2. Notwendigkeit von Innovation
Notwendigkeit von Innovation ist kaum bestritten –
ein Anzeichen für eine Krise?
Technische Entwicklung und verändertes
Nutzerverhalten haben direkten Einfluss auf die
Bibliotheken und ihre Zukunft
Problem: Wie kann man die wichtigen Trends
erkennen?
2
3. Innovationsmanagement
In Profit-Unternehmen schon lange etabliert
Auch unter dem Namen Forschung&Entwicklung
Für Dienstleistungsbetriebe, v.a. im Nonprofit-
Bereich eher weniger verbreitet
Für Bibliotheken Neuland
3
4. Ziele von Innovationsmanagement
Weniger Zufall, mehr Konsequenz
Zielgerichtete Entwicklung und Verbesserung
Neue Ideen entwickeln und umsetzen
Erfolgreiche Umsetzung
Senkung der Kosten
Reduktion von Leerlauf und gescheiterten
Projekten/Produkten
4
5. Definition
Zentrale Aspekte von Innovation sind, dass durch
systematische, zielgerichtete Prozesse neue Ideen
in neuartige Produkte und Dienstleistungen
umgesetzt und diese auch erfolgreich am Markt
platziert werden.
Also: nicht nur neue Ideen, sondern auch deren
Umsetzung in neue Produkte/Dienstleistungen
5
6. Formen von Innovation
Radikale Innovationen
richten sich an völlig neue Märkte und verwenden
gänzlich neue Technologien
Inkrementale Innovationen
richten sich an den bisherigen Markt und verändern /
optimieren eine Technologie bzw. einen Prozess nur
geringfügig
6
7. Definition von Innovation
(@ETH-Bibliothek)
Innovativ ist ein Produkt oder eine Dienstleistung,
die bisher
in dieser Form
in der Schweiz
oder im Bibliothekswesen allgemein
noch nicht eingesetzt wird
ETH-Bibliothek als „early adopter“, nicht als
„Erfinder“
8. Definition von Innovation (2)
Es ist somit denkbar, dass
Technologien aus anderen Bereichen/Branchen für
Dienstleistungen der Bibliothek eingesetzt werden
Geschäftsmodelle aus anderen Branchen übernommen
werden
Dienstleistungen adaptiert werden, die in anderen Ländern
bereits im Einsatz sind
oder auch
Eine bestehende Dienstleistung verbessert wird
Also: Definition entspricht inkrementaler Innovation
9. Definition Bayerische
Staatsbibliothek
An der BSB versteht man unter Innovation
Weltweit erst- und einmalige Produkte und
Anwendungen
„Wow-Effekt“
Dem State-of-the-art 2-3 Jahre voraus
Die mit grossem Ressourcenaufwand realisiert werden
Die Ideen dafür stammen meist aus der
Geschäftsleitung (Top-Down-Ansatz)
Also: radikale Innovationen
9
10. Ausgangslage an der ETH-Bibliothek
ETH-Bibliothek hat den Ruf einer innovativen
Bibliothek
Bietet guten Service, kreiert immer wieder neue
Angebote
ABER:
Neue Entwicklungen wurden nicht systematisch verfolgt
Neue Ideen entstanden eher zufällig
Immer öfter stellte man Lücken fest
Keine eindeutige Zuständigkeit innerhalb der Bibliothek
10
11. Organisatorische Massnahmen
Erster Schritt: Einrichtung einer für die Innovation
verantwortlichen Stelle
Inhaltlicher Aufbau und Organisation des
Innovationsmanagements als Aufgabe dieser Stelle
Theoretisch verschiedene Modelle denkbar:
Stabsstelle (TU München, UB Bern)
Linienfunktion, relativ hoch in der Hierarchie (Bereich,
Abteilung) (ETH-Bibliothek)
Aufgabe, die einer bestehenden Stelle zugeordnet wird
(Matrixorganisation, vergleichbar mit Projektleitung) (Stabi
Hamburg)
11
12. Innovationsstrategie
Die Innovationsstrategie sollte Antwort geben auf folgende
Fragen:
Welchen Stellenwert hat Innovation in der eigenen Bibliothek?
Welche Ziele verfolgt die Bibliothek mit Innovation und
Innovationsmanagement?
Welches sind die Aufgaben des Innovationsmanagements?
Wie definiert man selbst Innovation?
Wie bindet man die Mitarbeiter in den Innovationsprozess ein?
Wie bindet man Kunden in den Innovationsprozess ein?
Wie misst man den Erfolg von Innovation?
12
13. Strategie der ETH-Bibliothek
„[Die ETH-Bibliothek] setzt den Fokus auf nutzer-
freundliche, innovative Dienstleistungen im Kontext der
elektronischen Bibliothek. Dies bedingt zum einen die
Kenntnis der Nutzerbedürfnisse, die regelmässig
erhoben werden.
Zum anderen verfolgt die ETH-Bibliothek systematisch
die Entwicklung des Bibliothekswesens und der
Informationstechnologie und prüft einschlägige
Produkte, Dienstleistungen und Strategien im Hinblick
auf eine Umsetzung an der ETH Zürich.“
13
14. Innovationsprozess
Innovationsprozess als Managementprozess einer
Bibliothek
Aufgaben:
Ablauf definieren (von der Idee zum neuen Produkt)
Verantwortlichkeiten klären
Etabliertes Modell: Stage-Gate-Prozess
14
15. Stage-Gate-Modell
Stage-Gate-Modell nach Cooper (Trichtermodell)
in diesem Trichtermodell werden möglichst viele Ideen
aufgenommen und über mehrere Stufen verdichtet, so dass
am Schluss nur die aussichtsreichsten Ideen umgesetzt
werden, die dann als neue Produkte bzw. Dienstleistungen
auf dem Markt platziert werden.
Dabei stellen die Stages die Stufen im Innovationsprozess dar
und die Gates die verschiedenen möglichst transparenten
Auswahlprüfverfahren.
Im Vergleich zu Unternehmen kann dieser Prozess in
Bibliotheken relativ einfach gestaltet werden.
Vgl. Cooper 2002 15
22. Entscheidungskriterien für neue Ideen
Unterstützung der Strategie
Attraktivität für Kunden, Kundennutzen
Vorteil für die Bibliothek, auch Prestige/Image
Ressourcen: haben wir das Know-how und die
Ressourcen, um die Idee mittelfristig umzusetzen?
Die Ressourcenfrage wird nicht stark gewichtet, da sonst
unter Umständen radikale Innovationen verhindert werden.
Realisierbarkeit: kann die Bibliothek die Innovation
realisieren – oder ist es eine unerreichbare Vision?
23. Ideengenerierung
Die Basis für gute Innovationen ist eine möglichst
grosse Zahl von Ideen, so dass aus dieser die
besten Ideen ausgesucht werden können.
Je kleiner der Input im Rahmen dieses
Trichtermodells ist, desto grösser ist das Risiko,
nicht die besten Ideen für die Umsetzung
auszuwählen.
Möglicherweise muss man sich dann mit der zweit-
oder drittbesten Lösung begnügen.
23
25. Umfeld für kreative Ideen
Ausserhalb Unternehmen (76% Im Unternehmen (24%
Natur (28%) Langweilige Sitzungen (10%)
Ferien (13% Anstrengende Sitzungen (6%)
Geschäftsreisen (11%) Am Arbeitsplatz (4%)
Sport (5%) In der Pause (3%)
Fernsehen (5%) Mit Kreativitätstechniken (1%)
Essen (4%)
Spiel und Hobby (4%)
Verein/Club (4%)
Badewanne (1%)
Quelle: Manager Magazin: Kinder an die Macht, 4/1993 25
27. Kreativitätstechnik: Reizwortanalyse
Assoziationen mit problemfremden Reizwörtern
Ablauf:
Aufgabe/Fragestellung formulieren
Kurz-Brainstorming, um naheliegende Ideen abzuholen
5-10 gegenständliche Begriffe auswählen, die nichts mit dem
Problem zu tun haben
Eigenschaften dieser Gegenstände werden analysiert und
festgehalten
Eigenschaften werden mit der Problemstellung konfrontiert:
welche Lösungen bieten diese Eigenschaften und Funktionen
für das formulierte Problem?
27
28. Einbezug der Mitarbeitenden
Potential der Mitarbeitenden abholen
Mehr Ideen, bessere Ideen
Mitarbeitende in den Prozess einbinden
Motivation erhöhen
Innovationskultur fördern
Niederschwelliges Angebot
Briefkasten, internes Blog, Mail
Innovationszirkel
29. Einbezug der Mitarbeitenden
Praxis ETH-Bibliothek
Ideenmanagement: Einrichtung eines internen Blogs
zur Eingabe von Ideen
Wettbewerb für die beste Idee des Jahres
Voting im Intranet
Auszeichnung am jährlichen Weihnachtsapéro
Attraktive Preise (Städtereise, iPad)
39 eingereichte Ideen in 2009
20 in 2010, 16 in 2011
34. Fazit Ideenmanagement (ETH-Bibliothek)
Involvierung der Mitarbeitenden kommt
grundsätzlich gut an, ist ein wichtiges Signal für eine
gelebte Innovationskultur
Rund 1/3 der Ideen wird abgelehnt, fast die Hälfte
aller Ideen wird nicht umgesetzt
Viele Ideen „behalten wir im Hinterkopf“, haben also
einen unklaren Status
Optimierung des Controlling und der Produktpipeline
nötig
35. Innovationszirkel
Informelle Treffen
Innovationsfreudige Mitarbeitende tauschen sich aus unter
Leitung/Koordination einer Person
Meist befasst sich nur ein überschaubarer Kreis von
Mitarbeitenden mit neuen Ideen
Beispiel: UB Wien
Innovationsteams
Mitglieder aus unterschiedlichen Bereichen
Matrixorganisation
Mitglieder als Innovationsbotschafter
Beispiel: TU München
35
36. Open Innovation
Einbezug der Kunden und/oder Stakeholder
Ideenbasis wird erhöht
Motivation zum Mitmachen?
10-40% der Kunden sind je nach Branche bereit
Einsatz von Web 2.0-Technologien
Z.B. Facebook für Kundenfeedback
Plattformen wie Uservoice (PaperC)
http://feedback.paperc.de/forums/7110-feedback-paperc-
de
36
38. Systematische Ideensuche
Ausgangslage: Ideen von Mitarbeitenden und
Vorschläge von Kunden sind in der Regel eher
zufällig
Problem: wie kann man die Ideensuche
systematisieren?
Wie kann man Innovationspotential systematisch
erfassen?
39. Kundenbeobachtung
Informationen über Bedürfnisse der Kunden
Informationen darüber, wie Kundenbedürfnisse
effizient umgesetzt werden können
Vergleichbar: Usability-Tests bei elektronischen
Dienstleistungen
39
40. Definition von Suchfeldern
Eigene Strategie definiert Schwerpunkte (Beispiel
ETH-Bibliothek):
Integration des Informationsangebotes (Portale,
Suchmaschinen, ERM etc.);
Information Literacy, E-Learning
Wissenschaftliches Publizieren, Open Access
Elektronische Archivierung
41. Quellen für Ideen
Publikationen
Horizon Report: http://wp.nmc.org/horizon2011/
Pew Internet: http://www.pewinternet.org/
ALA: http://connect.ala.org/
Gartner Hype Cycle
Tagungen
Selber vortragen und mitdiskutieren ist wichtig für den Austausch
Blogs
Bibliotheksblogs: http://liswiki.org/wiki/Weblogs
Lesen via Bloglines, Google Reader etc.
Abonnieren mit Twitter
42. Gartner Hype Cycle
Phasen des Technologielebenszyklus:
Technology Trigger – technologischer Auslöser,
Peak of Inflated Expectations – Phase der überzogenen
Erwartungen,
Through of Disillusionment – Tal der Enttäuschung,
Slope of Enlightenment – Pfad der „Erleuchtung“ und
Plateau of Productivity – Plateau der Produktivität.
http://www.gartner.com/technology/research/method
ologies/hype-cycle.jsp
42
44. Quellen für Ideen (2)
Twitter als Informationsquelle
Twitter als News-Zentrale, ein mächtiges Tool
Sehr flüchtig, man muss immer präsent sein
Trendsettern und Technologieblogs folgen
Suchabfragen zu bestimmten Themen speichern
Listen erstellen oder Listen folgen
45. Technologieradar
Zentrale Suchfelder werden definiert
Segmente im „Radar“
Was ist heute wichtig, was wird morgen von Bedeutung sein?
Innerer und äusserer Ring
Verantwortlichkeiten zuweisen
„Gate-Keeper“ für die einzelnen Themen
Verpflichtung zur regelmässigen Berichterstattung
In Kooperation realisieren!
Gestartetes Projekt mit Zukunftswerkstatt und FH Potsdam
Open Innovation-Ansatz
46. Technologieradar
E- Semantic
Interne
Learnin Web
t
3D-Internet
g Social
Tagging Such-
Archivi Netzwerke
Primärdaten
E-Doz maschinen Second Life Soziale
erung Bildsuche
Blogs
Netzwe
GEVER
Archiv-
systeme DOI
Micro-
blogging
Social
networks
rke
Information
URM
Bibliot
Portal Commons
OPAC recommender Primo Lizenzen
Virtueller
Open
Onleihe
Lesesaal heken
Portal Elektr.
Publizieren
Access
Betriebs-
Mobiler
Katalog
eBook
Formate
system eBook
e GIS Smart-
Reader
eBooks
phones
Cloud
Zukunft Publika
Computing RFID
Smart
Tablets
Objects
Aktuell tion
IT Mobile
Klicken Sie, um das Format
47. Projekt Technologieradar
Kooperation Zukunftswerkstatt, FH Potsdam und
ETH-Bibliothek
Grundsätzlich offen für alle
Kernelemente des Konzepts:
Delphi-Studie zur Ermittlung der wichtigsten Themen
Gate-Keeper/Experten zu Themen verpflichten
Publikation und Diskussion auf Community-Plattform
Bericht und Konferenz mit Auswertung der Ergebnisse
47
48. aktuelle Trends
(Ergebnis Workshop Technologieradar)
Smartphones Soziale Medien,
Tablets, eReader Communities
Neue Interfaces (Gesten-, Gaming
Sprachsteuerung) Internet of Things
Cloud Computing Augmented Reality
Multimedia im Web Identitäts-Management
3D-Visualisierungen Micro-Payment
Semantic Web Datenmanagement
Autonome Systeme, KI
48
49. Ergebnisse
Geschäftsleitung und Mitarbeitende warten auf erste
sichtbare Ergebnisse
Tipp: möglichst schnell erste Erfolgserlebnisse schaffen.
erste Innovationsideen auswählen, die sich leicht und
schnell umsetzen lassen.
Beispiel: An der ETH-Bibliothek war eine der ersten Ideen die
Einrichtung einer Facebook-Seite
UB Wien: einheitliches Sofa in allen Bibliotheken als Zeichen
(UB als Wohlfühlort)
49
50. Innovationskommunikation
intern (z.B. an die Mitarbeiter und den Träger)
extern (z.B. an die Kunden und andere externe
Stakeholder)
Innovationskommunikation als wesentlicher Teil der
Unternehmens- bzw. Organisationskommunikation
ist die systematisch geplante, durchgeführte und
evaluierte Kommunikation von Neuerungen mit dem
Ziel, Verständnis für und Vertrauen in die Innovation
zu entwickeln (...).
Zerfass, Huck 2007, S. 847 ff.
50
51. Beispiel MIT Libraries
MIT Betas and Widgets:
http://libguides.mit.edu/betas
Beta graveyard: nicht weiter entwickelte oder
eingestellte Beta-Tools
51
52. Aktueller Stand Innovationsmanagement
in Bibliotheken
Schweiz: ETH-Bibliothek, Stelle an UB Bern
ausgeschrieben
Deutschland: Innovationsverantwortliche an StaBi
Hamburg, Bibliothek TU München, Bibliothek TU
Hamburg/Harburg, TIB Hannover, UB Erlangen-
Nürnberg
Österreich: UB Wien
52
53. Wie geht es weiter?
Forschungsschwerpunkt Innovation am SII geplant
Trends, Methoden, Technologien
Integration in Schwerpunkt Digitale Bibliothek
Innovationscheck für Bibliotheken
Eingesetzte Methoden und Technologien
53
54. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Fragen?
rudolf.mumenthaler@htwchur.ch
www.htwchur.ch
54
55. Literatur
Birkenmeier, Beat; Brodbeck, Harald: Wunderwaffe Innovation. Was Unternehmen unschlagbar
macht – ein Ratgeber für Praktiker. Zürich: Orell Füssli, 2010.
Cooper, Robert G.: Top oder Flop in der Produktentwicklung. Erfolgsstrategien: von der Idee zum
Launch. Weinheim: Wiley, 2002
Georgy, U., & Schade, F. (2012). Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Walter
de Gruyter.
Mumenthaler, R. (2011). Produkt- und Innovationsmanagement. Praxisbeispiel aus der ETH-
Bibliothek Zürich . In A. Degkwitz & F. Klapper (Eds.), Prozessorientierte Hochschule. Allgemeine
Aspekte und Praxisbeispiele. (pp. 167–180). Bielefeld/Cottbus: DINI.
Mumenthaler, R. (2011). Innovationsmanagement an der ETH-Bibliothek. German Medical
Science. Medizin — Bibliothek — Information., 11(3), Doc18.
http://www.egms.de/dynamic/de/journals/mbi/2011-11/mbi000233.shtml
Mumenthaler, R. (2010). Innovationsmanagement an Hochschulbibliotheken am Beispiel der ETH-
Bibliothek Zürich. In U. Hohoff & C. Schmiedeknecht (Eds.), Ein neuer Blick auf Bibliotheken. 98.
Deutscher Bibliothekartag in Erfurt 2009 (pp. 134–148). Hildesheim.
Zerfass, Ansgar; Huck, Claudia: Innovationskommunikation: Neue Produkte, Technologien und
Ideen erfolgreich positionieren. In: Piwinger, Manfred; Zerfass, Ansgar (Hrsg.): Handbuch
Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Gabler, 2007, S. 847-858
55