Für 169 Unternehmen aus der
Schweiz und aus dem Ausland,
sieben Parteien, 17 Kantone und
sieben Tourismusgebiete wurde
gemessen, wie stark sich die Menschen aus der Deutschschweiz
damit identifizieren (n = 1052).
Dabei wurden sowohl Kunden/
Nutzer als auch Nicht-Kunden/
Nicht-Nutzer befragt. Es handelt
sich um ein hinsichtlich Alter, Geschlecht und Kantonen repräsentatives Sample für die Deutschschweiz.
Zur Messung der Identitätsstärke
wurden die von FehrAdvice entwickelten ID-light Items verwendet,
wobei es sich um eine Kurzversion einer ausgedehnten Identitätsmessung handelt. Dies ermöglicht
einen breiten Vergleich über viele
Unternehmen und Branchen hinweg. Vertiefte Erkenntnisse zur
Kundenidentität von einzelnen
Unternehmen können im Rahmen
eines Kundenprojekts mit individueller Identitätsmessung ermittelt
werden.
Die Daten wurden von FehrAdvice in Zusammenarbeit mit dem
Marktforschungsinstitut Innofact
erhoben.
1. «Alles Wirtschaften beruht
auf Verhalten. Deshalb bezweckt jede
Wirtschaftsberatung die Beeinflussung
menschlichen Verhaltens.»
IDENTITÄTSINDEX SCHWEIZ
2021
Wie stark sich Menschen mit Unternehmen und Brands identifizieren
2. Research Partner:
«Nur wer einen Identitätsvorsprung generieren kann,
verfügt über genügend strategischen Handlungsraum,
um sich vor der Commoditisierung zu schützen.»
«Nur wer die ‹Golden
Principles of Behavioral
Design› konsequent
anwendet, kann
identitätsstiftende Kunden
beziehungen etablieren.»
«Nur wer Kunden
und Nutzer versteht,
kann Interaktionen
so gestalten, dass sie
für das Unternehmen
und den Kunden
wertstiftend und
auch in unsicheren
Zeiten erstrebens
wert sind.»
Fotos:
iStock
by
GettyImages/Sitthiphong,
Drazen
Zigic,
VioletaStoimenova
3. FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 5
EINLEITUNG
DIE POST-CORONA-KUNDEN: GIBT ES SIE?
WAS GEMESSEN WURDE
Für 169 Unternehmen aus der
Schweiz und aus dem Ausland,
sieben Parteien, 17 Kantone und
sieben Tourismusgebiete wurde
gemessen, wie stark sich die Men-
schen aus der Deutschschweiz
damit identifizieren (n = 1052).
Dabei wurden sowohl Kunden/
Nutzer als auch Nicht-Kunden/
Nicht-Nutzer befragt. Es handelt
sich um ein hinsichtlich Alter, Ge-
schlecht und Kantonen repräsen-
tatives Sample für die Deutsch-
schweiz.
Zur Messung der Identitätsstärke
wurden die von FehrAdvice entwi-
ckelten ID-light Items verwendet,
wobei es sich um eine Kurzversi-
on einer ausgedehnten Identitäts-
messung handelt. Dies ermöglicht
einen breiten Vergleich über viele
Unternehmen und Branchen hin-
weg. Vertiefte Erkenntnisse zur
Kundenidentität von einzelnen
Unternehmen können im Rahmen
eines Kundenprojekts mit individu-
eller Identitätsmessung ermittelt
werden.
Die Daten wurden von FehrAd-
vice in Zusammenarbeit mit dem
Marktforschungsinstitut Innofact
erhoben.
Das Verständnis über das Verhalten von Kunden und Nutzern ist in der heutigen,
unsicheren Welt von zentraler Bedeutung. Nur wer Kunden und Nutzer versteht,
kann Interaktionen so gestalten, dass sie für das Unternehmen und den Kunden
wertstiftend und auch in unsicheren Zeiten erstrebenswert sind. Erfolgreiches
Behavioral Design – d.
h. die Gestaltung von Interaktionsräumen in der ana-
logen und digitalen Welt – setzt voraus, dass vier Faktoren berücksichtigt werden:
BEHAVIORAL DESIGN & IDENTITÄT
IN DER POST-CORONA-WELT
Nur wer das Verhalten von Kunden und Nutzern versteht, kann
wertstiftende Interaktionen gestalten.
IST ES INTUITIV?
KOPF
GOLDEN PRINCIPLES OF
BEHAVIORAL DESIGN
IST ES FREIWILLIG?
HERZ
IST ES EINFACH?
GEDULD
WILLE
IST ES
INKLUDIEREND UND
IDENTITÄTSSTIFTEND?
COMMUNITY
Mensch
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a
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u
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s
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INTUITIVES WARUM
ZUKÜNFTIGE KONSUMENTWICKLUNG
Verschiedene Konsumentengruppen werden sich unterschied-
lich schnell von der wirtschaftlichen Krise erholen. Auf das
Zwangssparen folgt eine Überkompensation des nicht-getätig-
ten Konsums.
Wen hat die Krise besonders stark getroffen?
Junge Menschen
Menschen mit geringen Einkommen
Der Konsum dieser Personengruppen wird sich nur langsam
erholen und sie werden die Kosten der Pandemie tragen.
Wen hat die Krise wenig berührt?
Menschen mittleren bis höheren Alters
Menschen im mittleren bis höheren Einkommenssegment
Diese Personengruppen werden sich schnell von der Krise
erholen und ihr Konsum wird überdurchschnittlich schnell an-
steigen.
NACHHALTIGKEIT IN DER ZUKUNFT
Viele Menschen haben während des Lockdowns auf das
Reisen und ihre Mobilität verzichten müssen. Des Weiteren ga-
ben sie an, während der Pandemie den Nachhaltigkeits
aspekt
auch in ihrer Ernährung berücksichtigen zu wollen. Alles im
Sinne der Umwelt – allerdings zeigte sich dieses Verhalten nur
kurzfristig.
Zum einen entsteht eine kognitive Dissonanz: Menschen ge-
ben zwar an, bewusster einkaufen und handeln zu wollen,
dennoch kaufen sie vermehrt Billigfleisch, Alkohol und Tabak.
Andererseits werden die guten Vorsätze meist schnell wieder
über Bord geworfen.
DIE VERHALTENSÄNDERUNGEN WERDEN
NICHT ANHALTEN
Es scheint, als wären wir während der Pandemie zu bewuss-
teren Menschen geworden – sei es im Umgang mit Geld oder
in Sachen Nachhaltigkeit. Doch diese Verhaltensänderungen
werden aus folgenden Gründen nicht anhalten:
Keine Freiwilligkeit: Die Menschen waren gezwungen, sich
nachhaltiger zu verhalten.
Kein Habit-Building: Die Dauer der Pandemie war zu kurz,
um einen Habit zu etablieren. Post-Corona werden sich die
Menschen kurzfristig weniger nachhaltig verhalten.
Menschen können ihren natürlichen Bedürfnissen wieder
nachgehen (Mobilität, Konsum etc.) und daher wird es
auch hier einen kurzfristigen Overshoot geben.
KEY FACTS
Einsparungen bei nicht-essenziellen Käufen, aber nicht beim täglichen Gebrauch.
Geringere Konsumausgaben vor allem in der Gastronomie, Hotellerie und Reise
branche.
Steigende Ausgaben für Home-Entertainment und Lebensmittel.
Die Konsequenz daraus ist der deutliche Anstieg der Sparquote in der Schweiz. In einer globalen Betrachtung sehen wir
aber deutliche Unterschiede im Spar- und Konsumverhalten der Menschen während der Pandemie.
Aus Gründen der besseren
Lesbarkeit wird im Folgenden
auf die gleichzeitige Verwen-
dung weiblicher und männlicher
Sprachformen verzichtet und
das generische Maskulinum
verwendet. Sämtliche Perso
nenbezeichnungen gelten
gleichermaßen für beide
Geschlechter.
DieCovid-19-PandemiehatunserVerhaltenwieausdemNichts
verändert. Ängste, sich mit dem Coronavirus zu infizieren,
und Panik darüber, sich nicht genügend Nahrung oder
Hygiene
artikel zu sichern, dominierten unsere Handlungen. Die
akute Dramatik hat sich auch dank der Impfung gelegt, doch
geblieben ist die Unsicherheit.
In der EU sind die Menschen überwiegend pessimistisch oder
unsicher darüber, wie lange Covid-19 die Wirtschaft beein-
trächtigen wird, und nur wenige blicken optimistisch nach vor-
ne. Dieses trübe Zukunftsbild hat auch einen Einfluss auf das
Konsumverhalten der Kunden. Sie werden preissensibler, ge-
sundheitsorientierter, sparsamer und agieren mehr im digitalen
Raum als zuvor.
4. 6 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 7
Brands wie die Migros oder Lindt haben es mit der konsequen-
ten Pflege ihrer Werte über Generationen hinweg geschafft, ihre
Identität zu stärken. Kunden der Migros beispielsweise bezeich-
nen sich selbst als «Migros-Kind». Die Unternehmen weisen mit
79.4 und 77.2 einen besonders hohen Wert auf. Aber auch in
der digitalen Welt kann ein hoher Identitätsindex erzielt werden.
Google etwa, das mit zahllosen digitalen Services bereits in die
verschiedensten Lebensbereiche der Menschen vorgedrungen
ist und unseren Alltag mitbestimmt, erzielt einen Wert von 70.2.
Die Benutzung von Google (Internetsuche, Browser, E-Mail-
Account etc.) ist simpel, intuitiv und für die meisten Menschen
bereits zur Gewohnheit geworden – im Sprachgebrauch hat
sich sogar das Wort «googeln» etabliert. Auch der Instant-
Messaging-Dienst WhatsApp, der noch einmal deutlich jünger
ist als Google, weist mit einem Wert von 65.3 eine hohe Iden-
tität auf. Durch seine Omnipräsenz in der Kommunikation mit
Bekannten und Freunden ist er zu einem inhärenten Bestand-
teil unseres Lebens geworden. Auch hier lässt sich erkennen,
dass ein Einfluss auf den Sprachgebrauch genommen wird.
Die klassische SMS wird durch Fragen wie: «Schickst du mir
bitte eine WhatsApp?» ersetzt. Gerade für junge Menschen,
Unternehmen und selbst Bildungsorganisationen ist WhatsApp
aus dem Leben kaum mehr wegzudenken. Vor allem in der
Corona-Pandemie erwies sich WhatsApp als ein wichtiges
Kommunikationsmittel unter Schülern und Lehrkräften. Es ist
aber dennoch anzumerken, dass die Identität von WhatsApp
im Vergleich zu 2019 abgenommen hat (67.3). Das liegt vor
allem daran, dass durch die Übernahme durch Facebook und
die Änderung der Nutzungsbedingungen im Mai 2021 eine
kontroverse Diskussion entfacht wurde. Die gesetzlichen Be-
stimmungen zum Datenschutz werden für Konsumenten ein
immer wichtigerer Faktor in der digitalen Welt, den es immer
mehr zu adressieren gilt.
Ein insgesamt volatileres Marktumfeld, schnellere Innovations-
zyklen und offene Märkte führen dazu, dass viele Produkte
und Dienstleistungen einfacher ersetzt oder nachgeahmt wer-
den können. Dadurch steigt auch die Gefahr, zur Commodity
– d.
h. beliebig austauschbar – zu werden. Die Digitalisierung
wirkt dabei wie ein zusätzlicher Katalysator für diese Gefahr.
Eine hohe Vielfalt von Anbietern drängt in den Markt und die
Wechselkosten für Konsumenten sind oft sehr gering. Ein zen-
traler Differenzierungsfaktor in dieser Welt ist die Beziehung
zum Kunden, oder anders ausgedrückt: die Kundenidentität,
sprich, wie stark sich meine Kunden mit mir als Unternehmen
indentifizieren.
Eine hohe Kundenidentität ist der Stellhebel für das Verhalten
von Kunden:
Je stärker sich ein Kunde/Nutzer mit mir als Unternehmen/
Brand identifiziert, desto treuer und desto weniger preis
sensitiv ist er.
Er fungiert darüber hinaus als Botschafter für die Brand, der
die Identität des Unternehmens weiter nach aussen/in die
Welt trägt.
Insgesamt ist die Kundenidentität also ein zentrales Element
für einen erfolgreichen Business Case, gerade in der so dy-
namischen und volatilen digitalisierten Welt.
Die vorliegende Studie misst die Identität verschiedener Unter-
nehmen, sowohl aus der Schweiz als auch aus dem Ausland.
Das Sample besteht aus Menschen aus der Deutschschweiz
(repräsentativ hinsichtlich des Geschlechts, des Alters und der
Bildung). Die Daten liefern Einblicke in aktuelle Ausprägungen
von Identitäten und geben Aufschluss über potenzielle Hand-
lungsfelder.
Die in der digitalen Welt strukturell vorhandene Gefahr der
Commoditisierung lässt den Ruf nach nachhaltigen Differen-
zierungsfaktoren laut werden. Identitätsstiftende Plattformen
sind ein solcher Differenzierungsfaktor – nur wird er in den
wenigsten Fällen konsequent genutzt.
WIESO IDENTITÄT WICHTIG IST
Die Digitalisierung verstärkt im volatilen und disruptiven Marktumfeld die Gefahr der Austauschbarkeit.
Die Beziehung mit dem Kunden ist ein zentraler Differenzierungsfaktor.
IDENTITÄT ALS STARKER DIFFERENZIERUNGSFAKTOR
Die Ergebnisse zeigen klar, dass es grosse Unterschiede in den Identitätswerten gibt. Sei es in der ana-
logen oder digitalen Welt, bei Kunden oder Nicht-Kunden, regionalen oder internationalen Unternehmen.
Auf der Gewinnerseite befinden sich Unternehmen wie die Migros oder Lindt, am unteren Ende der
Verteilung befinden sich Unternehmen wie Julius Bär oder Twitter.
Die Identitätsstärke wird indexiert auf
einer Skala von 0 bis 100 dargestellt.
ID-Index ≥ 70 – Identität sehr hoch
ID-Index ≥ 60 – Identität eher hoch bis hoch
ID-Index ≥ 50 – identitätsstiftend
ID-Index 50 – wenig bis gar nicht identitätsstiftend
DER IDENTITÄTSINDEX (ID-INDEX)
KEY FINDINGS
1.
Wie auch in den Vorjahren zu sehen war, schafft es
eine Vielzahl der Unternehmen nicht, identitätsstif-
tend zu sein – weder in der digitalen noch in der ana-
logen Welt.
2.
Digitale Unternehmen sind im Durchschnitt weniger
identitätsstiftend als analoge Unternehmen, wobei sie
im Vergleich zu den Vorjahren im Schnitt deutlich an
Identität zugenommen haben.
3.
Der Aufbau einer digitalen Identität ist dennoch mit
mehr Mühen verbunden, als es in der analogen Welt
der Fall ist. Einerseits besteht ein grundlegender Vor-
behalt gegenüber digitalen Unternehmen – selbst von
Digital Natives. Andererseits zeigt sich, dass gerade
in der digitalen Welt eine hohe Identität ausschlagge-
bend für eine regelmäßige Nutzung der Dienste ist.
4.
Insbesondere die Übertragung der analogen Identität
in die digitale Welt, oder vice versa, erweist sich als
schwierig.
● ID-Score 2021
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
Migros
79.4
Lindt
77.2
Ovomaltine
72.6
Google
70.2
Coop
69.6
WhatsApp
65.3
Mobiliar
64.7
YouTube
64.6
SRF.ch
64.4
Wikipedia
64.0
TOP TEN: DIE MARKEN MIT DEN HÖCHSTEN ID-SCORES
5. 8 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 9
● ID-Score 2021 ● ID-Score 2019
80
70
60
50
40
30
20
10
Bâloise
41.4
34.6
Aldi
46.5
52.8
CSS
48.5
40.7
Helvetia
52.6
44.7
Coca-Cola
59.0
50.3
Coop
69.6
66.4
Migros Bank
39.1
46.5
● ID-Score 2021 ● ID-Score 2019
80
70
60
50
40
30
20
10
Amazon
35.5
40.6
Coop.ch (Coop@home)
50.0
43.9
Galaxus.ch
56.6
47.8
Netflix
56.8
51.1
YouTube
64.6
58.3
AUSZUG VON BRANDS MIT HOHEN UND TIEFEN IDENTITÄTSSTÄRKEN
WAS HAT SICH IN DER ANALOGEN WELT STARK VERÄNDERT?
WAS HAT SICH IN DER DIGITALEN WELT STARK VERÄNDERT?
● analog ● digital
Migros
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
Google N26
27.0
70.2
79.4
Julius Bär
21.1
Julius Bär und N26 finden sich am Ende des Identitäts
indexes.
Allerdings stehen sie in ihrer Branche nicht allein da. Bei fast al-
len untersuchten Unternehmen aus der Finanzbranche sind die
Identitätsstärken durchwegs mittelmässig bis tief (siehe Über-
blick aller Unternehmen im Appendix). Eine Ausnahme bildet
seit Jahren die Raiffeisen, welche es schafft, eine identitäts-
stiftende Kundenbeziehung zu pflegen. Die genossenschaftli-
che Rechtsform kann dabei durchaus ein Faktor sein – gefühlt
«gehört» die Bank auch den Schweizern, was identitätsstiftend
wirken kann. Alle anderen untersuchten Institute sind deutlich
weniger identitätsstiftend. Dies ist gleichzeitig ein Weckruf und
eine Chance, sich als Early Mover entscheidend von der Kon-
kurrenz zu differenzieren.
WER SIND DIE GEWINNER WER HAT AUFHOLBEDARF?
In der Finanzbranche schafft es nur ein Unternehmen, eine identitätsstiftende Kundenbeziehung zu
pflegen.
Dies ist eine Chance, sich als Early Mover entscheidend von der Konkurrenz zu differenzieren.
6. 10 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 11
Der Vergleich zu den Jahren zuvor zeigt, dass sich einige
Brands im digitalen Raum stark etablieren konnten – andere
wiederum nicht.
Digitale Absatzkanäle sind deutlich weniger identitätsstif-
tend als ihre zugehörigen analogen Brands.
Selbst Unternehmen, die in der analogen Welt besonders
identitätsstiftend sind, schaffen es nur bedingt, auch in der
digitalen Welt identitätsstiftend zu sein.
Dennoch erleben digitale Brands einen deutlichen Auf-
schwung und können mehrheitlich ihre Identität steigern.
Durch die Ergebnisse dieser Studie zieht sich insgesamt: In der
digitalen Welt sind die Identitätsstärken im Schnitt tiefer ausge-
prägt als in der analogen Welt. Jeder der digitalen Absatzka-
näle ist weniger identitätsstiftend als die dazugehörige analoge
Brand. Spannend ist allerdings, dass während der Pandemie
vor allem soziale Netzwerke oder digitale Händler an Bedeu-
tung und Identität gewonnen haben.
GROSSES POTENZIAL IN DER DIGITALEN WELT
Digitale Absatzkanäle sind deutlich weniger identitätsstiftend als die dazugehörige analoge Brand.
Während der Pandemie haben vor allem soziale Netzwerke oder digitale Händler an Bedeutung und
Identität gewonnen.
UNTERSCHIED ZWISCHEN ANALOGEN UND DIGITALEN ABSATZKANÄLEN IM DETAILHANDEL
GELINGT ES DEN DIGITALEN MARKEN AUFZUHOLEN?
Im Vergleich zum Vorjahr gibt es bei den Identitätswerten der
Digitalhändler teilweise sehr positive Veränderungen. Beispiels-
weise hat das digitale Einkaufen von Lebensmitteln durch die
Covid-19-Pandemie einen Aufschwung erlebt und Kunden
beginnen, sich verstärkt mit diesen Marken zu identifizieren.
Galaxus.ch schafft es, die Werte vom Jahr 2018 (38.5) und
2019 (47.8) erneut erheblich zu steigern (56.6), aber auch Coop
erfährt einen deutlichen Zuwachs von 43.9 in 2019 zu aktuell
50.0. Auch wenn dies sehr positive Beispiele sind, stellt sich die
Frage, ob dies nachhaltige Entwicklungen bleiben oder die Wer-
te nicht doch mit der Verhaltensänderung in der Post-Corona-
Welt wieder abnehmen. Ausserdem verbleibt bei vielen wei-
teren Marken noch ein grosses Potenzial, die digitale Identität
zu stärken.
Vergleich Manor und Manor.ch
Vergleich Coop und Coop.ch (Coop@home)
Vergleich Denner und Denner Weinshop
Vergleich Globus und Globus.ch
Ein wichtiger Grund, warum die meisten analogen Marken bei
der Überführung in die digitale Welt scheitern, ist, dass sich
das menschliche Verhalten in der digitalen Welt von demje-
nigen in der analogen Welt unterscheidet. Nur wer die «Gol-
den Principles of Behavioral Design» konsequent anwendet,
kann identitätsstiftende Kundenbeziehungen auch im digitalen
Raum etablieren. Nur wer einen Identitätsvorsprung generieren
kann, verfügt über genügend strategischen Handlungsraum,
um sich vor der Commoditisierung zu schützen. Eine klare
Ausnahme stellt Nike dar. Nike schafft es, seine kooperative
und relationale Kundenbeziehung in die digitale Welt zu trans-
ferieren. Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass sich
die partizipative und interaktive Präsenz in der analogen Welt
in der Wahrnehmung der Kunden leicht in die digitale Welt
DIE HÜRDEN IN DER DIGITALEN WELT
In der digitalen Welt müssen die Regeln für erfolgreiches Behavioral Design noch gezielter angewen-
det werden.
Die meisten Händler scheitern bei der Überführung ihrer analogen Identität in die digitale Welt.
Die Ausnahme: Nike stellt ein neues Paradebeispiel für eine erfolgreiche Transformation der Identität
in die digitale Welt dar.
Vergleich Migros und Migros Online (LeShop.ch)
79.4 Migros
44.2 Migros Online
– 35.2
Vergleich Migros und Galaxus.ch
79.4 Migros
56.6 Galaxus.ch
– 22.8
49.0 Manor
46.0 Manor.ch
– 3.0
57.7 Denner
38.4 Denner Weinshop
– 19.3
69.6 Coop
50.0 Coop.ch
– 19.6
39.2 Globus
41.1 Globus.ch
+ 1.9
7. 12 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 13
Wie Menschen eine Brand wahrnehmen, wird zu einem grossen
Teil auch davon geprägt, wie die Interaktionen an Touchpoints
– sei es im Laden, bei einer Online-Bestellung oder einem Anruf
bei der Kundenhotline – ausgestaltet sind. Customer Experi
ence und deren Wahrnehmung spielen eine wichtige Rolle bei
der Ausbildung von Kundenidentität. Das bestätigt auch diese
Studie: Menschen, welche die Customer Experience eines Un-
ternehmens positiv bewerten, identifizieren sich auch stärker
damit. Dies gilt über beinahe alle Branchen hinweg. Der Be-
griff Customer Experience steht also für Kunden
interaktionen,
die systematisch die Identität stärken. Durch eine gelungene
Customer Experience werden aus zufriedenen Kunden loyale
Kunden – und aus loyalen Kunden letztendlich Fans und Bot-
schafter der Marke.
Erfolgreiche Unternehmen, die eine hohe Identität aufweisen,
berücksichtigen in ihrer Customer Experience die Prinzipien
des Behavioral Designs. Ihre Angebote sind:
Intuitiv – «strenge den Kopf der Kunden wenig an!»
Freiwillig – «erzeuge keinen Zwang!»
Inspirierend – «erzähle eine gute Story!»
Einfach – «spare dem Kunden kostbare Zeit!»
Inkludierend – «schliesse niemanden an der Teilhabe aus!»
Community-fördernd – «schaffe Zugehörigkeit und wertvolle
Interaktionspunkte!»
Die Customer Experience zu stärken und zu verbessern, wird
daher zu einer immer wichtigeren Aufgabe für Unternehmen,
insbesondere in Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung
und die damit einhergehenden Möglichkeiten, den Kunden-
kontakt zu vereinfachen und zu stärken.
Es gibt jedoch eine Ausnahme, wo der Zusammenhang zwi-
schen Customer Journey und Identität nicht feststellbar ist,
und zwar im Bankensektor. Das deutet darauf hin, dass die
Identität gegenüber Banken weniger stark von Customer
Experi
ence geprägt wird als von anderen Faktoren, wie etwa
geteilten Werten oder Gewohnheiten. Viele Menschen sind
bereits über mehrere Generationen bei «ihrer» Bank und bil-
den ihre Identität stärker darüber sowie über die Stabilität der
Kundenbeziehung aus. Dennoch schaffen es einige Fintechs,
die Werte hinsichtlich Kunden
identität im Vergleich zu 2019 zu
steigern. TWINT war mit einem Wert von 47.2 schon verhält-
nismässig stark und konnte auf einen Wert von 62.1 ausbauen.
Neon oder Zak sind zwar immer noch die Schlusslichter, holen
aber auf: Neon steigerte den Identitätsindex von 22.9 auf 26.3,
Zak verbesserte sich von 20.8 auf 28.5. Fintechs schaffen es
immer mehr, genau die spezifischen Identitätstreiber für ihre
Kunden zu identifizieren.
DIE STÄRKE VON CUSTOMER EXPERIENCE
Eine starke Customer Experience auf allen Touchpoints führt dazu, dass sich Menschen stärker mit
Unternehmen identifizieren.
Customer Experience kann daher ein wichtiges Tool sein, um die Kundenidentität zu stärken.
«Durch eine gelungene Customer Experience
werden aus zufriedenen Kunden loyale Kunden –
und aus loyalen Kunden letztendlich Fans und
Botschafter der Marke.»
DIE ERFOLGREICHE DIGITALE TRANSFORMATION DER NIKE-IDENTITÄT
SONDERFALL MEDIENBRANCHE
Eine Branche, in welcher der zuvor beschriebene Zusammen-
hang nicht existiert, ist – wie auch in den Jahren zuvor – die
Medienbranche. Hier sind die Unterschiede zwischen klassi-
schen und digitalen Kanälen nur sehr gering. Eine mögliche
Begründung dafür, dass digitale Medien hier ähnlich stark sind
wie analoge Medien, liegt in der sozialen Interaktion (Kommen-
tare, Diskussion, «Likes» etc.), die besonders über die digita-
len Kanäle ermöglicht wird. Was auf den ersten Blick verheis-
sungsvoll klingt, verliert bei genauerer Betrachtung etwas an
Strahlkraft. Mit einem durchschnittlichen Identitätsindex von
44.7 sind noch nicht alle digitalen Kanäle stark identitätsstif-
tend. Brands wie SRF.ch (64.4) oder 20min.ch (60.8) weisen
in der digitalen Welt zwar einen hohen Identitätswert auf. Bei
Brands wie dem Teleclub (27.6), der ZDF Mediathek (34.0) oder
Bluewin.ch (36.4) zeigen sich jedoch noch sehr tiefe Werte. Die
Grundlagen für eine hohe digitale Identität und damit ein hohes
Potenzial zur Monetarisierung sind allerdings vorhanden. Bei
vielen Medienunternehmen besteht hervorragendes Digitalisie-
rungspotenzial, nur wurden vielerorts noch nicht die richtigen
Hebel identifiziert, um die Identität nachhaltig zu stärken.
«Ein wichtiger Grund, warum die meisten analogen
Marken bei der Überführung in die digitale Welt scheitern,
ist, dass sich das menschliche Verhalten in der digitalen Welt
von demjenigen in der analogen Welt unterscheidet.»
transferieren lässt. Vor allem durch den Community-Gedanken
in der Nike Sport App oder das simple und intuitive Design
der Webseite schafft es Nike, die Behavioral Principles in die
digitale Welt zu überführen. Auch IKEA – das Unternehmen
galt lange nicht als Vorreiter der Digitalisierung – weist sowohl
analog als auch digital starke Identitätswerte auf. Umso mehr
verdeutlichen diese beiden Beispiele, dass die Überführung in
die digitale Welt gelingen kann.
56.7 Nike
56.4 Nike.com
– 0.3
8. 14 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 15
UNTERSCHIEDE BEI KUNDEN VS. NICHT-KUNDEN
Zwischen Kunden und Nicht-Kunden bestehen häufig grosse Unterschiede in der Identifikation mit
dem Unternehmen.
Dies ist nicht per se problematisch, sondern deutet auf eine hohe Kundenbindung sowie auf ein gros-
ses Potenzial für künftiges Wachstum hin.
Die Kenntnis über die Treiber der Identität gibt Aufschluss darüber, ob und wie die Identität der
Nicht-Kunden gestärkt werden kann und wie aus Kunden Fans und Botschafter des Unternehmens
werden.
● Kunde ID-Score 2021 ● Nicht-Kunde ID-Score 2021
80
70
60
50
40
30
20
10
90
TWINT
82.3
28.6
Netflix
80.9
35.4
Ricardo.ch
64.7
29.2
Blick.ch
67.2
32.0
DIGITALE BRANDS MIT DEN HÖCHSTEN UNTERSCHIEDEN
Wie wichtig die Kenntnis über Identitätstreiber ist, zeigt ein
einfaches Beispiel. Netflix scheint insgesamt moderat identi
tätsstiftend zu sein (56.8). Werden Kunden/Nutzer und Nicht-
Kunden/Nicht-Nutzer getrennt betrachtet, zeigt sich jedoch
ein deutlich differenzierteres Bild. Bei den Kunden/Nutzern ist
die Identitätsstärke ausserordentlich hoch (80.9). Bei den Nicht-
Kunden/Nicht-Nutzern ist sie hingegen sehr tief (30.4). Eine
mögliche Begründung für diesen Unterschied könnte darin lie-
gen, dass Kunden einen hohen Wert darauf legen, eine grosse
Film- und Serienauswahl sofort verfügbar zu haben, oder dass
sie es als kooperativ empfinden, wenn sie einen Account mit
der ganzen Familie nutzen können. Genau dies könnte zur ho-
hen Identifikation der Brand beitragen. Nicht-Kunden hingegen
könnten andere Aspekte von Netflix negativ bewerten, wenn
es etwa nicht ihrem Fairnessempfinden entspricht, dass sich
die Welt des Films und Schauspiels dadurch stark verändert.
Berücksichtigen identitätssteigernde Massnahmen solche
Unterschiede nicht, kann es sein, dass zwar die Identität der
Nicht-Kunden erhöht, diejenige der Kunden jedoch redu-
ziert wird. Selbstverständlich handelt es sich an dieser Stelle
um subjektive Interpretationen, da die vorliegende Studie die
Treiber hinter der Identität nicht untersucht hat. Das Beispiel
soll allerdings aufzeigen, dass ohne Wissen über die Identitäts
treiber kaum abgeschätzt werden kann, ob eine Massnahme
ihre gewünschte Wirkung erzielt oder nicht. Beim Beispiel
Netflix handelt es sich keinesfalls um einen Einzelfall. Ge-
rade in der digitalen Welt besteht oft ein besonders grosser
Unterschied zwischen Kunden/Nutzern und Nicht-Kunden/
Nicht-Nutzern hinsichtlich ihrer Identifikation mit dem Unter-
nehmen.
«Menschen mit einer hohen Identitätsstärke
nutzen digitale Kanäle deutlich öfter.»
STARKER ZUSAMMENHANG VON CUSTOMER EXPERIENCE UND IDENTITÄT
ID-Score
20
30
40
50
60
70
80
20 30 40 50 60 70 80
CX-Score
BRAND AWARENESS ALS TEIL DER IDENTITÄT
Wenn es um die Brand Awareness geht, muss ein wichtiger Irr-
glaube aus dem Weg geräumt werden: Bekannt zu sein reicht
nicht aus, um identitätsstiftend zu sein! Brand Awareness
und selbst weiterführende Konzepte, wie z.
B. Brand-Value-
Ansätze, erklären bei der Identität nur einen Teil der Geschich-
te. Das sieht man deutlich an verschiedenen Global Top Brands
wie Apple, Samsung, Coca-Cola, McDonald’s und Microsoft.
Sie tauchen in weltweiten Rankings zum Thema Brand Value
immer ganz oben auf (z.
B. bei den «Interbrand Best Global
Brands» oder «The World‘s Most Valuable Brands» von Forbes).
Zwar sind alle diese Unternehmen auch zu einem gewissen Teil
identitätsstiftend, im Vergleich zu Brands wie Migros, Lindt und
Ovomaltine ist ihr Identitätsindex aber meist tiefer. Die höchs-
ten Werte weisen Google (70.2) oder auch YouTube (64.6) auf.
Brand Awareness ist bloss ein Schritt in Richtung Identität (eine
Brand, die nicht bekannt ist, kann auch nicht identitätsstiftend
sein). Das Identitätskonzept berücksichtigt nämlich nicht nur,
ob eine Brand in den Köpfen der Menschen verankert ist, son-
dern inwiefern mit der Brand eine relationale und emotionale
Beziehung besteht, die auf lange Sicht zum entscheidenden
Differenzierungsfaktor werden kann. Je stärker die Beziehung
für die Kunden einen identitätsstiftenden Mehrwert generiert,
desto positiver werden sie über das Unternehmen sprechen
und dadurch auch die Brand Awareness erhöhen.
ZUSAMMENHANG ZWISCHEN IDENTITÄTSSTÄRKE UND DIGITALER NUTZUNG
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen dabei deut-
lich: Menschen mit einer hohen Identitätsstärke nutzen di-
gitale Kanäle deutlich öfter. Zu einem gewissen Grad be-
steht dieser Unterschied auch in der analogen Welt, nur
ist er in der digitalen Welt ungleich stärker ausgeprägt.
Am stärksten ausgeprägt ist der Effekt allerdings für rei-
ne Digitalunternehmen. Bei TWINT beispielsweise beträgt
der Unterschied in der regelmässigen Nutzung des Ange-
bots zwischen Menschen mit einer hohen Identitätsstär-
ke und solchen mit tiefer Identitätsstärke satte 54 Pro-
zentpunkte. Diese Erkenntnis verdeutlicht noch einmal, wie
wichtig identitätsstiftende Plattformen in der digitalen Welt sind
– sie entscheiden über den langfristigen Erfolg oder Misserfolg.
Denn wer sich mit einem Unternehmen identifiziert, nutzt des-
sen Service häufiger oder kauft dort öfter ein.
9. 16 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 17
WO IST IDENTITÄT NOCH RELEVANT?
IDENTITÄT IN DER POLITIK
Gerade auch für die Politik kann die Identitätsstärke ein wichti-
ges, zusätzliches Mass sein, um die Verankerung der Parteien
in der Bevölkerung zu evaluieren und eine Lücke zu schlies-
sen, die klassische Umfragen nicht abdecken. Die Studie zeigt,
dass die Identitätswerte der Parteien generell eher niedrig und
die Abweichungen zwischen den Parteien nicht sehr gross
sind. Sie reichen von 31.4 bei der SVP bis zu 49.9 bei den
Grünen. Auffallend ist, dass insbesondere die SVP (31.4) als
stimmenstärkste Partei der Schweiz auch am stärksten pola-
risiert. Es gibt also relativ viele Menschen mit tiefer bzw. hoher
Identität und relativ wenige in der Mitte. Bei anderen Parteien
wie der BDP oder der glp sind die Werte gleichmässiger ver-
teilt. Das liefert eine mögliche Erklärung für die niedrigen Stim-
menanteile: Sie werden von vielen nicht kategorisch abgelehnt,
sind aber für die meisten auch nicht die erste Wahl. Es gelingt
ihnen nicht, systematisch Beziehungen zu den Menschen auf-
zubauen.
DIE IDENTITÄT ZU DEN KANTONEN
Auch für die verschiedenen Kantone lässt sich die Identität er-
heben. Erwartungsgemäss haben Menschen eine starke Be-
ziehung zu ihren Geburts- bzw. Heimatkantonen. Insgesamt
sind die Werte allerdings durchschnittlich niedriger als bei den
Unternehmen. Persönliche Berührungspunkte sind zentral,
um Identität aufbauen zu können, daher ist die Beziehung zu
Kantonen, wo man nicht geboren ist oder lebt, oft nicht sehr
ausgeprägt. Unter den abgefragten Kantonen erreichen Waadt
(58.5), Solothurn (54.5) und Tessin (52.5) die höchsten Identi-
tätswerte. Eine Gesamtübersicht der Scores für die erhobenen
Kantone finden Sie im Anhang.
IDENTITÄTSTREIBER ALS WICHTIGER FAKTOR
Wissen Unternehmen, welche Treiber hinter ihrer Identität stecken, können sie die Unternehmens
identität systematisch erhöhen.
Ohne Wissen über die Identitätstreiber kann kaum abgeschätzt werden, ob eine Massnahme ihre
gewünschte Wirkung erzielen wird.
Ein fundiertes Wissen darüber, was für die Menschen tatsäch-
lich identitätsstiftend wirkt, ist essenziell, wenn es um die Ge-
staltung der Beziehung zu Kunden/Nutzern geht.
Dabei gilt es zu beachten, dass es auch Faktoren gibt, die zwar
für Kunden wichtig sind, jedoch nicht dazu beitragen, dass sie
sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Solche so-
genannten Hygienefaktoren sind etwa die Wahrnehmung der
Sauberkeit in einem Handelsunternehmen oder die Aktualität
bei einem Nachrichtenmedium.
Die Unterscheidung von Hygienefaktoren und Identitätstreibern
ist ein Schlüsselelement für den Erfolg von Unternehmen, da
es sie dabei unterstützt, optimale Investitionsentscheidungen
zu treffen. Zusätzliche Investitionen in einen ohnehin gut erfüll-
ten Hygienefaktor treiben die Erwartungen der Kunden nach
oben, ohne dass die Beziehung gestärkt wird: Die Latte, an der
Kunden Marke oder Unternehmen messen, wird höher gelegt
– es werden neue Referenzpunkte geschaffen. Die Investitio-
nen bleiben damit nachhaltig hoch, aber auf der Ertragsebene
gibt es keine signifikanten Zugewinne.
Für Unternehmen ist es entscheidend, ein evidenzbasiertes
Verständnis über ihre unternehmens
spezifischen Identitäts
treiber zu erlangen. Auf deren Basis können zielgerichtete
Massnahmen definiert werden, die auch zu einer tatsächlichen
Steigerung der Identität führen.
«Die Unterscheidung von Hygienefaktoren und Identitätstreibern ist
ein Schlüsselelement für den Erfolg von Unternehmen, da es sie dabei
unterstützt, optimale Investitionsentscheidungen zu treffen.»
Aufbau wie S.12 Studie CH 2019
ANALOGE BRANDS MIT DEN HÖCHSTEN UNTERSCHIEDEN
Ein Beispiel stellt die Kranken- und Unfallversicherung Con-
cordia dar. Hier ist die Differenz zwischen Kunden- (89.2) und
Nicht-Kundenidentität (39.6) sehr hoch. Offenbar schafft es
Concordia nicht, eine Beziehung und ein positives Bild bei
den Menschen zu erzeugen, die keine Kontaktpunkte mit ihr
haben. Werden hingegen Kunden betrachtet, schafft es Con-
cordia sehr wohl, identitätsstiftend zu sein. Dieses sogenannte
Belief Update zu schaffen, also (potenzielle) Kunden davon zu
überzeugen, dass die negativen Annahmen über das Unter-
nehmen in Wirklichkeit ganz anders sind, ist ein wesentlicher
Faktor, um die Identität zu steigern. In jedem Fall ist es zentral,
die Treiber hinter der Identität zu kennen. Sie geben Aufschluss
darüber, ob ein Update der Annahmen von Nicht-Kunden über
das Unternehmen hilfreich ist oder ob zwischen Kunden und
Nicht-Kunden fundamentale Unterschiede hinsichtlich dessen
bestehen, was für sie die Identität ausmacht.
BRANDS MIT DEN GERINGSTEN
UNTERSCHIEDEN
Im Vergleich dazu gibt es auch Brands, die eine eher aus-
geglichene Identitätsstärke zwischen Kunden/Nutzern und
Nicht-Kunden/Nicht-Nutzern aufweisen. Nestlé, Lindt oder
Roche sind ein solches Beispiel. Das liegt vor allem daran,
dass dies regionale Marken sind und somit Nicht-Nutzer ih-
nen ebenso häufig in ihrem Alltag begegnen. Kontaktpunkte
im Alltag bewirken, dass die Identität auch bei Nicht-Nutzern
verhältnismässig hoch ist. Das Beispiel zeigt deutlich: Es
kann durchaus möglich sein, sowohl bei Nutzern als auch bei
Nicht-Nutzern identitätsstiftend zu sein.
● Kunde ID-Score 2021 ● Nicht-Kunde ID-Score 2021
80
70
60
50
40
30
20
10
90
Concordia
89.2
39.6
Bâloise
89.6
44.8
Raiffeisen
76.9
32.2
Atupri
70.8
27.1
● Kunde ID-Score 2021
● Nicht-Kunde ID-Score 2021
80
70
60
50
40
30
20
10
90
Nestlé
57.1
54.2
Lindt
80.2
77.1
Roche
45.4
41.2
10. 18 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 19
APPENDIX
WAS TUN, UM DIE IDENTITÄT ZU ERHÖHEN?
Um die Kundenidentität nachhaltig zu erhöhen, braucht es so-
mit in einem ersten Schritt ein Verständnis davon, welche Fak-
toren die aktuelle Identität konstituieren. Sowohl für Brands mit
einer niedrigen Identitätsstärke als auch für Brands mit hohen
Unterschieden zwischen Kunden/Nutzern und Nicht-Kunden/
Nicht-Nutzern stellt sich die Frage, was denn für die Menschen
in Bezug auf ihre Brand identitätsstiftend wirkt und was nicht.
Die sogenannten Identitätstreiber können sich beispielsweise
hinsichtlich der analogen und digitalen Welt unterscheiden. In
der digitalen Welt sind Aspekte wie z.
B. Einfachheit oder die
Entwicklung von Gewohnheiten zentrale Stellhebel. Aber auch
Identitätstreiber, die häufig ausschlaggebend für eine hohe
Identifikation in der analogen Welt sind, können bei digitalen
Brands starken Einfluss haben. Fairness gegenüber den Kun-
den, partizipative und interaktive Beziehungen sowie ein kon-
sequentes Leben der Kernwerte des Unternehmens werden in
der Praxis häufig für beide Welten als wichtige Einflussgrössen
identifiziert.
Die Identitätstreiber können sich auch zwischen Kunden/
Nutzern und Nicht-Kunden/Nicht-Nutzern unterscheiden.
Ein fundiertes und genaues Wissen über die Identitätstreiber
stellt sicher, dass durch eine Stärkung der Identität bei den
Nicht-Kunden/Nicht-Nutzern nicht irrtümlicherweise diejenige
der Kunden/Nutzer geschwächt wird. Nur wer die Treiber hin-
ter der Identität kennt, kann auch Massnahmen entwickeln, die
am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt ansetzen. Evi-
denzbasiertes Wissen über die Identitätstreiber sind ein Grund
element, um zielgerichtet Prototypen zu entwickeln, welche die
Identität mit der Brand nachhaltig stärken.
«Ein fundiertes und genaues Wissen über die Identitäts
treiber stellt sicher, dass durch eine Stärkung der Identität
bei den Nicht-Kunden/Nicht-Nutzern nicht irrtümlicher
weise diejenige der Kunden/Nutzer geschwächt wird.»
ZUSAMMENGEFASST GILT
ES ANTWORTEN AUF FOL-
GENDE FRAGEN ZU FINDEN:
Was führt dazu, dass sich Menschen
mehr mit mir als Brand identifizieren?
Identifizieren Sie die Identitätstreiber
– also die Faktoren, die ausschlagge-
bend sind, ob sich jemand mit dem
Unternehmen identifiziert oder nicht.
Ist meine Brand identitätsstiftend für
bestehende und potenzielle Kun-
den? Das heisst: Messen Sie regel-
mässig Ihre Identität bei Kunden und
Nicht-Kunden.
Mit welchen Massnahmen schaffe ich
es, dass sich Menschen stärker mit
mir als Brand identifizieren? Designen
Sie identitätsstiftende Prototypen und
testen Sie diese systematisch, damit
sie in der analogen und digitalen Welt
angewendet werden können.
12. 22 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 23
IDENTITÄTSINDEX: ÜBERSICHT PARTEIEN
GPS
glp
SP
FDP
CVP
BDP
SVP
49.9
49.2
47.1
43.3
36.9
33.2
31.4
IDENTITÄTSINDEX: ÜBERSICHT KANTONE
Glarus
Basel-Stadt
Appenzell Innerrhoden
Zug
Graubünden
Waadt
Solothurn
Tessin
Wallis
Genf
Bern
Neuenburg
Thurgau
St. Gallen
Freiburg
Jura
Basel-Landschaft
95.8
94.4
91.7
79.2
69.0
58.5
54.5
52.5
51.1
49.9
45.7
44.6
44.4
44.0
43.6
37.5
31.3
IDENTITÄTSINDEX: ÜBERSICHT FINANZBRANCHE
TWINT
Raiffeisen
PayPal
PostFinance
UBS
Zürcher Kantonalbank
Migros Bank
Berner KB
CS
AKB
Cembra Money Bank
Basler KB
Valiant Bank
LKB
Swissquote
GKB
Hypo Lensburg
Revolut
Zack
SKB
N26
Neon
NAB
Bank Cler
Vontobel
VZ
Julius Bär
62.1
51.4
50.1
43.5
41.2
41.0
39.1
35.0
34.1
32.2
30.1
30.1
30.1
30.0
29.3
29.1
29.2
29.0
28.5
28.5
27.0
26.3
25.0
24.6
21.8
21.6
21.1
● analog ● digital
IDENTITÄTSINDEX: ÜBERSICHT MEDIEN
SRF.ch
SRF
20min.ch
20 Minuten
ZDF
ARD
NZZ
RTL
Tages-Anzeiger
ORF
Blick
Blick.ch
NZZ.ch
Watson.ch
Tagesanzeiger.ch
CH Media
Bluewin.ch
ZDF Mediathek
Teleclub
40.8
40.5
36.4
34.0
27.6
42.2
43.5
46.4
44.7
45.1
46.1
47.6
48.8
48.8
49.6
57.3
60.8
62.3
64.4
● analog ● digital
DIE IDENTITÄTS-/VERHALTENSMATRIX
ALS EINFACHES MANAGEMENT-TOOL
Um die Wirksamkeit von Massnahmen zur Steigerung der
Identität abzuschätzen bzw. zu messen, sind zwei Dimensio-
nen besonders wichtig:
WIRKUNG AUF DIE IDENTITÄT:
Steigert die Massnahme die Identität?
WIRKUNG AUF DAS VERHALTEN:
Führt die Massnahme zu höherem Umsatz, höherem Gewinn,
höherer Besuchsfrequenz etc.?
4
DAS IDENTITÄTSKONZEPT KURZ ERKLÄRT
DEFINITION VON IDENTITÄT
Identität ist die wahrgenommene Zugehörigkeit zu einer Gruppe
von Menschen oder einem Unternehmen. Sie beschreibt, wie
stark jemand sich zu einer Gruppe/einem Unternehmen hin-
gezogen fühlt bzw. welchen Nutzen ein Mensch daraus zieht,
wenn er sich als Teil der Gruppe/des Unternehmens sieht.
IDENTITÄTSTREIBER – WELCHE ASPEKTE
KONSTITUIEREN DIE IDENTITÄT?
Identitätstreiber sind Faktoren, die beschreiben, weshalb sich
jemand besonders stark mit einem Unternehmen identifiziert.
In der Praxis lassen sich häufig die folgenden Treiberkategorien
identifizieren:
GEWOHNHEITEN: Wie häufig besuche ich das Unter-
nehmen? Wie habitualisiert findet diese Entscheidung statt?
Je mehr die Interaktion mit dem Unternehmen «in Fleisch und
Blut» übergeht, desto identitätsstiftender wirkt diese.
PRÄFERENZEN: Bietet das Unternehmen die Produkte/
Services an, die ich konsumieren möchte?
Oft handelt es sich dabei um sogenannte Hygienefaktoren:
Eine höhere Befriedigung der Präferenzen führt nicht notwen-
digerweise auch zu einer höheren Identität. Werden Präferen-
1
2
3
WIRKUNG VON IDENTITÄT
Identifiziert sich ein Mensch mit einem Unternehmen,
kauft er häufiger und mehr dort ein,
ist er treuer und zufriedener,
ist er weniger preissensitiv,
nimmt er grössere Strecken oder längere Wartezeiten in Kauf,
um mit dem Unternehmen in Verbindung zu treten,
fungiert er als Botschafter für das Unternehmen.
Eine starke Identität ist nur sehr schwer zu kopieren und stellt
damit einen besonders starken Differenzierungsfaktor dar. Aus
diesem Grund gilt es, die Treiber hinter der Identität zu ent-
schlüsseln: Was führt dazu, dass sich Menschen mehr oder
weniger mit einem Unternehmen identifizieren?
zen allerdings nicht erfüllt, gestaltet sich eine Steigerung der
Identität oft schwierig.
WERTE: Für welche Werte steht das Unternehmen? Teile
ich diese Werte?
Je höher diese Übereinstimmung, desto stärker wirkt das Un-
ternehmen identitätsstiftend. Häufig spielen dabei Werte wie
Fairness, ökologische Nachhaltigkeit oder soziales Engage-
ment eine massgebliche Rolle. Gerade in einer digitalisierten
Welt sind auch Partizipation und Interaktion wichtige Treiber.
SOZIALE NORMEN: Interagieren meine Freunde/Familie/
Arbeitskameraden mit dem Unternehmen? Gehören Produkte/
Services des Unternehmens einfach dazu? Welche Verhal-
tensweisen assoziiere ich mit dem Unternehmen?
Je stärker der soziale Druck, mit dem Unternehmen zu in-
teragieren, und je stärker dessen Einfluss auf in einer Gruppe
geteilte Verhaltensweisen, desto identitätsstiftender wirkt das
Unternehmen.
Je genauer ein Unternehmen die Treiber hinter der Identität
kennt, desto zielgerichteter lassen sich Massnahmen zur Stei-
gerung der Identität ableiten. Anhand eines einfachen Frame-
works, das die wichtigsten Identitätstreiber zusammenfasst,
können erfolgversprechende Massnahmen entwickelt werden.
13. 24 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 25
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
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14. 26 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 FehrAdvice_IDENTITÄTSINDEX 2021 27
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