Laut JIM-Studie 2014 besitzen 90 Prozent der Jugendlichen ein eigenes Smartphone. In der Schule jedoch müssen die Geräte in der Regel in der Tasche bleiben. Dabei könnten die darauf installierten Apps auf vielfältige Weise als Hilfsmittel für den Unterricht fungieren sowie Übeprozesse unterstützen. Apps, die das Smartphone oder Tablet in eine umfangreiche Notenbibliothek, ein Metronom und Aufnahmegerät verwandeln, begleiten heute schon viele MusikpädagogInnen und MusikschülerInnen.
2. Bericht 37
&
musizieren 1 15üben
von Open Science. Damit verbindet sich der
Anspruch, Wissenschaftsinhalte breiter zu
kommunizieren, Forschungsprozesse für In-
teressierte verständlich zu machen und sie
daran teilhaben zu lassen. Einerseits werden
Fragestellungen, Daten, Ergebnisse sowie
entwickelte Methoden und Materialien einer
breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Andererseits werden Anregungen mit dem
Anspruch einer kollaborativen Wissenschaft
einbezogen.
Ein erstes größeres Projekt ist „app2music –
Appmusik-AGs an Berliner Schulen“, dem im
November 2014 der Dieter-Baacke-Preis in
der Kategorie Projekte von und mit Jugendli-
chen verliehen wurde. Dieses Projekt stellt
insgesamt ein prototypisches Format musik-
pädagogischer Praxis mit Apps dar, das
durch ein Studium zahlreicher Appmusikpro-
jekte vorbereitet wurde. Bei „app2music“
werden seit Anfang 2014 an einer Reihe von
Schulen Musik-AGs angeboten, in denen Kin-
der und Jugendliche unterschiedlicher Her-
kunft und Klassenstufen gemeinsam auf Tab-
lets und Smartphones Musik machen kön-
nen. Zentral sind zwei Säulen: Die erste be-
schreibt das kollaborative Musiklernen auf
Grundlage individueller Musikpräferenzen in
Form des Nachspielens von Popsongs in En-
sembles, Experimentierens mit Klangcolla-
gen, Improvisierens oder Erstellens von
Gruppenkompositionen. Die SchülerInnen
bringen eigene Vorschläge ein, diskutieren
diese und treffen als Gemeinschaft Entschei-
dungen über das weitere musikalische Han-
deln. So steht nicht einzig das Spielen der
Lieblingsmusik im Fokus, sondern genauso
die Begegnung mit ästhetischen und kultu-
rellen Unterschieden der anderen.
Begünstigt wird das gemeinsame Musikma-
chen mit Apps durch die Möglichkeiten der
Anpassung an die eigenen Fähigkeiten, die
intuitive Bedienung, die unvoreingenomme-
ne Auseinandersetzung mit einem kulturell
nicht vorbelasteten Musikinstrumentarium,
das Vergnügen sich mit Technik zu beschäfti-
gen und das schnelle Sichtbarwerden von Er-
folgen. Einzige Voraussetzung ist das Inte-
resse am gemeinsamen Musikmachen. Und
gemacht wird das, worauf sich die Gruppen
einigen können. Die mitwirkenden Pädago-
gInnen sind in der Rolle des ermöglichenden
Mitglieds. Sie helfen, die Ideen der Kinder
und Jugendlichen mit ihnen gemeinsam um-
zusetzen.
Die zweite Säule ist die Dokumentation und
Reflexion der in den AGs gesammelten Erfah-
rungen auf einem Blog: www.app2music.de.
In Artikeln samt eingebundener Videos und
Fotos werden Fortschritte im Projekt für eine
breite Zielgruppe aufbereitet. Aber auch die
Kinder und Jugendlichen selbst können sich
so über den Stand der anderen Gruppen in-
formieren und als Anregung für die eigene
AG nutzen. Zu den Themen des Blogs gehö-
ren Prozessverläufe, methodisch-didaktische
Überlegungen, gruppendynamische Entwick-
lungen, Vorstellung verwendeter Apps sowie
die kritische Auseinandersetzung mit den ei-
genen Projektzielen. Außerdem werden Aus-
schnitte aus Schulkonzerten und Ergebnis-
präsentationen der AGs gezeigt.
Neben der Weiterentwicklung von „app2mu-
sic“ konzentriert sich die derzeitige Arbeit
der Forschungsstelle auf Entwicklung und Er-
probung eines Weiterbildungsangebots für
MusikerInnen mit dem Titel „Touch:Music“,
das vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) gefördert wird. Als drei-
jähriges Verbundprojekt der Bundesakade-
mie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel und
der Forschungsstelle Appmusik wird ein Zer-
tifikatskurs konzipiert, der unter dem Namen
„tAPP“ bereits ab August 2015 in einem ers-
ten (Erprobungs-)Durchgang stattfinden soll.
Interessierte Musikerinnen und Musiker aller
Genres können sich ab Anfang 2015 bewer-
ben. Mit diesem Qualifizierungsangebot wer-
den MusikerInnen befähigt, musikalische
Kulturprojekte mit Apps im Nachmittagsbe-
reich der Schulen und an außerschulischen
Bildungsorten zu initiieren.
Teilweise werden Vorwürfe laut, dass tradier-
te Unterrichtsmodelle durch den Einbezug
mobiler Digitaltechnologien verdrängt wer-
den sollen. Insgesamt darf die größtenteils
geleistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet
nicht als Missionierungsarbeit verkannt wer-
den. Der Umfang des Einsatzes in Lehr-Lern-
Kontexten ist zu variabel und vielfältig, als
dass er sich auf eine Praxis beschränken ließe.
Marc Godau und Matthias Krebs
www.forschungsstelle.
appmusik.de/blog
Auf dem Blog der Forschungsstelle werden
regelmäßig Artikel zum Schwerpunkt
Musiklernen und -lehren mit mobilen
Digitalgeräten veröffentlicht. Wir möchten
Sie einladen, uns Ihre Erfahrungen mit
Musikapps mitzuteilen. Schreiben Sie uns
Hinweise, Fragen, Probleme per Mail oder
kommentieren Sie unseren Blog.
i