Tradition schafft Vertrauen – gerade in einer schnelllebigen Welt voller Veränderungen. Was die Unternehmenskommunikation als „Heritage Communication“ zu einer eigenen Disziplin erhoben hat, birgt auch für Hochschulen und Forschungseinrichtungen Chancen für Imagepflege und PR. Die Botschaft: Bodenhaftung, Verlässlichkeit, Klarheit über eigenen Wurzeln. Weshalb es sich lohnt, die eigene Geschichte nicht nur an runden Geburtstagen zum Thema zu machen und wo die Potenziale einer erfolgreichen Vermarktung der eigenen institutionellen Vergangenheit liegen, zeigt dieser Beitrag anhand von Beispielen auf und gibt Anregungen für die praktische Umsetzung.
Michael Seifert: So spannend kann Wissenschaft sein
Andreas Archut: Tradition als Botschaft
1. G 1.4
Tradition als Botschaft
Chancen für die Wissenschafts- und Hochschulkommunikation
Andreas Archut
Tradition schafft Vertrauen – gerade in einer schnelllebigen Welt voller Veränderungen. Was die
Unternehmenskommunikation als „Heritage Communication“ zu einer eigenen Disziplin erhoben
hat, birgt auch für Hochschulen und Forschungseinrichtungen Chancen für Imagepflege und PR.
Die Botschaft: Bodenhaftung, Verlässlichkeit, Klarheit über eigenen Wurzeln. Weshalb es sich
lohnt, die eigene Geschichte nicht nur an runden Geburtstagen zum Thema zu machen und wo die
Potenziale einer erfolgreichen Vermarktung der eigenen institutionellen Vergangenheit liegen, zeigt
dieser Beitrag anhand von Beispielen auf und gibt Anregungen für die praktische Umsetzung.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Alte und neue Traditionen als Stoff für Hochschulkommunikation 3
3. Jubiläen und Jahrestage nutzen 4
4. Geschichten erzählen 6
5. Kleine Traditionen, großes Interesse 8
6. Geschichte in den Hochschulmedien 11
7. Tradition in Slogans, Namen und Signets 13
8. Ausstellungen und Universitätsmuseen 15
9. Dunkle Kapitel in der Geschichte 15
10. Fazit 16
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2. G 1.4 Das Leid mit dem Leitbild: Wie kommuniziere ich mein Profil?
Profil entwickeln, Nischen besetzen
1. Einleitung
Greifbare Zeugnisse Tradition spielt als Thema gerade in der Positionierung von Hoch-
einer großen Geschichte schulen eine nicht geringe Rolle. Viele akademische Einrichtungen
verweisen stolz auf ihre zum Teil Jahrhunderte alte Geschichte. Wäh-
rend in Deutschland viele Hochschulen in den Siebzigerjahren viel
Traditionelles als vermeintlichen Ballast über Bord geworfen haben,
unterstreichen gerade im angelsächsischen Raum viele Hochschulen
ihre lange Geschichte, die sie ganz selbstverständlich als einen Bau-
stein ihres Marketings zur Positionierung und Abgrenzung von ande-
ren Mitbewerbern präsentieren. Wie Wirtschaftsunternehmen versu-
chen Hochschulen, mit ihrer Vergangenheit und Unternehmensge-
schichte bei ihren wichtigen Zielgruppen zu punkten. Traditionen,
Titel, Rituale sind greifbare Zeugnisse einer großen Geschichte, sie
machen diese erlebbar. Die Botschaft könnte lauten: Wenn wir nicht
wüssten, was wir tun, wie wären wir wohl so alt geworden? Auch in
Deutschland erinnern sich immer mehr Hochschulen ihrer Vergangen-
heit und bauen diese in ihre Anstrengungen in Öffentlichkeitsarbeit
und Marketing ein. Gerade in einem Sektor, der immer wieder Refor-
men und Wandlungen unterworfen ist, schafft Tradition ein Klima, in
dem Vertrauen wachsen kann.
Für viele Hochschulen brachten die späten 60er- und frühen 70er-
Jahre eine Zäsur im Umgang mit ihrer Vergangenheit. Angesichts wü-
tender Studentenproteste der „68er“ trennten sich viele Hochschulen
von „alten Zöpfen“, verbannten als überkommen empfundene Rituale
aus dem akademischen Leben, sie entfernten die Symbole uralter Hie-
rarchien und „entzauberten“ so den universitären Alltag. Dabei muss-
ten insbesondere die Talare stellvertretend für die tatsächlichen Miss-
stände der damaligen Zeit weichen, stellvertretend für die alten Ritua-
le und Strukturen. Erst viel später wurde deutlich, dass mit den Tala-
ren auch ein Stück institutioneller Identität verloren ging.
Kontinuität und Verläss- In Zeiten steigender Konkurrenz zwischen den Hochschulen wächst
lichkeit auch der Bedarf nach Attributen, die Eigenständigkeit unterstreichen
und sie unverwechselbar machen. Ein positives Image hält für den
Betrachter Eigenschaften bereit, für die er nicht ständig neue Belege
benötigt. Auch weiche Faktoren wie Traditions- und Geschichtsbe-
wusstsein dienen der Positionierung einer Einrichtung: Je schnelllebi-
ger die Zeiten, desto mehr Menschen sehnen sich nach einer Kontinui-
tät und Verlässlichkeit, wie sie auch durch eine traditions- und ge-
schichtsbewusste Kommunikation vermittelt werden kann. Gemein-
same Traditionen stellen darüber hinaus ein Identität stiftendes Ele-
ment erster Güte dar, das als sozialer Kitt für das ansonsten heterogene
und lose verbundene Gemeinwesen Hochschule dienen kann und über
Fächergrenzen und Rollenzuweisungen hinweg für Zusammenhalt
sorgt. Sie wirken motivierend nach innen und helfen, externe Ziel-
gruppen positiv für die Organisation zu vereinnahmen. Nicht zuletzt
trägt die erfolgreiche Kommunikation von Tradition zur Steigerung
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3. Das Leid mit dem Leitbild: Wie kommuniziere ich mein Profil? G 1.4
Profil entwickeln, Nischen besetzen
des Ansehens einer Einrichtung und damit zur Wertschöpfung bei.
Voraussetzung, dafür ist, dass es gelingt, einen Bogen von gestern
nach heute und in die Zukunft zu schlagen. Wer es mit der Tradition
übertreibt, läuft zudem Gefahr, als altmodisch und gestrig zu gelten.
Wie bei allem, macht auch hier die Dosis die Medizin.
2. Alte und neue Traditionen als Stoff für
Hochschulkommunikation
„Tradition“ im Sinne dieses Artikels ist ein durchaus dehnbarer Beg-
riff. Im Rheinland, der Heimat des Autors, gilt bereits alles als Traditi-
on, was zweimal geschieht (und beim dritten Mal spricht man dort
dann von Brauchtum...). So können Traditionen auf Jahrhunderte alte
Bräuche zurückgehen, aber auch ganz jungen Ursprungs sein.
Abb. G 1.4-1 Eröffnung des Akademischen Jahres am
Gründungstag der Universität Bonn (Foto:
Volker Lannert, Uni Bonn)
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4. Das Leid mit dem Leitbild: Wie kommuniziere ich mein Profil? G 1.4
Profil entwickeln, Nischen besetzen
Literatur
[1] H. Bühler, U.-M. Dürig (Hrsg.) (2008): Tradition kommunizieren. Frank-
furt/Main.
[2] A. Schug (Hrsg.) mit C. Meyer, T.-R. Krone (2005): History-Marketing an Uni-
versitäten – Marktstudie. Berlin.
[3] A. Schug (2003): History Marketing. Ein Leitfaden zum Umgang mit Geschich-
te in Unternehmen. Bielefeld.
Informationen zum Autor:
Dr. Andreas Archut ist seit 2000 Leiter der Abteilung Presse und Kommunikation und Pressespre-
cher der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Von 2004 bis 2008 war er Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulpressestellen in Deutschland (heute: Bundesverband Hoch-
schulkommunikation). Der promovierte Chemiker war nach Abschluss seiner akademischen Ausbil-
dung freier Mitarbeiter der Bonner Rundschau und ab 1998 als Redakteur im Bereich Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Forschungskommunika-
tion verantwortlich. Er unterrichtete in Medientrainings Kollegiaten von DFG-geförderten Graduier-
tenkollegs. Journalistische Erfahrung sammelte Archut bereits als Schüler und Student als freier Mit-
arbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Bonner Rundschau, der Honnefer Volkszeitung
und bei Radio Bonn/Rhein-Sieg.
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