Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Beckert: Das Rechtsverhältnis zwischen Veranstalter und Besucher nach der Schuldrechtsreform
1. K Veranstaltungsrecht
K3 Rechtsverhältnisse Besucher/Veranstalter
Rechtsverhältnis zwischen Veranstalter
und Besucher nach der Schuldrechtsre-
form
Dr. Frauke Beckert, M.A.
Rechtsanwältin in Berlin mit dem Schwerpunkt Vertrags- und Kulturrecht
Inhalt Seite
1. Einleitung 2
2. Ansprüche des Besuchers wegen Ausfalls der Vorstellung oder
wegen einer Aufführung unter widrigen Bedingungen 3
3. Ansprüche wegen verspätet begonnener oder abgebrochener
Aufführung 6
4. Ansprüche wegen Nichtzurverfügungstellung der gemieteten
Plätze 8
5. Ansprüche wegen falscher Besetzung 11
6. Ansprüche wegen Nichteinlasses zur Veranstaltung 12
7. Ansprüche wegen gesundheitlicher Schäden infolge zu großer
Lautstärke, gesundheitlicher Schäden und Sachschäden 13
8. Zusammenfassung 17
Checkliste: Ansprüche 17
Eine Kulturveranstaltung verläuft nicht immer entsprechend der Planung. Der
Ausfall eines Sängers, dauerhafter Regen bei einer Freilichtveranstaltung, Perso-
nen- und Sachschäden etc. seien als typische Beispiele genannt, die dazu führen,
dass der Besucher die Veranstaltung unzufrieden verlässt. Für ihn stellt sich die
Frage, welche Ansprüche er in solchen Fällen gegenüber dem Veranstalter gel- K
tend machen kann. Der Beitrag vermittelt einen Überblick über die wichtigsten 3.1
Fallgruppen und welche Regelung das Gesetz nach der Schuldrechtsreform hier-
für vorsieht. S. 1
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2. K Veranstaltungsrecht
K3 Rechtsverhältnisse Besucher/Veranstalter
1. Einleitung
Im optimalen Fall ist der Besuch einer kulturellen Veranstaltung ein gelungenes
Erlebnis für den Besucher und eine Einnahmequelle für den Veranstalter.
Doch was passiert, wenn der Kulturgenuss geschmälert wird oder ganz ausbleibt?
Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Die Veranstaltung kann ausfallen, sie
kann zu spät anfangen oder nach einiger Zeit abbrechen. Der Besucher kann sich
verspäten und wird nicht eingelassen oder findet seinen Platz besetzt vor oder die
Veranstaltung findet unter freiem Himmel statt, von dem es regnet. Die Darbie-
tung kann in anderer Besetzung stattfinden oder einen völlig unerwarteten Inhalt
haben, sie kann zu leise oder zu laut sein – etwa gar so laut, dass sie den Besu-
cher oder die Besucherin gesundheitlich schädigt. Und selbst wenn die Veran-
staltung glücklich über die Bühne gebracht wurde und die Besucher soweit
glücklich und zufrieden sind, so können diese beim Verlassen des Veranstal-
tungsortes immer noch stürzen und sich das Bein brechen oder feststellen, dass
Garderobe und Fahrzeug fehlen.
In diesen Fällen stellt sich die Frage nach den Rechten und Pflichten des Besu-
chers bzw. des Veranstalters: Bekommt der Besucher den Preis für die Eintritts-
karte, inklusive eventuell gezahlter Vorverkaufsgebühren, erstattet, kann er eine
andere Aufführung verlangen, den Ersatz für vertane Freizeit fordern oder – bei
Verletzungen oder anderen Schäden – Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Fall:
Die Familien Meier und Müller fahren in den Urlaub nach München. Dort
werden Eintrittskarten für einige kulturelle Veranstaltungen erworben. Das Ehe-
paar Meier erwirbt Karten für die Oper, während das Ehepaar Müller ein Theater-
stück auf der Freilichtbühne genießen will (20 Euro Eintrittskarte, 2 Euro Vorver-
kaufsgebühr). Die Teenager (15 und 17 Jahre alt) haben Karten für eine Pop-
Band, mit Ausnahme von Thomas Meier, der zu einem Heavy-Metal-Konzert
geht. Es ist Juli und es regnet.
K
3.1
S. 2
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3. K Veranstaltungsrecht
K3 Rechtsverhältnisse Besucher/Veranstalter
2. Ansprüche des Besuchers wegen Ausfalls
der Vorstellung oder wegen einer
Aufführung unter widrigen Bedingungen
Zum Zeitpunkt des angekündigten Beginns des Freilichtstücks erklärt der
Intendant, dass man im Hinblick auf die günstige Wetterprognose mit dem
Beginn der Aufführung wartet. Da diese nicht eintritt, beginnt man mit dem The-
aterstück trotz Regens. Herr Müller erklärt, dass er das Stück ein anderes Mal
sehen will und verlangt sein Eintrittsgeld zurück. Der Intendant lehnt dies ab.
Herr Müller verlässt das Theater.
Frau Müller sieht sich das Bühnenstück an, das nach einer Stunde abgebrochen
wird, weil sich die Wetterlage nicht verbessert hat.1
Hat Herr Müller einen Anspruch auf Rückzahlung der Eintrittskarte in Höhe von
20,– Euro?
Ein Rückzahlungsanspruch könnte sich aus § 326 Abs. 1, Abs. 4 BGB ergeben.
Voraussetzung wäre, dass
- zwischen dem Veranstalter und dem Besucher ein Vertrag zustande gekom-
men ist und
- dass dem Veranstalter die Leistung (die Aufführung des Theaterstücks) un-
möglich geworden ist oder
- ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.
Im vorliegenden Fall ist zwischen Herrn Müller und dem Veranstalter ein Vertrag
geschlossen worden. Nach allgemeiner Ansicht kommt mit dem Kauf der Ein-
trittskarte ein Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB mit mietrechtlichem
Einschlag hinsichtlich des Zuschauerplatzes zustande.2 Der Veranstalter hat sich
damit vertraglich verpflichtet, am angegebenen Ort und Tag sowie zur angegebe-
nen Stunde das Theaterstück aufzuführen und Herrn Müller zum Zwecke der
Beobachtung dieser Aufführung einen (Sitz)platz zu gewähren.
Fraglich ist, ob dem Veranstalter die Erfüllung seiner Verpflichtung unmöglich
geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Das ist der Fall, wenn durch die erbrachte
Leistung keine Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung eingetreten ist und es K
sich bei dem Vertrag um ein so genanntes absolutes Fixgeschäft handelte, also 3.1
um eine Leistung, die nach Vorstellung der Vertragsparteien nicht nachholbar ist,
S. 3
sondern nur zur vereinbarten Zeit möglich sein sollte.3
Ein absolutes Fixgeschäft liegt vor, wenn man ein Taxi zum Flughafen
bestellt. Die Taxifahrt hat für den Besteller nur dann Sinn, wenn sie tat-
sächlich am vereinbarten Tag zur vereinbarten Stunde stattfindet. Die zu beant-
wortende Frage wäre, ob mit der fristgerechten Bereitstellung des Sitzplatzes das
ganze Geschäft „stehen und fallen“ sollte.3
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4. K Veranstaltungsrecht
K3 Rechtsverhältnisse Besucher/Veranstalter
Für Herrn Müller wäre eine Verschiebung der Aufführung durchaus denkbar
gewesen. In der Tat kündigen manche Veranstalter mitunter an, dass eine Verle-
gung der Veranstaltung in Betracht kommt – etwa wenn es sich um einen Solo-
auftritt eines bestimmten Künstlers oder einer Künstlerin handelt, so dass man in
derartigen Fällen nicht zur Annahme eines absoluten Fixgeschäfts gelangen wür-
de. Geht man jedoch davon aus, dass ein Theater einem von vornherein festge-
legten Spielplan folgt, so wird man ein absolutes Fixgeschäft annehmen müssen,
denn ein nachgeholtes Schauspiel, für das Eintrittskarten mit einem bereits abge-
laufenen Datum gelten, würde zu Konflikten mit denjenigen führen, die Karten
für das an dem späteren Tag angesetzte Schauspiel erworben haben. Es ist des-
halb davon auszugehen, dass die Leistung hier nicht nachholbar ist.4
Fraglich ist, ob der Regen dazu geführt hat, dass die Leistung unmöglich wurde.
Dagegen könnte sprechen, dass sich der Veranstalter trotz der Witterungsbedin-
gungen zunächst in der Lage gesehen hat, das Schauspiel darzubieten. Von Be-
deutung ist aber nicht, wozu sich der Veranstalter in der Lage hält, sondern ob er
unter den konkreten Bedingungen auch vertraglich dazu verpflichtet war. Ent-
scheidend ist somit die Besucherperspektive. Hier wird man zu dem Schluss
gelangen, dass die unter Dauerregen stattfindende Aufführung eines klassischen
Theaterstückes den Zuschauern nicht zumutbar und somit nicht das war, wozu
sich der Veranstalter verpflichten wollte. Er ist deshalb nicht zur Leistungserbrin-
gung verpflichtet gewesen (§ 275 Abs. 1 BGB).5 Es liegt hier quasi ein Umstand
höherer Gewalt vor.
Selbst wenn man von einer Nachholbarkeit ausginge, so könnte das Theater als
Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der
unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu
und Glauben in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubi-
gers steht (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB). Bei der Nachholung eines Schauspiels würde
man angesichts des einzuhaltenden Spielplans von einem solchen unverhältnis-
mäßig hohen Aufwand ausgehen müssen. Dies gilt umso mehr, als dass bei der
Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berück-
sichtigen ist, dass er das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2,
S. 2 BGB).
Das Risiko, im Falle des Freiwerdens durch Unmöglichkeit oder aufgrund eines
K
Leistungsverweigerungsrechts den Anspruch auf die Gegenleistung (das gezahlte
3.1
Eintrittsgeld) zu verlieren, liegt beim Veranstalter. Hat er das Eintrittsgeld bereits
S. 4 erhalten, muss er es deshalb gem. § 326 Abs. 4 BGB zurückzahlen.
Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, dass der Veranstalter eine Teil-
leistung erbringen ließ. Es ist jedoch der komplette Ausfall der Veranstaltung mit
der (ganz oder teilweisen) Aufführung unter katastrophalen Bedingungen gleich-
zusetzen. Nicht von Bedeutung ist deshalb an dieser Stelle die Frage, ob die teil-
weise Darbietung eines Theaterstückes für die Zuschauer überhaupt von Interesse
ist. (Während man dies bei einem Theaterstück verneinen wird, könnte man dies
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