Studie der Unternehmensberatung der IBM. In persönlichen Interviews mit Marketing, Sales und Customer Service Executives führender Unternehmen im deutschsprachigen Raum zu 12 aktuellen Themenkreisen im Bereich Marketing, Vertrieb und Kundenservice. Konzeption und Leitung von Marion Zeindl, Beraterin bei IBM und Leiterin der CRM Practice in Nord- und Zentraleuropa.
1. IBM Global Business Services
Executive Report
Chief Customer Officer Survey 2009
Interviews mit Heads of Marketing, Sales und Customer Service – November 2009
2.
3. Inhaltsverzeichnis
Executive Summary 02
Stichprobe und methodischer Hintergrund 06
KapItEl EInS Hintergründe und Fragestellungen zur Studie 07
KapItEl zWEI aktuelle Herausforderungen 09
Produkt- und Branchenwahrheiten lösen sich auf
KapItEl drEI Ursachen für die Gegenwartsszenarien 13
Ist die Finanzkrise alleine Schuld an der Situation der Unternehmen?
KapItEl VIEr Bestgeeignete Gegenmaßnahmen 17
Der Trend geht zur Erhöhung des Pull-Effektes auf Kundenseite
KapItEl FÜnF zukünftige Haupterfolgsfaktoren 21
Rückbesinnung – Neben dem Value für den Shareholder auch mehr Wert für
den Kunden
KapItEl SECHS Herausforderungen und Haupterfolgsfaktoren vor und nach der Wirtschaftskrise 25
Alte Problemstellungen in neuem Kontext mit erhöhter Dynamik
KapItEl SIEBEn prognostizierte Entwicklung der Investitionsbudgets 29
Drastische Einbrüche im Marketingbudget erwartet; Service mit leichtem Nettoanstieg
KapItEl aCHt aktuelle Erfolgsmessung in Marketing, Vertrieb und Service 31
Starke Diskrepanz zwischen heute genutzten Key Performance Indicators und
den Erfolgsfaktoren von morgen
KapItEl nEUn nutzungsgrad und Investitionsplanung verschiedener CrM-Verfahren 35
Web 2.0 und Customer Intimacy auf dem Vormarsch
KapItEl zEHn zukunftsfitness, Stärken und USp des eigenen Unternehmens 39
Entscheidungsträger sehen sich noch unzureichend für die Zukunft gerüstet
KapItEl ElF Blick über den Branchentellerrand und das Business-Modell der zukunft 43
Der erfolgreiche Spagat zwischen Kosteneffizienz und Differenzierung
KapItEl zWÖlF zukunftsstrategien der Vorreiter 49
Vier strategische Differenzierungscluster und drei taktische Maßnahmen-Pakete
zeichnen sich ab
KapItEl drEIzEHn Skill-profil und aufgaben des Chief Customer Officer (CCO) der zukunft 53
Interdisziplinärer, integrer Orchestrierer mit psychologischem Feinsinn
KapItEl VIErzEHn ausblick auf die Marktentwicklung 57
Wird sich der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten weiter fortsetzen?
danksagung 59
autorin 59
Beitragende 59
IBM GlOBal BUSInESS SErVICES 59
Weitere Informationen 60
Quellen und anmerkungen 61
4. 2 Chief Customer Officer Survey 2009
EXECUTIVE SUMMARY
Vorgehen und Ausgangsfrage eine ‚Pay as you drive‘-Autoversicherung, bei der sich die
Für die vorliegende Studie wurden in persönlichen Einzelinter- Prämie nach dem persönlichen Fahrverhalten statt nach
views 50 Chief Customer Officers (CCO’s) aus Dax-Unterneh- einer demographischen Risikostatistik berechnet. Sie führen
men und von weiteren Marktführern in Deutschland und in der branchenfremde Player in angestammte Territorien (das
Schweiz im Zeitraum April bis August 2009 befragt. Analysiert eBay-, Google- und Amazon-Phänomen). Gleichzeitig bestim-
wurden die Ergebnisse für die vier Branchensegmente Finanz- men sie das Denken von Kunden, die heute gelernte Erlebnisse
dienstleistungen, Konsum/Handel, Produzierende Unterneh- aus z. B. dem Bankenbereich morgen von ihrem Stromliefe-
men/Business to Business sowie Pharma/Health Care/Chemie. ranten und übermorgen von ihrem Apotheker erwarten. Dazu
Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, welche treten Digital Grown-ups und Baby Boomers, deren Denk-,
Auswirkungen die globale Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Nutzungs- und Entscheiderverhalten sich stark voneinander
Prioritäten, Herausforderungen, Handlungsspielräume und das unterscheidet, inzwischen gleichzeitig als wichtige Geschäfts-
geforderte Kompetenzprofil erfolg- und Privatkunden auf, und last, but not least wirken Gesetze
reicher CCO’s von morgen hat. und Verbraucherschutzvorschriften kontinuierlich auf Möglich-
keiten und Entscheiderstrukturen ein.
Das Ende der Schonzeit
Für 64 % der befragten CCO’s unterscheiden sich die Heraus- Dieses Ausgangsszenario verlangt dringend nach einer
forderungen heute von denen vor der Wirtschaftskrise nur Transformationsagenda, wie uns die teilnehmenden CCO’s
unwesentlich. Bei den Haupterfolgsfaktoren für Marketing, auch bestätigten. Das Dilemma: Während die Zukunft längst
Vertrieb und Service sehen sogar über 80 % keine bedeutsa- begonnen hat, ist aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise
men Änderungen. Der Unterschied zwischen damals und aktuell kaum jemand bereit, sich ernsthaft mit dieser Zukunft
heute liegt nicht in den Fakten an sich, sondern im neuen auseinanderzusetzen. Weder im eigenen Unternehmen noch
Blickwinkel auf diese sowie in der Ernsthaftigkeit, mit der jetzt bei den Kunden. Auch wenn die Ausgabefähigkeit nach
Herausforderungen zur Kenntnis genommen und Lösungs- Meinung der CCO’s bislang weder im Privat- noch im
parameter genutzt werden. Geschäftskundenbereich größer zurückgegangen ist, so hat
sich übergreifend das Kauf- und Entscheidungsverhalten
Die Wirtschaftskrise hat die Probleme von heute nach An- signifikant verändert. Investitionen werden bewusster
sicht der Survey-Teilnehmer nicht geschaffen, allerdings ihre getroffen, länger aufgeschoben, und es erfolgt öfter ein
Dynamik und Schärfe erhöht und damit ein Ende der Schonzeit ‚Downgrading‘ zu einem Angebot das ‚auch ausreichend
eingeläutet: Die Versäumnisse und unbearbeiteten Defizite von Nutzen bietet‘.
gestern treten heute schonungslos offen zutage. Verdrängen und
Vertagen ist nicht mehr möglich. Das Ergebnis ist ein enormer Kosten- und Controllingdruck
in Unternehmen aller Branchen. Der Blick geht stärker denn
je auf die Erreichung der Quartalsziele, Nachhaltigkeits- und
Das Transformationsdilemma
Langfriststrategien geraten bei der Budgetierung ins Hinter-
Die wichtigste Herausforderung auf der CCO-Agenda heißt
treffen. Kurzfristaktionen wie temporäre Abverkaufsintensi-
Anpassung an fundamental neue Markstrukturen und Kunden-
vierung heizen die ‚tödliche Discount-Spirale‘ noch weiter an
profile. Die Konkurrenztreiber kommen heute nicht mehr nur
und setzen mancherorts gar den Markenwert aufs Spiel. Es
aus neuen Regionen, sondern aus einer ganz anderen, branchen-
fehlen Investitionsspielräume und innere Stabilität für die
unabhängigen Richtung: Neue technologische Möglichkeiten
dringend benötigte Gestaltung der Zukunftsagenda.
erlauben gestern noch undenkbare Business-Modelle wie z. B.
5. IBM Global Business Services 3
Probleme und Lösungsoptionen sind Probleme und Lösungen sind also erkannt. Doch auf dem
erkannt, aber noch bleibt viel zu tun. Weg zum Ziel liegt noch eine längere Durststrecke: Nur 14 %
Den kurzfristigen Ausweg aus der aktuellen Lage sehen die aller Befragten halten ‚Kundenrelevanz‘ für eine besondere
CCO’s in einer Rückbesinnung auf das elementare Kunden- Stärke des eigenen Unternehmens oder gar für einen Wettbe-
verständnis. Dies bedeutet, bei sämtlichen Entscheidungen werbsvorteil. Je nach Branchensegment sehen etwa 50-60 %
und Aktionen vom Kopf des Kunden her zu denken und zu aller Teilnehmer ihr eigenes Unternehmen in den Haupter-
agieren. Es bedeutet weiterhin, neben dem Shareholder Value folgsfaktoren der Zukunft generell als unzureichend
auch mehr Wert für den Kunden im Blick zu haben sowie aufgestellt.
einen deutlichen Shift von einer Push- zur Pull-Philosophie
zu vollziehen. ‚Kundenverständnis und Kundennähe‘ ist eine So passt z. B. der heutige Stellenwert kundenbezogener
der beiden wichtigsten Kernkompetenzen des CCO’s der Messgrößen nicht zu den aktuellen Herausforderungen oder
Zukunft nach dem Verständnis unserer Befragten. ‚Kunden- zu den Erfolgsfaktoren von morgen. Die Studie bestätigt die
relevanz‘ wird von 50 % aller Entscheidungsträger als der herausragende Bedeutung von Kundenfokus und Kunden-
entscheidende Haupterfolgsfaktor der Zukunft genannt: relevanz in mehrfacher Hinsicht: Als Haupterfolgsfaktoren
Dreimal wichtiger als (Kosten-)Effizienz und fünfmal so der Zukunft, als wichtigste Gegenmaßnahme im aktuellen
wichtig wie ein gutes Preisleistungsverhältnis. Problemszenario, als eine der beiden wichtigsten Kernkompe-
tenzen des modernen CCO’s und sogar als seine vorrangigste
operative Aufgabe. Trotzdem setzen im Marketing nur 20 %,
im Vertrieb sogar nur 10 % aller Befragten kundenrelevante
Erfolgskennzahlen, sogenannte CFE (Customer Focused
Enterprise) Key Performance Indicators als primäre Steuer-
größen ein.
Marken-
Relevanz Der Weg aus der ‚Produktinnovations-
Botschaft
Beschleunigungsfalle‘
Doch erfreulicherweise zeigt sich auch ein neuer Trend bei den
Wünsche & Vorreiter-Firmen: Weg von der ausschließlichen Fokussierung
Bedürfnisse auf Finanzkennzahlen und hin zur parallelen Etablierung eines
unternehmensweiten Customer Focused Enterprise Reporting-
Basis- systems.
Involvement
Anforderungen
Trotz Wirtschaftskrise werden CRM-Investitionen im
Bereich Effizienzmessung und Leistungssteigerung nur
geringfügig weiter wachsen, wie die Studie andeutet. Demge-
genüber zeichnet sich ein überproportionales Investitions-
wachstum für alle Instrumentarien in den Bereichen Kunden-
relevanz und Customer Intimacy ab, was die Ernsthaftigkeit
der führenden Unternehmen unterstreicht, den als Lösungs-
weg identifizierten Pfad auch kurzfristig einzuschlagen.
Abb. 1: Die 5 Dimensionen der Kundenerfahrung
Das Geschäftsumfeld ist heute geprägt von extremer Wettbe-
werbsdynamik, sich auflösenden Produkt- und Branchenwahr-
heiten sowie einer Hochgeschwindigkeit bei den technologi-
schen Entwicklungen. Die ‚Produktinnovations-Beschleuni-
gungsfalle‘ ist der Versuch, sich in diesem explosiven Kontext
mit immer neuen Innovationen kontinuierlich wieder in die
Erinnerung der Kunden zurückzurufen. Ob er erfolgreich ist
oder scheitert – immer kostet dieser Versuch die Unternehmen
sehr viel Geld und treibt sie damit noch weiter in die Kosten-
engpass-Schraube.
6. 4 Chief Customer Officer Survey 2009
Aus den Gesprächen mit den befragten CCO’s zeichnet sich ein Strategische Führungsoptionen und
Geschäftsmodell der Zukunft ab, das einen Weg heraus aus taktische Umsetzungshebel
dieser kostentreibenden ‚Produktinnovations-Beschleunigungs- Auch in der Wahl des idealen Weges zum Erreichen des
falle‘ weist. Es ist charakterisiert durch vier Exzellenzparameter: künftigen Erfolgsmodells zeichnen sich vier differenzieren-
de Ansätze ab. In jedem Bereich wird hierbei jeweils eine
führende Position angestrebt:
Profil & Marke:
I. Communication: Im Fokus steht hier in erster Linie die
Geschäftsidee:
Fokus & Klarheit
Weiterentwicklung &
Kontinuität
Kundenansprache; die dominante Marketing-Strategie ist
ein Push-Ansatz
Exzellenz- II. Customer Insight: Bei dieser Option liegt die Betonung
parameter des
Geschäftsmodells vor allem auf Beobachtung, Befragung, Analyse und
der Zukunft
Zurückspielen der Erkenntnisse als ideale Kundenerfah-
Strategischer Fokus:
rungsstrategie; die dominante Marketing-Strategie ist Pull
Zielgruppen & Angebote:
Selektivität & Kosteneffizienz & III. Partner Management: Beruht primär auf einem vorbild-
Premiumqualität Emotionale Bindung
lichen Partnermanagement in allen Dimensionen; hier
sind sowohl push also auch pull möglich
IV. 3D-Leadership: Eine gezielte, aufeinander abgestimmte
Mischung der Ansätze I-III. Strategische Zielsetzung:
Abb. 2: Die 4 Exzellenz-Parameter des Geschäftsmodells der Zukunft
Branchengrenzen selbst neu (mit-)gestalten, den Kunden
Welten und Werte statt nur Produkte und Dienstleistungen
anbieten. Dominante Marketing-Richtung: Pull
• Fokus & Klarheit: Absoluter Fokus auf eine, klare, ganz-
heitlich durchdachte und gelebte Geschäftsidee
• Selektivität und Premium-Qualität: Nicht alles, nicht für
jeden. Aber höchste Qualität in den priorisierten Angeboten II. Customer III. Partner
I. Communication IV. 3D-Leadership
für die gewählte Zielgruppe Insight Management
• Weiterentwicklung und Kontinuität: Sich auf Basis neuer Kunden - Analyse Externe Mix aus I-III;
Fokus
Marktmöglichkeiten, veränderter Marktregeln und Kunden- ansprache & Experience Zusammenarbeit Welten & Werte
erwartungen kontinuierlich neu erfinden – jedoch stets unter Motto
Involvieren Verstehen
Mit anderen/über
andere clever Mix aus I-III
& ,Verführen‘ & Beantworten
konsequenter Beibehaltung des Markenkerns betreuen
• Kosteneffizienz & Emotionale Bindung: Erfolgreiche Dominante
Richtung
Push Pull
Push & Pull
Pull
möglich
Mischung aus Kosteneffizienz auf der einen und hoher,
emotionaler Kundenbindung auf der anderen Seite
Abb. 3: Die 4 strategischen Führungsoptionen
7. IBM Global Business Services 5
Innerhalb der vier strategischen Differenzierungscluster zur Um erfolgreicher Ingenieur des Geschäftsmodells der Zukunft
Marktbearbeitung lassen sich drei Muster in den taktischen zu sein, benötigt der CCO von morgen v. a. zwei Kernkompe-
Maßnahmen unterscheiden: tenzen:
• Kosten- und Komplexitätsreduzierung: Hier stehen eine • ‚Orchestrierungsfähigkeit‘ nach innen, da seine Aufgabe
Verbilligung, Verschlankung und/oder effizientere Gestal- per Definition einerseits in andere ‚Hoheitsgebiete‘ hinein-
tung von Prozessen, Angeboten, Kanälen etc. im reicht und andererseits die nach innen neutrale Position des
Vordergrund. Kundenadvokaten umfasst: Sie setzt sich zusammen aus einer
• Crowdsourcing, Co-Creation, Collaboration: Richtet den integren und integrativen Persönlichkeit, gutem Relationship-
Fokus auf die intensive Nutzung innovativer Partnerschaften management und Networking, diplomatischem Fingerspit-
– gerade auch über neue, technologische Plattformen und zengefühl und psychologischem Einfühlungsvermögen sowie
Web 2.0-Technologien. Branchen- wie länderübergreifende interdisziplinärem Denken und Handeln.
Initiativen mit Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten, • Kundennähe und Kundenverständnis nach außen: Er –
Wissenschaftlern oder auch (traditionellen) Wettbewerbern. oder sie – muss ‚vom Kopf des Kunden aus rückwärts denken‘
• Kundenrelevanz: Dabei beruht das gesamte Business-Modell können und dies auch wollen.
inklusive seiner Ausgestaltung (Organisationsaufbau, Kanäle,
Produkte/Dienstleistungen etc.) darauf, rückwärts vom Kopf Klassische Attribute wie Branchenkenntnis, Beherrschung der
des Kunden her zu denken. D. h. das gesamte Geschäfts- Marketing-Klaviatur oder Kreativität haben in den Augen der
modell aus der Perspektive der Zielkunden her aufzubauen Befragten für ein zukünftiges CCO-Profil nur noch halb so viel
und das Angebot um eine Begriffswelt herum zu struktu- Relevanz wie die oben beschriebene ‚Orchestrierungsfähigkeit‘.
rieren, statt um Branchen, Produkte und Dienstleistungen. Auch oft zitierte Kompetenzen wie Inspirationsfähigkeit,
Innovationswille oder Basisverständnis für neue Technologien
Die künftige Rolle des CCO’s – liegen im Vergleich zu den beiden Spitzenreitern weit abge-
schlagen auf den hinteren Rängen.
interdisziplinärer Mediator im Unternehmen.
Quer über alle Branchen wird die vorrangige, operative Auf-
In einer Welt, in der Branchen- und Rollengrenzen durch
gabe eines Chief Customer Officer darin gesehen, Organisa-
technologische Möglichkeiten völlig neue Definitionen
tionsstruktur und/oder Geschäftsmodell konsequent an den
erfahren, ist eine Weiterentwicklung des CCO als dem
Kundenbedürfnissen auszurichten. Mit dieser Schlüsselrolle
verantwortlichen Vorstand für Kundenangelegenheiten
bzgl. organisatorischer Ausrichtung und ‚Mindsetting‘ geht das
zu einem interdisziplinären Moderator nur konsequent.
Spektrum eines modernen CCO weit über seine traditionellen
Arbeitsfelder hinaus. Er positioniert sich eher in Richtung
Berater für den CEO und entwickelt sich zu einem interdiszi-
plinären Mediator innerhalb des Unternehmens.
9. IBM Global Business Services 7
Hintergründe und Fragestellungen zur Studie
Das Jahr 2009 stand im Zeichen teils drastischer Umsatzein- Wie entwickeln sich die Budgets im Bereich Marketing,
bußen, staatlicher Konjunkturprogramme und Eingriffe in Vertrieb und Service kurz- und mittelfristig? Gibt es Gewinner
bis vor kurzem noch undenkbarem Ausmaß, von über-Nacht- und Verlierer auch unter den drei verwandten Funktionen?
Zusammenbrüchen namhafter Traditionsunternehmen und Verändert das aktuelle Marktumfeld die Fokus-Bereiche, in
Zukunftsängsten beim Privatverbraucher ebenso wie beim denen künftig aus Marketing, Vertrieb und Service heraus
Geschäftskunden. Mit der entsprechenden Kauf- und Investi- investiert wird? Wurden Messgrößen und Kennzahlreporting-
tionszurückhaltung in fast allen Bereichen. systeme bereits an veränderte Markt- und Kundenanforderun-
gen angepasst?
Wie haben sich in diesen turbulenten Zeiten die Heraus-
forderungen für Executives im Bereich Marketing, Vertrieb Last, but not least: Wie stark und in welche Richtung verän-
und Kundenservice im Vergleich zur Zeit vor der globalen dern diese Marktgegebenheiten das Profil der Chief Customer
Wirtschaftskrise verändert? Officers? Dieser im deutschsprachigen Raum noch wenig
gebräuchliche Titel impliziert auch die Existenz einer inter-
Stehen sie vor neuen Herausforderungen? Erscheinen die disziplinär agierenden Vorstandsposition, die als dedizierter
Geschäftsmodelle und die Maßnahmen, die zum Boom und bilateral qualifizierter Mediator zwischen Kunden und
in der ersten Hälfte der Dekade führten, noch als adäquate Unternehmen fungiert. Idealerweise vertritt er im Gesamt-
Antworten und Lösungen für diese Herausforderungen? vorstand die Bereiche Marketing, Vertrieb und Kundenservice
in Personalunion. Sie nimmt dabei eine besondere Rolle ein,
Zeichnen sich Verschiebungen bei den Haupterfolgsfaktoren da sie die Aufgabe hat, im gesamten Unternehmen kunden-
ab? Wie gut halten die Verantwortlichen ihre eigenen zentrierte Strukturen, Prozesse, Technologien und v. a.
Unternehmen im Wettlauf um die Zukunft gerüstet? Denkweisen zu schaffen. Welche primären Fähigkeiten sind
mehr, welche weniger gefragt, um diese Rolle im neuen, noch
Branchengrenzen lösen sich auf, Geschäftsfelder werden komplexeren Wirtschaftskontext erfolgreich auszufüllen?
radikal umdefiniert. Wie stark wirken sich diese Strömungen Welche operativen Aufgaben sollten als erstes vom CCO
schon heute auf führende Unternehmen im deutschsprachigen der Zukunft angegangen werden?
Raum aus? Inwieweit besteht – vor allem auch während der
Krise oder gerade wegen ihr – bereits eine Bereitschaft, von Die IBM Chief Customer Officer Survey gibt auf diese und
ähnlichen oder auch ganz anderen Branchen zu lernen? ähnliche Fragen eine Antwort.
Gibt es heute schon Vorbilder für das Zukunftsunternehmen
und falls ja, was zeichnet diese Vorbilder aus?
11. IBM Global Business Services 9
Aktuelle Herausforderungen
Produkt- und Branchenwahrheiten lösen sich auf.
Discount- Transformations-
Spirale „Die Konkurrenz dilemma
kommt heute eher
von den technologischen
Möglichkeiten und den
Kundenerwartungen
als von der eigenen
Umbruch in
Branche.“
Zukunft/ Markt- und
Nachhaltigkeit Kundenstrukturen
12. 10 Chief Customer Officer Survey 2009
Anpassung an neue Marktstrukturen ist für Die in etwa zeitgleich durchgeführte 2009 Global CRM Leaders
Chief Customer Officers doppelt so wichtig Survey vom Institute of Business Value bestätigt die Erkennt-
nisse aus den deutschsprachigen Ländern bzgl. der Herausfor-
wie Nachfragerückgang oder Kostenein-
derung Nummer 1 auch als globalen Trend: Über Branchen-
sparungen. und Ländergrenzen hinweg entstehen neue Marktkräfte, die
Angesichts der täglichen Meldungen in den Medien läge es
in den nächsten Jahren voraussichtlich eine signifikante
nahe, als größte Herausforderungen Themen wie signifikante
Veränderung von Geschäftsmodellen und in der Interaktion
Umsatzeinbußen, Anpassung von Vertriebs- und Produktions-
mit Kunden nach sich ziehen wird1.
kapazitäten und -ressourcen an ein sinkendes Marktvolumen,
Kosteneinsparungen in allen Bereichen oder einen extrem
Von den deutschen und schweizerischen CCO’s zählt weiter-
verstärkten Wettbewerbsdruck zu erwarten. In bestimmten
hin jeder Vierte die Vermeidung der ‚tödlichen Discount-
Branchen wie dem Automobilsektor zusätzlich eine strukturelle
Spirale‘ unter seine drei akutesten Themen. Die Neukunden-
Krise durch Energiepreise und Umweltdiskussion.
akquise, die Bekämpfung der Kundenabwanderung und
Gesetze/Verbraucherschutz stehen auf den Chief Customer
Tatsächlich jedoch wurden diese ‚naheliegenden‘ Themen nur
Officer (CCO) Agenda-Positionen drei und vier.
von ca. 10-14 % der Teilnehmer als größte Herausforderun-
gen auf ihrer Agenda genannt. Jeder Dritte dagegen kämpft –
unabhängig von der Branche – v. a. mit neuen Marktspielre-
geln, neuen Spielern auf dem Markt und/oder neuen Kunden
bzw. neuen Profilen und Erwartungen existierender Kunden.
Anpassung an neue Kunden/-erwartungen & Märkte 30
Vermeidung der Discount-Spirale 24
Kunden gewinnen / Kunden halten 20
Gesetze und Verbraucherschutz 18
Relationship Management mit Retailern/Agenten 16
Erfolgreiche Durchführung lfd./geplanter CRM-Initiativen 16
Alle Survey-Teilnehmer; maximal drei Nennungen zulässig. Alle Angaben in %.
Abb. 5: Die größten aktuellen Herausforderungen der CCO’s
13. IBM Global Business Services 11
Produkt- und Branchenwahrheiten lösen „Wir müssen weg von diesem Produkt- und Branchendenken
sich auf – Wettbewerb kommt stärker von und hin zu einer klaren Orientierung an der gesamten Wert-
schöpfungskette“, ist z. B. die exemplarische Meinung eines
technologischen Möglichkeiten als von
Vertriebsvorstandes.
Konkurrenten.
Viele Marketing, Sales und Service Executives sind aktuell
So wie neue Technologien branchenüberschreitende, neue
Getriebene, die dringend wieder in den Fahrersitz zurück
Geschäftsmodelle anstoßen, so lösen sie auch in den Köpfen
wollen. Fünf der sechs größten Herausforderungen, vor denen
der Kunden die Idee von ‚andere Branche‘ auf: Was man im
sie heute stehen, kommen von außerhalb ihrer Organisationen
Autohaus kennen- und schätzengelernt hat, erwartet man mehr
(siehe Abb. 5), ihre Agenda wird weitgehend fremdbestimmt.
und mehr auch vom Reisebüro und vom Handyprovider; aber
Thema Nr. 1 – Anpassung an neue Kunden, neue Kunden-
genauso von der Schule der Kinder, vom Hausarzt und vom
erwartungen und neue Märkte – ist dabei eine sehr komplexe
Apotheker. Die im Berufsumfeld gelernten Prozesse und
Mischung aus folgenden Komponenten: Wettbewerb aus
Instrumente zur Entscheidungsfindung überträgt das Gehirn
neuen Regionen und neuen Branchen schafft und verstärkt
wie selbstverständlich auf private Kaufentscheidungen – und
Strukturprobleme; die Möglichkeiten neuer Technologien
vice-versa.
lösen alte Branchenwahrheiten auf: Der ehemalige Internet-
Buchhändler Amazon hat sich längst zu einem virtuellen,
Neue Käufergruppen wachsen nach, neue Generationen
weltumspannenden Superkaufhaus entwickelt, der von der
besetzen Managementstellen. Sie sind mit einem völlig anderen
Wohnzimmereinrichtung über Autozubehör, Elektronik,
Zugang, Umgang und Verständnis von Technologie und
Kleidung, Musik und Spiele bis hin zu Babyausstattung,
Dynamik aufgewachsen, als die Personengruppen, die heute
Drogerieartikel und Rasenmäher schon fast alles anbietet.
noch in den Top Etagen agieren2.
Das Auktionshaus eBay, ehemals eine Art Internet-Flohmarkt,
hilft heute auswanderungswilligen Zeitgenossen als Immobi-
lienmakler ein Bed & Breakfast in Kanada zu finden, vermittelt „Der Wettbewerbsdruck ist eigentlich im Vergleich
aber auch Banner- und Newsletter-Werbung, Traktoren und zu vor der Finanzmarktkrise gleich geblieben. Die
Bagger, Kunststoffe, Ladeneinrichtungen, Reisen und Firmen-
software. Die eBay ‚Business-Kategorie‘ Insolvenzforum enthält
Konkurrenz kommt heute eher von der Kunden-
konsequenterweise alle Branchen. erwartung und vom Markt, d. h. von den Multi-
kanalangeboten und den technischen Möglichkeiten
Dieselbe Wandlung hat auch im klassischen B2B-Bereich be- als tatsächlich von den eigenen Wettbewerbern.“
gonnen, sie verläuft nur unbemerkter weil leiser. Wenn unsere
– Ein international verantwortlicher Vertriebs- und Marketingchef
befragten CCO’s von Themen wie ‚Neudefinition von Wert-
schöpfung‘ und ‚proaktive Gestaltung neuer Märkte‘ sprachen,
meinen sie genau solche Transformationsthemen und gehören zu
den 30 %, bei denen ‚Anpassung an neue Kunden, neue Kunden-
erwartungen und neue Märkte‘ ganz oben auf der Agenda stehen.
14. 12 Chief Customer Officer Survey 2009
Das Transformationsdilemma: ‚Im Augen- Manager mit internationaler Verantwortung kämpfen noch
blick ist es absolut unmöglich, mit irgend- deutlich stärker darum, ihre strategische Kontinuität auch in
Zeiten eines starken Kurzfristdenkens intern wie extern zu
jemandem über die Zukunft zu sprechen‘.
sichern, sowie noch mehr um die Vermeidung der Discount-
Eine hohe Dynamik bei Gesetzen und Verbraucherschutz – ein spirale als ihre Kollegen mit lokaler Zuständigkeit.
eigener Themenpunkt auf der Agenda der drei wichtigsten
Herausforderungen – verstärkt gleichzeitig auch die Komplexität Mit den reaktiven ad hoc-Handlungen riskieren manche
des Aspektes ‚Anpassung an neue Marktspielregeln‘. gerade sogar ihren Markenwert: „Auch wir setzen zur Zeit
sehr viel auf Abverkaufswerbung wegen der angespannten
Dieses ganze multidimensionale Anforderungsgebilde wirkt Wirtschaftslage, das geht natürlich auf Kosten der Marken-
natürlich nicht nur auf die CCO’s, sondern auf ihr Gesamt- bildung; wir sind eine Premiummarke, dazu passt dann kein
unternehmen ein. Ihre Organisationen reagieren darauf – oft Abverkauf um jeden Preis“, kommentiert dieses Dilemma ein
sehr schnell und abrupt, häufig mit wechselnden Richtungen Marketing Executive
und mit Kurzfristzielen vor Augen.
Das Zitat eines Spartenleiters steht hier stellvertretend für
Nicht wenige Chief Customer Officers und andere Executives die gefährliche Ausgangslage vieler Befragungsteilnehmer,
aus dem Bereich Marketing, Vertrieb und Service fürchten v. a. aus dem B2B-Bereich:
deshalb, dass durch das reaktive, schnell wechselnde ad hoc-
Verhalten ihrer Unternehmen (z. B. durch temporären, aggres-
siven Sales Push inklusive hoher Preisnachlässe oder häufige
Budget-Neupriorisierungen) die Kontinuität, der strategische „Im Augenblick ist es absolut unmöglich, mit
Fokus und der Langfristerfolg des Unternehmens gefährdet sind. irgendeinem Kunden über die Zukunft zu sprechen.“
Viele beschreiben sehr klar die Gefahren, viel zu stark von
einem massiven Außendruck hin- und hergeschubst zu Dass sich diese Unmöglichkeit auch auf eine interne Denk-
werden, statt die Agenda selbst zu gestalten. Gleichzeitig und Verhaltensweise erstreckt, bestätigte uns ebenfalls ein
sehen sie fundamentale Umwälzungen in puncto Marktspiel- hoher Prozentsatz unserer Gesprächspartner. Dabei hat diese
regeln und Kundenerwartungen und die Notwendigkeit, Zukunft längst begonnen, und vielen CCO’s liegt die aktive
ihre erfolgreiche Zukunft aktiv mitzugestalten, statt sich Gestaltung einer echten Transformationsagenda sehr am
von den neuen Marktkräften überrollen zu lassen. Herzen, um nicht die notwendigen Schritte in eine erfolg-
reiche Zukunft zu verpassen.
15. IBM Global Business Services 13
Ursachen für die Gegenwartsszenarien
Ist die Finanzkrise alleine Schuld an der Situation der Unternehmen?
Preiskrieg Verdrängungs-
wettbewerb
„Die Finanzkrise hat
schonungslos offen
gelegt, was vorher
schon im Argen lag.“
Gesetze & Struktureller
Verbraucherschutz Wandel
16. 14 Chief Customer Officer Survey 2009
Die Finanzkrise hat die aktuellen Probleme Der reaktive Teufelskreis beginnt mit
nicht geschaffen. Nur offengelegt und hochdynamischen Markt- und Kunden-
drastisch verschärft. strukturen. Er schließt sich mit Kosten-
Wie zu erwarten, nannte ein hoher Prozentsatz (38 %) die und Controllingdruck.
gegenwärtige Wirtschaftskrise als einen Mitauslöser für ihre In Summe beschreiben uns die CCO’s einen reaktiven
aktuellen Herausforderungen (siehe auch Abb. 6 auf Seite 15). Teufelskreis: Kein anderer Aspekt wurde in den Gesprächen
mit den deutschen und schweizerischen CCO’s so häufig als
Für die Mehrheit der CCO’s (62 %) jedoch gehört die Wirt- Verursacher für die aktuellen Herausforderungen genannt
schaftskrise nicht zu den drei wichtigsten Hauptverursachern wie ein fundamentaler Wandel in Markt- und Kundenstruk-
ihrer aktuell brennendsten Themen. Würde man das Branchen- turen: 30 % setzten diesen Punkt auf die Agenda mit ihren
segment B2B herausrechnen, steigt dieser Anteil sogar auf 75 %. drei wichtigsten aktuellen Herausforderungen.
Außerdem lautet der generelle Tenor: Die Finanzkrise hat Dieses im vorangegangenen Kapitel näher beschriebene
verstärkt und schonungslos offen gelegt, was vorher schon im Konstrukt führt – verstärkt noch durch die Wirtschaftskrise
Argen lag. Kaum ein Befragter (auch nicht aus der Banken- – in vielen Fällen zu einem heftigen Verdrängungswettbe-
branche) war der Meinung, allein die Finanzkrise sei verant- werb, der häufig über aggressive Preiskriege geführt wird.
wortlich für die augenblicklichen Herausforderungen und Dies verursacht wiederum einen enormen Kostendruck bei
Probleme seines Unternehmens. den Anbietern selbst. Die Strategien und Reorganisationen,
mit denen darauf geantwortet wird, erzeugen oftmals direkt
„Alles, was wir heute sehen, war vorher schon da. Nur jetzt ist eine zusätzliche Herausforderung.
es wirklich dringend und kriegsentscheidend“, sagte uns ein
international verantwortlicher Marketingleiter im Gespräch. In vielen Fällen steht die Globalisierung mit ihrer hohen
Komplexität, ihrer enormen Wettbewerbsschärfe und der
„Die Finanzkrise hat einfach nur schon vorher aus dem Ruder ihr immanenten Geschwindigkeitskurve am Ausgangspunkt
gelaufene Entwicklungen drastisch verstärkt“, meinte auch ein der spürbaren Marktänderungen.
Head of Global Strategy.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sind v. a.
Zwei Ansichten, die wir so oder ähnlich in fast allen Gesprächen Flexibilität, Innovationskraft und Unternehmertum in den
gehört haben. Köpfen der Einzelnen und aller gefragt. Doch gerade dafür
bildet die gelebte Globalität in den großen Unternehmen
oftmals mit die größte Barriere:
„Wenn die Krise nicht gekommen wäre, hätte man sie
„Wir brauchen Flexibilität in den Anbieterstrukturen und den
erfinden müssen, damit sich endlich etwas bewegt.“
Prozessen, kein Micro-Management. Und genau das ist die
– Ein Teilnehmer der CCO Survey 2009 Gefahr, in die wir bei der Globalisierung laufen mit ihrem
Quartals- und Wochen-Forecast und ihrer Kurzfristdenke“,
bringt ein internationaler Head of Marketing auch die Ein-
schätzung vieler anderen Studienteilnehmer aus verschiedenen
Branchen auf den Punkt.
Das Thema Globalisierung als Verursacher spielt aus Sicht
der 2. Führungsebene eine größere Rolle als auf C-Level,
vermutlich weil sie näher an der tatsächlichen Ausführung
im operativen Geschäft sind.
17. IBM Global Business Services 15
Aktuelle Wirtschaftskrise 38
Strukturelle Gründe/Wandel im Markt 30
Gesetze & Verbraucherschutz 26
Veränderte Kundenhaltung/-erwartungen 26
Preiskrieg & Verdrängungswettbewerb 24
Hoher Kostendruck 24
Unternehmensstrategie/-(re)organisation 20
Alle Survey-Teilnehmer; maximal drei Nennungen zulässig. Alle Angaben in %.
Abb. 6: Die wichtigsten Verursacher/Auslöser der größten aktuellen Herausforderungen
Das B2B-Segment erkennt seine struktu-
rellen Probleme, macht jedoch verstärkt „Der Wandel in den Kundenanforderungen, der
die Wirtschaftskrise dafür verantwortlich. extreme Fokus auf kurzfristigen Return und
Exemplarische Stellungnahmen von C-Level Gesprächspart- auf kontinuierliche Zahlungsströme statt upfront-
nern verdeutlichen die Kernprobleme im B2B-Bereich: Bezahlung treibt uns in völlig neue Geschäftsmodelle.
Nicht darauf einzugehen wäre ein Risiko.“
„Wir sehen eine drastische Verschiebung des geographischen
– Ein international verantwortlicher Sales Executive
Portfolios. Das ist und bleibt die Ursache unserer wichtigsten
Herausforderungen.“
„Wir müssen eine komplette Verschmelzung innerhalb Trotz dieser klaren Bekenntnisse zu einem strukturellen
der vertikalen Wertschöpfungskette hinbekommen.“ Problem und der wiederholten Aussage, dass die Wirtschafts-
krise nichts anderes getan habe, als vorher schon vorhandene
„In den reifen Märkten sehe ich nur noch minimales Wachs- Defizite nun offensichtlich und äußerst dringlich werden zu
tum oder Stagnation. In den Emerging Markets ist der lassen, macht kein anderes Segment die Wirtschaftskrise so sehr
Rückgang schwächer, aber auch hier haben wir nicht mehr für seine aktuelle, extern bestimmte Agenda verantwortlich.
die hohen zweistelligen Wachstumsraten der letzten Jahre.“
Ohne die Befragten aus dem B2B-Segment, würde dieser
Aspekt in der Gesamtbetrachtung mit 25 % nur einen Rang 4
auf der Liste der Hauptauslöser einnehmen.
18. 16 Chief Customer Officer Survey 2009
Umsatzeinbußen erklären sich großteils über
Ausgabebereitschaft und bewusstere Kauf-
entscheidungen im B2C wie im B2B-Bereich.
Hohe Personalkosten und sinkende Zahlungsfähigkeit der Kun-
den wurden nur äußerst selten als Verursacher der wesentlichen
Herausforderungen der Gegenwart genannt.
De facto waren die CCO’s sämtlicher Branchensegmente zum
ganz überwiegenden Teil der Ansicht, dass das Zahlungsthema
weder im B2C noch im B2B-Bereich ein Problem der Möglich-
keiten sei, sondern der Bereitschaft. Oder anders: Dass es sich
großteils nicht um ein reales, sondern um ein psychologisch-
mentales Problem handle. Die Kunden gäben durchaus weiter
aus, aber anders – von ihrer Einstellung aus betrachtet -, auch
für andere Dinge und bei anderen Anbietern.
Der größte Unterschied liegt darin, dass B2B genauso wie
B2C-Kunden heute ihre Kauf- und Investitionsentscheidungen
weitaus bewusster treffen als noch vor einem Jahr. Ein Ja bedeu-
tet heute ‚das ist mir die Sache wert‘ oder ‚das bin ich mir
wert/das gönne ich mir‘, ein Nein bedeutet heute ‚das will bzw.
brauche ich nicht unbedingt‘, ‚darauf kann ich auch ganz gut
verzichten‘.
Die große Menge an halbherzigen, Nebenbei- oder Spontan-
ausgaben fällt damit durch den Rost, die Qualität der Ent-
scheidungen steigt. Und der Käufer, der heute NEIN sagt,
weiss auch morgen noch genau weshalb.
Dieser Faktor der gesunkenen Ausgabebereitschaft spielt bei
Entscheidern mit internationaler Verantwortung eine noch
größere Rolle.
19. IBM Global Business Services 17
Bestgeeignete Gegenmaßnahmen
Der Trend geht zur Erhöhung des Pull-Effektes auf Kundenseite
Kunden- Kunden gewinnen
Kommunikation und halten
„Durch Rückbesinnung
auf ein elementares
Kundenverständnis
der ‚Produktinnova-
tions-Beschleunigungs-
falle‘ entkommen.“
Customer Insight/
Vertrauensaufbau
Business Intelligence
20. 18 Chief Customer Officer Survey 2009
Rückbesinnung auf das elementare Kun- Dieses Prinzip ist als Erkenntnis keineswegs neu, in der
denverständnis als bester Weg, sich aus Umsetzung brilliert allerdings bis heute kaum ein Unterneh-
men. Die in den letzten Jahren weiter forcierten Richtungen
der ‚Produktinnovations-Beschleunigungs-
der Kanalautomatisierung und des digitalen Push-Marketing
falle‘ zu befreien. haben diese Pull-Philosophie noch weiter in die theoretische
Angesichts der Wirtschaftskrise mit als Folge gekürzten Ecke verbannt3.
Marketing-, Vertriebs- und Servicebudgets könnte man
vermuten, dass sich v. a. zwei aktuelle Tendenzen der Ver- Angesichts des konzentrierten Heraufziehens neuer Markt-
marktung auch in der Zukunft weiter verstärken werden: strukturen jedoch erscheint die Rückbesinnung auf dieses
elementare Kundenverständnis nun als der Königsweg raus aus
• Ersatz der ‚klassischen‘ Werbung in Richtung digitale der ‚Produktinnovations-Beschleunigungsfalle‘. So kommt es,
Medien und Social Web (aus Trend- und aus Kostengründen) dass die drei Themen ‚Customer Insight/Business Intelligence‘,
• Verstärkung der oben genannten ‚digitalen‘ Push-Marketing- ‚Zielgruppensegmentierung und -steuerung‘ sowie ‚Auch
Maßnahmen durch traditionelle vertriebliche Aktivitäten wie investieren – nämlich in genau diese tiefe Kundenkenntnis – statt
eine intensivere und/oder häufigere Vertriebsbetreuung etc. nur Kostensenken‘ von den CCO’s unter die fünf Lösungen
gewählt wurden, von denen sie sich die stärkste Wirkung
In der Tat wird nach Aussage der CCO’s die ‚digitale‘ Push- in Sachen Bekämpfung der anstehenden Herausforderungen
Maßnahme fortgesetzt, aber insgesamt prognostizieren sie versprechen (Abb. 7).
einen deutlichen Shift und neuen Trend hin zu signifikant
mehr Pull-Effekt-Generierung bei den Kunden – selbst im
B2B-Bereich. Anstelle der vielerorts noch immer und gerade
in 2009 noch intensiver praktizierten Push-Variante setzen
viele CCO’s für die nahe Zukunft wieder auf das Modell
‚Wenn ich wirklich verstehe, was im Kopf meiner Kunden vor sich
geht, kann ich mich so in seine Denk- und Gefühlswelt einklinken,
dass ich ein natürlicher Teil dieser Welt für ihn werde und er von
sich aus auf mich zukommt‘.
Dialog-Marketing/Kundenkommunikation 30
Effizienzerhöhung in Marketing und Vertrieb 22
Kundennutzen im Mittelpunkt 20
Unterstützung Handelsorganisation/Agenten 20
Customer Intimacy/Business Intelligence 18
Auch investieren statt nur Kostensenkung 16
Zielgruppensegmentierung und -steuerung 16
Prozess(kosten)-Optimierung 16
Alle Survey-Teilnehmer; maximal drei Nennungen zulässig. Alle Angaben in %.
Abb. 7: Bestgeeignete Maßnahmen, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen
21. IBM Global Business Services 19
Die Lösung: Kunden halten, ausbauen und Die ebenfalls häufig formulierte Ideallösung ‚Effizienzerhöhung
gewinnen durch smartere Marketing-, in Marketing und Vertrieb‘ darf hier nicht mit Personaleinspa-
rung und Kostenschraube gleichgesetzt werden. Neben einer
Vertriebs- und Service-Maßnahmen.
Verschlankung der Vertriebsmannschaft und dem Umstieg auf
Anders als es eine Marktsituation mit deutlichen bis starken
kostengünstigere Kommunikations- und Vertriebskanäle wird
Umsatzeinbrüchen, strukturellen Krisen und einer turbulenten
bei diesem Punkt vor allem in folgende Richtungen gedacht:
Gesamtlage vielleicht vermuten ließe, stehen nicht Kosten- und
Personalreduzierung ganz oben auf der CCO Agenda zur
• Durch smartere Ressourcen-Allokation und/oder
Maßnahmenplanung.
Mediennutzung mit demselben Budget mehr erreichen
• Mehr Kostentransparenz und höhere Prozesseffizienz in
Unabhängig vom jeweiligen Strauß an Herausforderungen des
Marketing, Vertrieb und Service, u. a. durch intelligentes
einzelnen Survey-Teilnehmers: Die übergeordnete Zielsetzung
Performance Tracking und durch kundenrelevante
bei allen wesentlichen Lösungsansätzen, die uns für die jeweili-
KPI-Reportingsysteme
gen Probleme genannt wurde, lautet: Kunden halten, ausbauen
• Investitionen im Bereich Cross-Selling
und neu gewinnen. Und zwar über echten Kundendialog, über
• Antizyklisches, überproportionales Wachstum von
Vertrauensaufbau und wirkliche Bindung ans Unternehmen, also
Dialog-Marketing i. Vgl. zu klassischer Werbung.
kein reines Push-Verhalten.
Der Fokus zur Lösung ihrer Schlüsselprobleme liegt für die
Dafür werden in erster Linie Themen aus dem Methoden-
CCO’s damit nicht auf reiner Kosten- und Personaleinspa-
spektrum Business Analytics & Optimization als Lösungsweg
rung, sondern auf einer Transformationsagenda zur Adressie-
gesehen: Einerseits Customer Insight und Customer Intimacy
rung ihres Problems Nr. 1 – den neuen Markt- und Kunden-
in allen Aspekten, um echten Kundennutzen und echte Kunden-
strukturen.
relevanz bieten zu können. Andererseits auch Steuerung,
Monitoring und (Effizienz-)Controlling. Beide Aspekte bezie-
hen sich auch auf die Thematik ‚Unterstützung unserer Han-
delsorganisation bzw. Vermittler‘.
22. 20 Chief Customer Officer Survey 2009
Der Trend geht zur Generierung eines Erzeugt werden soll diese dann nachfragesteigernde Kundenre-
deutlich höheren Pull-Effektes auf Kunden- levanz durch ein tieferes Kundenverständnis, mehr Kundennähe,
zielgenauere Ansprache oder Betreuung und eine stärkere
seite. Im B2B-Bereich genauso wie im
Fokussierung auf den Kundennutzen aus dessen Sicht.
B2C-Umfeld.
Verbindet man die am häufigsten genannten Lösungen für die
Wird der Kontakt zum Endkunden über Händler und
sechs wichtigsten zitierten Herausforderungen der Marketing,
Vermittler gehalten, so ist es das Bestreben, diese Zwischen-
Sales und Service Executives, dann liegt der klare Fokus auf
stufen ebenfalls mit den entsprechenden Instrumenten
Dialog-Marketing (Nr. 1), gefolgt von Unterstützung der
auszurüsten.
Handelsorganisation auf Platz 2 und Customer Intimacy/
Business Intelligence auf Platz 3.
Für diese echte Kundenrelevanz sind die Executives auch
durchaus bereit zu investieren. Neben schon besagten
Auch die nächstwichtigen Lösungen zielen in dieselbe
Business Intelligence-Instrumenten wurden hier vor allem
Richtung: Erzeugung eines viel stärkeren Pull-Effektes
folgende Maßnahmen erwähnt: Dialogmarketing, Relation-
seitens der Kunden – egal ob Geschäfts- oder Privatkunde –
ship Management, CRM-Systeme, multilaterale Kontakt-
durch mehr Kundenrelevanz.
strategien und Gehälter der Vertriebsmannschaft.
1
30 Anpassung an neue Kunden/-erwartungen & Märkte
20
24 Vermeidung der Discount-Spirale
Kunden gewinnen/Kunden halten
2 3
18 Gesetze und Verbraucherschutz Unterstützung Dialog - Customer
16 Relationship Management mit Retailern/Agenten Handelsorganisation/ Marketing/ Intimacy/
Agenten Kunden - Business Intelligence
16 Erfolgreiche Durchführung lfd./geplanter CRM-Initiativen
kommunikation
Alle Angaben in %.
Gesamtstichprobe
Die größten Herausforderungen und ... ... deren meistgenannte Lösungen
Abb. 8: Die am häufigsten genannten Lösungen für die Top 6 der empfundenen Herausforderungen.
23. IBM Global Business Services 21
Zukünftige Haupterfolgsfaktoren
Rückbesinnung – Neben dem Value für den Shareholder auch mehr Wert für den Kunden
Adäquate Kanäle Starke Brand
„Echte Kunden-
relevanz als
Haupterfolgs-
faktor der Zukunft
zeichnet sich ab.“
(Emotionale) Rückbesinnung auf
Kundenbindung klassische Werte
24. 22 Chief Customer Officer Survey 2009
Kundenrelevanz als Haupterfolgsfaktor der Ganz oben auf der Erfolgsliste rangieren somit alle Faktoren,
Zukunft gewinnt mit 3:1 gegen (Kosten-) die für eine Erhöhung von Kundenrelevanz und Pull-Effekt
beim Kunden notwendig sind: Den Kunden wirklich tief
Effizienz und mit 5:1 gegen günstige Preise.
kennen, ihn zielgerichtet ansteuern, mit ihm im Dialog bleiben,
Was sind in den Augen der Chief Customer Officers die drei ihm die adäquaten Kanäle anbieten und vor allem: Eine emotio-
wichtigsten aktuellen und künftigen Haupterfolgsfaktoren im nale, starke Bindung erzielen, über die Marke genauso wie über
Bereich Marketing, Vertrieb und Service? das reale Erleben der Markenversprechen.
Auch hier ist (Kosten-)Effizienz ein Aspekt, jedoch wird er mit
14 % Nennungen keineswegs zu den wichtigsten Erfolgspara-
metern gezählt. „Der Schlüsselfaktor heißt für mich: Integrierte
Qualität über alle Vertriebsstufen von Marketing
Ganz oben stehen wiederum alle Aspekte rund um den
über Sales bis zum Service. Die meisten versprechen
Kunden: Kunden gewinnen, ausbauen und halten, Erhöhung
des Pull-Effektes beim Kunden – im B2B-Geschäft genauso Dinge in schönen, bunten Bildern, die sie später
wie im B2C-Bereich – lautet die Maxime. nicht leisten können.“
– Ein Marketing- und Vertriebsvorstand
Kundenrelevanz und Kundenfokus erscheint den CCO’s mehr
als dreimal so wichtig wie (Kosten-)Effizienz und fast fünfmal
wichtiger als günstige Preise für den Kunden. (Kosten-)
Effizienz und günstige Preise werden außerdem als bestenfalls
halb so entscheidend eingestuft wie das emotionale Marken-
versprechen.
Lower Focus Kundenrelevanz/Kundenfokus/Kundennutzen 48
Emotionales Markenversprechen/Starke Brand 26
(Emotionale) Kundenbindung/Kundenbeziehung 22
Seriosität von Angeboten und Kommunikation 22
Zielgruppensegmentierung & gezieltes Direkt-Marketing 22
Kundenkenntnis/Kundenverständnis 20
Vertriebspower/Gute Kanal-Orchestrierung 18
Differenzierung/Alleinstellung 18
10 IT-Systeme und Digitale Medien/Kommunikationskanäle
10 Erschwingliche Preise/Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
10 (Schnelle) Reaktion auf Marktveränderungen und Wettbewerber
10 Innovationskraft/Schnelle Innovationszyklen
10 Struktur und Kultur unserer Organisation
14 Kontinuität, Klarheit und Fokus
14 (Kosten-)Effizienz
14 Servicequalität/Passende Service-Packages Higher Focus
Alle Survey-Teilnehmer; Mehtrfachnennungen zulässig. Alle Angaben in %. Nennungen unter 10 % sind nicht gelistet.
Abb. 9: Die drei entscheidenden Haupterfolgsfaktoren heute und in der Zukunft im Bereich Marketing, Vertrieb und Service
25. IBM Global Business Services 23
Für drei Viertel der CCO’s stehen mittelfristig Mehr Augenmerk auf das ‚Was‘ als auf
die Veränderungschancen durch die heuti- das ‚Wie‘, und der Firmenkunde gilt noch
gen Brennpunkte im Vordergrund, und immer als ein Mensch ohne Emotionen.
die Mehrheit der Befragungsunternehmen Wir stellten fest, dass sich die Entscheidungsträger bei der
arbeitet bereits aktiv an den Ideallösungen. Formulierung der Haupterfolgsfaktoren der Zukunft mehrheit-
Wie schätzen die CCO’s ihre heutigen Herausforderungen lich auf das ,Was‘ und weniger auf das ,Wie‘ konzentrierten.
auf einem Zeitstrahl von 12 bis 18 Monaten in die Zukunft
betrachtet ein? Überwiegen in ihren Augen zu diesem Zeit- Dies erklärt, weshalb die in einem so dynamischen Marktum-
punkt noch immer die Risiken oder ist das Chancenpotenzial feld elementaren Aspekte wie Innovationskraft und -geschwin-
höher? digkeit, schnelle Reaktionen auf Veränderungen bei gleich-
zeitiger Klarheit und einem Kontinuum im Fokus, die Be-
Im Querschnitt über alle Branchen stufen drei Viertel aller herrschung von Branchenkonvergenz sowie die Einbindung
Befragten ihre heutigen Problemfelder eindeutig als Geburts- von Kunden in den Produkt- bzw. Serviceentwicklungsprozess
helfer für eine bessere Zukunft ein. Ihre Begründung: Aus bei dieser Frage nicht auf den vordersten Plätzen rangieren.
dem Handlungsdruck werden ihrer Erwartung nach vor allem
positive Veränderungen in ihrem Unternehmen entstehen. Deren hohe Bedeutung auf dem Weg zum Ziel ist den Umfrage-
teilnehmern dabei durchaus bewusst, was sich auch beim Blick
Nur ein Viertel sieht überwiegend den Risikoaspekt im in die Branchensegmente zeigt.
Vordergrund.
Bei diesem Fragekomplex fiel uns außerdem besonders auf: In
Interessant daran: Im Branchensegment Pharma/LifeSciences/ Bezug auf die Zusammenarbeit mit Handelsorganisationen
Chemie überwiegt der positive Blickwinkel noch stärker, und Vermittlern sprachen die Executives sehr häufig von der
dagegen schätzten die Finanzdienstleister ihre momentanen Bedeutung von Emotionen, dem Faktor Mensch und individuell
Fokusthemen als einziges Branchensegment zu beinahe 50 % passenden Ansprachen. Oft verwendeten sie in diesem Zusam-
als Risiken auch für die mittelfristige Zukunft ein. menhang auch den Begriff ‚meine Kunden‘.
Wir gingen außerdem der Frage nach, ob sich viele der aus Sicht „Letztendlich entscheidet sich der Kunde (= Handelspartner)
der CCO’s notwendigen Lösungen für ihre aktuellen Heraus- immer für einen Menschen“, war z. B. eine typische Aussage.
forderungen – vor allem angesichts der bereits vollzogenen
Budget-Kürzungen – noch im Planungsstatus befinden oder Was uns daran verblüfft, ist: Retailer und Agenten als ‚Kunden‘
sogar erst in der Phase ‚Ideallösung, ohne aktuelle Planungs- werden offenbar durchaus als Individuen mit Emotionen
schritte‘. gesehen, die es im Verkaufs- und Betreuungsprozess zu beach-
ten gilt. Trotzdem hält sich bei den meisten B2B-Unternehmen,
Tatsächlich befinden sich im Querschnitt über alle Branchen die direkt an ihre (Firmen-)Kunden verkaufen, hartnäckig das
ca. 60 % aller ‚Ideallösungen‘ bereits aktuell bei den führenden Vorurteil, auf den ‚Geschäftskunden‘ seien Segmentierungen
Unternehmen im deutschsprachigen Raum in der Umsetzung. und Verkaufsansätze mit psychographischen Merkmalen oder
Weitere 20 % der Gegenmaßnahmen sind schon konkret ge- emotionale Bindungsstrategien nicht übertrag- und anwendbar
plant, und nur die restlichen 20 % sind noch im Stadium
der Vorplanung ohne konkreten Hinweis auf Umsetzung in Es gibt also anscheinend
absehbarer Zeit.
• einen Privat-Kunden-Menschen
Nur im Segment ‚Produzierende Unternehmen/B2B‘ ist die • einen (Handels-)Partner-Menschen und
Gesamtlage etwas weniger positiv: Mit 50 % der Wunsch- • einen Firmenkunden-Menschen.
lösungen in der Umsetzungsphase und je etwa einem Viertel
in Planung respektive im noch ungeplanten Status, findet sich Und in manchen Branchen gilt der Firmenkunde auch 2009
hier eine etwas geringere Realisierungs- und eine etwas noch immer als ein Mensch ohne Emotionen.
höhere ‚Wunsch‘-Rate als im Gesamtdurchschnitt.
Einige B2B-Unternehmen praktizieren gleichwohl auch im
Geschäftskundenbereich psychographische Segmentierungen
und Verkaufsansätze bereits länger und erfolgreich.
26. 24 Chief Customer Officer Survey 2009
Eine Rückbesinnung auf klassische Werte
zeichnet sich ab. Neben dem Value für
den Shareholder auch mehr Wert für den
Kunden.
Bei der Frage nach den aktuellen und künftigen Haupterfolgs-
faktoren im Bereich Marketing, Vertrieb und Service hebt v. a.
die Gruppe der C-Level Teilnehmer einen weiteren Aspekt als
besonders erfolgskritisch hervor: Die Seriosität von Angeboten
und Kommunikation.
Dieser Faktor wird außerdem verstärkt von den Branchenseg-
menten Finanzdiensleister und Konsum & Handel betont, wie
auch von den Service-Executives.
Eine Rückbesinnung auf klassische Werte zog sich generell
durch die Gespräche:
Substanz, Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit, Vertrauen, Konstanz, Lang-
fristigkeit, Bindung, Verständnis, echter Nutzen waren Schlüssel-
begriffe, die in nahezu allen Interviews einen größeren Raum
einnahmen als Themen wie Marktanteilserhöhung oder
Umsatzwachstum.
Auch stand in vielen Gesprächen der Wert für den Kunden
noch deutlich stärker im Vordergrund als der Shareholder
Value.
27. IBM Global Business Services 25
Herausforderungen und Haupterfolgsfaktoren
vor und nach der Wirtschaftskrise
Alte Problemstellungen in neuem Kontext mit erhöhter Dynamik
Anderer Versäumte Defizite
Blickwinkel der Vergangenheit
„Everybody sees
who was swimming
naked when the
tide goes out.“
Verändertes
Neue Ernsthaftigkeit Ausgabeverhalten
28. 26 Chief Customer Officer Survey 2009
Die neue Situation hat alte Ursachen oder „Don’t waste the crisis“, hat ein global verantwortlicher Marken-
‚Everybody sees who was swimming naked chef Präsident John F. Kennedy’s Satz aus 1959 zitiert, den
auch White House Chief of Staff Rahm Emanuel im Jahr 2009
when the tide goes out‘.
neu aufgenommen hat, „denn Krisen machen Dinge immer sehr
Hat die globale Finanz- und Wirtschaftskrise die Spielregeln
bewusst“.
so kräftig verändert, die Märkte so nachhaltig durchgeschüt-
telt, dass die CCO’s aktuell vor stark veränderten Herausfor-
Gleichzeitig fasste er auch das Dilemma und die Bedenken
derungen stehen und andere Haupterfolgsfaktoren für die
vieler Unternehmen anschaulich zusammen: „Zeiten, in
Zukunft sehen als das vor dem Beginn der Krise der Fall war?
denen Leute Angst um ihre Jobs und ihre Häuser haben, sind
keine Zeiten, in der man besonders stark in strategische Aufbau-
Die Studienergebnisse kommen nicht zu diesem Schluss.
arbeiten investieren kann. Und das heißt auch: Defizite aus
64 % der Befragten sehen keine bzw. kaum Veränderungen
der Vergangenheit können jetzt nicht behoben werden.“
in den Herausforderungen als solche. Eine Veränderung
in den Haupterfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Zukunft
Ein anderer Teil der Befragten, war dagegen eher der
schätzen sogar 82 % der Befragten als eher gering ein.
Auffassung wenn nicht jetzt, wann denn dann?
Der Unterschied zwischen heute und dem Zeitpunkt vor der
Witschaftskrise liegt in einem anderen Aspekt: „Everybody
sees who was swimming naked when the tide goes out“, sagte „Mit den Stories, mit denen man vor 18 Monaten
Warren Buffet einst. Genau dieses Zitat fasst die Meinung erfolgreich war, kann man auch heute noch
der Befragten zusammen: Alle Aufgaben, alle problematischen erfolgreich sein.“
Themen, alle Leitlinien waren schon vorher da, nur werden
– Kundenservice-Verantwortlicher
sie jetzt durch die Krise schonungslos offengelegt, und es
entsteht der unbedingte Zwang, das anzugehen, was längst
hätte getan werden müssen.
Einigkeit bestand bei beiden Gruppen und der großen
Mehrheit der befragten CCO’s darin, dass die Krise weder
die Probleme noch die Erfolgsfaktoren größer verändert hat,
wohl aber den Blickwinkel auf beides und die Ernsthaftigkeit,
mit der jetzt Herausforderungen zur Kenntnis genommen
und Lösungsparameter genutzt werden.
29. IBM Global Business Services 27
Stärkste Herausforderungen Haupterfolgsfaktoren
64 % sehen kaum 32 82 % sehen kaum
22 22 Unterschiede 30 Unterschiede
20
14 20
12
10
12
4
2
1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
Keinerlei Sehr starker Keinerlei Sehr starker
Unterschied Unterschied Unterschied Unterschied
Gesamtstichprobe; alle Angaben in Prozent; fehlende Anteile auf 100 %: keine Angabe/weiß nicht. Alle Angaben in %.
Abb. 10: Wahrgenommene Unterschiede bzgl. Herausforderungen und Haupterfolgsfaktoren i. Vgl. zur Zeit vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise
Struktureller Marktwandel und gesunkene Was die Gruppe derer, die eine signifikante Veränderung
Ausgabebereitschaft verursachen drastische bzgl. Herausforderungen oder Haupterfolgsfaktoren nach
Beginn der globalen Krise wahrnimmt, de facto auf nur noch
Umsatzeinbrüche. Dies nimmt den Spiel-
24 % reduziert.
raum für Investitionen, um sich an den
neuen Markt anzupassen. Von den übrigen wurden als Hauptfaktor eindeutig die
Ein gutes Drittel der Survey-Teilnehmer sah trotzdem teilweise drastischen Umsatzeinbrüche identifiziert, die sich
entweder bei den Herausforderungen oder den Haupterfolgs- aus einem Zusammenspiel von strukturellem Marktwandel
faktoren oder bei beiden Aspekten eine deutliche bis sehr und einer gesunkenen Ausgabebereitschaft (also nicht Aus-
starke Veränderung. Unter den Marketing-Verantwortlichen gabefähigkeit!) der Kunden entwickelt hätten (zur Thematik
ist der Anteil, die diese hohe Dynamik sieht, noch etwas der Ausgabebereitschaft siehe Seite 16).
stärker ausgeprägt (ca. 45 %).
Als Folge steigt für die Executives im Bereich Marketing,
Dieses Drittel unserer Gesprächspartner haben wir gebeten, Vertrieb und Service der interne Kostendruck bei einer
uns zu erläutern, worin für sie der hauptsächliche Unterschied gleichzeitigen Verringerung ihrer Investitionsmöglichkeiten.
bestehe.
Gerade letzteres nimmt ihnen vielerorts die Luft für dringend
Ein knappes Fünftel dieser Teilgruppe bestätigte uns an notwendige Maßnahmen, um einerseits neue Lösungen für
dieser Stelle wiederum, dass die Veränderungen nicht in den veränderte Marktgesetzmäßigkeiten zu entwickeln und
Faktoren selbst lägen, sondern dass vor allem die Dynamik auf andererseits positiv auf die lahmende Ausgabebereitschaft
diesen Aspekten den großen Unterschied für sie ausmache. ihrer Kunden einzuwirken.
Womit sich der Teufelskreis schließt.
31. IBM Global Business Services 29
Prognostizierte Entwicklung der Investitionsbudgets
Drastische Einbrüche im Marketingbudget erwartet; Service mit leichtem Nettoanstieg
Strategischer Fokus Parallel
Auf-und Abbau
„Teils drastischer
Budget-Cut im
Marketing und
leichter Netto-
anstieg im
Servicebereich
prognostiziert.“
Budget-Umverteilung Markenwert-Risiko
32. 30 Chief Customer Officer Survey 2009
Teils drastische Einbrüche im Marketing- Marketing durchaus bewusst sind. Zusammen mit der Thema-
Budget erwartet. Service schneidet mit tik, wie sich Nachhaltigkeit, Kontinuität und strategischer
Weitblick mit der aktuellen Kurzfristdenke vereinbaren lassen,
einer Nettoanstiegsprognose am besten ab.
beschäftigt sie dieser Punkt besonders.
De facto wird in allen drei Bereichen sowohl abgebaut als auch
aufgebaut – wenngleich auch mit unterschiedlicher Stärke. Im Vertrieb halten sich mit -28 %/+32 % die Prognosen über
Einen ‚Nettogewinn‘ verzeichnet kurz- bis mittelfristig nach Rückgang oder Anstieg in etwa die Waage, während im
den Erkentnissen der Survey einzig der Bereich Kundenservice. Service-Bereich in Summe eher ein Anstieg erwartet wird
(+8 % bei Gegenrechnung Anstieg/Abstieg).
40 % aller befragten Executives erwarten im Bereich Marketing
kurz- bis mittelfristig einen leichten bis starken Rückgang des
Neben einem reinen Budget-Cut im
Investitionsbudgets. Bei den Befragten mit internationalem
Verantwortungsradius ist dieser Anteil sogar noch höher. Marketing erwarten 40 % noch eine Umver-
teilung zugunsten von Vertrieb und Service.
Nur 10 % aller Survey-Teilnehmer glauben an einen leichten bis Auch bei der Frage nach möglichen Budgetverschiebungen
starken Anstieg der Marketing-Budgets. Die restlichen 50 % innerhalb der drei Funktionen Marketing, Vertrieb und
prognostizieren keine Veränderung (44 %) oder können noch Service gehen die Studienteilnehmer wiederum davon aus,
keine Prognose abgeben (6 %). dass die Marketing-Fraktion das härteste Los hat: 40 % aller
befragten Entscheider sehen eine Budgetverschiebung weg
Damit sind die erwarteten Budgetkürzungen im Bereich vom Marketing und hin zu Vertrieb und/oder Service.
Marketing deutlich höher als im Bereich Sales oder Service. Die
Crux: Gerade ‚emotionales Markenversprechen‘ und ‚starke Eine Verschiebung innerhalb der drei Funktionen zu unguns-
Brand‘ werden von jedem fünften Gesprächspartner als größte ten von Vertrieb oder Service hielten ca. drei Viertel unserer
Stärke seines bzw. ihres Unternehmens genannt. Gesprächspartner für eher unwahrscheinlich.
Die jetzt bevorstehenden Einschnitte im Marketing-Etat
könnten genau diese besondere Stärke empfindlich gefährden.
Ein Risiko, dessen sich die Entscheidungsträger aus dem
Leichter bis starker Rückgang Leichter bis starker Anstieg
40
32
28 26
18
10
Marketing Sales Service Marketing Sales Service
Gesamtstichprobe. Alle Angaben in Prozent.
Abb. 11: Prognostizierte kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Investitionen im Bereich Marketing, Sales und Service
33. IBM Global Business Services 31
Aktuelle Erfolgsmessung in Marketing,
Vertrieb und Service
Starke Diskrepanz zwischen heute genutzten Key Performance Indicators
und den Erfolgsfaktoren von morgen
Umsatz/Wachstum Profit/Margen
„ Aktueller Stellen-
wert kunden-
bezogener Kenn-
zahlen wird der
heutigen Business-
Landschaft nicht
mehr gerecht.“
Key Performance
CFE Reportingsystem
Indicators
34. 32 Chief Customer Officer Survey 2009
Der heutige Stellenwert kundenbezogener Das Fazit der Studie: Noch hinken die Reportingsysteme der
KPIs passt nicht zu den aktuellen Heraus- auf CCO-Ebene bereits verstandenen Business-Realität
hinterher, doch erfreulicherweise deutet sich bei den Vor-
forderungen und den Erfolgsfaktoren von
reitern eine Trendwende an.
morgen.
Die veränderten Markt- und Kundenanforderungen, die uns
Die klassischen Finanzkennzahlen mit Umsatz(-wachstum)
die befragten CCO’s als ihre Herausforderung Nummer 1
und Profit beherrschen auch bei der Performance-Messung
bestätigt haben, zeichneten sich zwar teilweise noch verhalten,
der Bereiche Marketing, Vertrieb und Service das Feld. Dazu
aber trotzdem schon wahrnehmbar auch vor Durchführung
kommen weitere, funktionstypische Kenngrößen wie Return
dieser Studie im Wirtschaftskontext ab.
Rates bei Mailings oder Markenbekanntheit im Marketing,
Marktanteile oder Pipeline-Entwicklung im Vertrieb und
So lag die Frage nahe, ob und inwieweit Messgrößen und
prozessbezogene Kenngrößen wie Antwortgeschwindigkeit
Kennzahlreportingsysteme bereits an diese veränderte
und Anzahl geschlossener Tickets im Kundenservice.
Markt- und Kundenanforderungen angepasst werden.
Marketing
Umsatz/Wachstum 44
Profit/Margen 39
Effizienzmessung Aktionen 27
Bekanntheit/Image 24
CFE KPIs* 20
Auftragseingang/Pipeline/Leads 12
Persönliche Themen-/Projektziele 10
Sales Service
Umsatz/Wachstum 63
CFE KPIs* 56
Profit/Margen 44
Profit/Margen 28
Marktanteil 20
Umsatz/Wachstum 25
Neugeschäft/Neukunden 15
Service Prozess KPIs 19
Absatz/Volumen/Stückzahl 15
Auftragseingang/Pipeline/Leads 12 Performance Score Card/KPI Mix 14
CFE KPIs* 10
* CFE KPIs: Customer Focused Enterprise Key Performance Indicators, also Steuergrößen und Messkennzahlen hinsichtlich Kundenrelevanz und Kundenzentrierung.
Prozent auf Basis aller Befragungsteilnehmer, die KPIs in der entsprechenden Funktionskategorie genannt haben; Mehrfachnennungen zulässig; angezeigt sind nur
Nennungen mit mindestens 10 %. Alle Angaben in %.
Abb. 12: Primäre Kenngrößen, mit denen ‚Erfolg‘ in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service aktuell gemessen wird