Das Wiener und das burgenländische Modell der Mindestsicherung im Vergleich und eine Meinung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung
Ein Artikel von Mag. Markus Gartner
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Bedarfsorientierte Mindestsicherung im
Vergleich
Untertitel: Das Wiener und das burgenländische Modell der Mindestsicherung im
Vergleich und eine Meinung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung
Ein Artikel von Mag. Markus Gartner
1 Einführung und Vorbemerkungen
Ich werde in meinem Artikel persönliche Überlegungen zur bedarfsorientierten
Mindestsicherung in Österreich strukturiert wiedergeben. Mein persönlicher Zugang
ist dabei in erster Linie ein christlicher Zugang. Dabei werde ich zum Teil mit
essayistischen und populärwissenschaftlichen Stilelementen arbeiten, damit ich auch
den wissenschaftlich nicht geübten Lesern die Möglichkeit gebe sich in meine
Gedanken hineinzuversetzen. Ich werde meinen persönlichen Überlegungen einen
umfassenden aber doch nicht vollständigen Vergleich zwischen den Modellen der
Mindestsicherung in Burgenland und in Wien voranstellen. Dieser Vergleich dient vor
allem der Strukturierung meiner Gedanken. Ich wählte diese beiden Bundesländer,
weil sie aus meiner Sicht die unterschiedlichsten sind (Wien ist eine Großstadt und
Burgenland ist ein ländlich geprägtes Bundesland mit sehr wenigen EinwohnerInnen)
und so meiner Meinung nach am Besten aufzeigen können inwieweit die
Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Österreich einheitlich ist und wo auch die
Grenzen einer solchen Einheitlichkeit liegen können. Nachdem ich diesen Vergleich
gemacht habe, werde ich mich in meinem Artikel meiner persönlichen Meinung zur
Mindestsicherung widmen. Dies ist natürlich auf den vorangegangenen Vergleich
aufgebaut, erweitert ihn aber noch um einige – vor allem philosophische – Gedanken
und um den Entwurf eines eigenen Modells.
2 Vergleich zwischen Wien und Burgenland
Sowohl in Wien als auch im Burgenland ist das Mindestsicherungsgesetz mit
01.09.2010 in Kraft getreten. In Burgenland ist dies allerdings erst rückwirkend
passiert. Beide Gesetze werden durch Verordnungen ergänzt. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 7) Während in Wien ein Handbuch zum
Vollzug bereits vorhanden ist, ist dieses im Burgenland erst in Planung. Im
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Burgenland gibt es aber im Unterschied zu Wien Erläuterungen zum
Gesetzesentwurf. In beiden Bundesländern gibt es für die Klientinnen und Klienten
den Einbezug in die gesetzliche Krankenversicherung und eine e-card. Im
Unterschied zu Wien werden im Burgenland die Kosten für Selbstbehalte im Rahmen
der Mindestsicherung übernommen. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 8) Weder in Wien noch im Burgenland gibt es grundsätzlich
den Regress der Leistungen. Das Wiener Mindestsicherungsgesetz sieht aber
durchaus den sogenannten solidarischen Ersatz der Kosten durch die
Bedarfsgemeinschaft vor. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S.
9) Zum unbefristeten Schonvermögen gehören sowohl in Burgenland als auch in
Wien Gegenstände zur Erwerbsausübung, der allgemeine Hausrat und Gegenstände
zur Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse. Bei KFZ gibt es im
Unterschied zur alten Sozialhilfe sowohl im Burgenland als auch in Wien klare
Regelungen, die den weiteren Besitz berufsbedingt notwendiger KFZs erlaubten.
Während in den alten Sozialhilfegesetzen nicht vorgesehen war, dass man sich
Ersparnisse behalten darf, darf man sich durch das Mindestsicherungsgesetz sowohl
im Burgenland als auch in Wien Ersparnisse in der Höhe des 5-faches des
Freibetrages grundsätzlich behalten. In keinem der beiden Bundesländer darf mehr
die Verwertung von Immobilien, die dem eigenen Wohnbedarf dienen, verlangt
werden. Die Möglichkeit der grundbücherlichen Sicherstellung des Eigenheimes gibt
es aber in beiden Bundesländern. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 9 und S. 10) In Wien ist diese sogar verpflichtend vorgesehen.
Sonstige Vermögen wird aber erst nach 6 Monaten Leistungsbezug verwertet. In
beiden Bundesländern muss eine Entscheidung über den Bezug der
Mindestsicherung binnen drei Monaten fallen. In Burgenland erfolgt die Erledigung in
Schriftform automatisch. – In Wien passiert das erst nach einem Antrag des
Antragsstellers bzw. der Antragsstellerin. In beiden Bundesländern sind eine
Berufungsverzicht und eine aufschiebende Wirkung von Berufungen
ausgeschlossen. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 11)
Während in Burgenland jede volljährige Person eines Haushaltes das Recht hat
einen Antrag zur Gewährung der Mindestsicherung zu stellen, ist dies in Wien nicht
der Fall. In Burgenland können im Unterschied zu Wien auch bei im Gesetz
eigentlich nicht vorgesehenen Stellen Anträge gestellt werden. Im Burgenland dauert
die Berufungsfrist mit vier Wochen doppelt so lang wie in Wien. Im Burgenland gibt
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es im Unterschied zu Wien in bestimmten Fällen die Möglichkeit zur Soforthilfe. So
wie in den anderen österreichischen Bundesländern auch muss man in Wien und
Burgenland nicht zur Erwerbsarbeit bereit sein, wenn man betreuungspflichtige
Kinder unter 3 Jahren hat. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S.
12) Dasselbe gilt in beiden Bundesländern für die Betreuung pflegebedürftiger
Angehöriger und schwerstkranke Kinder und für in Erwerbs- und Schulausbildung
befindliche BezieherInnen vor Vollendung des 18. Lebensjahres. Ausnahmen für
Personen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahr, mit einer Ausbildung begonnen
haben, gibt es in beiden Bundesländern kaum. Wenn Unterhaltsansprüche
uneinklagbar sind, darf dies in beiden Bundesländern nicht verlangt werden. Im
Unterschied zu Wien gelten in Burgenland die Bestimmungen des
Notstandshilfegesetzes zur Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 13) In beiden Bundesländern gibt es einen
Freibetrag für Personen, die nach längerer Erwerbslosigkeit erstmals wieder einer
Erwerbsarbeit nachgehen. Dieser Freibetrag ist übrigens in beiden Ländern auf 18
Monate befristet. Während man in Burgenland nichts dazuverdienen darf, darf man in
Wien ein therapeutischen Taschengeld bei sogenannten sozialökonomischen
Projekten und die Lehrlingsentschädigung dazuverdienen. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 14) In beiden Bundesländern dürfen
Geldleistungen nur in Ausnahmefällen durch Sachleistungen ersetzt werden. In Wien
und in Burgenland erfolgt die Valorisierung der bedarfsorientierten Mindestsicherung
mit dem gleichen Prozentsatz wie die Ausgleichszulage. Während in Wien die
zusätzlichen Leistungen für das Wohnen um 2,6% valorisiert wurden, gibt es im
Burgenland solche Leistungen gar nicht. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 15) In beiden Bundesländern ist der Ausgangwert für die Höhe
der Mindeststandards die Höhe der Ausgleichszulage. In beiden Bundesländern ist
hierbei die Grundleistung für einen angemessenen Wohnbedarf in Höhe von 25%
grundsätzlich inkludiert. In Wien ist er aber aufgrund von dadurch höheren
Mietbeihilfen teilweise etwas geringer (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 16) Die Definition von AlleinerzieherInnen ist im Wiener
Mindestsicherungsgesetz relativ klar, im burgenländischen Mindestsicherungsgesetz
aber eher unklar. In beiden Bundesländern wird aber in bei unterhaltsberechtigten
Kindern – egal ob diese volljährig sind oder nicht - dieser Faktor zu 100%
berücksichtigt. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 17) Sowohl
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in Wien als auch im Burgenland können auch Personen als AlleinerzieherInnen
gelten, die nicht unterhaltspflichtig sind. Wohngemeinschaften werden hierbei in
Wien zu 100% und im Burgenland nur zu 75% berücksichtigt. Paare werden in
beiden Ländern zu 75% als Faktor geltend gemacht. In Wien werden sonstige
erwachsene Personen in der Bedarfsgemeinschaft in diesem Fall nicht zur
Bedarfsgemeinschaft gerechnet, im Burgenland wird dieser Faktor aber bloß zu 75%
als Faktor gesehen. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 18)
Volljährige familienbeihilfenberechtigte Kinder werden in Wien zu 50%, behinderte
volljährige familienbeihilfenberechtigte Kindern sogar zu 100%, gewertet. In
Burgenland beträgt dieser Faktor in beiden Fällen nur 30%. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 19) In Wien sind Überschreitungen der
Mindeststandards grundsätzlich nicht vorgesehen. In Burgenland wird dies
zumindest teilweise angedacht. Wenn man den Gesetzen und Verordnungen folgt
werden weder in Burgenland noch in Wien die Leistungen für den Monat der
Antragsstellung aliqoutiert. Im Vollzug ist das aber zumindest in Wien durchaus
üblich. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 20) Im Bezug auf
volljährige, unterhaltsberechtigte Personen sehen beide Bundesländer nur wenige
eigenständige Landesregelungen vor (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 21) Bei AlleinerzieherInnen führen beide Landesregelungen
zur Verbesserungen für die betroffenen Personen. Minderjährige Personen sind in
Wien im Bezug auf die Mindestsicherung deutlich besser gestellt als in Burgenland.
(vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 22) Dasselbe gilt für
Personen die vorübergehend nicht erwerbsfähig sind oder bereits das gesetzliche
Pensionsantrittsalter erreicht haben. Für Personen, die keine geeignete
Unterbringungsmöglichkeit für ihre Unter-3jährigen Kinder haben, die einen nahen
Angehörigen pflegen oder die ständiger Gewalt durch Angehörigen ausgesetzt sind,
gibt es aber in beiden Bundesländern keine Verbesserungen zu den bundesweiten
Regelungen. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 23) Während
in Wien die Regelungen zu Leistungen für den Lebensunterhalt erheblich behinderter
Menschen im BMS geregelt ist, ist dies in Burgenland zum Großteil im
Sozialhilfegesetz geregelt. Im Unterschied zu Burgenland gibt es in Wien eigene
Richtsätze für Menschen mit Behinderung. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 24) Die Definition von Wohnbedarf ist in beiden
Bundesländern den bundesweiten Standards angepasst. In beiden Bundesländern
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werden die Mindeststandards sogar zum Teil überschritten. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 26) Im Unterschied zu Burgenland gibt es
in Wien eine zusätzliche Mietbeihilfe. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 27) Im Burgenland sind seit der Gesetzesnovellierung
Verschlechterungen für Personen, die die Wohnbauförderung erhalten, passiert. Dies
ist in Wien nicht so krass, aber ansatzweise schon zu bemerken. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 28 und S. 29) Sowohl in Wien als auch in
Burgenland gibt es einen Heizkostenzuschuss. Dieser ist in Burgenland deutlich
höher. In beiden Fällen ist er aber keine eigenständige Leistung im Rahmen der
bedarfsorientierten Mindestsicherung und wird auch nicht zur Mindestsicherung
angerechnet. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 30) Im
Unterschied zu Burgenland gibt es in Wien im Rahmen der bedarfsorientierten
Mindestsicherung Sonderzahlungen. Es gibt aber in beiden Bundesländern die
Möglichkeit Sonderzahlungen von anderen Stellen in die Mindestsicherung
einzurechnen. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 32) Obwohl
in Wien das Mindestsicherungsgesetz Zusatzleistungen anerkennt, entsteht kein
Rechtsanspruch daraus. Das burgenländische Mindestsicherungsgesetz sieht solche
Zusatzleistungen gar nicht vor. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 33) Bei den anrechnungsfreien Einkommen gibt es kaum
Unterschiede zwischen Burgenland und Wien (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 39) Bei den anrechungsfreien Einkommen, die die
Landesgesetzgebung betreffen, gibt es in Wien im Vergleich zum Burgenland aber
doch deutliche Besserstellungen für die Betroffenen (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 40). Während im Burgenland bei
Zahlungsverpflichtungen und sonstigen einkommensmindernden Umständen die
Verhinderung der sozialen Notlagen oberste Priorität hat, wird in Wien darauf keine
Rücksicht genommen (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 41)
In beiden Bundesländern können die Leistungen von Personen ohne österreichische
Staatsbürgerschaft grundsätzlich beansprucht werden. Die Unterscheidungen liegen
hierbei in den Details. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 42
und Seite 43) In Wien gibt es für Selbstständige grundsätzlich keine Leistungen aus
der bedarfsorientierten Mindestsicherung. In Burgenland gibt es dafür keine klaren
Regelungen. Wenn die Personen, die die Mindestsicherung beziehen, aus Sicht der
Behörde nicht sparsam und zweckmäßig damit umgehen, gibt es in beiden
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Bundesländern kaum Sanktionsmöglichkeiten (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 44) Wenn der Wille zur Erwerbsarbeit und zu Ausbildungen
aus Sicht der Behörde nicht gegeben ist, gibt es aber in beiden Bundesländern
Sanktionsmöglichkeiten. Falls die Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig
herbeigeführt wurde, gibt es in beiden Bundesländern grundsätzlich keine
Sanktionsmöglichkeiten. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S.
45) In konkreten Fällen kann dies aber schon möglich sein (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 45 und S. 46) Sollten relevante
Änderungen der Lebensumstände von den Betroffenen nicht gemeldet werden, gibt
es im Burgenland im Unterschied zu Wien Verwaltungsstrafen. Dasselbe gilt im
Burgenland für ArbeitgeberInnen, die nicht mitteilten, dass BezieherInnen von
Mindestsicherung bei ihnen arbeiten. In Wien gibt es überhaupt keine
Sanktionsmöglichkeiten für auskunftpflichtige Dritte. (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 46) In beiden Bundesländern halten sich
die Verbesserungen und Verschlechterungen bei den Sanktionsmöglichkeiten im
Vergleich zur alten Sozialhilfe die Waage (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 47, S. 48 und S. 49) Weder das Mindestsicherungsgesetz des
Burgenlandes noch das Wiener Mindestsicherungsgesetz sieht weder ein
qualifiziertes Personal für die Betreuung der BezieherInnen noch eine Supervision
vor. (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 62) Im Unterschied zu
Wien gibt es im Burgenland eines Mindestsicherungsbeirat (vgl. Monitoring
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 63). Sowohl in Wien als auch im
Burgenland gibt es kein Verschlechterungsverbot gegenüber der alten Sozialhilfe
(vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 64). Im Unterschied zum
Burgenland ist in Wien die Möglichkeit für die Verwaltung eine Leistung von Amts
wegen ohne Antrag zu gewähren, weggefallen (vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“, S. 69). In Wien sind Projekte zur Arbeitsmarktintegration bereits
im Laufen. In Burgenland ist das noch nicht der Fall. Individualisierte Hilfs- und
Perspektivenpläne für die Betroffenen gibt es weder in Burgenland noch in Wien.
(vgl. Monitoring „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“, S. 77) Summa Summarum
kann festgestellt werden, dass das Wiener Mindestsicherungsmodell im Schnitt als
etwas besser für die Betroffenen als das burgenländische Mindestsicherungsmodell
angesehen werden kann. Dies wird vor allem bei der Höhe der Mindestsicherung
deutlich. Allerdings ist das burgenländischen Mindestsicherungsmodell in ein paar
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Punkte mehr auf die individuelle Situation der Betroffenen eingehend. Als Vorbild
können aber beide Modelle meiner Meinung nach nicht geltend gemacht werden, da
sie doch – wie mehrmals im Artikel augenscheinlich – über erhebliche Mängel
aufweisen.
3 Persönliche Meinung zur Mindestsicherung
3.1 Persönliche Meinung zum Vergleich von Wien und
Burgenland
Zunächst möchte ich festhalten, dass ich es schon abstrus genug finde, dass ich
über die Unterschiede zwischen Wien und Burgenland überhaupt schreiben muss.
Meiner Meinung nach sollte es österreichweit einheitliche Regelungen geben. Ich
verstehe nämlich die sachlichen Unterschiede zwischen Betroffenen in Vorarlberg
und Betroffenen in Burgenland nicht. Armut bleibt für mich Armut – egal in welchen
Teil von Österreich. Zurück zu den bundesweit einheitlichen Regelungen: Diese
sollten aus meiner Sicht durch ein allgemeines Mindestjahreseinkommen seitens der
Europäischen Union, an den sich alle Mitgliedsstaaten orientieren müssen, ergänzt
werden. Zur Unterscheidung der Regelungen in Wien und Burgenland möchte ich
daher nur mehr einige Bemerkungen machen. Zunächst ist für mich augenscheinlich,
dass beide Modelle über eine Komplexität und eine Kompliziertheit verfügen, die
kaum zu überschauen ist. Es gibt sehr viele Sonderregelungen und relativ wenige
Automatismen. Dies macht die Sache für die Betroffenen, die sich ohnehin schon in
einer Notlage befinden, besonders schwierig. Es müsste einfache Rechenmodelle
und automatische Rechner geben, die für alle einsichtig und transparent sind.
Während das Wiener Mindestsicherungsgesetz im Verhältnis zum burgenländischen
Mindestsicherungsgesetz einerseits durch eine relative Großzügigkeit auffällt, fällt es
andererseits auch durch eine enorme Härte und Schärfe auf, wenn es um spontane
und kurzfristige extreme Notlagen geht. Dafür gibt es im Wiener
Mindestsicherungsgesetz kaum Spielraum. Hier scheint es im burgenländischen
Mindestsicherungsgesetz mehr Spielraum zu geben. Ich persönlich denke auch,
dass solche Spielräume notwendig sind, da gerade Notlagen sehr oft plötzlich,
spontan und unvorhergesehen eintreten.
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3.2 Bedarfs- und leistungsorientierte Grundsicherung – ein
Lösungsansatz meinerseits
Ich möchte am Ende meiner Ausführungen noch kurz Denkanstösse für ein Modell
geben, das einerseits die von mir im Laufe des Artikels erkannten Probleme lösen
könnte und anderseits einige persönliche philosophische Grundannahmen
mitberücksichtigt. Zunächst möchte ich mich mit diesen philosophischen
Grundannahmen beschäftigen, da ich diese noch nicht vorstellte, aber ich essentiell
für das Verständnis meines Ansatzes halte. Ich gehe davon aus, dass die Menschen
frei sind und eine Würde besitzen, die vollkommen unabhängig von sonstigen
Kriterien wie Leistung, sozialer Status, Sympathie usw. ist. Die Freiheit des
Menschen ist dabei in seiner Würde begründet, da diese sich unmittelbar von der
von meiner Definition von Würde implizierenden Zweckfreiheit des Menschen
ableitet. Aus der Freiheit und der Würde lassen sich wiederum die Gleichheit und die
Solidarität unter den Menschen ableiten. Die Gleichheit lässt sich vor allem durch die
Würde ableiten, da die Würde den Menschen über alle Vergleiche erhebt und was
sich nicht vergleichen lässt, von dem muss man ganz einfach davon ausgehen, dass
es gleich ist. Da die Menschen frei sind, müssen sie diese Gleichheit aber nicht
zwangsweise anerkennen. Die freiwillige Anerkennung dieser Gleichheit wird, wenn
man sie um den gesellschaftlichen Versuch der Durchsetzung dieser Gleichheit
ergänzt, zur Solidarität. Die Solidarität schafft Verbundenheit zwischen den
Menschen und macht die sonst so abstrakte und leblose Gleichheit lebendig. Nun
brauchen wir noch etwas was die Menschen die Würde und die daraus abgeleiteten
Werte der Freiheit, der Gleichheit und Solidarität erkennen lässt. Dies nenne ich
Liebe. Die Liebe ist sozusagen die notwendige Erkenntnisquelle für die Würde, die
Freiheit, die Gleichheit und die Solidarität des Menschen. Sie macht Würde, Freiheit,
Gleichheit und Solidarität erst erkennbar und damit erst verwirklichbar. Es gilt daher
letztendlich die Liebe in der Gesellschaft durchzusetzen. Alles andere ergibt sich
dann von alleine. Dies führt uns nun zu meinem Modell. Ich nenne das Modell
„Bedarfs- und leistungsorientierte Grundsicherung“. Ich werde nun mein Modell
anhand der Begriffe erklären und im Anschluss dessen Möglichkeiten zur Umsetzung
geben. Unter Bedarfsorientierung verstehe ich etwas, dass in Wien und Burgenland
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schon in Ansätzen relativ gut funktioniert. Mir geht es dabei darum, dass man konkret
fragt welche Bedürfnisse welcher BezieherInnenkreis hat und wie man die am
Besten verwirklichen kann. Die Frage, die sich hierbei im Besonders stellt, ist:
Lassen sich die konkreten Bedürfnisse besser verwirklichen durch Geld- oder durch
Sachleistungen? Dies kommt meiner Meinung nach einerseits auf das konkrete
Bedürfnis und andererseits auf die konkrete Person an. Hier sollten die konkreten
Personen auch bis zu einem gewissen Grad selbst wählen können, was sie
bevorzugen. Dies kommt leider bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung noch zu
wenig zum Ausdruck und sollte daher verbessert werden. Jeder betroffene Mensch
sollte unter gewissen zu definierenden Rahmenbedingungen selbst wählen können,
welche Maßnahme für ihn besser ist. Mit Leistungsorientierung meine ich nicht den
kapitalistischen Leistungsbegriff, der speziell Hartz IV und zum Teil auch dem
österreichischen Mindestsicherungsmodell zugrunde liegt, bei dem es nur darum
geht, dass die Betroffenen wieder fit für den kapitalistischen Arbeitsmarkt werden
und bestraft werden, wenn sie dazu aus Sicht der Behörden zu wenig beitragen. Ich
möchte nicht sagen, dass dieser Begriff von Leistung vollkommen verkehrt ist, ich
möchte aber feststellen, dass er bestenfalls einen kleinen, in Wirklichkeit
unbedeutenden Aspekt des Leistungsbegriffes zeigt. Ich meine mit
Leistungsorientierung viel mehr, dass es darum geht, was Menschen zur
Durchsetzung der von mir vorhin definierten Liebe tun. Konkret sollte man hierbei
Menschen belohnen, die sich ehrenamtlich engagieren, sich für die Rechte anderer
Menschen einsetzen und anderen Menschen helfen. Dies wird im aktuellen Modell
der bedarfsorientierten Mindestsicherung überhaupt nicht berücksichtigt. In diesem
Modell geht es nur um die Rückkehr in den kapitalistischen Arbeitsmarkt. Man sollte
aber vielmehr die Mütter und Väter, die ihre Kinder erziehen, die Menschen, die
innerhalb der Feuerwehr und der Rettung Menschenleben retten, die ihre Angehörige
pflegen und mit ihrem Engagement Vereine und politische Parteien fördern, helfen.
Das sind Leistungen, die in unserer Gesellschaft viel zu wenig honoriert werden und
das ist vollkommen verkehrt, da es vor allem diese Leistungen sind, die die Würde,
die Freiheit, die Gleichheit, die Solidarität und die Liebe zum Durchbruch verhelfen
und daher wichtig für das Funktionieren einer humanen Gesellschaft sind. Man sollte
daher diese Leistung zumindest im Rahmen einer Grundsicherung finanziell
honorieren. Ich nenne mein Modell bewusst ein Grundsicherungsmodell und nicht ein
Mindestsicherungsmodell. Es geht mir nämlich nicht darum, dass sowie im konkreten
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Fall der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Österreich, irgendein Mindestmaß
an „Almosen“ durch die Gesellschaft für sogenannte Bedürftige gewährt wird. Mir
geht es viel mehr darum, dass es ein unveräußerliches Grundrecht auf ein
würdevolles und selbstbestimmtes Leben gibt und dieses Grundrecht durch eine
Grundsicherung verwirklicht wird. Ich nenne es bewusst nicht Grundeinkommen, da
bei mir die Sicherung eines würdevollen und selbstbestimmten Lebens und nicht ein
bloßes Einkommen im Vordergrund steht. Dies führt uns gleich zur Umsetzung. Die
Umsetzung soll so vonstatten gehen, dass die Betroffenen selbst zuständig für ihr
Leben sind und nicht durch eine staatliche Behörde entmündigt werden. Der Staat
sollte nur den Rahmen festlegen und die Betroffenen sollten selbst entscheiden
können, wie die Mittel verwendet werden. Betroffene sind übrigens all jene, die durch
eine herkömmliche Erwerbsarbeit nicht über ausreichend Mittel für ein würdevolles
und selbstbestimmtes Leben verfügen. Welche Mittel für ein solches Leben
notwendig sind, sollte immer wieder dem gesellschaftlichen Diskurs unterliegen. Ich
will mich daher diesbezüglich nicht festlegen. Meines Erachtens sollte der Staat nur
ein Mindestmaß, das jeder betroffenen Person zusteht und ein Maximalmaß, das
jeder Person zusteht, festlegen. Weiters sollte er noch festlegen, dass mindestens
50% der Leistungen in Geldleistungen und mindestens 30% der Leistungen in
Sachleistungen zu Erbringen sind und so eine Balance zwischen Geld- und
Sachleistungen hergestellt wird. Schließlich sollte er noch festlegen, dass die
einzelnen Betroffenen über 30% bis 40% der Leistungen im Rahmen des vorhin
gegebenen Schlüssels autonom entscheiden können. Unter Berücksichtigung der
vorhin genannten Rahmenbedingungen sollten die Betroffenen bzw. einzurichtende
Gremien, die von den Betroffenen gewählt werden, mittels eines diskursiven und
demokratischen Verfahrens über das konkrete Konzept der bedarfs- und
leistungsorientierten Grundsicherung entscheiden dürfen. Ich gehe nämlich davon
aus, dass die Betroffenen ihre Lebensrealität am Besten kennen und daher auch am
Besten wissen was gut für sie ist. Sie sollten entscheiden können, welche
Bedürfnisse ausschlaggebend sind und welche Leistungen honoriert werden sollen.
Am Ende der Ausführungen über meinen Ansatz einer bedarfs- und
leistungsorientierten Grundsicherung bleibt mir nur noch zu schreiben, dass dies
bloß ein kurzer Denkanstoss ist, über den noch viel mehr nachgedacht werden sollte.