Vortrag zum IP-Design
Gehalten am 16.10.2019 bei der Herbstsitzung der Bezirksgruppe Bayern des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V.
IP-Design wird dazu verwendet, um Mehrwertpositionen exklusiv zu machen
– insbesondere bei digitalen Geschäftsmodellen gelingt so auch der Schutz des Geschäftsmodells.
IP Design liefert keine Innovation – IP optimiert die Rendite von Innovation.
Digitalisierung als Begriff für die Veränderungen ist eigentlich ein nichtssagender (deutscher) Begriff, Besser IoT
Steigerung davon ist die „digitale Transformation“ des Unternehmens, insbesondere wenn das der Überbegriff für eine schon lange geplante und notwendige Überarbeitung der IT-Infrastruktur bedeutet
Wir denken in 4 Grundkonzepten
Das wichtigste ist den kunden zu kennen und zu verstehen: wer ist der Entscheider, wird er Influencer; Touchpoints kommen aus der Analyse der Kaufentscheidung, aber man muss darüber hinaus an die Nutzung etc. denken (z.B. Navi)
Focus der Unternehmen insbesondere wenn es um den schutz der eigenen Marktposition geht, liegt auf der Technologie
In einem Geschäftsmodell zu verharren kann sehr gefährlich sein. Das merken gerade viele Zulieferer in der autoindustrie
Analyse des Eco-System bringt einen auf die richtige Flughöhe der Betrachtung
Komplexes Produkt – ca. 500 Patente
25000 Patente SEP bei 5G
Auch die Patentwelt verändert sich deutlich:
Erhöhte Komplexität durch Standards (>25.000 als standardessentiell deklarierte Patente für 5G, Iplytics.com)
Keine IPC Klassifizierung für Digitalpatente
Erhöhte Komplexität durch Standards (>25.000 als standardessentiell deklarierte Patente für 5G, Iplytics.com)
Keine IPC Klassifizierung für Digitalpatente
IP-Design, also die aktive und zielgerichtete Gestaltung von IP, ist sowohl Führungsinstrument in der Geschäftsmodell- und Technologieentwicklung als auch ein Instrument des strategischen Marketing.
IP Design erfordert und fördert gleichzeitig die Überwindung interner Barrieren.
IP-design hilft die komplexität der Anforderungen der digitalen Transformation zu systematisieren und relevante Werthebel zu bestimmen
Zunächst einmal reden wir über Geschäftsmodelle bzw. Elemente von Geschäftsmodellen die rekombinant zu Geschäftsmodellen zusammengefügt werden können.
- Wilo: Hocheffizienzpumpen arbeiten i.d.R. nicht im Hocheffizienzpunkt, weil sie programmiert werden müssen und der Installateur die Daten nicht zur Verfügung hat (Länge des Rohrleitungssystems, Knotenpunkte, Steighöhen etc.). Daher bleiben sie oft in der Werkseinstellung und das zentrale Leistungsversprechen „Energieeinsparung“ wird nicht erfüllt Andererseits verhält sich eine Pumpe heute wie eine App – nicht einfach Automatisierung (was nicht erfinderisch ist) – also das Gegenteil von langen Bedienungsanleitungen und Schulungen. Patantiert wurde die Aufgabenerfindung – komplett neue Anforderung an die Pumpe nämlich so einfach zu installieren und bedienen zu sein wie ein App
Rittal: Der Schaltschrank ist nicht nur Teil einer Wertschöpfungskette, sondern durch seinen digitaler Twin, also das Datenmodell horizontal und vertikal integriert. Horizontale Integration verbindet die geamte Wertschöpfungskette von der technischen Infrastruktur über die Vernetzung der Physischen Plattform, die Softwareplattform bis hin zum service. Vertikal ist die Verbindung der Systemarchitekturen von der Fabrikebene bis zum ERP-System (Enterprise Resource Planning)
Thermomix: Das physische Produkt ist aus IP-Sicht relativ langweilig und war schon zu Beginn der entwicklung des TM5 nicht neu. Neu ist, Thermomix wird mit einer Gelinggarantie verkauft. Geführtes Kochen, Rezepte als Stage-Gate-Prozess, Sensorik überprüft den Zustand im Bowl – dadurch ist die Gelinggarantie patentiert.
Claas: Weg von der Maschine hin zum eigentlichen Kundenbedürfnis: Farmer will keine Erntemaschinen besitzen – nur optimale Ernte haben. Mehr und grössere Maschinen sind nicht mehr der Kern des Geschäftsmodells. Daher Datenmanagement. Mähdrescher ist Produktivitätssensor, Datenintegration über Ort, Klima, Wetter, Feuchtigkeit etc. Optimaler Dünger, präzise Ausbringung. Datenmodell, Datenerfassung und Maschinensteuerung sind geschützt
Was ist allen Beispielen gemeinsam? Aus den physikalischen Produkten heraus versteht man eigentlich nicht was da patentiert werden sollte. Erst aus dem Geschäftsmodell.
Die entscheidenden erfinderischen Gegenstände sind in der Zusammenarbeit von IP-Verantwortlichen, Business Development und Produktmanagement entstanden. Ziel ist der Schutz des Geschäftsmodells.
Die Veränderung dokumentiert sich aber nicht nur in der innovative Lösungen oder dem neuen Geschäftsmodell. Die eigentliche Veränderung vollzieht sich in der Positionierung des Unternehmens am Markt, in der Veränderung des Markenkerns, der Deutungshoheit
Zum besseren Verständnis: Eco-Systeme der vorgenannten Beispiele
Im ersten Schritt wird mit dem Eco-System das Wertschöpfungsnetzwerk rund um die betroffene Branche beschrieben. Im Mittelpunkt steht der Zielkunde und das Geschäftsmodell mit allen Teilnehmern wie Händler, Lieferanten und Systemanbietern, bis hin zu Abnehmern. Ergänzt wird das System durch Dienstleister und Intermediäre wie Verbände, Financiers oder Informations-Verarbeiter.
Im Eco-System werden diese Teilnehmer in drei Bereich gegliedert: Kernwertschöpfung, Ergänzende Wertschöpfung und das Zuliefer- bzw. Befähigungsnetzwerk.
Die Knotenpunkte im Netzwerk stellen die genannten Teilnehmer des Geschäftsmodells dar, die durch Werthebel miteinander verbunden sind und je nach Charakter einen spezifischen Wertschöpfungsbeitrag liefern.
Dabei wird differenziert zwischen Waren und Dienstleistungen, Währungen und Kredite, Informationen und Daten, sowie immaterielle Werte, wie Ansehen und Markenguthaben, Produktangebot oder Vertriebskanäle.
Der gewerblich Rechtschutz stellt uns nur Verbietungsrechte zur Verfügung – Entscheidend bei der Herstellung einer Exklusivitätssphäre ist das, was wir dem Wettbewerb untersagen – nicht unbedingt, was wir selbst erfunden haben.
Wir wollen Exklusivität bei der Wahrnehmung des Kunden für unser Leistungsversprechen und seinen Kundennutzen und dort sollte auch die Zahlungsbereitschaft liegen.
Die Verbietungsrechte sollen dem Wettbewerb untersagen in eine – aus Kundensicht – gleichwertige Angebotsposition zu kommen/er darf am Besten nicht den gleichen Kundennutzen versprechen
Die große Chance der digitalen Transformation liegt in der Tatsache, dass heute alles, was es schon gibt, nochmal patentiert wird, aber jetzt eben digital.
Die Layer oberhalb der physikalischen Schicht weisen in der konkreten Praxis auf technische Probleme hin, die dann auch technisch gelöst werden müssen und damit patentierbar sind.
Rittal Beispiel – Datenmodell eines Schaltschranks mit möglichst hoher Packungsdichte bei gleichzeitig handhabbarer thermischer Last und mechanischer Wartungsfähigkeit – „die Finger müssen noch dazwischen passen“ = hinterlegten Präferenzstrukturen. Damit wird das digitale Geschäftsmodell exklusiviert.
Das digitale Ecosystem beschreibt einen ganzheitlichen, unternehmens- und oft branchenübergreifenden Lösungsansatz
Bei digitalen Geschäftsmodellen begibt man sich auch in einen neuen Wettbewerb.
Beispiel Vorwerk – Seit rund um den TM5 ein digitales Ecosystem entstanden ist besetzt Vorwerk auch das Thema tägliche Ernährung und verkauft Rezepte Damit steht Vorwerk im Patentverletzungswettbewerb mit Amazon, Google und anderen Internetgiganten und muss tausende von Patenten überwachen – dazu braucht es eine angemessene Infrastruktur.
Entscheidend beim IP-Design ist der Ausgangspunkt: Nicht die Erfindung sondern der Wunsch nach einer Exklusivitätssphäre um den Kundennutzen herum ist der Ausgangspunkt.
IP-Design ist ein Prozess, bei dem IP bewusst und gezielt auf die betriebswirtschaftliche Wirkung hin hergestellt wird – da ist IP keine Nebenprodukt von F&E – insofern müssen allerdings die regelmäßig knappen F&E-Ressourcen zu diesem Zweck in einem solchen IP-Design-Workshop auch eingesetzt werden – gezielt die Verbietungsrechte herstellen die auch gebraucht werden.
IP-Design hat auch organisatorische Konsequenzen. : IP-Design beginnt nicht meit der Erfindungsmeldung, sondern mit der Beschreibung der zukünftig erfolgreich im Markt befindlichen Innovation und ihrem Geschäftsmodell.
Daraus ergeben sich die notwendigen Exklusivitätsbereiche, für die Verbietungsrechte gemacht werden: Man spricht hier von synthetischem Erfinden,
Bei Copyrights (Filme, Musik, Bücher), beim Industriedesign und bei Marken ist es üblich, dass man genau dort seine kreative Kraft einsetzt, wo es der Markt fordert – IP-Design macht genau das auch bei Patenten.
IP-Design wurde als Methode und Führungsinstrument entwickelt, um es den Unternehmen zu ermöglichen neben den üblichen mit IP und insbesondere Patenten betrauten Kreisen, wie der IP- und F&E-Abteilung, die Marktintelligenz in die Entwicklung von Exklusivpositionen einzubinden.
So entstehen marktrelevante Verbietungspositionen, dort, wo das Unternehmen für die Preisdurchsetzung der Innovation Alleinstellung benötigt.
IP-Design ist ein interdisziplinärer Ansatz und überwindet das häufig zu beobachtende Silodenken in den Unternehmen – Produktmanager oder Marketingleiter beantworten die Frage, welche Patente sie benötigen, die bei der Preisdurchsetzung helfen.
Mit Hilfe einer Matrix, genannt Intellectual Property Functional Deployment (IP-FD), gelingt es die Stellen herauszufinden, wo wir dringend eigene Verbietungspositionen benötigen.
Dazu werden die Kundennutzen auf die zu deren Herstellung notwendigen technischen Systemkomponenten abgebildet und gewichtet, da nicht jeder Kundennutzen vom Kunden als gleichwichtig geschätzt werden und die verschiedenen Systemkomponenten jeweils unterschiedliche Wettbewerbsvorteile bieten.
Aus dieser Zuordnung und Gewichtung entstehen die Hot-Spots – wo die Verbietungsrechte wirklich benötigt werden.
Durch eine IP-Übersichts-Recherche der Wettbewerber entlang der identifizierten Systemkomponenten werden Chancen und Risiken insbesondere im Bereich dieser Hot-Spots identifiziert.
Um die Patente dann auch wirklich herzustellen ist es notwendig in eine dynamische Beschreibung zu wechseln, mit einer Szenario Analyse über die Installation, Nutzung oder Wartung unseres Produkts und unserer Services.
Hier ist es sehr wichtig die richtigen Systemgrenzen zu erkennen.
Nicht wichtig ist, dass bei dieser Methode das Produkt bereits fertig entwickelt ist, deswegen spricht man auch von einem „Cognitive Walkthrough“ man geht diese Nutzungsszenarien geistig durch. Dabei werden die Einflüsse der Umwelt, die Interaktionen (z.B. Mensch-Maschine, Maschine-Maschine) sowie die relevanten Objekte analysiert.
Aus dieser Beschreibung entstehen in den Swimlanes die nicht trivialen technischen Herausforderungen und möglichen Lösungen. Das sind die späteren Erfindungsumgebungen.
Zur Unterstützung des IP Design ist die Identifikation der richtigen Patenttypen hilfreich. Das sind für den jeweiligen technischen Bereich einschlägige Argumentationen: was gilt als technisches Problem, wie wird es beschrieben und welche Lösungsansätze werden verfolgt.
Die in den Swimlanes identifizierten Erfindungsumgebungen werden Patenttypen zugeordnet und der Neuheitsanteil gegen den Stand der Technik abgegrenzt. Das ist dann die Erfindungsskizze die zur Anmeldung ausgearbeitet wird.
Kernbotschaften:
Die aufgezeigten Risiken zeigen, dass gerade die Digitalisierung völlig neue IP-bezogene Risiken mit sich bringt, die zudem katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen haben können
Gleichzeitig steigen die Komplexität und die Anforderungen an das IP-Management – in manchen Bereichen ist eine vollumfängliche Absicherung aus Effizienzgesichtspunkten nicht mehr zu leisten
Gleichzeitig wird von Wertschöpfungspartnern immer häufiger die Gewährleistung der Achtung von Rechten Dritter eingefordert und durch die Unternehmen auch zugesichert
Entsprechende Vereinbarungen und weitere Gesichtspunkte sind durchaus Compliance-relevant
Die Compliance lässt sich in diesem Bereich eigentlich nur durch den Verweis auf angemessene Prozesse und deren ordnungsgemäßer Implementierung nachweisen
Diese Prozesse, sowie die Qualitätsanforderungen an solche IP-Prozesse wurden in der DIN77006 angelegt und werden durch QIMIP auf bestimmte Branchen und Unternehmensgrößen hin konkretisiert