Energiedienstleister haben die Dringlichkeit, in Sachen Marke zu handeln, offensichtlich entweder noch nicht erkannt oder es fehlt ihnen schlichtweg das nötige Know-how.
1. Unser Standpunkt.
Energiewirtschaft.
Alle machen Preis,
keiner macht Marke.
Der Start der Energiewende löste eine höchst dynamische Phase des Wandels auf
dem deutschen Energiemarkt aus. Unzählige neue Player wie z.B. die Telekom
oder auch Tengelmann Energie entern den Markt und gefühlt täglich ist von
neuen Geschäftsmodellen wie bspw. dem Contracting von Power-to-Heat
Technologien zu lesen.
Was allerdings das klassische Geschäft mit Strom und Gas und vor allem dessen
Vermarktung betrifft, hat sich in den letzten Jahren verhältnismäßig wenig
geändert. Nach wie vor versuchen die EVUs (Energieversorgungsunternehmen)
ihre Flut von circa 20.000 Energietarifen
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über den Preis zu verkaufen und
springen bei der Kommunikation willkürlich auf alle möglichen Themen auf. Das
ist eine erschreckende Erkenntnis - vor allem vor dem Hintergrund, dass laut einer
McKinsey Studie beim Produkt Strom die Bedeutung von Marke bei der
Kaufentscheidung seit 2010 mit einem Plus von 18% im Branchenvergleich
mitunter am stärksten angestiegen ist
2
. Energiedienstleister aber haben die
Dringlichkeit, in Sachen Marke zu handeln, offensichtlich entweder noch nicht
erkannt oder es fehlt ihnen schlichtweg das nötige Know-How.
Preis ist nicht alles
Entscheidungskriterien
bei der Wahl des
Energieversorgers
(Angaben in %)
ServiceRating
Umfrage Energieversorger, Februar 2014
Grafik
Quelle
2. Unser Standpunkt.
Energiewirtschaft: Alle machen Preis, keiner macht Marke.
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Thema
Seite
Der Verbraucher will Marke – nicht ohne Grund.
Wirft man einen genaueren Blick auf den Energiemarkt und seinen Umgang mit
Kunden, ist dieser Wunsch nach Marke leicht nachvollziehbar. In der
Öffentlichkeit ist der Energiemarkt verrufen und in Imagerankings schneidet die
Branche deshalb auch stets überdurchschnittlich schlecht ab
3
.
Die Gründe liegen unter anderem in den unseriösen Mitteln wie den
Überrumpelungen von Kunden an der Haustür, miesen Preismachenschaften wie
Vorkasse- oder Paketpreistricks, Insolvenzen wie von FlexStrom und Prokon oder
schlichtweg im üblen Marktverhalten wie dem Zusammenschluss zu Kartellen
4
.
Unter diesen Umständen sehnt sich der Verbraucher nach einem Konstrukt, an
das er glauben, auf das er vertrauen kann. Und nach einem Konstrukt, welches
ihm auf diesem Markt Orientierung gibt und die Entscheidungsfindung im
Tarifdschungel erleichtert. Um den Kunden diesen Wunsch zu erfüllen und damit
einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, sollten sich die EVUs klar positionieren
und Marke werden.
Energieversorger kämpfen an der falschen Front.
Doch was machen die Versorger? Statt sich auf die Entwicklung und Führung
ihrer Marken zu konzentrieren, beteiligen sie sich am Preiskampf und halten die
Strompreise auf Niedrigniveau
5
. Die gängige Ausrede: Energie sei nun mal ein
Low-Interest Commodity-Produkt. Vergleichbare Branchen zeigen jedoch, dass
erfolgreiche De-Commoditisierung möglich ist. So ist das Produkt der Telekom
nicht besser als das anderer Telekommunikationsdienstleister. Dennoch hebt sich
das Unternehmen mit seiner klaren Positionierung - „Erleben, was verbindet“ -
und deren sehr typischen kommunikativen Ausgestaltung stark vom Wettbewerb
ab. Auf dem Energiemarkt gelingt es dagegen keinem Anbieter, sich
kommunikativ wirklich zu differenzieren. Von Service, vorbildlicher
Kundenbetreuung, Nachhaltigkeit, Heimatverbundenheit und Energie der
Zukunft sprechen sie alle. Allerdings über alle Themen meist gleichzeitig und
ohne typischen Bezug zu ihren Unternehmensspezifika. Nur der Preis bleibt
folglich als differenzierendes Merkmal. Wer sich abseits preisgetriebener
Argumente vermarkten möchte, der sollte sich auf eines der Themen fokussieren
und es typisch erlebbar machen. Genügend relevante Themen, die den
Verbraucher ähnlich stark interessieren wie das Thema Preis, gäbe es (siehe
Abbildung): Verlässlichkeit, finanzielle Stabilität des Versorgers, Umweltschutz,
Regionalität
6
oder auch Einfachheit
7
.
Konsequente Positionierung als der Wettbewerbsvorteil.
Es geht also darum, als Marke wahrgenommen zu werden. Basis dafür ist die
Fokussierung auf eine einzige zentrale Idee. Die wirkliche Differenzierung zum
Wettbewerb erfolgt dann im zweiten Schritt: es gilt, diese Idee typisch
auszugestalten und sie über alle Dimensionen vom Angebot, der Gestalt und den
Botschaften bis hin zum Verhalten der Mitarbeiter erlebbar zu machen.
Aufschluss, worin diese Typik für ein Unternehmen besteht, geben bspw. die
3. Unser Standpunkt.
Energiewirtschaft: Alle machen Preis, keiner macht Marke.
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Thema
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Werte oder die Spezifika der Organisation. Erst durch diese Kombination findet
wirkliche Profilierung statt. Für Stadtwerke zahlt sich dementsprechend der Erfolg
einer konsequenten Positionierung im Themenfeld „Lokalität“ nachweislich aus8.
Dass es dabei immer um Typik geht, zeigt der Fall Polarstern: Der Münchner
Energieversorger positioniert sich im engen Marktfeld der Ökoenergieanbieter
bewusst fern jeder Ökoromantik und setzt stattdessen erfolgreich auf das Angebot
einer sinnvollen Alternative für die Zielgruppe der progressiven und strategischen
Konsumenten. Das Ökostrom und -gasunternehmen steht für ‚Wirklich bessere
Energie’ und versteht sich dabei selbst nicht nur als Energielieferant, sondern
vielmehr als soziale Bewegung. Aus diesem Grund ähnelt der gesamte
Markenauftritt von der Art und Weise wie der Kunde enorm persönlich und auf
Augenhöhe angesprochen wird bis hin zur entspannt-cleanen Gestaltung aller
Marketingmaterialien eher dem eines Lifestyle-Produkts für typische LOHAS als
der Markenpräsenz eines Tariflieferanten. Um das Versprechen der ‚Wirklich
besseren Energie’ dann auch noch vollends einzulösen, sind die Produkte des
Sinnlieferanten Polarstern auch tatsächlich zu 100% aus Wasserkraft und
organischen Abfällen gewonnen. Der Kunden erlebt über alle Dimensionen die
Idee von Polarstern auf die ganz typische coole idealistische Art.
Ist Ihre Marke typisch erlebbar?
1. Führen Sie jede Ihrer Markenaktivitäten auf eine zentrale Idee zurück?
2. Gehen Sie in der Ausgestaltung dieser Idee immer typisch für Ihr
Unternehmen vor?
3. Können Kunden tatsächlich spüren, egal auf welche Art und Weise sie mit
ihrem Unternehmen in Berührung kommen, wofür Sie stehen?
Sarah Liebischer
… ist Junior Consultant bei der GMK Markenberatung und begleitet
Unternehmen von der Markenpositionierung über die Definition schlüssiger
Markenerlebnisketten bis hin zur nachhaltigen Markenimplementierung bei
Mitarbeitern und Kunden.
s.liebischer@gmk-markenberatung.de
April 2014
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4. Unser Standpunkt.
Energiewirtschaft: Alle machen Preis, keiner macht Marke.
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Über GMK Markenberatung:
Die GMK Markenberatung ist der leistungsfähige Spezialist für Markenführung.
Mit über 20 Mitarbeitern an den Standorten Köln und München gehört sie zu den
führenden Markenberatungen in Deutschland. Seit 2006 berät sie große DAX-
Konzerne, etablierte Mittelständler sowie innovative Startups in Fragen der
Markenpositionierung und Markenführung. Sie unterstützt die EWE AG und
verantwortet die Positionierung des Ökoenergieanbieters Polarstern.
Weitere Kunden der GMK Markenberatung sind unter anderem die BMW Group
mit ihren Marken sowie Kaldewei, Vaillant oder der Westdeutsche Rundfunk
(WDR).
www.gmk-markenberatung.de
(Auszug)
1 Verivox.de, Februar 2014
2 McKinsey: Studie zur Markenrelevanz, Januar 2014
3 bdew: Imageranking Industrie- und Wirtschafszweige, 2013
4 Spiegel Online: Preistreiberei-Verdacht: Kartellwächter ermitteln gegen E.on, RWE und Co., 7. März 2013
5 Vattenfall Deutschland: Pressemitteilung, März 2013
6 ServiceRating: Umfrage Energieversorger, Februar 2014
7 Siegel + Gale: Brand Simplicity Index, 2012
8 Wiedmann, Ludewig: Commodity Branding, In: Enke, Geigenmüller, Commodity Marketing, 2011
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Quellen