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40 think.forward | sharing economy
„Wir sind das Airbnb für unsere Branche.“ Wenn Thomas
Dönnebrink Sätze wie diesen hört, schaltet er ab. „Dann
spiele ich in Gedanken Bullshit-Bingo und mach‘ ein
Kreuzchen aufs Papier.“, erzählt er genervt. Kaum noch
ein Pitch, in dem ein Start-up für eine neue Online-­
Plattform nicht diesen Vergleich bemühe, beschwert sich
der 48-Jährige. „Oder gerne auch: Wir sind so was wie
Uber für XY.“ Dönnebrink winkt gelangweilt ab.
Wie kaum ein anderer Experte in Deutschland beschäftigt
sich der Berliner mit dem Phänomen der Sharing Economy,
jener Ausprägung der Internet-Wirtschaft also, wo User
sich mit Usern auf Plattformen treffen und dort Waren und
Dienstleistungen direkt untereinander tauschen oder teilen.
Kostenfrei, meist aber gegen Geld. Ein explodierender
Milliardenmarkt: Laut den Consultants von PwC werden
die weltweiten Umsätze von derzeit rund 15 Milliarden auf
mehr als 330 Milliarden in knapp zehn Jahren steigen.
Viele der heutigen Schwergewichte auf dem Markt haben
binnen kürzester Zeit ein schwindelerregendes Wachs-
tum hingelegt. Beispiel Airbnb: Weil sie sich die Miete
für ihre WG in San Francisco nicht mehr leisten konnten,
vermieteten Joe Gebbia und Brian Chesky 2007 ein leer-
Wie viel hat die Sharing Economy
eigent­lich mit Teilen zu tun? Nichts,
sagen Kritiker, und halten ihr das
Modell genossen­schaftlicher Platt­-
formen entgegen.
„airbnb war gestern,
geno ist morgen“
42 think.forward | sharing economy
stehendes Zimmer
mit Matratzen an die
Besucher einer Designer-
messe. Und waren einen Tag
später um 1.000 US-Dollar reicher. Eine Geschäftsidee
war geboren.
Heute ist Airbnb ein weltweites Netzwerk, das mit ­
1,5 Millionen Einträgen in 34.000 Städten präsent ist.
In acht Finanzierungsrunden ist es den Kaliforniern
gelungen, 2,4 Milliarden US-Dollar an Risikokapital in ihre
Kriegskasse zu spülen. Kriegskasse, weil das Geld auch
dazu diente, schnell mal zehn Konkurrenten vom Markt
wegzukaufen. Beispiel Uber, 2009 gegründet, ebenfalls
in San Francisco. Die Idee: Autobesitzer bieten Reisenden
ihre Dienste als Fahrer an,
ohne Taxiunternehmer
zu sein. 12,5 Milliarden
US-Dollar war das Modell
den mehr als 50 Investoren bis
heute wert und Basis für einen
aggressiven Expansionskurs in
nahezu 70 Ländern weltweit.
Mit dem Erfolg wächst zugleich der Wider-
stand gegen diese Sharing-Plattformen. Hotels wehren
sich gegen Airbnb, das mehr Betten vermittelt als Gigan-
ten wie Best Western. Taxigesellschaften bangen um ihre
Existenz und überziehen Uber mit Klagen, um dem Dienst
den Garaus zu machen.
Kritiker sprechen bereits von der Uberisation der
Sharing Economy. Denn das „Sharing“ in dem Begriff
erweist sich als trügerisch. Jeremiah Owyang, Gründer
des Beratungsunternehmens Crowd Companies und
ehemals Analyst bei Forrester, rechnete auf
einer Fachtagung im vergangenen Jahr
vor, dass die Start-ups, die mit der
Idee vom Teilen Furore machen,
tatsächlich in der Hand der
berühmten ein Prozent seien –
also der Investoren.
Die Konsequenz: „Sie können gar nicht anders, als rendite­
getrieben zu handeln“, bringt es Thomas Dönnebrink auf
den Punkt. Schneller Börsengang, möglichst Monopolstel-
lung, maximaler ROI – darum gehe es. Die Leidtragenden
seien in der Regel die tatsächlichen Dienstleister. „Men-
schen wie Du und ich, die für ihre Services manchmal
nicht mehr als ein Taschengeld bekommen, während die
Betreiber Millionen für Provisionen einstreichen.“
„capitalism on steroids“
Andere Beobachter drücken sich noch schärfer aus.
Douglas Rushkoff, Medienwissenschaftler und Bestseller-
autor aus New York, geißelt die Entwicklung als „capitalism
on steroids“. Ähnlich Sascha Lobo, Deutschlands Vorzei-
ge-Digitalexperte: Er sieht in der neuen Ökonomie des Tei-
les schlichtweg nicht anderes als „Plattform-Kapitalismus“.
War es das also? Ist damit eine gute Idee unwiderruflich
in den Sog der Profitmaximierung geraten und somit ge-
scheitert? Nein, sagen die Gegner
dieses Trends, und halten
mit einem eigenen
„Was oft als Sharing
Economy bezeichnet wird, ist
in Wirklichkeit ein euphemistisch be-
nannter Aspekt einer neuen digitalen Wirt-
schaftsordnung: des Plattform-Kapitalismus.
(Er) verändert den Arbeitsbegriff, die Grauzone
zwischen privater Hilfe und Schwarzarbeit, das
Verständnis und die Regelung von Monopolen.“
Sascha Lobo, Blogger, Buchautor
und Journalist
(Quelle: „Spiegel Online“)
43 sharing economy
Modell dagegen. So zum Beispiel Neal Gorenflo, Heraus-
geber des „Shareable Magazin“: Für ihn gibt es nur einen
Weg, um die „Todesstern-Plattformen“, wie er sie nennt,
in die Knie zu zwingen – „Plattform-Kooperativen“, die
sich als digitale Ökosysteme organisieren und den Profit
nicht konzentrieren, sondern verteilen.
Und in der Tat: Längst hat das Modell die Schreibstuben
der Redaktionen verlassen und als neue Bewegung seinen
Siegeszug rund um den Globus angetreten. Angefangen
bei der Platform Cooperativism Conference im November
2015, schließen sich weltweit immer mehr Programmie-
rer, Forscher und Unternehmer zu sogenannten Platform
Coops zusammen, auch in Deutschland wie etwa in
Berlin. Ihr gemeinsames Credo: Besitzen ist das neue
Teilen, wie es einer der geistigen Väter formuliert hat, der
US-Journalist Nathan Schneider.
Kein Wunder, dass die Start-ups, die aus dieser Bewe-
gung hervorgehen, sich in erster Linie einer bestimmten
Organisationsform verschreiben: der Genossenschaft.
„Wenn Betreiber, Dienstleister und Nutzer gemeinsam an
einer Plattform verdienen – das macht aus der Sharing
Economy echte kollaborative Ökonomie“, stellt Thomas
Dönnebrink wie aus dem Lehrbuch fest. Und fügt gleich
plakativ hinzu: „Oder anders gesagt: Airbnb war gestern,
Geno-Plattformen sind morgen.“
„joker im
ärmel“
Für Thomas Dönnebrink, 48, liegt die Zukunft der
Sharing Economy bei genossenschaftlichen Plattformen.
Wir wollten wissen, welche Rolle für ihn dabei die
Volksbanken Raiffeisenbanken spielen werden.
think.bank: Herr Dönnebrink, was prädestiniert die
­Genossenschaftsbanken für die Plattform-Ökonomie?
Thomas Dönnebrink: Sie haben zwei Joker im Ärmel:
Millionen von Mitgliedern und Milliarden an Kapital. Was
vielfach noch fehlt, ist das Bewusstsein für dieses Poten-
zial und der Wille einzusteigen.
„Für mich sind
die Volksbanken Raif-
feisenbanken mehr als nur
Geldinstitute. Sie können
und sollten Gemeinschaft
schaffen und Sinn
stiften.“
44 think.forward | sharing economy
think.bank: Aber Masse allein macht es doch nicht aus,
oder?
Thomas Dönnebrink: Richtig, es gibt noch zwei wesentli-
che Aspekte, die den Genossenschaften Vorteile verschaf-
fen: Das ist zum einen die gute Reputation dieses Modells
in der Gesellschaft, nicht nur auf die Banken bezogen.
Zum anderen stehen Genossenschaften neben ihren
ökonomischen Zielen für Werte, die den Menschen
wieder wichtig sind – allen voran das Vertrauen,
aber auch Nähe zu den Menschen und Tradition.
Dafür steht schon allein das Mitgliedermodell.
Heute sagt man: Owning is the new Sharing –
das ist klassisches Genossenschaftsdenken.
Für mich sind die Volksbanken Raiffeisen-
banken deshalb mehr als nur Geldinstitute.
Sie können und sollten Gemeinschaft
schaffen und Sinn stiften.
think.bank: Werden diese Werte bei den
Banken noch ausreichend gelebt?
Thomas Dönnebrink: Gelebt werden sie mit
Sicherheit, aber die Banken sollten sich noch
stärker auf ihre Ursprungsidee besinnen,
dass viele mehr schaffen als einzelne.
Hier sehe ich die beste Chance, sich von
den Groß- und Direktbanken deutlich
abzugrenzen.
think.bank: In welche Richtung müssten sich die
­Geschäftsmodelle der Banken ändern?
Thomas Dönnebrink: In Zeiten der Transformation,
nicht nur der digitalen, muss man radikal denken und
experimentieren. Disruption ist ein vielfach verwende-
tes Schlagwort hierbei. Auch wenn der Tanker vielleicht
zunächst weiterfährt und das bestehende Kerngeschäft
noch läuft, müssen kleine Versuchs-Schnellboote
ausschwärmen, die umliegenden Gewässer erkunden
und Infos zu nötigen Kursänderungen an den Tanker
zurückfunken.
think.bank: Davor schrecken viele Unternehmen auch in
anderen Branchen zurück …
Thomas Dönnebrink: Transformation kann ja auch eine
behutsame Weiterentwicklung sein – diese Vorstellung
macht vielen vielleicht weniger Angst. Ehe ich sehenden
Auges gegen die Wand fahre, reiße ich doch lieber das
Lenkrad herum, oder? Helmut Schmidt hat einmal gesagt:
„Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen.“ Heute gilt
eher der Satz: „Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt
gehen.“ Oder gleich zum Konkursverwalter.
think.bank: Harte Worte!
Thomas Dönnebrink: Im Ernst: Zu radikalem Umdenken
gehört nicht nur, Gefahren zu sehen und abzuschätzen,
sondern auch die vielen Möglichkeiten, sich seiner Assets
bewusst zu werden und eine neue Perspektive einzuneh-
men. Da kann es schnell zu überraschenden Erkenntnis-
sen und Ideen kommen, die echte Chancen zeigen.
think.bank: In Plattform-Kooperativen müssten die
Banken zumindest teilweise Kontrolle über den Geldmarkt
abgeben – halten Sie das für realistisch?
Thomas Dönnebrink: Die Frage ist doch, was ich ge-
winne, wenn ich die Zügel auf der Basis auslaufender
Geschäftsmodelle in der Hand behalte, anstatt mich
neu zu erfinden. Meines Wissens befand sich nicht ein
einziger Kutschenbauer unter den ersten Herstellern
des Automobils. Dabei hätten sie ihr Kerngeschäft –
den Transport von Menschen – einfach der neuen
Technologie anpassen müssen. Und wer spricht bei
digitaler Fotografie von Kodak?
think.bank: Wo sehen Sie bei den Genossenschaftsban-
ken heute schon sinnvolle Ansätze?
Thomas Dönnebrink: Es gibt ja beispielsweise bereits rund
100 Volksbanken Raiffeisenbanken mit eigenen Crowdfun-
ding-Portalen. Da zeigt sich für mich die Rückkehr zur ge-
meinschaftliche Finanzierung von sozialen oder wirtschaft-
lichen Aktivitäten vor Ort. Oder nehmen Sie die Volksbank
Kitzingen eG: Die hat unter dem Motto „Meine Volksbank
gehört mir“ ihr Geschäftsmodell komplett umgepolt und
arbeitet ab 2017 nur noch mit Mitgliedern zusammen.
45 sharing economy
bnbn oder Uber setzten, die ihre Macht durch vertikale
Vernetzung ausbauen.
think.bank: Und was wird aus der guten alten stationä-
ren Geschäftsstelle?
Thomas Dönnebrink: Das kommt darauf an, was dort dem
Kunden in Zukunft geboten wird. Die Vernetzung in einem
digitalen Ökosystem ist ja nur ein Teilaspekt für die Rolle
der Banken in den kommenden Jahren. Wichtig ist, dass sie
sich in ihrer Region als „neuronale Knotenpunkte“ in einem
Kreislauf des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens
sehen. Die Filiale ist dann sicher mehr als Geldautomat und
Schalter – sie ist ein Stützpunkt, eine Anlaufstelle für ganz
unterschiedliche Lebensbedürfnisse der Menschen. Ob diese
Anlaufstelle dann allerdings noch Filiale heißt, ist die Frage.
Thomas Dönnebrink, 48, lebt in Ber-
lin und gehört zu den Pionieren beim
Thema Plattform-Kooperativen. Er
berät Unternehmen und hält Vor­­träge
sowie Workshops zur kollaborativen
Ökonomie. Darüber hinaus gehört
Dönnebrink dem Think Tank OuiShare
sowie der Initiative Platform Coop
an, zwei internationalen Netzwerken
aus Vordenkern und Gleichgesinnten,
die Modelle und Szenarien für die
digitalen Ökosysteme von morgen
entwerfen.
ouishare.net
platformcoop.net
think.bank: Wie real ist die Gefahr,
dass die Kunden der Genossenschaftsban-
ken auf andere Plattformen abwandern?
Thomas Dönnebrink: Wenn die einzigen
Unterscheidungskriterien Preise und Zinsen
oder ausschließlich finanzielle Anreize sind,
dann kann das sehr schnell gehen. In einem
digitalen Ökosystem zählen auch nicht-­
finanzielle und nicht-kommerzielle Aspekte
wie Verbundenheit, Gemeinschaft oder
Sinnhaftigkeit. Die spielen für die Menschen heutzutage
ja auch eine immer wichtigere Rolle.
think.bank: Wie sähe ein Masterplan für Plattform-­
Kooperativen von Genossenschaftsbanken aus?
Thomas Dönnebrink: Dafür ist es fast noch ein
wenig früh, aber je eher sich Banken hierzu Gedanken
machen desto besser. Interessant scheint mir folgender
Ansatz: Kooperationsplattformen, die von den Banken
als „Facility Manager“ gefördert oder betrieben werden
und lokale ­Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft
zusammenbringen. Gerade die regionale Nähe zu ihren
Partnern können die Banken hier als Mehrwert aus-
spielen – ihre Plattformen müssten horizontal vernetzt
sein, das heißt, eine breite Basis von Teilnehmern in
ihrem Ort oder ihrer Region haben. Dies würde ein
echtes Gegengewicht zu den großen Playern wie Air­

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  • 2.
  • 3. 42 think.forward | sharing economy stehendes Zimmer mit Matratzen an die Besucher einer Designer- messe. Und waren einen Tag später um 1.000 US-Dollar reicher. Eine Geschäftsidee war geboren. Heute ist Airbnb ein weltweites Netzwerk, das mit ­ 1,5 Millionen Einträgen in 34.000 Städten präsent ist. In acht Finanzierungsrunden ist es den Kaliforniern gelungen, 2,4 Milliarden US-Dollar an Risikokapital in ihre Kriegskasse zu spülen. Kriegskasse, weil das Geld auch dazu diente, schnell mal zehn Konkurrenten vom Markt wegzukaufen. Beispiel Uber, 2009 gegründet, ebenfalls in San Francisco. Die Idee: Autobesitzer bieten Reisenden ihre Dienste als Fahrer an, ohne Taxiunternehmer zu sein. 12,5 Milliarden US-Dollar war das Modell den mehr als 50 Investoren bis heute wert und Basis für einen aggressiven Expansionskurs in nahezu 70 Ländern weltweit. Mit dem Erfolg wächst zugleich der Wider- stand gegen diese Sharing-Plattformen. Hotels wehren sich gegen Airbnb, das mehr Betten vermittelt als Gigan- ten wie Best Western. Taxigesellschaften bangen um ihre Existenz und überziehen Uber mit Klagen, um dem Dienst den Garaus zu machen. Kritiker sprechen bereits von der Uberisation der Sharing Economy. Denn das „Sharing“ in dem Begriff erweist sich als trügerisch. Jeremiah Owyang, Gründer des Beratungsunternehmens Crowd Companies und ehemals Analyst bei Forrester, rechnete auf einer Fachtagung im vergangenen Jahr vor, dass die Start-ups, die mit der Idee vom Teilen Furore machen, tatsächlich in der Hand der berühmten ein Prozent seien – also der Investoren. Die Konsequenz: „Sie können gar nicht anders, als rendite­ getrieben zu handeln“, bringt es Thomas Dönnebrink auf den Punkt. Schneller Börsengang, möglichst Monopolstel- lung, maximaler ROI – darum gehe es. Die Leidtragenden seien in der Regel die tatsächlichen Dienstleister. „Men- schen wie Du und ich, die für ihre Services manchmal nicht mehr als ein Taschengeld bekommen, während die Betreiber Millionen für Provisionen einstreichen.“ „capitalism on steroids“ Andere Beobachter drücken sich noch schärfer aus. Douglas Rushkoff, Medienwissenschaftler und Bestseller- autor aus New York, geißelt die Entwicklung als „capitalism on steroids“. Ähnlich Sascha Lobo, Deutschlands Vorzei- ge-Digitalexperte: Er sieht in der neuen Ökonomie des Tei- les schlichtweg nicht anderes als „Plattform-Kapitalismus“. War es das also? Ist damit eine gute Idee unwiderruflich in den Sog der Profitmaximierung geraten und somit ge- scheitert? Nein, sagen die Gegner dieses Trends, und halten mit einem eigenen „Was oft als Sharing Economy bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein euphemistisch be- nannter Aspekt einer neuen digitalen Wirt- schaftsordnung: des Plattform-Kapitalismus. (Er) verändert den Arbeitsbegriff, die Grauzone zwischen privater Hilfe und Schwarzarbeit, das Verständnis und die Regelung von Monopolen.“ Sascha Lobo, Blogger, Buchautor und Journalist (Quelle: „Spiegel Online“)
  • 4. 43 sharing economy Modell dagegen. So zum Beispiel Neal Gorenflo, Heraus- geber des „Shareable Magazin“: Für ihn gibt es nur einen Weg, um die „Todesstern-Plattformen“, wie er sie nennt, in die Knie zu zwingen – „Plattform-Kooperativen“, die sich als digitale Ökosysteme organisieren und den Profit nicht konzentrieren, sondern verteilen. Und in der Tat: Längst hat das Modell die Schreibstuben der Redaktionen verlassen und als neue Bewegung seinen Siegeszug rund um den Globus angetreten. Angefangen bei der Platform Cooperativism Conference im November 2015, schließen sich weltweit immer mehr Programmie- rer, Forscher und Unternehmer zu sogenannten Platform Coops zusammen, auch in Deutschland wie etwa in Berlin. Ihr gemeinsames Credo: Besitzen ist das neue Teilen, wie es einer der geistigen Väter formuliert hat, der US-Journalist Nathan Schneider. Kein Wunder, dass die Start-ups, die aus dieser Bewe- gung hervorgehen, sich in erster Linie einer bestimmten Organisationsform verschreiben: der Genossenschaft. „Wenn Betreiber, Dienstleister und Nutzer gemeinsam an einer Plattform verdienen – das macht aus der Sharing Economy echte kollaborative Ökonomie“, stellt Thomas Dönnebrink wie aus dem Lehrbuch fest. Und fügt gleich plakativ hinzu: „Oder anders gesagt: Airbnb war gestern, Geno-Plattformen sind morgen.“ „joker im ärmel“ Für Thomas Dönnebrink, 48, liegt die Zukunft der Sharing Economy bei genossenschaftlichen Plattformen. Wir wollten wissen, welche Rolle für ihn dabei die Volksbanken Raiffeisenbanken spielen werden. think.bank: Herr Dönnebrink, was prädestiniert die ­Genossenschaftsbanken für die Plattform-Ökonomie? Thomas Dönnebrink: Sie haben zwei Joker im Ärmel: Millionen von Mitgliedern und Milliarden an Kapital. Was vielfach noch fehlt, ist das Bewusstsein für dieses Poten- zial und der Wille einzusteigen. „Für mich sind die Volksbanken Raif- feisenbanken mehr als nur Geldinstitute. Sie können und sollten Gemeinschaft schaffen und Sinn stiften.“
  • 5. 44 think.forward | sharing economy think.bank: Aber Masse allein macht es doch nicht aus, oder? Thomas Dönnebrink: Richtig, es gibt noch zwei wesentli- che Aspekte, die den Genossenschaften Vorteile verschaf- fen: Das ist zum einen die gute Reputation dieses Modells in der Gesellschaft, nicht nur auf die Banken bezogen. Zum anderen stehen Genossenschaften neben ihren ökonomischen Zielen für Werte, die den Menschen wieder wichtig sind – allen voran das Vertrauen, aber auch Nähe zu den Menschen und Tradition. Dafür steht schon allein das Mitgliedermodell. Heute sagt man: Owning is the new Sharing – das ist klassisches Genossenschaftsdenken. Für mich sind die Volksbanken Raiffeisen- banken deshalb mehr als nur Geldinstitute. Sie können und sollten Gemeinschaft schaffen und Sinn stiften. think.bank: Werden diese Werte bei den Banken noch ausreichend gelebt? Thomas Dönnebrink: Gelebt werden sie mit Sicherheit, aber die Banken sollten sich noch stärker auf ihre Ursprungsidee besinnen, dass viele mehr schaffen als einzelne. Hier sehe ich die beste Chance, sich von den Groß- und Direktbanken deutlich abzugrenzen. think.bank: In welche Richtung müssten sich die ­Geschäftsmodelle der Banken ändern? Thomas Dönnebrink: In Zeiten der Transformation, nicht nur der digitalen, muss man radikal denken und experimentieren. Disruption ist ein vielfach verwende- tes Schlagwort hierbei. Auch wenn der Tanker vielleicht zunächst weiterfährt und das bestehende Kerngeschäft noch läuft, müssen kleine Versuchs-Schnellboote ausschwärmen, die umliegenden Gewässer erkunden und Infos zu nötigen Kursänderungen an den Tanker zurückfunken. think.bank: Davor schrecken viele Unternehmen auch in anderen Branchen zurück … Thomas Dönnebrink: Transformation kann ja auch eine behutsame Weiterentwicklung sein – diese Vorstellung macht vielen vielleicht weniger Angst. Ehe ich sehenden Auges gegen die Wand fahre, reiße ich doch lieber das Lenkrad herum, oder? Helmut Schmidt hat einmal gesagt: „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen.“ Heute gilt eher der Satz: „Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Oder gleich zum Konkursverwalter. think.bank: Harte Worte! Thomas Dönnebrink: Im Ernst: Zu radikalem Umdenken gehört nicht nur, Gefahren zu sehen und abzuschätzen, sondern auch die vielen Möglichkeiten, sich seiner Assets bewusst zu werden und eine neue Perspektive einzuneh- men. Da kann es schnell zu überraschenden Erkenntnis- sen und Ideen kommen, die echte Chancen zeigen. think.bank: In Plattform-Kooperativen müssten die Banken zumindest teilweise Kontrolle über den Geldmarkt abgeben – halten Sie das für realistisch? Thomas Dönnebrink: Die Frage ist doch, was ich ge- winne, wenn ich die Zügel auf der Basis auslaufender Geschäftsmodelle in der Hand behalte, anstatt mich neu zu erfinden. Meines Wissens befand sich nicht ein einziger Kutschenbauer unter den ersten Herstellern des Automobils. Dabei hätten sie ihr Kerngeschäft – den Transport von Menschen – einfach der neuen Technologie anpassen müssen. Und wer spricht bei digitaler Fotografie von Kodak? think.bank: Wo sehen Sie bei den Genossenschaftsban- ken heute schon sinnvolle Ansätze? Thomas Dönnebrink: Es gibt ja beispielsweise bereits rund 100 Volksbanken Raiffeisenbanken mit eigenen Crowdfun- ding-Portalen. Da zeigt sich für mich die Rückkehr zur ge- meinschaftliche Finanzierung von sozialen oder wirtschaft- lichen Aktivitäten vor Ort. Oder nehmen Sie die Volksbank Kitzingen eG: Die hat unter dem Motto „Meine Volksbank gehört mir“ ihr Geschäftsmodell komplett umgepolt und arbeitet ab 2017 nur noch mit Mitgliedern zusammen.
  • 6. 45 sharing economy bnbn oder Uber setzten, die ihre Macht durch vertikale Vernetzung ausbauen. think.bank: Und was wird aus der guten alten stationä- ren Geschäftsstelle? Thomas Dönnebrink: Das kommt darauf an, was dort dem Kunden in Zukunft geboten wird. Die Vernetzung in einem digitalen Ökosystem ist ja nur ein Teilaspekt für die Rolle der Banken in den kommenden Jahren. Wichtig ist, dass sie sich in ihrer Region als „neuronale Knotenpunkte“ in einem Kreislauf des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sehen. Die Filiale ist dann sicher mehr als Geldautomat und Schalter – sie ist ein Stützpunkt, eine Anlaufstelle für ganz unterschiedliche Lebensbedürfnisse der Menschen. Ob diese Anlaufstelle dann allerdings noch Filiale heißt, ist die Frage. Thomas Dönnebrink, 48, lebt in Ber- lin und gehört zu den Pionieren beim Thema Plattform-Kooperativen. Er berät Unternehmen und hält Vor­­träge sowie Workshops zur kollaborativen Ökonomie. Darüber hinaus gehört Dönnebrink dem Think Tank OuiShare sowie der Initiative Platform Coop an, zwei internationalen Netzwerken aus Vordenkern und Gleichgesinnten, die Modelle und Szenarien für die digitalen Ökosysteme von morgen entwerfen. ouishare.net platformcoop.net think.bank: Wie real ist die Gefahr, dass die Kunden der Genossenschaftsban- ken auf andere Plattformen abwandern? Thomas Dönnebrink: Wenn die einzigen Unterscheidungskriterien Preise und Zinsen oder ausschließlich finanzielle Anreize sind, dann kann das sehr schnell gehen. In einem digitalen Ökosystem zählen auch nicht-­ finanzielle und nicht-kommerzielle Aspekte wie Verbundenheit, Gemeinschaft oder Sinnhaftigkeit. Die spielen für die Menschen heutzutage ja auch eine immer wichtigere Rolle. think.bank: Wie sähe ein Masterplan für Plattform-­ Kooperativen von Genossenschaftsbanken aus? Thomas Dönnebrink: Dafür ist es fast noch ein wenig früh, aber je eher sich Banken hierzu Gedanken machen desto besser. Interessant scheint mir folgender Ansatz: Kooperationsplattformen, die von den Banken als „Facility Manager“ gefördert oder betrieben werden und lokale ­Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft zusammenbringen. Gerade die regionale Nähe zu ihren Partnern können die Banken hier als Mehrwert aus- spielen – ihre Plattformen müssten horizontal vernetzt sein, das heißt, eine breite Basis von Teilnehmern in ihrem Ort oder ihrer Region haben. Dies würde ein echtes Gegengewicht zu den großen Playern wie Air­