
Zeitdiagno-
se: moderne
Gesellschaft
Kolonialisierung der Le-
benswelt durch systemische
Imperative
Weltgesellschaft, Risiko
Entdifferenzierung, Ökolo-
gie, Massenmedien, Exklusi-
onsprozesse
Asymmetrische Gesellschaft
Komparative Übersicht
5. 230 Komparative Übersicht
Autor
Aspekt
Foucault Bourdieu
Ansatz Strukturale Machtanalyse Strukturalistischer Konstruktivismus
Soziologie-
verständnis
Aufklärung über die Kontingenz und Macht-
förmigkeit von Diskursen und (institutionel-
len) Praktiken
Aufklärung über das scheinbar Selbstver-
ständliche
Methodik Archäologie
Genealogie
Analyse gesellschaftlicher (symbolischer)
Reproduktionsprozesse und damit einherge-
hender Anerkennungen und Verkennungen
Erklärungs-
vorstellung
Historische (genealogische)
Analyse von Machtformen
Historisch-genetisch
Gesell-
schafts-
begriff
Historische Formierung des Sozialen durch
Diskurse (Epistemai) und Dispositive (diskur-
sive und nicht-diskursive Praktiken)
Sozial und symbolisch strukturierter Raum
unterschiedlicher Machtfelder
Gesell-
schaftstypen
Diskurs- und Dispositivformationen als
Epochenschwellen
Frühe und moderne Gesellschaften (Tausch)
Macht und
Herrschaft
Überwachung (soziale Kontrolle), Diszipli-
nierung, Gou-vernementalität und Biopolitik
Symbolische Macht;
Herrschende und beherrschte Klassen mit
klassenspezifischen Habitus und Lebensstilen
Soziale
Ungleichheit
Regulierung des Zugangs zu Diskursen
(Macht) und Strukturierung sozialer Wirk-
lichkeit durch Raum-Zeit-Sozial-Regime
Klassenstruktur aufgrund ungleichen Kapital-
volumens und ungleicher Kapitalstruktur
(Distinktionsgeschmack als Abgrenzungsme-
chanismus)
Sozialer
Wandel
Wandel von Diskursformen (von Epistemai)
und Dispositiven
Veränderungen der feldspezifischen Konver-
tierungsregeln für Kapitalien durch Positions-
kämpfe
Soziale
Differenzie-
rung
Diskurse (Epistemai)
Macht (Dispositive)
Kapitalvolumen, -struktur und -laufbahn in
sozialen Feldern, Distinktion über Geschmack
Soziale
Integration
(Normalisierung, Disziplinierung, Regierung)
qua ‚internalisierter‘ sozialer Kontrolle;
historische (institutionelle, diskursive) For-
mierung
Klassenspezifische Strukturierung der Habi-
tus; illusio- und hysteresis-Effekte; sym-
bolisches Kapital und Herrschaft
Zeitdiagno-
se: moderne
Gesellschaft
Niedergang des humanistischen Macht-
Wissen-Komplexes; evtl. Ende des Menschen
als Episteme der Moderne
Ökonomisierung des Sozialen