Ohde, Brendler-Lodigkeit: Steuerliche Aspekte im Hospitality- Bereich, Teil 2
Prof. Dr. Max Fuchs: Kulturpolitik im Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft
1. Kultur und Politik B 2.1
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Kulturpolitik im Verhältnis von
Wirtschaft und Gesellschaft
Prof. Dr. Max Fuchs
Kulturpolitik gab es schon lange, bevor man dieses Wort kannte: als man nämlich gezielt die Küns-
te für gesellschaftliche und politische Zwecke nutzte. Heute wird Kulturpolitik von vielen Akteuren
mit sehr unterschiedlichen Zielen betrieben. Der Beitrag erläutert, warum „Kultur“ in der Gesell-
schaft benötigt wird, was man darunter versteht und weshalb und wie eine solche Kultur gestaltet
werden kann. Insbesondere wird an einer aktuellen Auseinandersetzung mit einer rein ökono-
mischen Sicht von Kultur – Kultur als ökonomische Dienstleistung – das Spannungsverhältnis von
Kultur und Wirtschaft erläutert.
Gliederung Seite
1. Gibt es überhaupt Kulturpolitik? 2
2. Was ist Kulturpolitik? 3
3. Weitere Ausdifferenzierungen der Kulturpolitik 11
4. Kulturpolitik, der Welthandel und die UNESCO 12
1
2. B 2.1 Kultur und Politik
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
1. Gibt es überhaupt Kulturpolitik?
Politik und Aus der Sicht der Kulturpolitik kann man nur neidvoll auf andere Poli-
Meinungsstreit tikbereiche blicken. Dort gibt es zwar jede Menge Meinungsstreit, doch
scheint man sich auf sicherem begrifflichen Terrain zu bewegen. So gibt
das Grundgesetz etwa der Wirtschaftspolitik sogar globale Ziele vor
(„gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“) und es ist klar, welche Akteu-
re hierbei angesprochen werden. Dass es dann – je nach Interessenslage
– zwischen den Parteien, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Streit darüber gibt, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen – das
leuchtet ein. Denn es weiß auch jeder, dass Politik etwas mit Macht und
Interessen zu tun hat und daher Streit vorprogrammiert ist. Zudem wird
alles ausführlich in den Medien kommentiert.
Vergleich Vergleicht man hiermit die Kulturpolitik, so sieht man deutliche Un-
Kulturpolitik – terschiede. Dies beginnt schon mit der Nennung von Kultur im
Wirtschaftspolitik Grundgesetz. Bislang gibt es eine solche Nennung nicht, sodass sich
einige dafür stark machen, dass „Kultur“ Staatsziel werden soll. Aber
welche Kultur soll das dann sein: die Kultur des Kulturbeutels, die
Leitkultur, die Unternehmenskultur? In der Tat ist die unglaubliche
Offenheit des Kulturbegriffs ein ernsthaftes Problem dabei, Mehrhei-
ten für eine solche Aufnahme als Staatsziel in das Grundgesetz zu
finden. Am einfachsten scheint es dabei zu sein, Kultur einfach mit
Kunst gleichzusetzen. Dann wäre zumindest klar, was gemeint ist.
Doch wo bleibt dann der „weite Kulturbegriff“, der in den letzten
Jahrzehnten einen Siegeszug angetreten hat, wie man nach der Lektüre
vieler kulturpolitischer Texte meinen kann? Hierzu später mehr.
Bleiben wir zunächst bei dem Vergleich der Kulturpolitik mit der
Wirtschaftspolitik. Wenn Kultur im Grundgesetz schon nicht erwähnt
wird, dann kann man erst recht keine Benennung von Zielen einer
Kulturpolitik erwarten. Gibt es dann wenigstens – analog zu den
Streitparteien in der Wirtschaft – identifizierbare Akteure, Themen
und Streitanlässe?
Vertretung in Man schaue einmal in die Medien. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik
den Medien sind in jeder Nachrichtensendung im Fernsehen und auf jeder Titelsei-
te jeder Zeitung zu finden. Zudem gibt es in Tageszeitungen den Wirt-
schaftsteil und es gibt spezielle Wirtschaftsmagazine. Jeder halbwegs
interessierte Mensch kennt zudem prominente Wirtschaftspolitiker:
Henkel, Miegel, die „Chefvolkswirte“ großer Banken sind durchaus
bekannte Persönlichkeiten. Kulturpolitik findet dagegen in den Nach-
richtensendungen im Fernsehen fast nie statt, ebenso wenig wie auf
den Titelseiten der Zeitungen. Aber es gibt doch das Feuilleton, mag
man einwenden. In der Tat. Doch wer dies in Hinblick auf kulturpoli-
tische Beiträge durchforstet, wird selten fündig: Es geht immer nur um
Bücher, Konzerte und Theaterstücke. Es geht um Künstlerinnen und
Künstler. Allerdings geht es gelegentlich auch um Geld, und dies
meist unter der Perspektive der Kürzung öffentlicher Kassen.
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3. Kultur und Politik B 2.1
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Daraus kann man einige Schlüsse ziehen:
• „Kultur“ wird inhaltlich meist über künstlerische Ereignisse kom- Kultur in den Medien
muniziert.
• Kulturpolitik ist für die Medien nur in Ausnahmefällen interessant,
etwa wenn es um Personalien, z. B. die Neubesetzungen von Mi-
nisterposten, geht.
• „Kulturpolitik“ hat offenbar mit Geld zu tun, meist mit fehlendem
Geld.
Systematisch kann man also fragen: Wer sind die Akteure in der Kul-
turpolitik, was bereden sie, was tun sie in der Kulturpolitik? Im Hin-
blick auf das Thema dieses Beitrages ist dabei speziell zu fragen: Soll-
ten Akteure, Themen und Aktivitäten identifiziert werden, was hat das
dann alles mit Wirtschaft und Gesellschaft zu tun?
2. Was ist Kulturpolitik?
Politik ist die Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten. Wie im ersten Ziele und
Abschnitt angedeutet, kann man dabei nach Inhalten und Themen der Akteure
zu regelnden Angelegenheiten, nach Akteursgruppen und Institutionen
und nach den spezifischen Aktivitäten, also dem jeweiligen politi-
schen Alltagsgeschäft fragen. Wo gestaltet wird, geht es zudem um
Ziele, die man gerne durchsetzen möchte. Ob und wie das gelingt, ist
eine Frage von Macht und Einfluss und letztlich – in demokratischen
Gesellschaften – von Mehrheiten. Es lohnt sich, gleich zu Beginn eine
weitere Differenzierung einzuführen, auch wenn das Ganze dadurch
etwas komplizierter wird.
Zum einen ist auch Kulturpolitik auf unser konkretes politisches Sys- Kulturpolitik auf unter-
tem, den Föderalismus, zu beziehen. Das heißt, es sind die Ebenen der schiedlichen Ebenen
Kommunen, der Länder und des Bundes zu unterscheiden, wobei wir
sehen werden, dass Kulturpolitik auf jeder Ebene jeweils etwas durch-
aus Verschiedenes bedeutet. Diese Ebenen sind zudem durch interna-
tionale Aspekte zu ergänzen, etwa die Europäische Union und die
UNESCO. Eine zweite Unterscheidung ist ebenfalls notwendig und
hilfreich: die Unterscheidung der 3 Sektoren „öffentlicher Bereich“
(v. a. der Staat), der „Markt“ und der „Dritte Sektor“, also die freiwil-
ligen Zusammenschlüsse, wie man sie etwa als „e. V.“ (eingetragener
Verein) findet.
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4. B 2.1 Kultur und Politik
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Unterscheidung
der 3 Sektoren
Staat
Dritter Sektor Markt
Abb. B 2.1-1 Unterscheidung der 3 Sektoren
Staat – Markt – Dritter Sektor
Auch im Kulturellen und auch in der Kulturpolitik gibt es diese 3 Be-
reiche, und dies auf jeder der genannten Ebenen. Man erhält so ein
systematisches Ordnungsraster, sodass man für jedes der entstehenden
Felder die Frage nach Akteuren, Zielen, Themen, Aufgaben und Struk-
turen stellen kann.
Tab. B 2.1-1 Frageraster
Öffentlicher Bereich Markt/Wirtschaft Gemeinnütziger Bereich/
Dritter Sektor
Kommunale Ebene
Länderebene
Bundesebene
EU
Andere internationale
Kontexte
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