Immer wieder wird in Politik und Wissenschaft auf die besondere Rolle innovativer Unternehmen hingewiesen, die durch ihre FuE-Aktivitäten den technologischen Fortschritt vorantreiben. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) initiieren vielversprechende Innovationsaktivitäten. Problematisch bei der Untersuchung dieser Aktivitäten ist allerdings, dass KMU nicht generell als homogene Unternehmensklasse angesehen werden können. Darüber hinaus sind KMU besonderen Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Innovationsaktivitäten ausgesetzt. Zur Beleuchtung dieser Problemfelder wird im Rahmen dieser Arbeit zunächst ein Innovationsindex entworfen, um die 171 Stichprobenunternehmen anhand ihres Innovationsgrades zu klassifizieren und einer von drei Innovationsgruppen (nicht, mäßig- und hoch innovativ) zuzuordnen. Die Trennschärfe der verwendeten Typologie wird anhand einer multinomialen logistischen Regression bestätigt. Anschließend werden gruppenspezifische Unterschiede im Finanzierungsmix aufgezeigt. Aus theoretischer Sicht können die Implikationen der Pecking-Order-Theorie grundsätzlich bestätigt werden. Die Theorie des Finanzierungslebenszyklus liefert hingegen keine befriedigenden Ergebnisse.
2. Die Grundlage dieser Präsentation ist der Artikel:
Hummel, D., Karcher, B., & Schultz, C. (2013). The financial structure of
innovative SMEs in Germany. Journal of Business Economics, 5(83), 471-503.
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Aktuelle Veröffentlichungen
und Projekte
4. 1. Für einen Großteil der totalen Faktorproduktivität ist der
technische Fortschritt verantwortlich (vgl. Solow, 1959)
2. Großunternehmen besitzen eine hohe „kulturelle Trägheit“
(Hauschildt, 1993, 91; Markides, 2000, 31 ff.)
3. Fehlende Anreize für Innovationsaktivitäten in
Großunternehmen
(Roling 2001, 21 ff.; Williamson, 1975, 206 ff.)
4. Vorteile von Großunternehmen liegen in Skalenerträgen,
Portfoliostrategien und besserer Auslastung der
Forschungsanlagen
(vgl. Christensen und Bower, 1995)
1. Relevanz des Themas: Innovation und KMU
Relevanz
5. 1. Die übergeordneten Leitfragen
Leitfragen
Unterscheidet sich die
Kapitalstruktur von
Unternehmen je nach
Innovationsgrad?
Woher erhalten
innovative KMU das
nötige Kapital für ihre
kostenintensiven
Innovationsaktivitäten?
Leitfragen
6. 1. Pecking-Order Theorie
§ Das Unternehmensmanagement verwendet die verschiedenen Finanzierungsinstrumente
entsprechend einer hierarchischen Rangfolge („Pecking-Order“).
§ Zunächst werden interne Mittel zur Finanzierung genutzt. An zweiter Stelle folgt externes
Fremdkapital vor externem Eigenkapital, welches die geringste Bedeutung besitzt.
§ Gründe:
o Kosten der jeweiligen Finanzierungsquelle
o Undurchsichtige Informationslage, Interpretation von Signalen
o Generelle Abneigung der Geschäftsführung gegenüber Kontroll- und Mitbestim-
mungsrechten von Finanziers (vgl. Myers, 1984; Myers und Majluf, 1984).
2. Finanzierungslebenszyklus
§ Evolutionstheorie: Unternehmen durchlaufen einen Prozess ähnlich wie Lebewesen von der
Geburt (Gründung) bis zum Tod (Insolvenz).
§ Bedarf und Zugang zu Kapital ist vom jeweiligen Entwicklungsstand des Unternehmens und
damit von dessen Größe, Alter und Verfügbarkeit von Informationen für Kapitalgeber
abhängig. Die Nutzung der verschiedenen Finanzierungsinstrumente beruht dement-
sprechend auf der aktuellen Situation eines Unternehmens, vornehmlich gemessen in Form
von Alter, Größe und Verfügbarkeit von Informationen. Bei Unternehmen mit verschiedenen
Profilen setzt sich folglich der Finanzierungsmix unterschiedlich zusammen (vgl. Berger und
Udell, 1998).
2. Theoretische Einbettung
Theoretische Einordnung
7. Unternehmensgröße
Unternehmensalter
Informationen
Sehr kleines Unternehmen,
u.U. ohne Sicherheiten
und ohne Kredithistorie
Kleines Unternehmen,
u.U. mit hohem
Wachstumspotential
aber mit limitierter Kredithistorie
Mittleres Unternehmen,
Kredithistorie und
Sicherheiten vorhanden
Großes Unternehmen,
mit nachvollziehbarem
Risiko und Kredithistorie
Selbstfinanzierung
Business Angel Venture Capital Public Equity
Handelskredit
Mittelfristige Kredite
Mezzanine
Börse
Kurzfr.
Schuldverschreibung
(commercial paper)
Mittelfristige
Schuldverschreibung
(medium term notes)
Außerbörsliche
Transaktionen
(Genussscheine etc.)
Kurzfristige Kredite
Finanzierungslebenszyklus
nach Berger und Udell (1998)
9. 3.1 Hypothesen
Hypothesen
Nr. Theoretische Fundierung Abgeleitete Hypothese
H1 Pecking-Order Theorie Der Finanzierungsmix von KMU unterscheidet sich
grundsätzlich in Abhängigkeit des Innovationsgrades
des Unternehmens.
H2 Pecking-Order Theorie In Bezug auf die Hierarchie der Finanzierungs-
instrumente bei innovativen Unternehmen besitzen
interne Mittel den höchsten Stellenwert, daraufhin
folgt kurzfristiges sowie mittel- bis langfristiges
Fremdkapital und letztlich externes Eigenkapital.
H3 Finanzierungslebenszyklus Mit zunehmendem Innovationsgrad des Unterneh-
mens gewinnen interne Mittel ebenso wie das
typische Risikokapital (PE/VC, Business Angels,
Mezzanine), Kontokorrentkredite, Kreditsubstitute und
öffentliche Förderung an Bedeutung. Parallel verliert
die mittel- bis langfristige Bankfinanzierung an
Wichtigkeit.
10. 3.1 Stichprobe (I/II)
Stichprobe und Methode
Stichprobe
§ Zufallsstichprobe von 20.000 KMU aus einer Grundgesamtheit von ca. 3,5
Mio. KMU in Deutschland
§ Geschäftsführer wurden per Mail kontaktiert, um einen Onlinefragebogen zu
beantworten
§ Erhebungszeitraum: Juni-August 2010
§ Insgesamt nahmen 339 KMU an der Befragung teil (Rücklaufquote: 1,7 %). Da
168 Unternehmen den Fragebogen nicht vollständig beantworteten, wurde die
Stichprobe auf die vollständig vorliegenden Datensätze von 171 KMU
reduziert.
o Gruppe 1 (nicht innovativ): 51 Unternehmen
o Gruppe 2 (mäßig innovativ): 75 Unternehmen
o Gruppe 3 (hoch innovativ): 45 Unternehmen
Methode
§ Multinomiale Logistische Regression
§ Ziel: Schätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten
§ Multikollinearität der unabhängigen Variablen führt zu falschen Ergebnissen
§ Keine unbedingte Normalverteilungsannahme
15. Klassifikationsmatrix und
Gütemaße des ModellsBeobachtet
Vorhergesagt
Nicht
innovativ
Mäßig
innovativ
Hoch
innovativ
Prozent
Richtig
Nicht innovativ 27 19 5 52,9%
Mäßig innovativ 9 56 10 74,7%
Hoch Innovativ 4 15 26 57,8%
Gesamt 23,4% 52,6% 24,0% 63,7%
1. Wahrscheinlichkeiten:
§ Proportionale Zufallswahrscheinlichkeit liegt bei 34,8%
§ Das Modell hat mit 63,7% eine um 82,7% höhere Trefferwahrscheinlichkeit
2. Statistische Tests zur Modellgüte:
§ Chi-Quadrat-Wert: 67,695 (Sig. 0,0 %)
§ Pseudo-R²-Quadrat Statistiken:
o Cox/Snell: 0,327
o Nagelkerke: 0,370
16. T-Test bei unabhängigen
Stichproben
Nicht vs. Hoch innovativ Mäßig vs. Hoch Innovativ Nicht vs. Mäßig innovativ
Finanzierung aus Gewinn -4,294*** -4,391*** -0,372
Lieferantenkredit 1,353* (x) -,0568 2,040**
Kontokorrentkredit 2,299** -,195 2,834***
Bankkredit 0,853 -0,162 1,105
Finanzierung aus
Abschreibungen
1,156 0,246 1,135
Leasing -0,661 -1,563* 0,920
Factoring/Forfaitierung 0,883 0,177 0,783
Bürgschaft 1,060 -0,276 1,427* (x)
Mezzanine Kapital -0,437 -0,558 0,05
Beteiligungskapital -0,548 1,277 -1,877**
Business Angels 0,801 0,679 0,133
Schuldscheindarlehen 0,549 1,012 -0,283
Kapitalmarktfinanzierung -0,787 0,634 -1,445* (x)
Öffentliche Förderung -3,137*** -3,183*** -0,147
t-Werte: *α ≤ 0,01; **α ≤ 0,05; ***α ≤ 0,1;
Bei Ungleichheit der Varianzen wird der t-Wert so wie das Signifikanzniveau auf Basis des Welch-Tests angegeben. (x): Sehr geringer
Mittelwertunterschied.
18. 4. Fazit: Hypopthesen
Ergebnisse
Nr. Theoretische Fundierung Abgeleitete Hypothese Resultat
H1 Pecking-Order Theorie Der Finanzierungsmix von KMU
unterscheidet sich grundsätzlich in
Abhängigkeit des Innovationsgrades des
Unternehmens.
Bestätigung
H2 Pecking-Order Theorie In Bezug auf die Hierarchie der
Finanzierungs-instrumente bei
innovativen Unternehmen besitzen
interne Mittel den höchsten Stellenwert,
daraufhin folgt kurzfristiges sowie mittel-
bis langfristiges Fremdkapital und
letztlich externes Eigenkapital.
Grundsätzlich
bestätigt
H3 Finanzierungslebenszyklus Mit zunehmendem Innovationsgrad des
Unternehmens gewinnen interne Mittel
ebenso wie das typische Risikokapital
(PE/VC, Business Angels, Mezzanine),
Kontokorrent-kredite, Kreditsubstitute
und öffentliche Förderung an Bedeutung.
Parallel verliert die mittel- bis langfristige
Bankfinanzierung an Wichtigkeit.
Partielle
Bestätigung
20. 4. Fazit: Handlungsempfehlungen und
Limitierungen
Fazit
Ergebnis Handlungsempfehlung
A. Hohe Bedeutung der
Selbstfinanzierung und öffentlicher
Förderung für hoch innovative
Unternehmen
Möglicher adverser Selektion bei
öffentlicher Förderung durch objektive
Vergabekriterien vorbeugen
B. Pecking-Order Theorie besitzt
Prognosekraft für innovative KMU in
Deutschland
Geschäftsführung innovativer KMU für
eventuelle Verzerrungen sensibilisieren.
Reduktion der Abhängigkeit von kurz-
fristigen Finanzierungsinstrumenten.
Limitierungen der Untersuchung
§ Mögliche Selektion in der Stichprobe
Alter, Innovationsgrad/Größe
§ Durchführung der Erhebung
„Tendenz zur Mitte“ bei den Befragten
Zeitlicher Kontext (Nachwirkungen der Wirtschaftskrise 2008-2009)
21. Literaturverzeichnis
21
§ Berger, A. N.; Udell G. F. (1998): The economics of small business finance: The roles of private
equity and debt markets in the financial growth cycle. In: Journal of Business Venturing, Jg. 21, S.
45–73.
§ Bretschger, L. (1998): Wachstumstheorie, München.
§ Christensen, C.M. und Bower J. L. (1995): Disruptive technologies: Catching the wave. In: Harvard
Business Review, S. 43–53.
§ Hauschildt, J. (1993): Innovationsmanagement. München.
§ Markides, C. (2000): So wird ihr Unternehmen einzigartig. Ein Praxisleitfaden für professionelle
Strategieentwicklung. Boston: Harvard Business School Press.
§ Myers, S. C. (1984): The capital structure puzzle. In: The Journal of Finance, Jg. 34, H. 3, S. 575–
592.
§ Myers, S.C. und Majluf, N.S. (1984): Corporate financing and investment decisions when firms
have information that investors do not have. In: Journal of Financial Economics, Jg. 13, H. 2, S.
187–221.
§ Roling, J. (2001): Venture Capital und Innovation. Lohmar: Eul-Verlag.
§ Solow, R.M. (1959): A contribution to the theory of growth, In: The Quarterly Journal of Economics,
Jg,70, No.1, S. 65-94.
§ Williamson, O.E. (1975): Transaction-cost economics: The governance of contractual relations. In:
Journal of Law and Economics, Jg. 22, S. 233–261.