Heinrich-Böll-Stiftung
Wie weiter mit dem Journalismus?
Zukunftsszenarien für die Medienlandschaft und die Journalistische Ausbildung
Medien haben in einer Demokratie die Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen. Sie informieren, kommentieren, interpretieren und prägen die öffentliche Meinung entscheidend mit. Die Digitalisierung hat den Resonanzraum der Medien verschoben und die Autorschaft vervielfältigt und demokratisiert: Internetnutzerinnen und –nutzer stellen eigene Informationen ein und machen diese einem breiten Publikum zugänglich. In sozialen Medien wie Facebook und Twitter und weiteren Internetplattformen kommentieren und veröffentlichen sie in Echtzeit. Dies hat die öffentliche Aufgabe von Medien wie auch die Rolle von Journalistinnen und Journalisten entscheidend verändert.
Gleichzeitig erlebt die Medienlandschaft gravierende Umbrüche: Das mächtigste Verlagshaus Deutschlands stößt Regionalzeitungen ab und der Gründer eines Internetunternehmens kauft eine der renommiertesten Tageszeitungen der Welt. Verlagshäuser und Medienunternehmen sind auf der Suche nach einem gewinnbringenden Geschäftsmodell.
Angesichts dieser Situation ändern sich auch die Qualifikationsanforderungen an den journalistischen Nachwuchs. Die Veranstaltung „Wie weiter mit dem Journalismus?“ will die aktuelle und zukünftige Situation sowohl von Printmedien, Hörfunk und Fernsehen auf der einen, als auch von sozialen Medien auf der anderen Seite beleuchten: Wie wird sich die Medienlandschaft weiter verändern, auf welche Entwicklungen müssen sich sowohl Medienmacher als auch Nutzerinnen einstellen, wo liegen Chancen, wo Risiken der voranschreitenden Digitalisierung der Medien? Welche Rolle spielen klassische Formate wie Zeitungen und Hörfunk? Welche Twitter, Blogs und soziale Netzwerke? Kann Qualitätsjournalismus in Zukunft überhaupt noch finanziert werden? Wie soll, wie muss die Ausbildung zukünftiger Journalist/innen und Medienmacher/innen aussehen, um mit der Entwicklung Schritt zu halten? Welche beruflichen Optionen haben junge Nachwuchsjournalist/innen heute und welche Karrierewege stehen ihnen offen? Welche Chancen bieten sich im Zuge dieser Veränderungen für mehr Vielfalt und Innovation im Journalismus?
Diese Fragen diskutierten wir mit Expertinnen, Kooperationspartnern und Nachwuchsjournalisten. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Studienstipendienprogramms „Medienvielfalt, anders: Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus“ statt. Mit diesem Programm fördern die Heinrich-Böll-Stiftung und ihre Medienpartner junge Studierende mit Migrationsgeschichte auf ihrem Weg zur Journalistin und zum Journalisten.
Programm
Teresa Bücker, Politikberaterin und Autorin
Annette Hillebrand, Direktorin, Akademie für Publizistik
Anschließende Podiumsdiskussion
Ines Pohl, Chefredakteurin taz
Ingrid Müller, Leitende Redakteurin Der Tagesspiegel
Ebru Tasdemir, Neue Deutsche Medienmacher
Teresa Bücker, Politikberaterin
2. Leitfragen
- Wie ändern sich die Erwartungen des Publikums* an
Medien?
- Welche Qualifikationen brauchen Journalist_innen
für den digitalen Medienwandel?
- Welche neuen journalistischen Berufsbilder ergeben
sich aus den Veränderungen?
- Wie kann das Verhältnis von Journalist_innen und
Nutzer_innen in Zukunft aussehen?
3. Internetnutzung in Deutschland
Aktuell liegt die Internetnutzung in Deutschland bei 76,5 Prozent.
Mit 23,5 Prozent sind aktuell immer noch rund 16,5 Millionen
Bundesbürger_innen nicht Teil der digitalen Welt.
Nach wie vor ist Deutschland nach Geschlecht, Altersgruppen
und Bildung digital gespalten (Digital Divide): Noch immer sind
mehr Männer als Frauen online, mehr Junge als Alte, mehr
Menschen mit hohem Bildungsabschluss als mit niedrigem.
Quelle: 13. (N)ONLINER Atlas, den TNS Infratest im Auftrag der Initiative D21 durchgeführt hat. Mit über 30.000 Interviews ist diese
Befragung Deutschlands umfangreichste Studie zur Nutzung, Nichtnutzung und Nutzungsplanung des Internets.
4. Internetnutzer_innen nach
Altersgruppen
Jahr 14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70+
2013 97,5 96,8 94,3 88,2 78,8 63,7 30,2
2012 97,7 96,9 94,1 87,9 76,6 60,4 28,2
Internetnutzer_innen nach Bildungsgrad
Jahr Schüler_innen Volksschule,
Hauptschule
Weiterb. Schule
ohne Abitur
Abitur,
Fachhochschule
Abgeschlossenes
Studium
2013 98,4 60,7 80,9 91,5 91,7
2012 98,2 60,6 80,3 90,8 90,7
Quelle: D21-Digital-Index 2013. http://www.initiatived21.de/portfolio/nonliner-atlas
5. Internetnutzung nach
Haushaltsnettoeinkommen
Jahr <1.000 € 1.000 bis <
2.000 €
2.000 bis <
3.000 €
≤ 3.000 €
2013 55,0 66,5 84,9 93,0
2012 54,2 66,0 83,3 92,7
Quelle: D21-Digital-Index 2013. http://www.initiatived21.de/portfolio/nonliner-atlas
6. Arten der Onlinenutzung 2013
Quelle: ard-zdf-onlinestudie.de 2013
gesamt/Woche 14-29 Jahre gesamt/täglich
Suchmaschinen 83 90 46
E-Mails 79 80 53
Surfen 44 57 17
Communitys 39 76 27
Videoportale 32 65 10
Onlinespiele 16 23 8
Mediatheken 9 15 1
Die am meisten genutzten Inhalte sind Nachrichten (55%) noch vor
Freizeit- und Serviceinformationen, Ausbildungs- und
Berufsinformationen und Unterhaltung.
8. Mobile Internetnutzung 2009-2013
Quelle: ard-zdf-onlinestudie.de 2013
2009 2010 2011 2012 2013
Gesamt 11 13 20 23 41
14-19 J. 12 21 28 26 64
20-29 J. 18 16 34 40 68
30-39 J. 11 15 23 28 46
40-49 J. 10 13 16 15 42
50-59 J. 8 9 10 12 24
Ab 60 J. 9 4 7 9 14
9. Digital_Gender_Gap
Jahr Männer Frauen
2013 81,4 71,8
2012 81,0 70,5
>> Nicht einmal jede zweite Frau über 50 Jahren nutzt das
Internet.
Quelle: D21-Digital-Index 2013. http://www.initiatived21.de/portfolio/nonliner-atlas
11. • Junge Erwachsene in Deutschland suchen fur ihr̈
Engagement neue Wege mithilfe von Technologie.
• Zwei Drittel glauben, dass sie dort, wo sie leben,
etwas bewegen konnen̈
• Mehr als die Halfte (54%) sehen sich vom politischen̈
System nicht ausreichend reprasentiert. Zwei Drittel̈
geben an, „manchmal“ oder „nie“ an politischen
Prozessen wie z.B. Wahlen teilzunehmen.
• 76 Prozent hingegen fuhlen sich mittels Technologië
besser uber die politischen Vorgange im Land̈ ̈
informiert.
12. Weltweit Westeuropa Deutschland Männliche
Millenials in
Deutschland
Weibliche
Millenials in
Deutschland
Internet und
soziale Medien
45 40 31 40 25
Fernsehen 36 32 34 31 37
Zeitungen 15 21 26 23 30
Radio 4 6 7 6 9
Was ist Ihrer Meinung nach die beste Quelle für
glaubwürdige Nachrichtenberichterstattung?
Rolle der Medien für Millenials
Quelle: Telefónica Global Millennial Studie: http://www.telefonica.de/page/18212/index
13. Weltweit Westeuropa Deutschland Männliche
Millenials in
Deutschland
Weibliche
Millenials in
Deutschland
Internet und
soziale Medien
54 49 44 51 38
Fernsehen 34 33 38 35 40
Zeitungen 8 12 10 8 12
Radio 4 5 8 6 10
Was ist Ihrer Meinung nach die beste Quelle für eine
sich entwickelnde Nachricht/Krisensituation?
Rolle der Medien für Millenials
Quelle: Telefónica Global Millennial Studie: http://www.telefonica.de/page/18212/index
14. Rolle der Medien für Millenials
Weltweit Westeuropa Deutschland Männliche
Millenials in
Deutschland
Weibliche
Millenials in
Deutschland
Stimme
vollkommen zu
33 24 21 24 19
Stimme im
Großen und
ganzen zu
52 53 51 48 53
Stimme eher
nicht zu
12 18 22 21 23
Stimme
überhaupt
nicht zu
3 5 6 7 5
Soziale Medien spielen bei aktuellen politischen
Ereignissen und Bewegungen in meinem Land eine
wichtige Rolle?
16. DIGITALE BÜRGER_INNEN
15 Prozent
• Ausschließliche Nutzung von Online-Informationsquellen
• Politische Diskussion bevorzugt über soziale Netzwerke
• Einflussnahme auf politische Entscheidungen über
Onlineinstrumente
• Jahrgänge 1980ff, hohe formale Bildung, relativ ungesicherte
Verhältnisse, eher männlich
• Hohes politisches Interesse
• Überzeugung, dass eigenes Handeln politisch wirksam ist
• Freiheit vor Gleichheit vor Sicherheit
Quelle: Emmer, M.; Vowe, G. & Wolling, J. (2011): Bürger Online. Die Entwicklung der politischen Online-
Kommunikation in Deutschland. Konstanz.
18. Trends & Ausblicke
1) „many-to-many“ statt „one-to-many“.
- Bedeutungsgewinn von digitaler Identität und
Beziehungsarbeit in den Vordergrund
- Grenze zwischen Sendenden und Empfangenden löst sich
auf, Partizipation und neue Machtverhältnisse entstehen
- Weiterentwicklung der Interaktion mit Nutzer_innen und
partizipativen Formen des Journalismus
19. Trends & Ausblicke
2) Breaking News
- Ursprung der Nachricht können Originalquellen in sozialen
Netzwerken sein
- sekundenschnelle, globale Verbreitung
- Aufgaben liegen beim Verifizieren und der journalistischen
Aufbereitung
20. Trends & Ausblicke
3) Neue Aufgaben, neue Rollen
- Flächendeckende Nutzung sozialer Netzwerke unter
Journalist_innen
- Nutzungsverhalten differiert von „Normalnutzer_innen“,
Redaktionen erarbeiten Leitlinien
- Spezialisierung von Redakteur_innen auf Netzwerke:
Community-Redakteur_innen, Social-Media-Redakteur_innen
- Erfordern Netzwerke eigenständige Inhalte oder sind sie nur
Verbreitungskanal?
21. Trends & Ausblicke
4) User-Generated-Content als eigenständige Sphäre
- Soziale Netzwerke und Blogs ersetzen Medien nicht, schaffen
aber neue Schichten zusätzlicher Informationen und vielfältiger
Meinungen.
- Nutzer_innen vertrauen zunehmend den Empfehlungen ihrer
Kontakte und Freunde >> „trusted news“
- Glaubwürdigkeit über Ansprechpartner_innen auf Medienseite
- Zugang zu Netzwerken mit Multiplikationseffekt
22. Trends & Ausblicke
5) Partizipation & Reichweite
- Welche Formen der Nutzerbeteiligung bieten Mehrwerte für
beide Seiten?
- Schafft Aktivität in sozialen Netzwerken Reichweite?
- Können so zum Beispiel neue zahlende Nutzer_innen erreicht
werden?
- Wo endet der Journalismus und wo beginnt das Marketing?
- Müssen Journalist_innen ihre Inhalte eigenständig über
Netzwerke verbreiten?