2. Dank
Burson-Marsteller und gfs.bern bedanken sich
ganz herzlich bei den fast 150 Teilnehmern aus allen
Bereichen der Politik, Wirtschaft, Verbänden und
Nichtregierungsorganisationen welche die hier
vorliegende Studie «Lobbying Survey Switzerland
2011» möglich machten. Denn nur dank ihnen und
ihrer Auskunftsbereitschaft ist es uns gelungen, die
vorliegende Pilotstudie zu verfassen.
3. Inhalt
Lobbying Survey Switzerland 2011
Vorwort von Urs Rellstab 04
Vorwort von Claude Longchamp 05
Die Ausgangslage 06
Die Zielsetzung 06
Die Auskunftspersonen 06
Das Executive Summery 07
Ziele des Lobbying 08
Wahrgenommenes Lobbying 09
Erfolg des Lobbying 10
Bild des Lobbying 11
Was gutes Lobbying ausmacht 12
Stilfragen Lobbying 13
Grenzen des Lobbying 14
Aktuelle Diskussion 15
Effektives Lobbying: Ein Vergleich mit Europa 16
Ausblick: Lobbying in der Schweiz wohin? 17
Bilanz 19
4. 4 Trend zur Professionalisierung
Public Affairs-Verantwortliche in Unternehmen,
Politiker und Mitarbeiter der öffentlichen Verwal-
tung genauso wie nationale Verbände, Lobbying-
Agenturen und NGO.
Die hier vorliegende Studie «Lobbying Survey
Switzerland 2011» ist das Resultat unserer Anstren-
gung. Sie liefert Einblicke in die Einstellungen und
Wahrnehmungen von Lobbyisten und Lobbyierten
in der Schweiz gleichermassen. Damit zeigt uns die
Studie eine neue, bisher wenig ausgeleuchtete und
deshalb unbekannte Perspektive des schweizeri-
schen Politsystems.
Vor zehn Jahren publizierte Burson-Marsteller die
erste evidenzbasierte Studie zum Thema Lobbying Die Studienergebnisse lassen es zu, übergeordnete
auf europäischer Ebene: «A Guide to effective Trends für das Lobbying in der Schweiz zu formulie-
Lobbying in Europe». Seither erschien die Studie, ren. Ich möchte mich an dieser Stelle darauf be-
welche sich dem Thema Lobbying auf der europäi- schränken, deren drei anzusprechen. Erstens lässt
schen Ebene annimmt, regelmässig. Die Erkennt- sich beobachten, dass die Differenzierung der
nisse und Resultate stossen auf dem europäischen politischen Rollen weiter zunimmt. Daraus entsteht
Politikparkett, aber auch bei vielen Unternehmen ein erhöhter Bedarf an Lobbying. Zweitens gehen
und Organisationen, die von politischen Entschei- wir von einem Trend hin zur Standardisierung des
dungen des Europaparlamentes und der Europäi- Lobbying aus. Auch steht die Frage im Raum, wo es
schen Kommission betroffen sind, jeweils auf sehr ethische und politische Grenzen gibt.
grosses Interesse.
Die beiden erwähnten Trends führen uns zu einem
Eine vergleichbare Studie für die Schweiz fehlte Dritten: Der Professionalisierung. Das vermehrt
bisher. Mit der hier vorliegenden Publikation nachgefragte und standardisierte Lobbying ver-
schliesst Burson-Marsteller diese Lücke. In Zusam- langt nach einem spezifischen Wissen. Nur wer
menarbeit mit dem gfs.bern haben wir dazu alle über dieses Wissen verfügt, kann auch tatsächlich
relevanten Stakeholdergruppen des politischen erfolgreiches Lobbying betreiben – sei es für eigene
Betriebes der Schweiz befragt. Wir interviewten Anliegen oder für solche der Kunden.
Dr. Urs Rellstab ist CEO der Burson-Marsteller AG. Als Kommunikations-
chef und stellvertretender Direktor war er lange für economiesuisse tätig.
Von 2000 bis 2010 trug er die Verantwortung für die Abstimmungs-
kampagnen des Dachverbandes.
5. Ambivalentes Bild 5
entweder in einer direkten Aktion oder aber durch die
Schaffung eines günstigen Umfeldes.
In der Bevölkerung ist das Bild des Lobbyings
ambivalent. Ist man selber Treiber in einer Sache,
wird fast automatisch der selbstverständlich
gewordene Ruf laut, hierfür vermehrt zu lobbyie-
ren. Ist man der Getriebene, sind die Lobbyisten
Schuld, die im Schummerlicht demokratischer
Entscheidungswege ihre separaten Interessen
durchgesetzt haben. In der öffentlichen Debatte
geht man auch davon aus, dass Politiker und
Politikerinnen häufig unwissend, unfähig und
Vor gut 15 Jahren begann ich am Institut für Ver- unethisch sind, sodass sie einfach übertölpelt,
bandsmanagement der Universität Freiburg im schrankenlos manipuliert und ohne weiteres
Üechtland mit Weiterbildungskursen für Lobbying. gekauft werden können.
Robert Purtschert, der die Idee eines solchen
Unterfangens aufgebracht hatte, meinte in der Das Problem scheint mir aber grundlegender zu
Einführung, Lobbying sei Interessenvertretung. sein. Das Milizsystem der Schweiz hat sich als
Dafür brauche es ein etabliertes Bindeglied zwi- Möglichkeit bewährt, viele Fähigkeiten in einem
schen Wirtschaft und Politik, genauer zwischen Kleinstaat kostengünstig zu sammeln und eine
Verbänden, Genossenschaften, Stiftungen und erhöhte Identität zwischen Regierenden und
Vereinen einerseits, Regierungen, Verwaltung und Regierten zu stiften. Es stösst heute aber dort an
Parlament andererseits. Grenzen, wo es um den internationalen Steuerwett-
bewerb geht, um die Durchsetzung wirtschaftlicher
Ausgehend von meinen Erfahrungen im Lobbying Interessen oder um die Regelung juristischer oder
habe ich folgendes Verständnis dieses neuen Be- technischer Verfahren. Genau dort setzt das Lobby-
tätigungsfeldes entwickelt: Lobbying ist Einflussnah- ing der politischen Akteure, die nicht im Milizsys-
me auf politische Entscheidungen, welche das legis- tem organisiert sind an.
lative, exekutive oder administrative System treffen,
und die tatsächliche oder beabsichtigte Beeinflus- Lobbying aus sich selber heraus verstehen zu lernen,
sung durch Einzelne oder Gruppen zum Ziel haben, ist das Ziel der hier vorliegenden Studie. Ich hoffe,
ohne durch ein demokratisch gewähltes Amt speziell sie trägt dazu bei, dass eine neue politische Tätigkeit
legitimiert zu sein. Diese Einflussnahme erfolgt auch in der Schweiz vermehrt öffentlich wird.
Claude Longchamp ist Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der
Geschäftsleitung des gfs.bern. Der Politikwissenschafter und Historiker
lehrt an den Universitäten Zürich, St. Gallen und Bern und an der Zürcher
Hochschule Winterthur. Er hat zahlreiche Publikationen in Buchform,
Sammelbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.
6. 6 Die Ausgangslage
Während Lobbying im angelsächsischen Raum mit den realen Entwicklungen der Einflussnahme
weitgehend akzeptiert ist, haftet ihm im kon- auf politische Entscheidungen. Überall, wo Politik
tinentaleuropäischen Kontext unverändert ein allgemeinverbindliche Beschlüsse trifft, die wirt-
anrüchiger Geschmack an. Pluralistische Demo- schaftliche, gesellschaftliche oder umweltschützeri-
kratievorstellungen und die daraus abgeleiteten sche Interessen regeln, steigt die Aufmerksamkeit.
Instrumente der Einflussnahme bleiben insbeson- Angesichts der unsicherer gewordenen Entschei-
dere in der Schweiz zurück. Über allem steht der dungen nimmt auch die Einflussnahme im Sinne der
Volkswille, der nahe beim Allgemeinwohl angesie- Interessenvertretung zu. Dem entspricht, dass
delt ist. Entsprechend begegnet die Öffentlichkeit Private, die stark von politischen Entscheidungen
Lobbying als Einflussnahme zugunsten partikula- abhängig sind, immer mehr Ressourcen in Public
ristischer Interessen mehrheitlich skeptisch. Affairs und politische Kommunikation investieren.
Unternehmen, Verbände, PR-Agenturen, Institutio-
Der damit verbundene Wunsch, es sollte gar kein nen wie auch NGO professionalisieren ihre politi-
Lobbying geben, ist recht verbreitet. Er kontrastiert sche Arbeit immer stärker.
Die Zielsetzung
Die Studie «Lobbying Survey Switzerland 2011» • Differenzierung der Rollen
wurde von Burson & Marsteller Schweiz initiiert, • Standardisierung der Tätigkeiten
realisiert wurde sie vom Forschungsinstitut gfs.bern. • Professionalisierung des Lobbyings
Sie soll Einblick geben in Wahrnehmungen und • Verknüpfung von Lobbying und Öffentlichkeits-
Einstellungen zu Lobbying von relevanten Stake- arbeit
holdern aus Politik und Wirtschaft. • Initiierung neuer Politiken
Angenommen wurden fünf übergeordnete Trends, Diese fünf Trends wurden mit der vorliegenden
welche die Entwicklung des Lobbyings generell, spe- Untersuchung erstmals empirisch geprüft.
ziell auch in der Schweiz, kennzeichnen. Es sind dies:
Die Auskunftspersonen
Für die Studie «Lobbying Survey Switzerland 2011» Die absolute Zahl der Befragten und ihre Auswahl
wurden sieben relevante Stakeholdergruppen aus- sind beachtlich. Sie lassen beschränkt quantitative
gewählt und befragt: Verallgemeinerungen zu und qualitative Schlüsse
und ordinale Rangierungen sind problemlos möglich.
• National tätige Unternehmen Als zentrale Ambivalenz in der Beurteilung des Lob-
• Politik (nationale und kantonale Politiker) byings untersuchten wir, wo und wie sich Treiber oder
• Verwaltung, öffentliche Hand, Kantone Getriebene im Lobbying unterscheiden.
• Lobbyisten und Verbände
• Subventionsabhängige Branchen Die hier vorliegende Studie sagt nichts über Einstel-
• Branchen mit hohem Submissionsanteil bei der lungen der Bevölkerung aus. Sie ist auch nicht breit
Akquise genug abgestützt, um die Wahrnehmungen und
• Lobbying-Agenturen Meinungen von politischen Akteuren zu erfassen, die
keinen direkten Bezug zum Lobbying haben.
Über sie bildeten wir die Gesamtheit der zu befra-
genden Organisationen. Insgesamt ermittelten wir
638 Adressaten der Befragung, die alle angeschrieben
wurden. Mitgemacht haben 143, das sind 22 Prozent.
7. Das Executive Summery 7
• Lobbying soll in erster Linie informierte Entschei-
dungen in der Politik ermöglichen.
• Von den Beteiligten wird Lobbying mehrheitlich,
wenn auch nicht einheitlich positiv beurteilt.
• Gutes Lobbying liefert massgeschneiderte Infor-
mationen, ist gut kommuniziert und vermittelt
der Politik fehlendes Fachwissen.
• Transparenz, Anteilnahme und Zuverlässigkeit
kennzeichnen gutes Lobbying.
• Intensives und erfolgreiches Lobbying wird von
Wirtschaftsverbänden, Umweltorganisationen
und dem Konsumentenschutz wahrgenommen.
• Ein starkes Aufwand-/Ertragsverhältnis attes-
tiert man zudem Kantonen und der öffentlichen
Verwaltung.
• Von den Wirtschaftsbranchen wird vor allem
der Pharmabereich mit Lobbying in Verbindung
gebracht.
• Lobbying in der Schweiz braucht aus Sicht der
Beteiligten keine gesetzlichen Grenzziehungen.
• Einschränkungen werden bei Parlamentariern
als Lobbyisten und bei Ungleichgewichten der
Einflussnahme erwartet.
• Selbstregulierung im Verhältnis von Lobbying,
Parlament und Regierung werden von den Betei-
ligten mehrheitlich befürwortet.
16. 16 Effektives Lobbying: Ein Vergleich mit Europa
Burson-Marsteller führt seit mehreren Jahren eine • «Backup political arguments»: «Massgeschneider-
vergleichbare Studienserie im europäischen Um- te Informationen vermitteln» sowie «Herstellen
feld durch (letztmals aufdatiert 2009). Auch wenn von Informiertheit zur Entscheidungsfindung»
die Fragen aufgrund kulturell unterschiedlicher gilt in der Schweiz als wichtigstes Element von
Einbettung von Lobbying in der Schweizer Befra- gutem Lobbying und ist von allen Zielen und
gung leicht anders formuliert wurden, lassen sich Massnahmen am wenigsten umstritten.
doch interpretativ Vergleiche anstellen. Burson-
Marsteller hält in der europäischen Studie zwölf • «Mobilise people to act»: Auch in der Schweiz
Kernelemente von erfolgreichem Lobbying fest, die hat Einflussnahme auf Entscheidprozesse durch
einige zentrale Anknüpfungspunkte zur Lobbying ein sichtbares Gewicht und ist durchaus
Schweizer Studie bietet. als Ziel nicht grundsätzlich bestritten. Auch in der
Schweiz darf Lobbying damit eine einflussneh-
• «Be transparent about your interests» /«Be pre- mende Funktion ausüben. Grenzen überschritten
pared to compromise»: Dieser Bezug gilt integral werden allerdings, wenn Eigeninteressen über
auch für Lobbying in der Schweiz. Es wird nicht Kompromissfindung gesetzt werden, während
nur Transparenz im Alltag gefordert, auch die mehr- auch beim Lobbying um finanzielle Ressourcen
heitsfähigen Argumente rund um Akkreditierung kleine Fragezeichen gesetzt werden.
sowie Mandats- und Finanzierungsoffenlegung
zielen in diese Richtung. Gleiches gilt auf margi- Kurz: Lobbying in der Schweiz und in der EU zeigen
nal tieferem Niveau in Bezug auf Kompromiss- vergleichbare Symptomatiken. Es entwickelt sich
fähigkeit, welche von den Befragten in der Schweiz aber in verschiedenen Kulturen und aufgrund un-
nicht nur direkt eingefordert wird, sondern sich terschiedlicher politischer Systeme. Generell kann
indirekt auch daran zeigt, dass reine Machtpolitik man davon ausgehen, dass die Trends in der EU
sichtbar weniger akzeptiert wird. früher einsetzen, deutlicher ausgeprägt sind, mehr
Wirksamkeit zeigen – und daher wohl auch frü-
• «Be part of the thinking process»: Zum richtigen her systematisiert wie auch reguliert werden. Die
Zeitpunkt mit Lobbying-Aktivitäten ansetzen, Schweiz vollzieht diese Entwicklungen nach.
ist auch in der Schweiz sowohl auf der Ziel- wie
auch auf der Stil-Ebene ein zentrales Thema.
Teil des Entscheidungsprozesses sein, bedeutet
aber auch ein Sensorium für angebrachte und 12 Top Tips
for effective lobbying in Brussels
unangebrachte Momente im Lobbying zu haben:
Know
Aufdringliches oder manipulatives Lobbying ist Understand the wide
wesentlicher Bestandteil von schlechtem Lobbying. Be transparent Be part of the the legislative range of people
about your thinking process and you need to
interests process its technicalities talk to
• «Understand the legislative process and its Identify
technicalities»: Weitgehende Kenntnisse zum ultimate
audience and
politischen System und insbesondere in Bezug
Back up political set realistic Mobilise people
auf die besonderen Aspekte eines Miliz-Systems Think politically arguments objectives to act
stehen auch in der Schweiz im Zentrum. Politi-
scher Instinkt und Kenntnisse des politischen Use all relevant Recognise
Systems werden sichtbar vorausgesetzt, während channels of and respect Be prepared to Be creative and
communication Europe’s diversity compromise memorable
unsystematisches Lobbying als Schwäche gilt.
17. Ausblick: Lobbying in der Schweiz wohin? 17
Die Umfrageergebnisse lassen den Schluss zu, bekannt war und durch diese legitimiert ist. Ge-
dass es mindestens fünf Trends gibt, die man in regelt werden muss hier nicht die Einflussnahme
Sachen Lobbying in der Schweiz beobachten und durch das Lobbying, sondern die Abkömmlichkeit
damit auch analysieren kann. Weiter legt unsere und ihre Vergütung.
Untersuchung in dieser Sache einen sechsten nahe.
Konkret geht es um die Differenzierung der poli- • Standardisierung: Angesichts des wachsenden
tischen Rollen, aus der das Lobbying erst entsteht, Trends zum Lobbying, aber auch der internationa-
um Standardisierung der Tätigkeiten im Lobbying, len Verflechtungen, die damit verbunden sind, er-
um die Professionalisierung der Ausbildung und des scheinen Standardisierung sehr wohl angebracht.
Verhaltens von Lobbyisten, um Steuerung politischer Sie sollen festlegen, wo die ethischen, politischen
Entscheidungen und um die Genese und Beglei- und damit auch normativen Grenzen des Lobby-
tung ganz neuer Politikzyklen. Der sechste Trend ings sind. Ein liberaler Staat sollte in erster Linie
betrifft die Durchmischung von Innen und Aussen auf Selbstregulierungen der Lobbyisten setzen,
im politischen Mehrebenensystem. Hier geht es uns die durch eine kritische Diskussion in der Öffent-
noch darum, die Ergebnisse aus der Sicht des Lobby- lichkeit mit Experten und Popularmeinungen be-
ings selber in einem grösseren Zusammenhang zu gleitet sein soll. Eine solche gibt es in der Schweiz
würdigen und darum, gezielt Empfehlungen für die spätestens seit den 80er-Jahren des 20. Jahr-
Entwicklung der neuen politischen Tätigkeit ableiten hunderts. Dahingegen hinkt die Entwicklung von
zu können. Codices zur guten und schlechten Praxis sowie zur
legitimen und illegitimen Einflussnahme gerade
• Differenzierung: Die Beobachtungen zur Differen- auch im internationalen oder europäischen Ver-
zierung politischer Rollen sind unseres Erachtens gleich hinterher. Hier sollte der politische Druck
typisch schweizerisch, für diesen Kontext aber erhöht werden. Hier hat auch die Wissenschaft
entscheidend. Sie haben viel mit dem Milizsystem die Aufgabe, Empfehlungen zu formulieren, die
zu tun. Auf exekutiver Ebene hat dieses national sich an ausländischen Erfahrungen ausrichten.
keine Bedeutung mehr, kantonal ist dies fast eben Die Spitzenvertreter des Lobbyings haben durch-
so. Ganz anders bewertet man in der Schweiz die aus ein Interesse, dass ihre Tätigkeit in geregelten
Parlamentsarbeit. Das Milizparlament gilt nach Bahnen stattfindet, denn nicht selten kommt es
wie vor als Massstab. Es ist aber weitgehend zur zu Verstössen, wenn sich Aussenseiter ohne Ver-
Fiktion geworden, wie neueste politikwissen- lustrisiko mit neuen und aggressiven Methoden
schaftliche Untersuchungen zeigen. Demnach ist ins Lobbying-Geschäft bewegen. Hier geht es in
das Mandat als Ständerat insbesondere wegen erster Linie darum, die Tätigkeit des Lobbyings
den Kommissionsmitgliedschaften im Schnitt korruptionsresistent zu machen, da hier eine der
ein Amt, das man zu 80 Prozent ausübt, während wichtigsten Angriffsflächen liegt.
jenes im Nationalrat 60 Prozent eines Berufspen-
sums in Anspruch nimmt. Dies hat zur Folge, dass • Professionalisierung: Auch die Professionalisie-
der durchschnittliche Parlamentarier auf Bundes- rung des Lobbyings hat in den letzten Jahren
ebene während seiner Amtszeit kaum mehr einer im Ausland rasant zugenommen, kennt in der
geregelten beruflichen Arbeit nachgehen kann. Schweiz aber keinen entsprechenden Stand.
Das schliesst Versuchungen nicht aus, das Wissen, In den USA gibt es spezialisierte Lehrgänge für
das man als Parlamentarier erworben hat als Lob- zukünftige Lobbyisten und auch in einzelnen
byist einzubringen. Es sollte vordringlich ausge- europäischen Staaten ist man dazu übergegan-
schlossen werden, beispielsweise mit Ausstands- gen, solche Ausbildungswege ganz bewusst zu
pflichten und Transparenzgeboten, dass sich schaffen. Ziel ist es, dass spezifische Wissen der
öffentliche und private Interessen im potenziellen Profession zu erhöhen, ihre Mitglieder einheitli-
Konfliktbereich befinden. Weniger dramatisch cher zu schulen und damit einen Beitrag auch zur
beurteilen wir die Situation, wenn Stadtpräside- Selbstreflexion zu leisten. Davon findet man in der
nen oder Regierungsräte im nationalen Parlament Schweiz noch wenig. Das VMI an der Universität
Einsitz nehmen, solange dies bei der Volkswahl Freiburg bietet ein solches Modul im Rahmen der
18. 18
Managementausbildung für Non-Profit-Organi- Entdeckung dieser Studie, wonach Regierungen,
sationen an. Auch einige Kurse an Fachhochschu- Verwaltungen, ja auch das Parlament selber
len, meist im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, Lobbying betreiben. Die Diskussion hierzu ist noch
nehmen gewisse Fragestellung auf. Eine syste- weitgehend unterentwickelt. Sie müsste aber die
matische Ausbildung garantiert dies jedoch noch obigen Punkte aus einer neuen Perspektive klären,
nicht. In der vorliegenden Studie wird die damit etwa zu folgenden Themen: Wie weit dürfen
verbundene Problematik mehrfach thematisiert; Instrumente des Lobbyings, die für Verbände
namentlich wird bei den Lobbyierten die Qualität sinnvoll sind auch für Verwaltungsabteilungen
der Lobbyisten und Lobbyistinnen beklagt. zulässig sein, wenn es etwa um Budgets geht?
Wie weit ist es legitim, dass Verwaltungen direkt
• Lobbying zwischen Intervention und Steuerung: oder indirekten bei der Informationsvermittlung
Die Verständnisse des Lobbyings als eine norma- durch Bürger-Aufklärung oder in der Beeinflus-
le politische Tätigkeit, die gezielt Informationen sung politischer Entscheidungen aktiv sind? Und:
vermittelt, Beziehungen pflegt sowie gezielt Wo sind Einheiten des Service Public einzuordnen,
Zustimmung verschafft und damit hilft, formali- wenn sie ihrerseits durch politische Regulierung
sierte politische Entscheidungen zu legitimieren, betroffen werden, handle es sich nun um Univer-
wird mit solchen Veränderungen zunehmen und sitäten, Spitäler oder öffentlichrechtliche Sender?
die Kritik des heimlichen Machtmissbrauches, der Nach der vorliegenden Studie zeigt sich, dass der
undurchsichtigen Finanzierungen zurück drängen. Einsatz des Lobbyings hier wahrgenommen und
Zu erwarten ist auch, dass sich damit das vorherr- sogar mit einem guten Aufwand/Ertrag-Koeffizien-
schende Bild des Lobbyings ändert, dass durch ten benotet wird, während das öffentliche Be-
die politische Intervention aufgrund rücksichts- wusstsein dazu noch unterentwickelt ist oder nur
loser Interessendurchsetzung geprägt ist. Diese mittels hochgeschaukelter Skandalisierungen
Sicht auf die Dinge ist zwar nicht ganz obsolet, wachgerüttelt wird.
engt aber die Perspektive unzulässig ein. Denn
politische Entscheidungen sind heute weitgehend • Lobbying als Motor der Politik: Als sechster und
prozesshaft, womit eine Intervention häufig nicht letzter Trend lässt sich die Initiativ-Funktion in
mehr genügt. Vielmehr sind Akteure, die mehr politischen Prozessen ausmachen. Wie spätestens
als nur punktuell von der Politik abhängig sind, die von Al Gore lancierte Diskussion über die
geneigt, politische Entscheidungen zu steuern Klimaerwärmung zeigt, finden solche globalen
und dafür in- oder ausserhalb ihren Organisationen Initiierungs- und Thematisierungsprozesse sehr
Strukturen zu etablieren, die es ihnen erlauben, wohl statt und sie bedienen sich in ausserordent-
im konkreten Fall operatives Lobbying organi- lich starkem Masse spezieller Instrumente des
sationsvermittelt vorzubereiten, durchzuführen Lobbyings. Seit den 90er-Jahren gehörten Denkfa-
und zu evaluieren. Damit ändert sich auch das briken ausdrücklich hierzu. Sie wirken als Binde-
Verständnis des Lobbyings, das nicht mehr eine glieder zwischen der Wissenschaft und der Politik,
Einwegkommunikation von Interessengruppen welche sie sachlich bereichern, dies aber in einer
zu Behörden ist, sondern in eigentliche bargainig- Form machen, die politisch auch relevant werden
Prozesse zwischen staatlichen und nichtstaatli- kann. Im weitesten Sinne gehört auch dies zum
chen Akteuren übergeht. Empfehlenswert er- zeitgenössischen Lobbying, selbst wenn es in der
scheint es, sich dieser strukturellen Beziehungen Schweiz erst in den Anfängen steckt. Think Tanks
im Lobbying öffentlich bewusster zu werden, haben hierzulande noch kaum Tradition, doch ha-
aber auch unter den Lobbyisten und Lobbyierten ben ihre ersten Vertreter die Politik schon einige
vermehrt von einer solchen Zukunftsperspektive Male in Bewegung versetzt. Ein Beispiel dafür ist
auszugehen. Der wichtigste Punkt darin besteht Avenir Suisse mit ihrer kritischen Diskussion zum
im Gleichgewicht der Interessenartikulation. Das Föderalismus resp. zur Etablierung funktionaler
zeigt auch die vorliegende Studie, denn ohne Räume, welche den wirtschaftlichen Gegebenhei-
diese verliert Lobbying seine primär instrumentel- ten besser entsprechen als die historisch gewach-
le Ausrichtung und wird zum Element der partei- senen politischen Grenzen. Zu empfehlen ist hier,
oder verbandspolitischen Interessendurchdrin- dass solche Bestrebungen gefördert werden, nicht
gung staatlicher Entscheidungen. zuletzt um die pluralistische Interessenartikulati-
on zu beleben. Denn Lobbying, das einseitig ver-
• Lobbying durch Interessenverbände und Behör- teilt ist, kann politische Entscheidungen ebenso
den: Damit verbunden ist auch die eigentliche einseitig beeinflussen.
19. Bilanz 19
Unsere Perspektive, die mit dieser Pilotstudie vermehrt verlangt werden und der Bedarf an
gereift ist, kann recht einfach zusammengefasst Professionalisierung zunehmen wird, nicht zuletzt
werden: Lobbying hat sich in der Schweiz seit wenn die Schweiz beim Milizsystem für das Par-
20 Jahren etabliert. Es greift teilweise auf ältere lament bleiben sollte. Die hiermit abgeschlossene
Verfahren zurück, die es in der Schweiz mit der Pilotstudie will auf diese generelle Entwicklung
Kleinheit und Begrenztheit der Ressourcen schon aufmerksam machen. Sie will Trends benennen,
lange gegeben hat. Lobbying ist in erheblichem die es weiter zu verfolgen gilt. Und sie will zu
Masse im Aufschwung und dieser Aufschwung soll mehr Reflexion, ja Selbstreflexion anregen. Denn
in geregelte Bahnen gelenkt werden. Lobbying ist die Selbstbeobachtung zur Selbstkritik zeichnet
an sich weder gut noch schlecht. Es ist ein politi- die liberale Öffentlichkeit der Moderne aus. Es
sches Instrument der Interessenvermittlung. ist erstaunlich, dass die liberalen Gedanken zu
Wichtig ist, dass diese pluralistisch erfolgt und Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gerade in der
nicht einseitig. Wer davon ausgeht, rechnet auch Schweiz bisher so wenig reflektiert und in entspre-
damit, dass sich politische Rollen weiter diffe- chende Praxen umgesetzt wurden. Mehr davon,
renzieren, Standardisierungen von Tätigkeiten wäre mehr für alle!
Ihr Team bei Ihr Team bei
Burson-Marsteller gfs.bern
Claude Longchamp
Urs Rellstab Verwaltungsratspräsident und
CEO Vorsitzender der Geschäftsleitung
Marie-Louise Baumann Urs Bieri
Senior Advisor Senior-Projektleiter
Theo Zijdenbos Stefan Agosti
Practice Leader Public Affairs Projektleiter
Tony Burgener Jonas Philippe Kocher
Leiter Burson-Marsteller Genf Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Gabi Badertscher Stephan Tschöpe
Senior Consultant Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Curdin Mark Andreas Stettler
Senior Consultant Web-Solutions
20. gfs.bern Burson-Marsteller
gfs.bern hat sich im Bereich der Sozialforschung Burson-Marsteller ist eines der führenden Unter-
langfristig zwei Kernbereiche erarbeitet: die nehmen für Public Relations und Kommunikations-
Politik- und die Kommunikationsforschung. Auf- beratung in der Schweiz mit Niederlassungen in
grund unserer Kenntnisse der politischen Arena Zürich, Bern und Genf. Wir bieten mit rund 60 Mit-
und Meinungsbildungsprozessen rund um Themen arbeiterinnen und Mitarbeitern Dienstleistungen
und Issues haben wir ein systematisches Verständ- in den Bereichen Unternehmenskommunikation,
nis für öffentliche Meinung entwickelt und das Financial Communications, Public Affairs, Health
Prozesswissen darüber vertieft. Wir verbinden Care und Science Communications, Media Relations
Umfragen bei internen und externen Zielgruppen sowie in crossmedialer Kommunikationsgestaltung
und Inhaltsanalysen der Medien und leisten damit an. Unsere spezialisierten Beraterteams kennen
einen evidenzbasierten Beitrag für die Strategie- die vielfältige wirtschaftliche, politische, mediale
findung und das Kommunikations-Controlling. und gesellschaftliche Landkarte der Schweiz. Da-
rüber hinaus verfügen wir über ein erstklassiges
www.gfsbern.ch Beziehungsnetz zu Entscheidungsträgern, Vor-
bereitern und Meinungsbildnern.
www.b-m.ch
Kommunikationsberatung
Public Relations BPRA • Crossmedia
Burson-Marsteller AG Burson-Marsteller SA Burson-Marsteller AG www.bm.com
Konsumstrasse 20 18, bd des Philosophes Grubenstrasse 40 www.b-m.ch
Postfach 1021 CH-1205 Genève Postfach 5010 info.bm@bm.com
CH-3000 Bern 14 T +41 (0)22 593 69 20 CH-8045 Zürich
T +41 (0)31 356 73 00 F +41 (0)22 593 69 39 T +41 (0)44 455 84 00
F +41 (0)31 356 73 01 F +41 (0)44 455 84 01