Die These des Vortrags lautet: Aufgrund der historischen Katastrophen, die die Europäer erlitten haben, weil sie schicksalhaft in einem gemeinsamen, durch territoriale Nähe konstituierten Boot sitzen, haben sich die Völker Europas aus Not, wenn auch freiwillig entschlossen, sich – gleichsam wie in einer Galeere – auf Gedeih und Verderben aneinander zu ketten, um ihr Schicksal nicht von der Brüchigkeit wechselseitigen Wohlwollens abhängig zu machen, sondern motiviert von der Furcht gemeinsamen Untergangs zum Wohle aller zu gestalten. Das Europa der EU ist daher als eine Ethos-Gemeinschaft sui generis zu betrachten, nämlich eine Gemeinschaft nicht ex positivo, sondern eine Zweckgemeinschaft ex negativo („Notgemeinschaft“), die gleichwohl motiviert ist von der Hoffnung, dass aus der Not- und Zweckgemeinschaft zunehmend eine Ethos-Gemeinschaft werden. Dieser Ansatz vermeidet es, sich beim Europagedanken an einer zweifelhaft-romantischen retrotopen Utopie des “Christlichen Abendlandes” zu orientieren. Europa ist vielmehr als eine topische Heterotopie zu konzipieren, die die Realisierungsbedingungen eines menschenrechtsorientierten Staatenbundes in den Blick nimmt.