Input im Rahmen des GPA-djp Seminars "Schuldenmythen und Fiskalpakt - Demokratieabbau in Krisenzeiten" mit Betriebsratsmitgliedern am 14.06.2012, mehr Informationen: http://blog.gpa-djp.at/bildung/2012/05/23/seminar-schuldenmythen-und-fiskalpakt-demokratieabbau-in-krisenzeiten/
2. Fragestellung?
Wie kann man die momentanen Krisen‐Prozesse im
europäischen Institutionen‐Gefüge verstehen?
Verschiebungen erzeugen Bedürfnis für neue Begriffe:
„postdemokratischer Exektutivföderalismus“ (Habermas
2011)
„autoritäres Krisenregime“ (Urban 2012, IG Metall)
Was ist das Gemeinsame dieser Begriffe?:
Die Fortsetzung der neoliberalen Politik hat zunehmend nicht
mehr die Zustimmung der Bevölkerung: Hegemoniekrise
Krise führt zu einer Aufwertung der Exekutive
und zu einer tiefgreifenden Entdemokratisierung
Steht ein starker, autoritärer Staat nicht im Widerspruch
zum Neoliberalismus?
Alternativen für ein soziales, demokratisches und
ökologisches Europa?
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3. Verfahrensweise
Wie kann man die gegenwärtigen Verschiebungen im
europäischen Institutionengefüge erklären? ‐>
Gesellschaftlicher Hintergrund: Krise der neoliberalen
Hegemonie, was heißt das?
In der Economic Governance und im Fiskalpakt bündeln sich
zahlreiche Elemente, die es rechtfertigen von einer
autokratischen Wende zu sprechen ‐> Schlaglichter auf die
Maßnahmen & Kritik
Steht ein starker Staat nicht im Widerspruch zum
Neoliberalismus? Rückblende: Der Staat in den Debatten des
„neuen“ Liberalismus nach der Weltwirtschaftskrise 1929ff
Aufruf zu einer Neugründung Europas – Perspektiven eines
Europas von unten
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4. Was bedeutet Hegemonie?
Hegemonie: Moderne Herrschaft beruht auf Zwang und
Konsens
Konsens: Beruht auf zwei wesentlichen Säulen
der Etablierung einer Weltauffassung durch
Intellektuelle (existierende Werte, neue Sichtweisen und
Momente des Alltagsverstandes werden in eine schlüssige
Erzählung eingebunden und universalisiert): „psychologische
Beeinflussung und politische Erziehung“ (Franz Böhm)
materielle Zugeständnisse an die arbeitende
Bevölkerung (Umverteilung, Sozialsystem,…)
Neoliberale Hegemonie ab Mitte der 1980ziger Jahre
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5. Welche neoliberalen Denkweisen konnten sich im
Rahmen der EU in Form von Projekten realisieren? ‐>
wie ist die neoliberale Hegemonie entstanden?
„Nicht die Nachfrage ist das Problem kapitalistischer Entwicklung
sondern die Angebotsseite“: ‐> Binnenmarktprojekt ab 1985 dient
der Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeits‐, Produkt‐ und
Dienstleistungsmärkte (zentrales Moment Wettbewerb der
Rechtsordnungen).
„Offene und deregulierte Kapitalmärkte führen zu einer `optimalen
Allokation´ des Kapitals“ ‐> Abschaffung der
Kapitalverkehrskontrollen und Deregulierung der
Finanzmärkte (Kapitalverkehrs‐RL 1988; Vertrag von Maastricht
1992: „unmittelbare Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit“)
„Allein eine unabhängige Geld‐ und Währungspolitik kann
sicherstellen, dass diese nicht den Interessen der `Massen´ anheim
fällt“ ‐> Wirtschafts‐ und Währungsunion (WWU): Unabhängige
Zentralbank setzt Hochzinspolitik durch; gemeinsame Währung
nimmt die Chance zur äußeren Abwertung; offene Märkte
fokussieren Sparpolitik auf (Sozial‐)Ausgaben.
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6. Neoliberale Denkweise: Zwischen marktkonformer
Demokratie und Autokratie
"Die Durchsetzung allgemeiner Spielregeln einer liberalen
Wettbewerbsordnung scheint […] am ehesten dort
verlässliche Hüter zu finden, wo Pflichten Organen
anvertraut sind, die (wie die Europäische Zentralbank)
weniger Zielabwägungen zu treffen oder (wie die Kommission)
weniger Rücksichten auf Wahlrestriktionen zu nehmen
haben als politische Parteien.“ Michael Wohlgemuth, Einheit in
Vielfalt – Fünfzig Jahre europäische Ordnungspolitik, FAZ v.
17.3.2007, 11
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9. Anzeichen für Hegemoniekrise in Europa
Ebene der Meinungsbildung: Absetzbewegungen der
Intellektuellen
„Die Linke könnte recht haben“ (Charles Moore 2011,
Biograph von Thatcher)
„Es ist zu spüren, dass etwas zu Ende geht und etwas Neues
beginnt.“ (Fleischhacker 2011).
„Man kann durchaus sagen, dass das kapitalistische System in
seiner jetzigen Form nicht mehr in die heutige Welt passt.“
(Schwab 2012)
Politisch: Widersprüche und „Streit“ im europäischen
Institutionengefüge
Demoskopisch?: 88% der Deutschen f. „neue
Wirtschaftsordnung“ (Emnid); nur noch 41% der Ö halten „freie
Marktwirtschaft für das beste System“
Soziale Auseinandersetzungen im Vergleich zu Maastricht:
Spanien, Griechenland, Großbritannien, aber auch Osteuropa:
gerade jene Ländern mit den härtesten Sparmaßnahmen
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10. Zur radikalisierten Fortsetzung des „Weiter
wie bisher“ wird der wegbrechende Konsens
zunehmend durch Zwang ersetzt
Zwang und Aussetzung von Grund‐ und Menschenrechten auf
der nationalstaatlichen Maßstabsebene:
Direkt repressive Maßnahmen gegen soziale Bewegungen:
Aufhebung der Versammlungsfreiheit, „Gewerkschaften
führen Krieg“ in GR;
„was immer die Polizei benötigt“ Cameron/GB;
ES: Aufruf zu Blockade und Besetzung strafbar: „die Leute
müssen mehr Angst vor dem System haben und deshalb
nicht mehr so wagemutig sind„
Angriff auf den Flächenkollektivertrag : ES, GR, PT, IT („Die
Gewerkschaften werden fallen wie die Berliner Mauer“)
Economic Governance und Fiskalpakt: Verrechtlichung von
Austerität und „Ausgleich“ der ungleiche Entwicklung durch
„innere Abwertung“ ‐> Umgehung rechtsstaatlicher und
Durchbrechung formaldemokratischer Garantien
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12. Economic Governance und Fiskalpakt
Economic Governance („six pack“); fünf Verordnungen und eine RL
(beschlossen im Herbst 2011) zur Verschärfung des Stabilitäts‐ und
Wachstumspaktes; Schaffung eines Verfahrens bei
makroökonomischen Ungleichgewichten
Fiskalpakt: Völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des
Europarechts (Umgehung selbst der geringen demokratischen und
rechtsstaatlichen Garantien des EUR) der im Laufe von 2012 ratifiziert
werden soll – Einführung einer „europäischen Schuldenbremse“ ‐>
Nichteinhaltung: automatischer Korrekturmechanismus (ohne
Beteiligung der Parlamente).
13. VO über die wirksame
Durchsetzung der
Entwicklung der haushaltspolitischen
Überwachung im
Rechtsgrundlage für die Bestimmungen für die
Euroraum, KOM (2010) 524
Wirtschafts‐ und MS deren Währung der
Euro ist, Art 136 AEUV VO über
Durchsetzungsmaßnahmen
Währungspolitik der EU zur Korrektur
übermäßiger
Ungleichgewichte im
Euroraum, KOM (2010) 525
Präventive
Komponente
Vertrag von Lissabon Verschärfung der VO
VO über die (Begrenzung des
haushaltspolitische Wachstums der
Überwachung & Ausgaben), KOM(2010)
Koordinierung der 526
Wirtschaftspolitik
Koordinierung der (1466/97/EG)
Wirtschaftspolitik, Art VO über die Vermeidung
121 AEUV und Korrektur
makroökonomischer
Vertrag von Maastricht Ungleichgewichte
(KOM(2010) 527)
VO über die
Beschleunigung und
Klärung des Verfahrens bei
Verfahren zur einem übermäßigen Defizit Verschärfung der VO ,
Vermeidung eines (1467/97/EG) KOM(2010) 522
übermäßigen Defizits,
Art 126 AEUV Korrektive
Legende: Komponente
Vertrag von Maastricht 1993 RL über die
Stabilitäts‐ und Wachstumspakt 1997 Anforderungen an die
Vertrag von Lissabon 2009 haushaltspolitischen
Entwurf für Econonomic Governance Protokoll (Nr.12) über Rahmen der MS, KOM
das Verfahren bei einem (2010) 523
Abkürzungen: übermäßigen Defizit
VO ‐> Verordnung
RL –> Richtlinie
KOM ‐> Kommission
üD ‐> übermäßiges Defiziz
üUGG ‐> übermäßiges Ungleichgewicht
Lukas Oberndorfer wien.arbeiterkammer.at
14. Neues Verfahren über die Vermeidung und Korrektur
makroökonomische Ungleichgewichte = Verfahren zur
wettbewerblichen Restrukturierung
Entwendung eines Begriffes: Ungleiche Entwicklung nicht als
Charakteristik des Kapitalismus sondern als Ergebnis
mangelnder Wettbewerbsfähigkeit (Produktivität/Löhne)
Völlig unbestimmte Verordnung: Nach welchen Indikatoren
wird übermäßiges Ungleichgewicht festgestellt?: „Das
Scoreboard setzt sich aus einer Reihe makroökonomischer […]
Indikatoren für die MS zusammen“ (Art 3 Abs 2)
‐> KOM möchte Höhe der Löhne zu zentralem
Indikator
Rolle der Exekutive: Zur Überprüfung, „stellt die KOM nach
Anhörung der MS als Richtschnur ein Scoreboard auf“ (Art 3 Abs
1) ‐> de facto entscheidet der exekutive europäische
Staatsapparat über zentrale Indikatoren der
Wirtschaftspolitik
15. Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des Verfahrens
der wettbewerblichen Restrukturierung (VO über
Durchsetzungsmaßnahmen, KOM (2010) 525)
Einführung einer jährlichen Geldbuße in der Höhe von
0,1% des BIP des MS (Art 3 Abs 2)
Beim Beschluss aller Sanktionen soll der Kommission
eine privilegierte Stellung (Reverse Majority Voting)
eingeräumt werden:
„Wird der Beschluss nicht innerhalb von zehn
Tagen nach der Annahme durch die Kommission
vom Rat mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt ,
so gilt er als vom Rat angenommen.“ (siehe zB Art 3
Abs 1, letzter Satz)
‐> Zentrale Maßnahmen der Economic Governance
rechtswidrig?
16. VO über die wirksame
Durchsetzung der
Entwicklung der haushaltspolitischen
Überwachung im
Rechtsgrundlage für die Bestimmungen für die
Euroraum, KOM (2010) 524
Wirtschafts‐ und MS deren Währung der
Euro ist, Art 136 AEUV VO über
Durchsetzungsmaßnahmen
Währungspolitik der EU zur Korrektur
übermäßiger
Ungleichgewichte im
Euroraum, KOM (2010) 525
Präventive
Komponente
Vertrag von Lissabon
VO über die Entwurf zur
haushaltspolitische Verschärfung der VO,
Überwachung & KOM(2010) 526
Koordinierung der
Wirtschaftspolitik
Koordinierung der (1466/97/EG)
Wirtschaftspolitik, Art VO über die Vermeidung
121 AEUV und Korrektur
makroökonomischer
Vertrag von Maastricht Ungleichgewichte
(KOM(2010) 527)
VO über die
Beschleunigung und
Klärung des Verfahrens bei
Verfahren zur einem übermäßigen Defizit Entwurf zur
Vermeidung eines (1467/97/EG) Verschärfung der VO ,
übermäßigen Defizits, KOM(2010) 522
Art 126 AEUV Korrektive
Komponente
RL über die
Legende: Anforderungen an die
Vertrag von Maastricht 1993 haushaltspolitischen
Stabilitäts‐ und Wachstumspakt 1997 Protokoll (Nr.12) über Rahmen der MS, KOM
Vertrag von Lissabon 2009 das Verfahren bei einem (2010) 523
Entwurf für Econonomic Governance übermäßigen Defizit
Abkürzungen:
VO ‐> Verordnung
RL –> Richtlinie
KOM ‐> Kommission
üD ‐> übermäßiges Defiziz
üUGG ‐> übermäßiges Ungleichgewicht Lukas Oberndorfer, Abteilung EU & Internationales wien.arbeiterkammer.at
17. Die Europäischen Verträge sehen weder Zwangsstrafen
noch Entscheidungsmacht der Kommission vor
Verordnungsvorschläge „Sanktionen“ nach 121
sehen erstmals Abs 4 Vertrag über die
Geldbußen für Arbeitsweise der EU
makroökonomische (AEUV) : WP ist mit den
Ungleichgewichte vor, „Grundzügen“ nicht
die de facto durch die vereinbar oder gefährdet
Kommission verhängt das Funktionieren der
werden können. WWU: Rat „kann“
Empfehlungen an MS
richten und eine
Veröffentlichung
beschließen.
18. Der Fiskalpakt – Fahrplan der Erarbeitung &
Beschlussfassung
9.12.2011: Einigung auf Erarbeitung
16.12.2011: Erster Entwurf
Erarbeitung in
31.01.2012: Akkordierung der Endfassung nur 3 Monaten
2.03.2012: Unterzeichnung durch
25 Staats‐ und Regierungschefs
Ratifizierung im Laufe des Jahres 2012
Beschlussfassung im NR Herbst 2012
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20. Substanz des Fiskalpaktes:
Schuldenabbauregel
Jene Parteien deren Gesamtschuldenstand über 60%
liegt, müssen den Differenzbetrag zum
Schwellenwert um jährlich 1/20 reduzieren (Art.
4 FP)
1/20 a year
BIP
60 %
Fiskalpakt
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21. Automatischer Austeritätsmechanismus
Bei Nichteinhaltung der europäischen
Schuldenbremse, wird automatisch (ohne
Beteiligung der Parlamente) ein
„Korrekturmechanismus“ ausgelöst.
Die genaue Gestalt des Austeritätsmechanismus
bleibt im FP vollkommen unbestimmt (die VP sind
verpflichtet „Maßnahmen zu ergreifen, um die
Abweichungen innerhalb eines festgelegten
Zeitraumes zu korrigieren.“ Art. 3 Abs. 1 lit. e FP)
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23. Verpflichtung zur Verankerung in den
nationalstaatlichen Rechtsordnungen
Neue Instrumente müssen in den nationalen
Rechtsordnungen „durch verbindliche und
dauerhafte – vorzugsweise verfassungsrechtliche –
Bestimmungen“ verankert werden (Art. 3 Abs. 2).
Obwohl der Austeritätsmechanismus völlig
unbestimmt ist, wird die Kommission zur
Konkretisierung berufen: Sie soll „insbesondere
Art, Umfang und Zeitrahmen der zu ergreifenden
Korrekturmaßnahmen“ und die „Rolle und die
Unabhängigkeit der auf einzelstaatlicher Ebene für
die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften
zuständigen Institutionen“ festlegen (Art. 3 Abs. 2
FP).
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24. Der Austeritätsmechanismus ein
Trojanisches Pferd für die Demokratie?
Aufgrund der Tatsache, dass der „automatische
Korrekturmechanismus“ im FP völlig unbestimmt
bleibt, wird eine Reihe von Instrumenten möglich:
Automatische Reduktion öffentlicher Ausgaben
Entsprechende Erhöhung indirekter Steuern
Sonderkonto nach griechischem Muster
Nach der Ratifizierung verlieren die Parlamente
ihr demokratisches Kontrollrecht: De jure ist
allein die Kommission verantwortlich den
Austeritätsmechanismus zu definieren.
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27. Scharfe gerichtliche Kontrolle der Umsetzung
der neuen Instrumente
Die Umsetzung der neuen Austeritätsinstrumente wird
der Kontrolle des EuGH unterworfen.
Die Kommission überwacht die Vertragsparteien in der
Umsetzung der neuen Instrumente.
Stellt sie einen Verstoß fest, „rufen eine oder mehrere
Vertragsparteien den Gerichtshof der Europäischen
Union an.“ (Art. 8 Abs. 2 FP)
Wenn die Umsetzung nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann
das Gericht Geldbußen idH von 0,1% des BIP
verhängen.
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29. Europarechtliche und demokratiepolitische
Kritik des Fiskalpaktes: Flucht aus der
europäischen Verfassung
Aufgrund seines völkerrechtlichen Charakters umgeht der FP
demokratische und rechtsstaatliche Garantien der Verfassung
Europäische Verfassung:
Parlamentarische
Kontrolle
Unabhängige
gerichtliche Kontrolle
Kompetenzordnung Fiskalpakt als
Achtung von Grund- völkerrechtlicher
und Menschenrechte Vertrag
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32. Austerität leichter durch völkerrechtlichen
Vertrag durchsetzbar?
Die Beschlussfassung des FP unter Vermeidung des
eigentlich notwendigen ordentlichen
Vertragsänderungsverfahrens, legt nahe, dass die
Fortsetzung der neoliberalen Krisenbearbeitung nur
durch eine Durchbrechung formaler Demokratie
möglich ist.
Ein Hinweis für diese Annahme findet sich durch einen
Vergleich der Ratifizierungsverfahren: Die
Anforderungen an einen völkerrechtlichen Vertrag
sind geringer: z. B. Irish Supreme Court 1987:
„amendment to European Treaties“ nur durch zwingende
Volksabstimmung; Österreichische und dt.
Bundesverfassung.
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33. Teile und herrsche?
Der Fiskalpakt folgt der Strategie von „teile und
herrsche“. Im Gegensatz zum ordentlichen
Vertragsänderungsverfahren reichen schon 12
Vertragsparteien aus, damit der FP zwischen
diesen Parteien in Kraft tritt (Art 14 Abs. 2 FP).
Weiterer Anreiz zur Ratifizierung des Vertrages
gegen demokratische Mehrheiten: Ratifizierung
und Einhaltung des Vertrages ist Voraussetzung,
um aus dem ESM Mittel zu erhalten (Erwg. 25 FP).
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34. Versteinerung durch internationales Recht –
Austerität und Neoliberalismus für immer?
Der Fiskalpakt enthält keine Bestimmungen über seine Beendigung
“a Treaty which contains no provision regarding its
termination and which does not provide for denunciation or
withdrawal is not subject to denunciation” (Art. 56, para. 1
Vienna Convention of the Law of Treaties).
Deutsche Kanzlerin Angela Merkel: “It is about inserting debt
brakes permanently in the national legal systems. They shall
possess a binding and eternal validity!”
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35. Euroraum
2012/2016
Simulation der Auswirkungen des Fiskalpaktes von
Stephan Schulmeister
Fiskalpakt Eurobonds
BIP 0.5 1.3
Brutto-Investitionen 0.5 2.3
1
Arbeitslosenquote ) 11.4 10.3
Inflation 0.4 2.0
1
Budgetsaldo in % des BIP ) 0.6 -1.8
1
Staatsschuldenquote ) 88.3 87.2
1
Leistungsbilanz in % des BIP ) 0.8 -0.3
1) Absolut
35 18.06.2012
36. Neoliberale Sparprogramme = EU der Wenigen
statt Europa der Vielen…
2009-2011
Quelle: Paul Krugman (http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/04/24/austerity‐and‐growth‐again‐
wonkish/).
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38. Die Wiederkehr des autoritären
Liberalismus? – Hermann Heller
„[D]er ungefähre Inhalt des autoritären Liberalismus
[kennzeichnet sich durch]: Rückzug des autoritären Staates aus
der Sozialpolitik, Entstaatlichung der Wirtschaft und
diktatorische Verstaatlichung der politisch‐geistigen
Funktionen. Autoritär und stark muß solcher Staat sein, weil
er, nach Schmitts durchaus glaubwürdiger Versicherung, nur er
die übertriebenen Verbindungen zwischen Staat und
Wirtschaft zu lösen vermag. Sicherlich! Denn in
demokratischen Formen würde [die Bevölkerung] diesen
neoliberalen Staat nicht lange ertragen.“ (Hermann Heller,
1930)
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39. Die Wiederkehr des autoritären
Liberalismus? – Carl Schmitt
Carl Schmitt: Allein Notverordnungen, Formen der
kommissarischen Regierung und staatliches Handeln außerhalb
der Verfassung könne in der spätestens 1929 einsetzenden
Vielfachkrise „Dauer, Kontinuität und Stabilität“ vor dem
Ansturm der „besitzlosen Massen“ retten: „Wir brauchen
erst einen starken handlungsfähigen, seinen großen
Aufgaben gewachsenen Staat. Haben wir ihn, so können wir
neue Einrichtungen, neue Institutionen, neue Verfassungen
schaffen.“
Carl Schmitt, Starker Staat und gesunde Wirtschaft –
Rede vor westfälischen Industriellen (Langnam Verein), 1930)
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40. Die Wiederkehr des autoritären
Liberalismus? – Alexander Rüstow
Alexander Rüstow: "Der neue Liberalismus [...] fordert einen
starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb
der Interessen. [...] wer sich zu diesem starken Staat bekennt,
muss liberale Wirtschaftspolitik wollen, und wer liberale
Wirtschaftspolitik für richtig hält , muss den starken Staat
wollen. Eines bedingt das andere."
Alexander Rüstow, Interessenpolitik oder Staatspolitik,
Der deutsche Volkswirt 1932, 172
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42. „Zurück zum Nationalstaat“ – eine gewerkschaftliche
Strategie?
Europäische Wirtschaft und ihre Produktionsketten sind
derart transnationalisiert, dass dies massive Folgen für die
österreichische Wirtschaft hätte.
Letzter Versuch von „Sozialstaat in einem Land“: Francois
Mitterand 1981: „projet socialiste“ aufgrund des Fehlens einer
europäischen Strategie gescheitert.
Europa ist der richtige Rahmen um ein emanzipatives Projekt
nach innen zu verteidigen und eine andere
Weltwirtschaftspolitik nach außen durchzusetzen (zB
Wirtschaftsmacht, Außenhandelsquote,…)
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44. Ist der derzeitige Rahmen der EU geeignet, um ein Europa
von unten durchzusetzen?
Die notwendige europäische Umverteilung des Vermögens im Wege der
Einführung von Finanztransaktionssteuer, einer harmonisierten KöSt und
Vermögensteuern sowie der Trockenlegung von Steueroasen bedarf gemäß
der derzeitigen Verträge der Einstimmigkeit ‐> möglich?
Genauso Einstimmigkeit oder überhaupt eine Vertragsänderung
erfordert:
Europäische Zentralbank als „Lender of last Resort“ & Eurobonds
Ende des Wettbewerbs der Rechtsordnungen
Demokratische Kontrolle der EZB und AN‐Geldpolitik
Einführung von Kapitalverkehrskontrollen
Umfassende Re‐Regulierung der Finanzmärkte
Europäische Lohnkoordination
Vertragsänderung! Aber wie?
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45. Bisheriges Vertragsänderungsverfahren oder Wahl zu
einer verfassungsgebenden Versammlung?
Das ordentliche Vertragsänderungsverfahren setzt voraus, dass alle
Staats‐ und Regierungschefs dem Entwurf zustimmen ‐> neoliberale
Politik und die ihnen zugrundeliegenden Interessen werden sich immer
zumindest durch einen Staat ausdrücken!
Allgemeine und gleiche Wahlen zu einer Versammlung für die
Neubegründung Europas von unten?
Parteien müssen sich bis dahin als echte europäische Parteien
konstituieren (vertikale Konfliktachse: AN‐Interessen statt „deutsche“,
„französische“, „österreichische“ Interessen)
Wahlen 2016 –> Zeit für eine grenzüberschreitende und
transnationale Debatte
Verfassung muss auch neues Änderungsverfahren vorsehen
Über das Ergebnis finden in allen Ländern Volksabstimmungen statt
2020: Eine Europäische Verfassung von unten?
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