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Disruption
frühzeitig erkennen
und
beherrschen
White Paper
Autor: Christoph Herr
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Inhaltsverzeichnis
1. Disruption als Ursache des Scheiterns führender Unternehmen ......................................3
1.1 Disruption: Beispiele und Erläuterungen.....................................................................3
1.2 Welche Rolle spielen Organisation und Wertesystem von Unternehmen?................5
1.3 Gefangen in der Ausrichtung nach oben .....................................................................6
2. Disruption managen ...........................................................................................................8
2.1 Die fünf fundmentalen Prinzipien................................................................................8
2.2 Agnostisches Marketing...............................................................................................9
2.3 Disruption managen durch Kauf eines Unternehmens .............................................10
2.4 Disruptive Technologien frühzeitig erkennen ...........................................................11
2.5. Die Methode „Disruptive Tech-Scouting (DTS)“............................................................13
2.5.1 Bestimmung des Scopes und der Suchbegriffe.......................................................13
2.5.2 Erstellung und Analyse von Trefferlisten ................................................................15
2.5.3 Monitoren von potenziell disruptiven Innovationen ..............................................17
2.5.3 Kauf von Unternehmen ...........................................................................................17
3. Resumé .............................................................................................................................18
Literaturverzeichnis..................................................................................................................20
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1. Disruption als Ursache des Scheiterns führender Unternehmen
(Auszüge aus dem Buch „The Innovators Dilemma“ von Clayton M. Christensen in der Übersetzung von
Prof. Kurt Matzler und Stephan Friedrich von den Eichen)
1.1 Disruption: Beispiele und Erläuterungen
„Worum geht es bei Disruption? Es geht um Scheitern – und zwar um das Scheitern von Erfolgrei-
chen! Konkret geht es um Unternehmen, die über Jahre hinweg ihre Branche angeführt haben, die
aber scheiterten, als sie mit großen Umwälzungen und Marktveränderungen konfrontiert waren.“
(1., S. 1)
„Xerox etwa dominierte den Markt für große Kopiermaschinen, die an Kopierzentren vertrieben wur-
den. Zugleich versäumte man aber den wachsenden und vielversprechenden Markt für die kleineren
Tischkopiergeräte. In der Stahlindustrie stören die „Minimills“ – gemeint sind Stahlhersteller, die auf
das Elektroverfahren anstatt auf das Sauerstoffverfahren setzen – die Kreise der etablierten, inte-
grierten Stahlhersteller erheblich. Bereits Mitte der 90er Jahre stehen sie für 40% der amerikani-
schen Stahlproduktion. Und doch hatte keiner der etablierten Stahlhersteller weder in den USA, Eu-
ropa noch in Asien zu diesem Zeitpunkt einen Fuß in der Minimill-Technologie. Heute steht diese
Technologie immerhin für 60% der amerikanischen und etwa 40% der europäischen Stahlproduktion.
Die Liste der Beispiele ließe sich nahezu beliebig fortsetzen, richtet man etwa den Blick auf die
Schweizer Uhrenindustrie, den Übergang zur Digitalfotografie oder auch die Low Cost Airlines. Die
großen Musiklabels ignorierten den Trend zu den Musikdownloads und überließen das Terrain einem
Branchenneuling. Die deutsche Markenikone Leica verschlief die Digitaltechnologie und kämpft
heute ums Überleben. Aktuell stehen viele disruptive Innovationen etablierte Unternehmen auf die
Probe: die digitale Zeitung, Software-as-a-Service, das Elektroauto – um nur einige zu nennen.
Die Liste jener Unternehmen, die scheitern, sobald sie einem technologischen Umbruchmit einem
entsprechenden Wandel ihrer Marktstruktur gegenüberstehen, ist lang.“ (1, S. 3)
Die Forschungsarbeiten von Prof. Clayton M. Christensen aus Harvard „…belegen, dass in all seinen
untersuchten Fällen richtiges und gutes Management letztlich zum Scheitern führte. Gerade weil sich
Unternehmen kundenorientiert zeigen, weil sie aggressiv in neue Technologien investieren, weil sie
sehr akribisch Markttrends analysieren und ihre Budgets stringent auf jene Innovationen lenken, die
die höchsten Erträge versprechen, verlieren sie ihre führende Position. Im Kern bedeutet das, dass
vieles von dem, was man allgemein als richtiges und gutes Management wertet, nur unter bestimm-
ten Konstellationen zum Erfolg führt. Es gibt Zeiten, in denen es besser ist, gerade nicht auf Kunden
zuhören, in denen es besser ist, auf Produkte von niedrigerer Qualität mit niedrigeren Margen zu set-
zen und in denen es besser ist, aggressiv in kleine anstatt in große Märkte zu stoßen.“ (1., S. 4)
Christensens „..„Logik des Scheiterns“ beruht auf drei Erkenntnissäulen: Die erst ist die Unterschei-
dung zwischen evolutionären und disruptiven Technologien. Um es vorweg zu nehmen: Diese Be-
griffe unterscheiden sich von der häufig verwendeten Einteilung in inkrementelle und radikale Inno-
vationen. Die zweite Erkenntnis betrifft den technologischen Fortschritt – genauer seine Charakteris-
tik: Technologien entwickeln sich oftmals schneller als das Marktbedürfnis. Damit ändern sich die Re-
levanz und die Wettbewerbsfähigkeit von Technologien im Zeitablauf. Die dritte Säule betrifft die
Kundenstruktur sowie die Instrumente, die im Zuge der Innovationsentscheidung zur Anwendung
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kommen. Beides, die Kundenstruktur und die Managementinstrumente haben starken Einfluss auf
die Art und Weise, wie neue Investitionsmöglichkeiten identifiziert und bewertet werden.
Die meisten neuen Technologien sind darauf ausgerichtet, Produkte zu verbessern. Diese Technolo-
gien nennen wir evolutionäre Technologien. Manche evolutionäre Technologien können durchaus
radikaler Natur sein, während andere eher inkrementellen Charakter haben. Allen evolutionären
Technologien ist aber gemein, dass sie darauf gerichtet sind, die Leistungsfähigkeit von vorhandenen
Produkten entlang der zentralen Kundenanforderungen in bestehenden Märkten zu steigern. Der
Großteil des technologischen Fortschritts einer Branche beruht auf eben diesem Technologietypus.
Eine wichtige Erkenntnis liegt darin, dass evolutionäre Technologien – und seien sie noch so radikal –
selten den Niedergang von führenden Unternehmen verursachen.
Von Zeit zu Zeit entstehen aber disruptive Technologien. Sie führen zunächst zu schlechteren Produk-
ten. Paradoxerweise sind sie es, die bislang führende Unternehmen zu Fall bringen. Sie sprechen ei-
nen anderen Kundenutzen an. In aller Regel können Produkte, die auf Basis disruptiver Technologien
entstehen, nicht mit der Leistungsfähigkeit etablierter Produkte Schritt halten. Dafür haben sie an-
dere Qualitäten. Und gerade deshalb werden sie von einer kleinen Gruppe neuer Kunden geschätzt.
Produkte auf der Grundlage disruptiver Technologien sind oftmals billiger, einfacher und nicht selten
bequemer. So etwa im Fall der Desktop-PCs, Transistoren (im Vergleich zu Röhren), mp3-Musikdown-
loads, Software-as-a-Service oder der digitalen Fotografie (im Vergleich zur klassischen analogen Ka-
mera). (1., S. 6-7)
„Disruptive Technologien kreieren neue Märkte. Unternehmen, die frühzeitig in diese Märkte eintre-
ten, genießen sogenannte „First Mover Advantages“. Wenn diese Unternehmen nun aber wachsen,
wird es für sie zunehmend schwieriger als First Mover, das Spiel in neu entstehenden Märkten zu
wiederholen. Doch erfolgreiche Unternehmen müssen wachsen, um ihren Aktienkurs hochzuhalten
und um ihren Führungskräften Perspektiven zu bieten. Während ein Unternehmen, das 40 Mio. Um-
satz erwirtschaftet, lediglich einen 8 Mio. Markt braucht, um ein Umsatzwachstum von 20% auszu-
weisen, braucht ein 4 Mrd. Unternehmen für das gleiche Umsatzwachstum einen 800 Mio. Markt.
Doch kein neuer Markt hat ein solches Volumen. Je größer also ein Unternehmen wird, umso unat-
traktiver stellen sich aus seiner Perspektive kleine, neu entstehende Märkte dar. Die Folge: Große
Unternehmen nehmen eine Position des Wartens ein. Sie warten bis neue Märkte jenes Volumen
aufweisen, das sie interessant macht.“ (S. 14) Das ist meist keine erfolgreiche Strategie. „Disruptive
Technologien, die zunächst nur in kleinen, neu entstehenden Märkten agieren, werden zur Bedro-
hung, wenn sie ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten. Nicht selten verdrängen sie am Ende die etab-
lierten Produkte.“ (1., S. 16)
Etablierte Technologie Disruptive Technologie
Segelschiff Dampfschiff
Seilbagger Hydraulikbagger
Integrierte Stahlwerke Eklektorstahlwerke („Minimills“)
5 1/4
-Zoll-Festplattenlaufwerke 3,5-Zoll-Festplattenlaufwerke
Kaufhäuser Discounthändler
Tintenstrahldrucker Laserdrucker
Enzyklopädie Wikipedia
Festnetztelefonie Mobiltelefonie
Filmkamera Digitalkamera
Klassische Fluglinie Low-Cost-Airline
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Musik-CD MP3
Reisebüro Online-Buchungssystem
Installierte Software Software-as-a-Service
Stationärer Handel, Kataloghandel Online-Handel
Universalbanken Direktbanken
Verbrennungsmotor Elektroauto
Telefon Voice over IP
PC / Notebook Tablets
PC / Notebook / Tablet Smart Phone
Abbildung 1: Beispiele von disruptiven Innovationen; (1., S. 18)
„Merkmale einer disruptiven Innovation“ sind:
„Disruptive Innovationen weisen im Vergleich zu konventionellen Produkten hinsichtlich der
Anforderungen der wichtigsten Kunden zunächst deutliche Leistungsnachteile auf.
Indes zeigen disruptive Innovationen eindeutige Vorteile bei anderen, neuen Kriterien, die
zunächst allerdings nur bei einer kleinen Randgruppe von Kunden von Bedeutung sind. Dis-
ruptive Produkte sind meist billiger, einfacher, kleiner und in Summe anwendungsfreundli-
cher.
Der Markt und / oder die Produktanwendung sind anfangs in der Regel nicht klar zu bestim-
men.
Für etablierte Unternehmen sind disruptive Innovationen zunächst uninteressant, da sich
ihre wichtigsten Kunden dafür nicht interessieren.
Die disruptive Innovation erfährt in der Folge dramatische Verbesserung in den Produkt-
merkmalen, so dass sie alsbald auch die Anforderungen im etablierten Kernmarkt erfüllen
kann.
Als solche wird die disruptive Innovation zur ernsten Bedrohung für die bestehende Techno-
logie und löst sie am Ende ab.“ (1., S. 41)
1.2 Welche Rolle spielen Organisation und Wertesystem von Unternehmen?
„Ein Wertesystem bildet den Kontext, innerhalb dessen ein Unternehmen Kundenbedürfnisse identi-
fiziert (und diese versucht zu befriedigen), Probleme löst, Ressourcen beschafft, auf Konkurrenz rea-
giert und nach Erfolg strebt. Innerhalb eines Wertesystems bestimmt die Wettbewerbsstrategie des
Unternehmens – allen voran die Auswahl der Zielmärkte – den wahrgenommenen ökonomischen
Nutzen einer neuen Technologie. Dies wiederum bestimmt, welche Erträge aus der Anwendung einer
evolutionären oder disruptiven Technologie zu erwarten sind.“ (1., S. 53)
„Die Definition eines Wertesystems geht über die Produkteigenschaften hinaus. Beispielsweise impli-
ziert der Wettbewerb im Wertesystem der Mainframe-Computer eine bestimmte Kostenstruktur.
Forschungs- und Entwicklungskosten sind enorm. Fixkosten in der Produktion sind im Vergleich zu
den Einzelkosten ebenfalls hoch, da Produktionsvolumina gering sind und kundenspezifische Lösun-
gen produziert werden. Der Direktvertrieb an den Endkunden impliziert hohe Vertriebskosten, und
ein Servicenetzwerk zur Wartung der komplexen Geräte stellt hohe, laufende Ausgaben dar. All diese
Kosten müssen Unternehmen auf sich nehmen, um die Kunden von Mainframe-Computern zufrie-
denstellend bedienen zu können. Aus diesem Grund waren Bruttogewinnspannen von 50 – 60% ab-
solut nötig, um die in diesem Wertesystem typisch hohen Fixkosten decken zu können.“ (1., S. 58)
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„Der Wettbewerb zwischen Unternehmen innerhalb von Wertesystemen beeinflusst in vielfältiger
Weise, wie Unternehmen ihre Gewinne machen. Das Wertesystem bestimmt das zu lösende Kunden-
problem durch die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens und durch die Höhe der
Preise. Der Wettbewerb und die Nachfrage formen die Kostenstruktur, die kostenoptimale Be-
triebsgröße und die erforderlichen Wachstumsraten. Daher können unternehmerische Entscheidun-
gen, die in einem Wertesystem sinnvoll sind, in einem anderen Wertesystem durchaus falsch sein.“
(1., S. 62-63)
„Die im Folgenden dargestellten Muster von Managemententscheidungen ist das Ergebnis einer Se-
rie von Interviews bei über 80 Führungskräften, die Schlüsselrollen in den Unternehmen innerhalb
der Branche der Computerlaufwerke gespielt haben:“ (S1., S. 63)
Schritt 1: Disruptive Technologien wurden zuerst in etablierten Unternehmen entwickelt. (1., S. 64)
Schritt 2: Das Marketing testet das Produkt bei den führenden Kunden (1., S. 64)
Schritt 3: Etablierte Unternehmen beschleunigen die Entwicklung evolutionärer Technologien (1., S. 65)
Schritt 4: Neue Unternehmen wurden gegründet, neue Märkte für disruptive Technologien durch Versuch und Irrtum gefunden
(1., S. 66)
Schritt 5: Die Neueinsteiger entwickeln sich marktaufwärts (1., S. 67)
Schritt 6: Etablierte Unternehmen sprangen zu spät auf den Zug auf, um ihre Märkte zu verteidigen. (1., S. 68)
„Der wahre Wettbewerbsvorteil der neu eintretenden Unternehmen besteht in der Leichtigkeit, in
der sie – verglichen zu etablierten Unternehmen – neu entstehende Wertesysteme identifizieren und
ihre Ressourcen mobilisieren können, um sich darauf zu konzentrieren. Im Kern geht es also weniger
um Technologien. Es geht um die fehlende Flexibilität etablierter Unternehmen, Strategien und Kos-
tenstrukturen zu verändern, um in neuen Wertesystemen erfolgreich zu sein.“ (1., S. 76)
1.3 Gefangen in der Ausrichtung nach oben
„Warum können führende Unternehmen sich zwar problemlos in Richtung High-End-Märkte entwi-
ckeln, währenddessen es aber sehr schwierig zu sein scheint, sich nach unten – Richtung Low-End-
Märkte – zu bewegen?
Vernünftige Führungskräfte finden kaum ein stichhaltiges Argument für einen Eintritt in kleine,
schlecht definierte Low-End-Märkte, die nur niedrige Gewinnaussichten versprechen. High-End-
Märkte hingegen locken mit Wachstums- und Gewinnchancen. Daher neigen gut geführte, ertrags-
und wachstumsorientierte Unternehmen dazu, ihr Glück in oberen Marktsegmenten zu versuchen.
Oft verlassen sie dabei ihren angestammten Bereich (oder verlieren dort an Wettbewerbsfähigkeit).
Sie suchen Kunden in höheren Preisklassen. Daher konzentriert sich ihre Energie darauf, Produkte
mit höherer Leistungsfähigkeit zu entwickeln, die den Zugang zu attraktiveren Märkten mit höheren
Gewinnmöglichkeiten gewähren.“ (1., S. 101)
„In den meisten Unternehmen machen mittlere Manager einen Sprung in ihrer Karriere, wenn sie in
einemerfolgreichen Projekt eine Schlüsselrolle spielen. Wenn sie sich für die falschen Projekte ent-
scheiden oder auch nur immer wieder Pech haben, ist das für ihre Karriere nicht gerade förderlich.
Das mittlere Management wird natürlich nicht für alle gescheiterten Projekte verantwortlich ge-
macht. Wenn Projekte schief gehen, weil sie beispielsweise von den Technikern nicht umgesetzt wer-
den konnten, werden sie nicht notwendigerweise als Misserfolg betrachtet. Aus den technologischen
Anstrengungen kann schließlich viel gelernt werden, und Technologieentwicklung wird ja im Allge-
meinen als Unterfangen mit unsicherem, nicht vorhersehbarem Ausgang gesehen. Aber wenn Pro-
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jekte scheitern, weil der Markt dafür nicht da war, hat das weit größere Auswirkungen auf die Karri-
ere der mittleren Manager. Solche Misserfolge sind gleichzeitig teuer und sie sind öffentlich sichtbar.
Bis zum Zeitpunkt der Markteinführung haben Unternehmen bereits in das Produktdesign, in die Pro-
duktion und Entwicklung, in das Marketing und in den Vertrieb investiert. Im eigenen Interesse und
auch im Interesse des Unternehmens neigt das mittlere Management daher dazu, nur solche Innova-
tionsprojekte zu unterstützen, für die eine Nachfrage am Markt am wahrscheinlichsten ist. Im nächs-
ten Schritt verpacken sie die Projektideen so, dass sie die Unterstützung und Genehmigung der
obersten Führungskräfte erhalten. Auch wenn die Top-Manager denken mögen, dass sie es sind, die
die Entscheidungen treffen, sind bereits viel der kritischen Entscheidungen über die Ressourcenallo-
kation lange vorher getroffen worden: Das mittlere Management hat entschieden, welche Projekte
es unterstützt und welche nicht, welche Projekte dem Top-Management präsentiert und welche fal-
len gelassen werden.“ (1., S. 106)
„Täglich entscheiden hunderte von Mitarbeitern, wie sie ihre Zeit einsetzen und wie sie die Ressour-
cen des Unternehmens verwenden. Selbst, wenn sich ein Vorgesetzter für eine disruptive Technolo-
gie entscheidet, neigen Mitarbeiter im Unternehmend dazu, sie zu ignorieren oder bestenfalls nur
widerwillig mitzumachen. Vor allem, wenn sie nicht dem entspricht, was nach Meinung der Mitarbei-
ter dem Unternehmen und ihnen selbst zum Erfolg verhilft. Gut geführte Unternehmen bestehen
nicht aus Ja-Sagern, die blind das tun, was das Management von ihnen verlangt. Vielmehr haben sie
gelernt, zu erkennen, was gut für das Unternehme und gut für die eigene Karriere ist. Mitarbeiter der
besten Unternehmen ergreifen die Initiative, um Kunden gut zu bedienen und um geplante Umsatz-
und Gewinnziele zu erreichen. Selbst für den besten Manager ist es eine Herausforderung, kompe-
tente Mitarbeiter dazu zu bringen, sich mit Energie und Nachdruck mit Dingen zu beschäftigen, von
denen sie nicht allzu viel halten.“ (1., S. 108)
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2. Disruption managen
2.1 Die fünf fundmentalen Prinzipien
„Erfolgreiche Führungskräfte erkannten und nutzten laut Christensen fünf fundamentale Prinzipien.
Unternehmen, die scheiterten, ignorierten diese. Diese fünf erkannten Prinzipien lauten:
1. Ressourcenabhängigkeit: Die Kunden beeinflussen Ressourcenallokationsprozesse in erfolg-
reichen Unternehmen.
2. Kleine Märkte befriedigen nicht die Wachstumsbedürfnisse großer Unternehmen.
3. Die tatsächlichen Anwendungsgebiete einer disruptiven Technologie sind nicht im Voraus be-
kannt. Fehlschläge sind wichtige Schritte auf dem Weg zum Erfolg.
4. Organisationen haben eigene Fähigkeiten – unabhängig von den Fähigkeiten einzelner Mitar-
beiter. Organisationale Kompetenzen liegen in den Prozessen und Werten. Und genau jee
Prozesse und Werte, die den Erfolg im bestehenden Geschäft begründen, sind jene Prozesse
und Werte, die den Unternehmen ihre Grenzen bei disruptiven Innovationen aufzeigen.
5. Die technologischen Möglichkeiten müssen nicht zwangsläufig auf Nachfrage am Markt tref-
fen. Jene Leistungskriterien, die disruptive Innovationen für bestehende Märkte unattraktiv
machen, sind oft genau jene, die einen ganz bedeutenden Mehrwert in neu entstehenden
Märkten darstellen.
Wie nutzen erfolgreiche Manager diese Prinzipien für sich?
1. Projekte zur Entwicklung und Vermarktung disruptiver Technologien wurden an Organisatio-
nen oder Organisationseinheiten übertragen, deren Kunden diese Technologien auch wirk-
lich brauchten. Wenn disruptive Innovationen auf den „richtigen“ Kunden ausgerichtet wa-
ren, erhöhte die Nachfrage durch diese Kunden die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Tech-
nologie die erforderlichen Ressourcen zugewiesen bekam.
2. Disruptive Innovationen wurden in Organisationseinheiten entwickelt, die klein genug waren,
dass auch kleine Chancen und kleine Erfolge Begeisterung auslösten.
3. Auf der Suche nach Märkten für disruptive Technologien versuchten diese Führungskräfte
rasch festzustellen, was funktionierte und was nicht. Die Pläne waren so gestaltet, dass sich
Fehler frühzeitig herausstellten – zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Fehler noch keine hohen
Kosten verursachte. Märkte kristallisierten sich meist erst durch einen iterativen Versuchs-
Irrtum-Prozess heraus.
4. Bei der Vermarktung der disruptiven Technologe fanden sie neue Märkte, die die besonde-
ren Leistungseigenschaften schätzten, anstatt nach technologischen Durchbrüchen zu stre-
ben, die diese Technologie auch für den Mainstream-Markt attraktiv gemacht hätte.“ (1., S.
126-127)
„Eine der wichtigsten strategischen Entscheidungen im Innovationsmanagement ist das Timing. Die
Frage, die sich stellt, lautet: Ist es nötig, der Erste am Markt zu sein oder genügt es auch, der Zweite
zu sein? Es gibt zahlreiche Arbeiten über die Vorteile des First-Mover und ebenso viele, die argumen-
tieren, dass es weise wäre zu warten, bis die größten Risiken von den Pionieren ausgeräumt wur-
den.“ (1., S. 148)
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„Während es keinen Grund zur Annahme gibt, dass Innovationsführerschaft bei evolutionären Tech-
nologien nennenswerte Wettbewerbsvorteile garantiert, gibt es eindeutige Hinweise für die zentrale
Bedeutung der Innovationsführerschaft bei disruptiven Technologien. Unternehmen, die innerhalb
von zwei Jahren nach Erscheinen der ersten disruptiven Computerlaufwerke mit diesen Produkten in
da neue Wertesystem eintragen, hatten eine sechs Mal höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als Unter-
nehmen, die später eintraten.“ (1., S. 152)
„Obwohl es eindeutig belegbar ist, dass eine Innovationsführerschaft bei disruptiven Technologien
hohe Erträge abwirft, schaffen es etablierte Unternehmen kaum, hier eine führende Rolle einzuneh-
men. Etablierte Unternehmen sind Gefangene ihrer Kunden. Wohlfunktionierende und rationale Ent-
scheidungsprozesse halten sie davon ab, ausreichend Ressourcen in die Entwicklung und Vermark-
tung disruptiver Technologien zu investieren. Ein weiteres wichtiges Merkmal großer, etablierter,
wachstumsorientierter Unternehmen ist, dass - je größer sie werden – es für sie umso schwieriger
wird, in kleine, neu entstehende Märkte einzutreten.“ (1., S. 155)
„Disruptive Technologien schaffen neue Märkte. Kein neuer Markt ist von Anfang an 800 Millionen
Dollar groß. Doch genau in diesem Zeitraum, in dem die neu entstehenden Märkte noch sehr klein
sind und somit den Großunternehmen als uninteressant erscheinen, ist ein Markteintritt von existen-
zieller Bedeutung.“ (1., S. 157)
2.2 Agnostisches Marketing
Christensens „Forschungsergebnisse zeigen, dass bei einer großen Mehrheit erfolgreicher Neugrün-
dungen die ursprüngliche Strategie aufgegeben wurde, sobald man sich an die Umsetzung machte
und lernte, was funktionierte und was nicht. Der markanteste Unterschied zwischen erfolgreichen
und gescheiterten Neugründungen liegt nicht in der getreuen Umsetzung der ursprünglichen Strate-
gie. Die richtige Strategie zu Beginn zu erraten ist nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist es, genü-
gend Ressourcen zu haben (oder ausrechend gute Beziehungen zu Banken oder Investoren zu pfle-
gen), um einen zweiten und dritten Versuch zu starten. Jene, denen die Ressourcen ausgehen oder
die Glaubwürdigkeit verlieren, bevor sie eine realisierbare Strategie haben, sind jene, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit scheitern.“ (1., S. 178 – 179)
„Da der Weg zu neuen Märkten für disruptive Innovationen mit Fehlschlägen gepflastert ist, brau-
chen Führungskräfte andere Ansätze als für evolutionäre Innovationen. Bei evolutionären Innovatio-
nen werden Pläne gemacht, bevor die Umsetzung beginnt. Die Prognosen sind relativ genau und die
artikulierten Kundenwünsche sind ziemlich zuverlässig. Sorgfältige Planung, gefolgt von konsequen-
ter Umsetzung, sind Garanten für den Erfolg.
Bei disruptiven Innovationen allerdings müssen die ersten Schritte gesetzt werden, bevor es irgend-
welche Pläne gibt. Da kaum etwas über die neuen Märkte bekannt ist, haben Pläne einen ganz ande-
ren Zweck. Sie dienen dem Lernen und nicht dem Umsetzen. Begegnet man der Herausforderung ei-
ner disruptiven Innovation mit der Einstellung, dass man nicht wissen kann, wo der neue Markt sein
wird, wird man vielmehr darauf aus sein, zu lernen, wann welches Wissen benötigt wird. Projekt- und
Geschäftspläne werden dies berücksichtigen. Schlüsselinformationen werden generiert und zentrale
Unsicherheiten beseitigt, bevor Ressourcen und Zeit verbindlich verplant werden.“ (1., S. 180)
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Den „Ansatz des Aufspürens neuer Anwendungen für disruptive Innovationen kann man treffend als
„agnostisches Marketing“ bezeichnen. Damit ist ein Marketingansatz gemeint, der explizit davon aus-
geht, dass niemand wissen kann – weder wir noch die Kunden – ob, wie und welche Mengen an dis-
ruptiven Produkten Anwendung finden, bevor irgendjemand Erfahrung mit diesen Produkten ge-
macht hat. Angesichts dieser Unsicherheit ziehen es viele Manager vor zu warten, bis andere vorge-
prescht sind und den Markt definiert haben. Aufgrund der enormen First-Mover-Vorteile einer dis-
ruptiven Innovation müssen aber Führungskräfte ihre Labore, ihre Büros und die Fokusgruppeninter-
views mit ihren Kunden verlassen um aus erster Hand, durch exploratives Experimentieren, Wissen
über die neuen Kunden und Anwendungen zu generieren.“ (1., S. 181)
2.3 Disruption managen durch Kauf eines Unternehmens
Eine „Möglichkeit, um mit disruptiven Innovationen zurecht zu kommen, besteht darin, ein Unter-
nehmen zu akquirieren, das in seiner Größe dem zu bedienenden Markt entspricht. Kritisch dabei ist
der Zeitpunkte des Kaufs.
eBay kaufte im Jahr 2005 Skype und bezahlte 2,6 Milliarden Dollar für das disruptive Ge-
schäftsmodell der Internet-Telefonie – zu spät. Der Markt hatte das disruptive Potenzial von
Skype schon lange erkannt. Skype war zu diesem Zeitpunkt eines der Internet-Unternehmen
mit den höchsten Wachstumsraten. Es hatte bereits mehr als 50 Millionen Mitglieder in 225
Ländern und Gebieten. Die Zahl der Nutzer wuchs täglich um etwa 150.000. Auch wenn
Skype die Umsätze von 60 Millionen Dollar im Jahre 2005 auf über 300 Millionen Dollar im
Jahre 2007 steigern konnte, war diese Akquisition eine Enttäuschung. Der bezahlte Preis war
weit überhöht, die erhofften Synergieeffekte blieben aus, eine Milliardenabschreibung war
die Folge. Im Jahr 2009 wurde der Verkauf beschlossen.
Cisco ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das mehrfach durch Akquisitionen bei disruptiven
Innovationen Fuß fassen konnte. Cisco machte im Laufe seiner Geschichte mehr als einhun-
dert Akquisitionen. Das Unternehmen hatte sich darauf spezialisiert, frühzeitig das innova-
tive Potenzial eines Unternehmens zu entdecken. Als Ciscos Konkurrent Lucent die Bell Labs
von AT&T erbte, hatte das Unternehmen die besten Voraussetzungen, um am Markt für Te-
lekommunikationsausrüstungen erfolgreich zu sein. Die Bell Laboratorien gehören wohl zu
den bekanntesten Forschungszentren der Welt. Die besten Forscher arbeiten dort und bisher
trugen elf Nobelpreisträger zum Erfolg der Bell Labs bei. Dennoch gelang es Cisco Systems –
ohne auch nur über annähernd so viele F&E- Ressourcen wie Lucent zu verfügen, mit Lucent
mitzuhalten und teilweise sogar am Markt zu schlagen.
Lucent und Cisco sind direkte Konkurrenten auf einem technologisch sehr komplexen Markt
– mit einem Unterschied: Den Ressourcen, die dafür eingesetzt werden und der Art und
Weise, wie Innovationen entstehen. Lucent investiert große Summen in die Erforschung
neuer Materialien und in die Entwicklung von Komponenten und Systemen, die die Basis für
grundlegende Innovationen zahlreicher Produkte und Dienstleistungen sind und waren. Cisco
hingegen hält kontinuierlich und systematisch Ausschau nach Startups, die neue Produkte
und Dienste auf den Markt bringen. Cisco investiert in diese Startups, die teilweise von Ex-
Lucent-Mitarbeitern gegründet wurden, geht Partnerschaften mit ihnen ein oder akquiriert
sie. Als Cisco im Jahre 2003 den Netzwerkspezialisten Linksys akquirierte, hatte dieser gerade
mal 300 Mitarbeiter. Der Kaufpreis betrug 500 Millionen Dollar. Cisco entschloss sich, diese
Geschäftseinheit getrennt vom Mutterhaus zu halten. Man ging sogar soweit, ein „Blocker-
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Team“ einzurichten, das die Aufgabe hatte sicherzustellen, dass Ciscos DNA nicht ungewollt
die DNA von Linksys veränderte.“ (1., S. 164-165)
In Deutschland sind es bislang vor allem Verlage, die konsequent diesen Weg als Lösung dis-
ruptiver Gefahren gehen. Der Springer-Verlag z.B. hat bereits sehr frühzeitig mit dem Kauf
von Startups begonnen und erwirtschaftet heute weit über 50% seines Umsatzes mit digita-
len Beteiligungen. Der Kölner Medienkonzern Ströer ist auf dem gleichen Weg unterwegs –
sein Vorstandsvorsitzender Udo Müller sagte im August 2016 angesichts eines Umsatzplus
von fast 40% gegenüber dem Vorjahreshalbjahr: „Wir kombinieren die Profitabilität etablier-
ter Unternehmen mit der Dynamik stark wachsender, junger Geschäftsmodelle und können
so nachhaltig und profitabel wachsen.“ (General-Anzeiger Bonn, 12.08.16, S.7)
2.4 Disruptive Technologien frühzeitig erkennen
Die Aufgabe, ein Technologie-Scouting aufzusetzen, um insbesondere disruptive Technologien früh-
zeitig zu erkennen, ist noch recht neu. Bislang beschäftigt man sich im Bereich des Innovationsma-
nagement primär damit, auf Basis der Unternehmensstrategie eine Innovationsstrategie abzuleiten.
Dabei ist zunächst auszuloten, bis wann welches Umsatzvolumen mit Innovationen erreicht werden
soll. Dann ist zu überlegen, welchen Diversifizierungssprung sich das Unternehmen zutraut und die
Stoßrichtung festzulegen. Auf den technologischen Stärken mit innovationsorientierendem Charakter
aufbauend werden für attraktive Marktsegmente potenzielle Innovationsfelder identifiziert. Nach
gründlicher Informationsbeschaffung wird schließlich vom Management entschieden, für welche In-
novationsfelder die konkrete Ideenfindung und Produktenwicklung in Angriff zu nehmen ist. Dabei
werden in der Regel Methoden wie die Gap-Analyse, die SWOT-Analyse, die Produkt/Markt-Matrix,
die Szenariotechnik, die Suchfeldmatrix und das Know-how-Innovationsportfolio eingesetzt.
Auf Basis dieser Innovationsstrategie wird dann ein Prozess des Technologie-Monitorings aufgesetzt.
„Technologie-Monitoring […] bezeichnet betriebliche Tätigkeiten, bei denen die Erkennung von wich-
tigen unternehmensexternen technologischen Entwicklungen – häufig international ausgerichtet –
im Vordergrund steht.“ (Möhrle, Isenmann (2008), S. 6; Quelle: 5., S. 6).
Quellen für das Technologiemonitoring sind üblicherweise diese:
Abbildung 1: Auswahl formaler und informeller Informationsquellen für das Technologiemonitoring (in Anlehnung
an Reger, 2001; Quelle: 5; Seite 10)
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Aus den Ergebnissen des Technologiemonitorings einerseits und den intern formulierten Technolo-
giebedarfen, die sich aus den Plänen der F&E-Abteilungen für neue Produkte bzw. neue Produktfunk-
tionen ergeben, werden dann Entscheidungen für den Bedarf und Einsatz von Technologien getrof-
fen (make-or-buy, keep-or-sell).
Abbildung 2: Technologiemanagement nach Prof. Vorbach, TU Graz; (Quelle: 5; Seite 6)
Bisher selten diskutiert wird das Technologie-Scouting für disruptive Technologien („Disruptive
Tech-Scouting (DTS)“). Aus den Inhalten der Kapitel 1 und 2.1 bis 2.3 wird deutlich, dass die oben be-
schriebene Art des Innovationsmanagements nicht ausreicht, um Ansätze von Disruption frühzeitig
zu erkennen.
In Kapitel 1.1. wurden die Merkmale von disruptiven Innovationen beschrieben:
„Disruptive Innovationen weisen im Vergleich zu konventionellen Produkten hinsichtlich der
Anforderungen der wichtigsten Kunden zunächst deutliche Leistungsnachteile auf.
Indes zeigen disruptive Innovationen eindeutige Vorteile bei anderen, neuen Kriterien, die
zunächst allerdings nur bei einer kleinen Randgruppe von Kunden von Bedeutung sind. Dis-
ruptive Produkte sind meist billiger, einfacher, kleiner und in Summe anwendungsfreundli-
cher.
Der Markt und / oder die Produktanwendung sind anfangs in der Regel nicht klar zu bestim-
men.
Für etablierte Unternehmen sind disruptive Innovationen zunächst uninteressant, da sich
ihre wichtigsten Kunden dafür nicht interessieren.
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Die disruptive Innovation erfährt in der Folge dramatische Verbesserung in den Produkt-
merkmalen, so dass sie alsbald auch die Anforderungen im etablierten Kernmarkt erfüllen
kann.
Als solche wird die disruptive Innovation zur ernsten Bedrohung für die bestehende Techno-
logie und löst sie am Ende ab.“ (1., S. 41)
Hinzu kommt, dass Disruption nicht zwingend nur in den eigenen angestammten Technologiefeldern
auftritt. Es besteht die Notwendigkeit, auch völlig andere Branchen und Technologiebereiche zu
überwachen. Und zwar aus diesen und anderen, ähnlichen Gründen:
Parketthersteller fürchten heute, dass durch die Möglichkeit, Häuser mit 3D-Druckern herzu-
stellen, Parkett bald nicht mehr nachgefragt werden wird. Parkett wird einfach mitgedruckt,
sogar mit Maserung.
Textilhersteller werden sich ebenfalls mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks verändern. Erste
Modeschauen mit Kleidung aus 3D-Druck wurden bereits durchgeführt. Hinzu kommen
„Wearables“, intelligente Kleidung und tragbare Computertechnik, die weitere Veränderun-
gen anstoßen.
Krankenkassen belohnen die Nutzung bestimmter Wearables heute bereits mit Zuschüssen.
Versicherungen werden ihr Geschäftsmodell anpassen, denn Haftpflichtversicherungen wer-
den künftig nicht mehr mit den Haltern, sondern mit den Herstellern von Autos abgeschlos-
sen. Im Fall autonom fahrender Autos ist ein Unfall nämlich nicht mehr ein Versagen des
Menschen, sondern des Fahrzeugs.
Dies zeigt die Notwendigkeit, einen besonders großen Scope für das „Disruptive Tech-Scouting (DTS)“
vorzusehen. Basis für die DTS-Methode sind Suchbegriffe, die in ein Technology-Scouting-Tool einge-
geben werden und über Monitoring-Funktionen einen ständigen Überblick über das Geschehen in
Industrie und Wissenschaft in Bezug auf diese Begriffe ermöglichen.
2.5. Die Methode „Disruptive Tech-Scouting (DTS)“
2.5.1 Bestimmung des Scopes und der Suchbegriffe
„Wenn neue Technologien große Versprechungen machen, wie erkennen Sie, was wirtschaftlich ren-
tabel ist? Und wann werden sich die Erwartungen auszahlen, wenn überhaupt? Gartner Hype Cycles
bieten eine grafische Darstellung der Reife und Annahme von Technologien und Anwendungen, und
wie sie potenziell relevant sind für die Lösung von Geschäftsproblemen und die Nutzung neuer Chan-
cen. Gartner Hype Cycle Methodik gibt Ihnen eine Vorstellung davon, wie eine Technologie oder An-
wendung sich im Laufe der Zeit entwickeln wird und bietet damit eine solide Quelle der Erkenntnis
für den Einsatz im Rahmen Ihrer spezifischen Geschäftsziele.“ Quelle: 7.
14. Seite 14 von 20
Nähere Informationen zum Gartner Hype-Cycle:
http://www.gartner.com/technology/research/methodologies/hype-cycle.jsp
Weitergehende Informationen zum Gartner Hype Cycle für neue Technologien, 2016:
www.gartner.com/newsroom/id/3412017
Mit Hilfe dieser und ähnlicher anderer Informationsquellen sind neue Technologien zu finden, die das
Potenzial haben, die eigene Branche zu disruptieren. Sie eignen sich als Suchbegriffe für die DTS-Me-
thode. Zusätzlich können Sie Verwendung finden bei der Szenariotechnik für die Erarbeitung von Zu-
kunftsszenarien, wie sie das Fraunhofer IAO anbietet. Grundgedanke der Szenariotechnik ist es, po-
tenzielle zukünftige Entwicklungen zu antizipieren (oder aus Darstellungen wie dem Gartner Hype
Cycle zu übernehmen) und Handlungsmöglichkeiten für das eigene Unternehmen abzuleiten.
Weitere Suchbegriffe ergeben sich aus der klassischen Innovationsstrategie. Wie in diesem Zusam-
menhang der Informationsbedarf bestimmt und dieser anhand von abgeleiteten Suchtermini formali-
siert wird, beschreiben die Autoren des Buches „Technologien frühzeitig erkennen, Nutzenpotenzi-
ale systematisch bewerten“ aus dem Fraunhofer-Verlag, das in diesem Zusammenhang empfohlen
wird. Herausgeber sind Joachim Warschat, Sven Schimpf und Markus Korell.
Aus diesen Vorarbeiten ergeben sich technologieorientierte Suchbegriffe, die Bestandteil eines Tech-
nologieradars sein können. Hierzu gibt es Beispiele wie das Folgende, die helfen, die Reife und die
Relevanz der beobachteten Technologien übersichtlich darzustellen.
Abbildung 3: Gartner Hype Cycle
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Abbildung 4: Monitoring-Radar, Quelle: Wellensiek, Schuh, Hacker, Saxler (2011), S. 119 (Quelle: 5, Seite 30)
Die ausgefüllte Variante für verschiedene Technologiebereiche könnte wie folgt aussehen:
(Quelle: 5, Seite 31)
2.5.2 Erstellung und Analyse von Trefferlisten
Nachdem die relevanten Suchbegriffe auf diese Weise ermittelt und dargestellt wurden, bietet die
DTS-Methode die Möglichkeit aufzulisten, welche Unternehmen (Startups wie etablierte Unterneh-
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men) heute mit diesen Technologien arbeiten bzw. Produkte und Dienstleistungen auf dieser Tech-
nologiebasis anbieten, welche Forschungseinrichtungen sich mit diesen Technologien beschäftigen,
und welche Patente der Technologieallianz aus diesem Technologiebereich zum Verkauf anstehen.
Für den Suchbegriff „Biomarker“ werden z.B. 83 Unternehmen und Forschungseinrichtungen gefun-
den, die sich mit Biomarkern beschäftigen. Dabei wird ein hochspezialisierter Datenpool verwendet,
der speziell für das Technologiescouting entwickelt wurde und sehr treffgenau und vollständig ist.
25 dieser 83 Unternehmen wurden mit Risikokapital finanziert. Hier sind also die besonders innovati-
ven und neuartigen Geschäftsmodelle und Technologien zu erwarten, von denen die Venture-Capi-
tal-Geber ein besonders schnelles und finanziell lukratives Wachstum erwarten. Diese Startups kön-
nen im Detail analysiert werden in Bezug auf die Patente und Marken, die wirtschaftliche Situation,
das Management, die Historie sowie die Investoren und Investments. Dabei wird für den Technolo-
giescout schnell deutlich, welche der Startups aus technologischer Sicht besonders interessant sind.
Ein Vergleich mit den etablierten Unternehmen unter den 83 Treffern zeigt, inwieweit ggf. diese oder
ähnliche Technologien dort ebenfalls verwendet werden, oder ob es sich um eine echte Marktneu-
heit handelt.
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Diese Trefferliste kann nun gespeichert („Peergroup“) und so ein Technologieradar eingerichtet wer-
den. Ab dem Zeitpunkt der Speicherung wird jedes neu entstehende Unternehmen, das sich mit Bio-
markern beschäftigt, aufgespürt und gemeldet. So bleibt der Technologiescout stets auf dem Laufen-
den und behält einen aktuellen und vollständigen Überblick über sein Technologiegebiet.
Im Bild rechts werden verschiedene
Peergroups gezeigt. Die rote Zahl steht
für die neuen Unternehmen, die seit
dem Start des Radars neu identifiziert
wurden. Die grüne Zahl in Klammern
steht für die aktuelle Treffermenge.
Unterhalb der Angaben findet sich das
Datum, an dem der Technologieradar
eingerichtet wurde.
2.5.3 Monitoren von potenziell disruptiven Innovationen
In den vorherigen Kapiteln wurde ausgeführt, dass der Weg für disruptive Innovationen mit Fehl-
schlägen gepflastert ist. Häufig wird die Strategie gewechselt und ein try-and-error-Ansatz verfolgt.
Der Technologieradar der DTS-Methode beobachtet auch einzelne, potenziell disruptive Unterneh-
men und dokumentiert den Entwicklungspfad. Jede Neuigkeit, die der semantische Crawler der DTS-
Methode notiert, wird dem Technologiescout mitgeteilt. Unternehmen, die sich besonders schnell
entwickeln, werden dabei transparent. Auch neue Produkte werden frühzeitig erkannt, denn das vor-
herige Anmelden einer Produktmarke wird ebenso an den Technologiescout gemeldet wie das An-
melden eines Patents.
2.5.3 Kauf von Unternehmen
Im Zuge des Monitorens von Unternehmen kann es insbesondere im Fall von Startups zu der Überle-
gung kommen, das Unternehmen zu erwerben. Nachdem das Geschäftsmodell von Venture-Capital-
Fonds ohnehin darin besteht, sich von Unternehmen wieder zu trennen und eine finanzielle Rendite
zu erwirtschaften, ist die Möglichkeit für einen derartigen Kauf in der Regel durchaus gegeben. Der
Lebenszyklus eine Venture-Capital-Fonds beträgt in der Regel nur 10 bis 12 Jahre, wobei die ersten
drei bis vier Jahre für das Fund-Raising verwendet werden. Insofern ist der Druck für einen Verkauf
nach fünf Jahren bereits recht hoch. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn zu prüfen, ob das Invest-
ment eines Fonds schon fünf Jahre oder länger besteht, und anschließend die entsprechenden Inves-
toren zu kontaktieren. Die entsprechenden Informationen sind bei der DTS-Methode verfügbar.
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3. Resumé
Disruption hat das Potenzial, etablierte Unternehmen aus deren angestammten Märkten zu verdrän-
gen. Die umfassende Beschreibung dieses Phänomens durch Clayton M. Christensen versetzt Unter-
nehmen in die Lage, sich der Gefahr bewusst zu werden und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
frühzeitig auf disruptive Tendenzen aufmerksam zu werden, diese zu beobachten und notwendige
Entscheidungen zu treffen.
Die kurz angerissene DTS-Methode erlaubt eine systematische und umfassende Beobachtung der re-
levanten Technologiefelder, zeigt disruptive Tendenzen auf und bietet sich so als Ergänzung für bis-
herige Prozesse im Innovationsmanagement an.
Aktuell bietet die DTS-Methode die Überwachung des deutschen Marktes. Ab Herbst 2016 wird der
Scope auf ganz Europa ausgedehnt, in 2017 folgt dann „Rest-of-World“.
Verfasser:
Christoph Herr
Spotfolio GmbH
CEO
E-Mail: christoph.herr@spotfolio.de
Telefon: +49 2641 91397-53
Spotfolio ist die Technologie-Scouting-Plattform für Konzerne und große Mittelstandsunternehmen.
Der tägliche Newsletter hält die Akteure mit Neuigkeiten aus der High-Tech- und Startup-Szene im-
mer auf dem aktuellen Stand.
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Literaturverzeichnis
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lemma – Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlie-
ren
2. Christoph Keese (2014): Silicon Valley – Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt
3. Joachim Warschat, Sven Schimpf, Markus Korell (Hrsg.): Technologien frühzeitig erkennen, Nutzen-
potenziale systematisch bewerten
4. Dieter Spath (Hrsg.), Sven Schimpf, Claus Lang-Koetz: Technologiemonitoring – Technologien iden-
tifizieren, beobachten und bewerten, Fraunhofer IAO
5. Stefan Vorbach (2016): Technologiemonitoring: Technologien identifizieren, bewerten und be-
obachten, Vortrag beim 52. Innovationspool der Plattform für Innovation am 22. Juni 2016 in Weiz /
Österreich
6. M. Wellensiek, G. Schuh, P. A. Hacker, J. Saxler, “Technologiefrüherkennung” in G. Schuh, S. Klap-
pert (Ed.) (2011): Handbuch Produktion und Management 2 – Technologiemanagement, Heidelberg:
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8. Jan Finzen, Harriet Kasper, Maximilien Kintz (2010): Innovation Mining – Effektive Recherche Un-
ter-nehmensstrategisch relevanter Informationen im Internet
9. Thomas Funke, W. Axel Zehrfeld (Hrsg.): Abseits von Silicon Valley – Beispiele erfolgreicher Grün-
dungsstandorte
10. Markus Garn, Daniel Schleidt (2014): Jahrbuch Innovation – Innovationstreiber für Wirtschaft,
Wissenschaft, Politik und Gesellschaft
11. Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (2016): Gutachten zur Forschung, Innova-
tion und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2016