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Die neue C-Klasse ist da

AUTORIN

Neue Aufgabenprofile für Datenmanager in
Städten und Gemeinden der USA

Prof. Dr. Ines Mergel ist
Professorin an der Maxwell
School of Citizenship and Public Affairs, Syracuse University
im US-Bundesstaat New York

Von Professor Dr. Ines Mergel

KURZ GEFASST

Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack
Obama verfolgen die Vereinigten Staaten
eine konsequente „Open-GovernmentStrategie“. Alle von den Verwaltungsbehörden gesammelten Daten müssen den
Bürgerinnen und Bürgern in maschinenlesbarer Form zugänglich gemacht werden.
Über die Verwendung dieser offengelegten
Datensätze kann die Bevölkerung vielfach in sogenannten App-Wettbewerben
mitentscheiden. Gleichzeitig erhöht sich
der Druck auf Städte und Gemeinden,
ihre Datenbestände aufzubereiten und die
vorhandenen Informationen für Innovationen
zu nutzen. Da die meisten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in Kommunalverwaltungen
für diese speziellen Anforderungen nicht
ausgebildet sind, haben die Kommunen neue
Stellenprofile eingeführt: Chief Data Officers
und Chief Innovation Officers. Deren Aufgabe
ist es, die entsprechenden Datensätze zu
identifizieren, aufzubereiten und auf deren

In Städten und Landesbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika hat eine neue
„C-Klasse“ Einzug gehalten: Mit der Einführung von Open Data-Portalen und der hitzigen Diskussion über Big Data-Analysen,
haben vor allem die Bürgermeister in großen Städten, wie Philadelphia, Boston, Chicago oder auch San Francisco Ressourcen
freigesetzt, um neue Stellen zu schaffen.
Open Data ist Teil des neu definierten
Open Government-Konzepts der Obama
Regierung: Obwohl Open Government
als Idee und Leitlinie schon fast 50 Jahre
von mehreren US-Präsidenten praktiziert
wurde, hat es mit Beginn der Präsidentschaft
von Barak Obama eine neue Dimension
erhalten. Alle von Verwaltungsbehörden
gesammelten Daten müssen seit dem Jahr
2009 in maschinenlesbarer Form den Bürgern zur Verfügung gestellt werden.

Umsetzung von Open Government:
Datenportale
Warum ist diese Form des Open Governments erstaunlich und neu? Alle vorherigen Präsidenten haben zwar ebenfalls einen
Open Government-Plan gehabt, allerdings
mussten Bürger die Veröffentlichung der
Daten als Teil des „Freedom of Information Act“ mit einem speziellen Formular

Grundlage innovative Dienstleistungen für
die öffentliche Verwaltung zu entwickeln.

Das Datenportal des
Bundesstaates Utah,
USA – Utah.gov/data

464 Stadt und Gemeinde 10

2013

beantragen, dann hat ein Beauftragter in der
jeweiligen Behörde darüber entschieden ob
sich der Aufwand lohnt und ob das angeforderte Dokument vertraulicher Natur ist. All
dies geschah in der jüngsten Vergangenheit,
besonders unter Clinton, in sogenannten
‚e-Rooms‘ auf der Website der jeweiligen
Behörde und wurde dann unter Bush und
dem Terrorismustrauma nach dem 11. September 2001 wieder drastisch zurückgefahren. Für die Bürger war – und ist – es ein
langwieriger und frustrierender Prozess,
der nun mit der Einführung von Open
Data-Portalen vereinfacht werden soll. Die
freiwillige Bereitstellung der Daten soll die
Prozesse innerhalb der Verwaltung vereinfachen und das Vertrauen in die Transparenz
und die Rechenschaftslegung der Verwaltung erhöhen. So der Plan, den die ObamaRegierung gleich in der ersten Amtszeit festgelegt hat und jetzt in der zweiten Amtszeit
kräftig vorantreibt.
In den Bundesbehörden wurde das Konzept relativ erfolgreich mit dem Datenportal
Data.gov umgesetzt. Die Behörden mussten
innerhalb von 60 Tagen alle Datensätze zur
Verfügung stellen und drei Jahre nach dem
Launch der Seite sind mittlerweile mehrere
tausend Datensätze frei verfügbar.
Nutzung von Open Data:
App-Wettbewerbe
Wichtiger als die Bereitstellung ist meiner
Meinung nach jedoch die Nutzbarkeit und
der Wert der Daten: sind dies überhaupt
Datensätze, die von den Bürger genutzt
werden können und benötigen die Bürger
die Daten überhaupt? Treffen sie dadurch
bessere Entscheidungen, wo sie hinziehen wollen, wo Bürgerinitiativen gegen
Umweltverschmutzung angeregt werden
sollten oder helfen sie jungen Firmen innovativer zu sein. Ein schlauer Schachzug war
es, diese Überlegungen nicht auf den Schultern der Verwaltung zu lassen, sondern mit
Hilfe von sogenannten Apps Contests die
Bürger entscheiden zu lassen: Bei diesen
Wettbewerben kommen Programmierer
zusammen, nutzen die Daten und entwickeln neue Online-Dienste, basierend auf
Verwaltungsdaten.
Was sich so einfach anhört, hat jedoch
teilweise dramatische Auswirkungen auf
Städte- und Gemeindeverwaltungen in
den USA: Der Druck von Seiten der Bürger erhöht sich und die Rufe nach mehr
Innovation werden lauter. Jedoch gehört
Open Government nicht zur Kernaufgabe
jeder Behörde und Mobilphone-Wettbewerbe sind nicht Teil der Grundausbildung von Verwaltungsfachangestellten. Wie
reagieren nun die Behörden und Ämter
auf der lokalen Ebene auf diese neuesten
Herausforderungen?

FOTO: MARK HEADD

Die neue C-Klasse: Chief Data
Officers
Eine Antwort ist die Einführung neuer
Positionen: Chief Data Officers und Chief
Innovation Officers – die neue C-Klasse in
der öffentlichen Verwaltung. Anders als die
bereits bekannten Chief Information oder
Chief Technology Officers haben die Chief
Data Officers weniger Verantwortung für
IT-Analyse, -Anschaffung und -Einsatz, sondern fokussieren sich darauf in den Fachabteilungen „high value“ (also hochwertige)
Datensätze zu identifizieren, zu reinigen und
in maschinenlesbarer Form auf Datenportalen den Bürgen zur Nutzung bereitzustellen.
In den USA gibt es in der Zwischenzeit
eine Unmenge dieser Positionen und oftmals sind die Aufgaben auf Datenverwaltung beschränkt. Allerdings gibt es auch
einige herausragende Beispiele, wie etwa in
San Francisco, Boston, Chicago oder Phila-

Technically
Philly und Code
for America
inspirieren die
Nutzung von
Verwaltungsdaten durch
private Nutzer

delphia, wo die Chief Data Officers dazu
beitragen, auf den bereitgestellten Datensätzen innovative Dienstleistungen für die
öffentliche Verwaltung zu entwickeln. Ihre
Position wird daher oftmals als Chief Innovation Officer beschrieben.

Aufgabengebiete
Die Aufgabe der neuen Chief Data Officers
bezieht sich sowohl auf die internen als auch
auf die externen Stakeholder der öffentlichen Verwaltung.
Intern sind Chief Data Officers vor allem
Übersetzer und Change Agents: Sie müssen
die politischen Richtlinien vermitteln und
diese gleichzeitig an die lokalen Besonderheiten anpassen, so dass Fachabteilungen
bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Es ist vor allem viel Überzeugungsarbeit
notwendig, da besonders in den USA Aufgabengebiete wegfallen und damit Abteilungsleiter die Befürchtung haben, dass
ihnen dann auch Personal gestrichen wird.
Freigabe der Daten in maschinenlesbarer
Form heißt jedoch nicht unbedingt, dass
Stellen abgebaut werden und die Aufgabe
der Chief Data Officers ist es durchzudenken, wie Aufgaben neuverteilt werden können. Hier ist ein Umdenken notwendig:
Je effizienter die Bürokratie arbeitet, umso
weniger Redundanz produziert die Verwaltung und Anfrager können direkt auf die
neuen Datenportale verwiesen werden.
Dann müssen auch die Bürger davon
überzeugt werden die Daten zu nutzen und
für sich selber, aber auch für die Städte und
Gemeinden einen Mehrwert zu schaffen.
In den USA gibt es das schöne Sprichwort:
„Just because you built it, doesn’t mean they
use it.“ – Frei übersetzt: Nur weil die Daten
und Portale zur Verfügung stehen, heißt es

Stadt und Gemeinde 10

2013

465

nicht dass Bürger sich sofort darauf stürzen.
Im Gegenteil: Chief Data Officers müssen
die Verbindungen zu sogenannten civic
hackern herstellen, Anreize für die Nutzung
in Form von App-Wettbewerben schaffen
sowie die hochwertige Anwendungen auch
publizieren und für deren Nutzung werben.

Notwendige Voraussetzungen
Um all dies zu bewältigen, ist Top Management-Unterstützung notwendig. Nur wenn
auf der höchsten politischen und Managementebene eine klare Entscheidung für die
Umsetzung von Open Data getroffen wird,
können auch Ressourcen für neue Funktionen wie die neue C-Klasse der Chief Data
oder Chief Innovation Officer zur Verfügung gestellt werden. Niemand will als erster den Stab ergreifen. Wir brauchen also
noch viele gute Beispiele an denen es sich
lohnt, sich in der öffentlichen Verwaltung zu
orientieren, um den gewünschten Effekt zu
■
erzielen.
I N F O R M AT I O N

Gemeinsam mit weiteren Autoren
hat Prof. Dr. Ines Mergel im August
2013 das erste deutschsprachige Buch
zu dem Thema veröffentlicht: Praxishandbuch Soziale Medien in der
öffentlichen Verwaltung. Springer Verlag, Heidelberg. Weitere Informationen zu ihren Forschungsschwerpunkten finden sich in ihrem Blog unter
http://inesmergel.wordpress.com

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  • 1. www.stadt-und-gemeinde.de Die neue C-Klasse ist da AUTORIN Neue Aufgabenprofile für Datenmanager in Städten und Gemeinden der USA Prof. Dr. Ines Mergel ist Professorin an der Maxwell School of Citizenship and Public Affairs, Syracuse University im US-Bundesstaat New York Von Professor Dr. Ines Mergel KURZ GEFASST Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama verfolgen die Vereinigten Staaten eine konsequente „Open-GovernmentStrategie“. Alle von den Verwaltungsbehörden gesammelten Daten müssen den Bürgerinnen und Bürgern in maschinenlesbarer Form zugänglich gemacht werden. Über die Verwendung dieser offengelegten Datensätze kann die Bevölkerung vielfach in sogenannten App-Wettbewerben mitentscheiden. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Städte und Gemeinden, ihre Datenbestände aufzubereiten und die vorhandenen Informationen für Innovationen zu nutzen. Da die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kommunalverwaltungen für diese speziellen Anforderungen nicht ausgebildet sind, haben die Kommunen neue Stellenprofile eingeführt: Chief Data Officers und Chief Innovation Officers. Deren Aufgabe ist es, die entsprechenden Datensätze zu identifizieren, aufzubereiten und auf deren In Städten und Landesbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika hat eine neue „C-Klasse“ Einzug gehalten: Mit der Einführung von Open Data-Portalen und der hitzigen Diskussion über Big Data-Analysen, haben vor allem die Bürgermeister in großen Städten, wie Philadelphia, Boston, Chicago oder auch San Francisco Ressourcen freigesetzt, um neue Stellen zu schaffen. Open Data ist Teil des neu definierten Open Government-Konzepts der Obama Regierung: Obwohl Open Government als Idee und Leitlinie schon fast 50 Jahre von mehreren US-Präsidenten praktiziert wurde, hat es mit Beginn der Präsidentschaft von Barak Obama eine neue Dimension erhalten. Alle von Verwaltungsbehörden gesammelten Daten müssen seit dem Jahr 2009 in maschinenlesbarer Form den Bürgern zur Verfügung gestellt werden. Umsetzung von Open Government: Datenportale Warum ist diese Form des Open Governments erstaunlich und neu? Alle vorherigen Präsidenten haben zwar ebenfalls einen Open Government-Plan gehabt, allerdings mussten Bürger die Veröffentlichung der Daten als Teil des „Freedom of Information Act“ mit einem speziellen Formular Grundlage innovative Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung zu entwickeln. Das Datenportal des Bundesstaates Utah, USA – Utah.gov/data 464 Stadt und Gemeinde 10 2013 beantragen, dann hat ein Beauftragter in der jeweiligen Behörde darüber entschieden ob sich der Aufwand lohnt und ob das angeforderte Dokument vertraulicher Natur ist. All dies geschah in der jüngsten Vergangenheit, besonders unter Clinton, in sogenannten ‚e-Rooms‘ auf der Website der jeweiligen Behörde und wurde dann unter Bush und dem Terrorismustrauma nach dem 11. September 2001 wieder drastisch zurückgefahren. Für die Bürger war – und ist – es ein langwieriger und frustrierender Prozess, der nun mit der Einführung von Open Data-Portalen vereinfacht werden soll. Die freiwillige Bereitstellung der Daten soll die Prozesse innerhalb der Verwaltung vereinfachen und das Vertrauen in die Transparenz und die Rechenschaftslegung der Verwaltung erhöhen. So der Plan, den die ObamaRegierung gleich in der ersten Amtszeit festgelegt hat und jetzt in der zweiten Amtszeit kräftig vorantreibt. In den Bundesbehörden wurde das Konzept relativ erfolgreich mit dem Datenportal Data.gov umgesetzt. Die Behörden mussten innerhalb von 60 Tagen alle Datensätze zur Verfügung stellen und drei Jahre nach dem Launch der Seite sind mittlerweile mehrere tausend Datensätze frei verfügbar.
  • 2. Nutzung von Open Data: App-Wettbewerbe Wichtiger als die Bereitstellung ist meiner Meinung nach jedoch die Nutzbarkeit und der Wert der Daten: sind dies überhaupt Datensätze, die von den Bürger genutzt werden können und benötigen die Bürger die Daten überhaupt? Treffen sie dadurch bessere Entscheidungen, wo sie hinziehen wollen, wo Bürgerinitiativen gegen Umweltverschmutzung angeregt werden sollten oder helfen sie jungen Firmen innovativer zu sein. Ein schlauer Schachzug war es, diese Überlegungen nicht auf den Schultern der Verwaltung zu lassen, sondern mit Hilfe von sogenannten Apps Contests die Bürger entscheiden zu lassen: Bei diesen Wettbewerben kommen Programmierer zusammen, nutzen die Daten und entwickeln neue Online-Dienste, basierend auf Verwaltungsdaten. Was sich so einfach anhört, hat jedoch teilweise dramatische Auswirkungen auf Städte- und Gemeindeverwaltungen in den USA: Der Druck von Seiten der Bürger erhöht sich und die Rufe nach mehr Innovation werden lauter. Jedoch gehört Open Government nicht zur Kernaufgabe jeder Behörde und Mobilphone-Wettbewerbe sind nicht Teil der Grundausbildung von Verwaltungsfachangestellten. Wie reagieren nun die Behörden und Ämter auf der lokalen Ebene auf diese neuesten Herausforderungen? FOTO: MARK HEADD Die neue C-Klasse: Chief Data Officers Eine Antwort ist die Einführung neuer Positionen: Chief Data Officers und Chief Innovation Officers – die neue C-Klasse in der öffentlichen Verwaltung. Anders als die bereits bekannten Chief Information oder Chief Technology Officers haben die Chief Data Officers weniger Verantwortung für IT-Analyse, -Anschaffung und -Einsatz, sondern fokussieren sich darauf in den Fachabteilungen „high value“ (also hochwertige) Datensätze zu identifizieren, zu reinigen und in maschinenlesbarer Form auf Datenportalen den Bürgen zur Nutzung bereitzustellen. In den USA gibt es in der Zwischenzeit eine Unmenge dieser Positionen und oftmals sind die Aufgaben auf Datenverwaltung beschränkt. Allerdings gibt es auch einige herausragende Beispiele, wie etwa in San Francisco, Boston, Chicago oder Phila- Technically Philly und Code for America inspirieren die Nutzung von Verwaltungsdaten durch private Nutzer delphia, wo die Chief Data Officers dazu beitragen, auf den bereitgestellten Datensätzen innovative Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung zu entwickeln. Ihre Position wird daher oftmals als Chief Innovation Officer beschrieben. Aufgabengebiete Die Aufgabe der neuen Chief Data Officers bezieht sich sowohl auf die internen als auch auf die externen Stakeholder der öffentlichen Verwaltung. Intern sind Chief Data Officers vor allem Übersetzer und Change Agents: Sie müssen die politischen Richtlinien vermitteln und diese gleichzeitig an die lokalen Besonderheiten anpassen, so dass Fachabteilungen bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Es ist vor allem viel Überzeugungsarbeit notwendig, da besonders in den USA Aufgabengebiete wegfallen und damit Abteilungsleiter die Befürchtung haben, dass ihnen dann auch Personal gestrichen wird. Freigabe der Daten in maschinenlesbarer Form heißt jedoch nicht unbedingt, dass Stellen abgebaut werden und die Aufgabe der Chief Data Officers ist es durchzudenken, wie Aufgaben neuverteilt werden können. Hier ist ein Umdenken notwendig: Je effizienter die Bürokratie arbeitet, umso weniger Redundanz produziert die Verwaltung und Anfrager können direkt auf die neuen Datenportale verwiesen werden. Dann müssen auch die Bürger davon überzeugt werden die Daten zu nutzen und für sich selber, aber auch für die Städte und Gemeinden einen Mehrwert zu schaffen. In den USA gibt es das schöne Sprichwort: „Just because you built it, doesn’t mean they use it.“ – Frei übersetzt: Nur weil die Daten und Portale zur Verfügung stehen, heißt es Stadt und Gemeinde 10 2013 465 nicht dass Bürger sich sofort darauf stürzen. Im Gegenteil: Chief Data Officers müssen die Verbindungen zu sogenannten civic hackern herstellen, Anreize für die Nutzung in Form von App-Wettbewerben schaffen sowie die hochwertige Anwendungen auch publizieren und für deren Nutzung werben. Notwendige Voraussetzungen Um all dies zu bewältigen, ist Top Management-Unterstützung notwendig. Nur wenn auf der höchsten politischen und Managementebene eine klare Entscheidung für die Umsetzung von Open Data getroffen wird, können auch Ressourcen für neue Funktionen wie die neue C-Klasse der Chief Data oder Chief Innovation Officer zur Verfügung gestellt werden. Niemand will als erster den Stab ergreifen. Wir brauchen also noch viele gute Beispiele an denen es sich lohnt, sich in der öffentlichen Verwaltung zu orientieren, um den gewünschten Effekt zu ■ erzielen. I N F O R M AT I O N Gemeinsam mit weiteren Autoren hat Prof. Dr. Ines Mergel im August 2013 das erste deutschsprachige Buch zu dem Thema veröffentlicht: Praxishandbuch Soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung. Springer Verlag, Heidelberg. Weitere Informationen zu ihren Forschungsschwerpunkten finden sich in ihrem Blog unter http://inesmergel.wordpress.com