1. Zulage - Lösung
Behauptung einer Diskriminierung
Frau C. arbeitet in einem Unternehmen unter sehr belastenden Arbeitsbedingungen.
Unter anderem ist sie, genauso wie auch ihre weiblichen Kolleginnen, extremen
Geruchsbelästigungen sowie Nässe und Feuchtigkeit ausgesetzt. Auch die
männlichen Kollegen von Frau C., die vorwiegend in anderen Tätigkeitsbereichen im
Unternehmen arbeiten, arbeiten unter sehr belastenden Arbeitsbedingungen wie z.B.
Kälte. Der für das Unternehmen geltende Kollektivvertrag sieht vor, dass für
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihre Arbeit unter besonderen
Erschwernissen verrichten müssen, eine Zulage gewährt werden kann. Die im
Kollektivvertrag beispielhaft erwähnten Arbeitsbedingungen, für die eine Zulage
gewährt werden kann, beziehen sich jedoch nur auf Tätigkeiten, die nach wie vor
häufiger von Männern verrichtet werden. Frau C. und ihre Kolleginnen erhalten
demnach vom Unternehmen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen keine
Zulage. Frau C. empfindet das als ungerecht und fühlt sich aufgrund ihres
Geschlechts diskriminiert.
Argumente des Unternehmens
Der Arbeitgeber rechtfertigt diese Vorgangsweise damit, dass der Kollektivvertrag
eine „kann“- Bestimmung enthält und Zulagen nur für die im Kollektivvertrag
erwähnten Tätigkeiten gewährt werden. Er halte sich genau an die Vorgaben des
Kollektivvertrages. Die darin erwähnten Tätigkeiten würden im Unternehmen eben
nur von den Männern ausgeübt werden.
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2. Lösung:
1. Liegt Ihrer Meinung nach eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts vor? Begründen Sie bitte Ihre Ansicht.
Antwort: Wahrscheinlich wird diese verneint werden müssen, da die Motivation
des Unternehmens für die Zulagengewährung die Bestimmungen im
Kollektivvertrag darstellen und nicht das Geschlecht der die Tätigkeiten
ausübenden MitarbeiterInnen. Wenn das Unternehmen Frauen, die die
gleichen Tätigkeiten wie die Männer ausüben, keine Zulagen gewähren
würde, würde jedenfalls eine unmittelbare Diskriminierung vorliegen. Diese
könnte jedoch auch möglicherweise damit argumentiert werden, dass die
Zulagen für „typische Frauenarbeitsplätze“ nicht gewährt werden.
2. Welche Möglichkeit besteht bei Verneinen einer unmittelbaren Diskriminierung
für Frau C., sich gegen diese betriebliche Übung zu wehren?
Antwort: Frau C. kann mit dem Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung
argumentieren. Die betriebliche Übung, die im Kollektivvertrag enthaltene
„kann“-Bestimmung für die Zulagengewährung anzuwenden, benachteiligt im
Ergebnis im Unternehmen mehr Frauen als Männer. Sie wäre jedoch auch
abgesehen von dieser statistischen vorliegenden Benachteiligung auch
geeignet, mehr Frauen als Männer zu benachteiligen.
3. Für den Fall, dass Ihrer Meinung nach eine Diskriminierung behauptet werden
kann, wer haftet für diese? Besteht eine Haftung des Unternehmens nur für
die Zukunft oder auch für die Vergangenheit?
Antwort: Für die betriebliche Übung haftet das Unternehmen. Das
Unternehmen wäre aber auch für die Anwendung einer im Kollektivvertrag
enthaltenen diskriminierenden Bestimmung sowohl für die Zukunft als auch
die Vergangenheit haftbar.
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3. 4. Wie würde die Frage der Haftung für die Vergangenheit zu beurteilen sein,
wenn der Kollektivvertrag z.B. eine Zulagengewährung in Form einer „soll“-
Bestimmung ausschließlich nur für Arbeitsbedingungen vorsieht, die bei
Tätigkeiten zu finden sind, die in der Branche mehr Männer ausüben und das
Unternehmen selber überhaupt keine Männer beschäftigt und aus diesem
Grund auch keine Vergleichspersonen für die keine Zulagen erhaltenden
Frauen im Unternehmen vorhanden sind?
Antwort: Für den Vergleich ist die gesamte Branche, auf die der
Kollektivvertrag anwendbar ist, heranzuziehen. Das bedeutet, das
Unternehmen haftet auch dann, wenn es selbst gar nicht diskriminiert hat.
5. Ist Ihrer Meinung nach ein Unterschied zu machen, wenn für das
Unternehmen keine Möglichkeit bestanden hat, eine Diskriminierung zu
erkennen, da sich diese aus einer statistischen Benachteiligung in der
Branche, auf die der Kollektivvertrag anzuwenden ist, ergibt?
Antwort: Grundsätzlich nicht, entsprechend der Judikatur des EuGH und der
Rechtslage haftet das Unternehmen auch dafür. In der Literatur wird aber in
diesem Fall einem immateriellen Schadenersatz zusätzlich zum Ersatz eines
Vermögensschadens sehr kritisch gegenübergestanden.
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