SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 1
Downloaden Sie, um offline zu lesen
Management | 25HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 29. Juni 2017
«Die Schweiz braucht
einen Digital-Minister»Carlos Moreira Der Genfer Unternehmer forschte viele Jahre zum Thema digitale Identität
und Cybersecurity. Seine Tipps für Firmen und den Digitalstandort Schweiz.
INTERVIEW: STEFAN MAIR
Welche Schritte muss jede Firma setzen,
um ihre Cyber-Sicherheit zu erhöhen?
Carlos Moreira: Zuerst muss sichergestellt
werden, dass jemand mit genügend Auto-
nomie im Unternehmen ausgewählt
wird, der explizit verantwortlich für das
Thema Cybersecurity ist. Oft passiert es,
dass Firmen Systeme pushen, die die Effi-
zienz fördern, aber erst in einem zweiten
Schritt an Cyer-Sicherheit denken. Zu-
dem gibt es eine starke Tendenz in Rich-
tung Cloud-Computing, Firmen müssen
sicherstellen, dass Kundendaten, die dort
lagern, verschlüsselt sind und auch recht-
lichen Ansprüchen entsprechen. Es gibt
in der Schweiz eine breite Palette von
­Cybersecurity-Angeboten, die hier ent-
standen sind, Schweizer Daten-Center,
Schweizer digitale Identifikationstools
oder Schweizer Crypto-Chips, die ge-
nutzt werden sollten.
Wie sind wir beim Thema Cyber-Sicher-
heit in der Schweiz aufgestellt?
Obwohl wir in der Schweiz mit dem Cryp-
to-Valley in Zug einen Hub für internatio-
nale Cybersecurity-Firmen haben, ist das
Land immer noch dabei, eine Cyber­
security-Strategie zu entwickeln. Neutra­
lität ist ein Kernelement des Landes und
doch sind wir massiv abhängig von Cyber­
security-AngebotenausanderenLändern.
Man muss unterscheiden zwischen in der
Schweiz niedergelassenen Firmen, die
ausländische Technologie verkaufen, und
hier entstandenen Firmen, deren Ser­
vices, Patente und so weiter unter Berück-
sichtigung unserer Rechtsordnung ent-
standen sind. Ich glaube, wir könnten
­einen eigenen Cybersecurity-Sektor als
nationales Asset entwickeln. Wir sehen
Länder wie Estland, Israel, Singapur und
Luxemburg, die genau das machen.
Wie würden Sie jemandem, der nicht
­technikaffin ist, Ihr Geschäft erklären?
Die sogenannte Public-Key-Infrastruktur
ist eine Grundlagentechnologie im Inter-
net und die Basis der sogenannten «En­
cryption». Diese wird bei vielen Aktionen
genutzt, etwa bei der Identifizierung eines
Users oder der elektronischen Unter-
schrift. Wisekey startete als globaler PKI-
Provider. Wir haben diesen internatio­
nalen Ansatz und profitieren dabei von
der Schweizer Neutralität. Zusätzlich zu
verschiedenen Projekten in der Schweiz
wie E-Voting-Projekten oder Cybersecu­
rity-Themen für Firmen sind wir in Pro­
jekte von Südamerika bis Afrika und Asien
involviert. Und so wie die Websites und
das Internet das tägliche Leben für jeden
geändert haben, glauben wir bei Wisekey
daran, dass das Internet of Things (IoT)
die nächste Revolution sein wird – die
Dinge, die wir besitzen, sind mit dem
­Internet verbunden, um neue Services
möglich zu machen. Beim IoT gelten aber
die gleichen Prinzipien der Cybersecurity:
also die Identifikation von legitimen De-
vices und die Zuordnung zum Besitzer,
­inklusive des Datenschutzes. Die Public-
Key-Infrastruktur wird ein wichtiger Teil
der Sicherung des IoT-Systems sein.
Warum haben Sie Kevin Spacey als
­Testimonial für Ihre Firma gewählt?
Kevin ist sehr sensibel, was das Thema
­Cybersecurity und Datenschutz angeht.
Immerhin war er selber Opfer der Sony-
Attacke, bei der die Daten vieler Promi-
nenten gehackt wurden. Er ist zudem ein
wunderbarer Schauspieler und Oscar-­
Gewinner, der das Thema Cybersecurity
auch Leuten erklären kann, die nichts mit
dem Thema Technik zu tun haben.
Welche Chancen hat die Schweiz in der
Ära der Digitalisierung?
Die Schweiz hat eine Top-Reputation im
Bereich Neutralität und muss eine Strate-
gie ausarbeiten, die diesen Ruf in die digi-
tale Welt erweitert. Viele sehen das Inter-
net als eine globale Sache, die nationale
Grenzen überwindet – aber das ist so
nicht richtig, weil alle Interaktionen und
Transaktionen im Internet unter natio­
nale Gesetzgebungen fallen und Interes-
sen und Interventionen von Regierungen
ausgesetzt sind. Ich glaube, dass die
Schweiz beim Thema Cybersecurity eine
nationale Strategie braucht, die lokale
­Cybersecurity-Firmen fördert, die Inno-
vation in der Forschung pusht und mit
­Initiativen wie Digital Switzerland zu-
sammenarbeitet.
Welche politischen Schritte sind konkret
nötig, damit die Schweiz ein «Power Hub»
in der digitalen Ära wird?
Wir müssen uns entscheiden, was die
Schweiz in der digitalen Welt sein will. Wir
brauchen eine nationale Strategie und
­einen Digital-Minister mit dem nötigen
Wissen, um wichtige Entscheidungen zu
treffen. Wir müssen mit gutem Beispiel
­vorangehen und das erste Land werden,
das Smart Cities, Smart Education und
­E-Votingbreitausrollt.Mansolltenichtver-
gessen, dass das Netz selbst in Genf erfun-
den wurde und wir viele internationale
­Organisationen hier haben, die die Stan-
dards für die Entwicklung des Netzes mit-
schreiben. Unsere Regierung muss lernen,
dieses unglaubliche Wissen, das wir bereits
hier haben, besser anzuzapfen. Wir müs-
sen in diesem Bereich so viel investieren,
wiewirindieBereichealternativeEnergien
und Biotechnologie investieren. Wir brau-
chen eine Generation von Schweizer Inter-
netfirmen, die die monopolistische Rolle
der alten Player zurückdrängen.
An welchen Projekten arbeiten Sie gerade
bei Wisekey?
Wir investieren stark in unsere Fähigkei-
ten im Bereich Internet of Things und den
damit zusammengehörigen Chips. IoT-
Daten sind an sich wenig wertvoll, wenn
sie nicht authentifizierbar und kontextua-
lisierbar sind. Die Mehrheit der IoT-­
Devices haben heute kein eingebettetes
Sicherheitssystem – und sind daher sehr
verletzbar. Unser Ziel ist es, dass wir un­
sere Wisekey Vertical Trust Platform dazu
nutzen, dass IoT-Devices ihr eigenes Cy-
bersecurity-Verhalten entwickeln können
und damit klügere und smartere Entschei-
dungen treffen. IoT-Objekte mit dieser
Technologie werden von Attacken lernen
sowie sich dagegen verteidigen und dieses
Wissen sogar mittels Blockchain mit ande-
ren Objekten teilen. Wir wollen in zwei
Jahren der Schweizer Leader im Bereich
Cybersecurity sein.
CHRISTIANBEUTLER/KEYSTONE
Carlos Moreira: «Wir sind massiv abhängig von Cybersecurity-Angeboten aus anderen Ländern.»
«Wir sollten in der Schweiz
einen eigenen Cybersecurity-
Sektor als nationales Asset
entwickeln.»
Der Irrsinn mit
dem Gratulieren
TIM HÖFINGHOFF
B
ei Linkedin er-
halte ich ständig
die Aufforde-
rung, anderen Men-
schen zu gratulieren:
zu ihrem Geburtstag,
zur neuen Position als
Senior Project Director, zur neuen Posi-
tion als Vorstandsmitglied, zur neuen
Position als Verwaltungsrat, zum Fir-
menjubiläum, zum neuen Was-sonst-
noch-alles. Manchmal wird mir ganz
schwindelig beim Durchlesen der zahl-
reichen Gratulationsaufforderungen.
Daher habe ich mir nun fest vorgenom-
men, jeden Morgen mindestens zehn
Minuten in meinem Arbeitstag zu reser-
vieren, um die vielen Linkedin-Bekannt-
schaften gebührend zu würdigen. Jeder
soll von mir seinen wohlverdienten Klick
auf den blauen Linkedin-Gratulieren-
Button bekommen. Wenn ich damit
meine Mitmenschen glücklich machen
kann, ist das den zeitlichen Mehrauf-
wand auf jeden Fall wert. Nun muss ich
allerdings feststellen, dass die Gratula­
tionseuphorie bei Linkedin eher einem
Gratulationsirrsinn gleicht. Einer meiner
Linkedin-Kontakte schreibt nämlich,
dass er sich zwar über die zahlreichen
Glückwünsche freue, aber gar keinen
neuen Job habe. Er habe lediglich seinen
Lebenslauf aktualisiert, Linkedin habe
daraus sogleich einen Gratulationsauf-
ruf gemacht. Ich muss daher morgens
­genau prüfen, wer tatsächlich eine Gra-
tulation verdient hat. Also: Selektieren
kommt vor Gratulieren!
DIGITALES LEBEN
BLOG DIGITALES LEBEN
handelszeitung.ch/digitalesleben
Der Cyber-Guru
Name: Carlos Moreira
Funktion: CEO und Gründer
Wisekey SA in Genf
Die Karriere: Moreira begann seinen
Berufsweg als UN-Experte zum
­Thema Cybersecurity, er lehrte und
forschte am Melbourne Institute of
Technology und gründete 1999 seine
Cybersecurity-Firma Wisekey. Er ist
Gründer des Genfer Sicherheits­
forums und engagiert sich in diver-
sen Gremien des World Economic
Forums. Er gehört zu den Vor­
denkern zum Thema Digitalisierung
und digitale Identität in der Schweiz.
ANZEIGE

Weitere ähnliche Inhalte

Mehr von Creus Moreira Carlos

Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02
Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02
Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02Creus Moreira Carlos
 
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego bloomberg business
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego   bloomberg businessBillionaire hinduja hits lima for more business, less ego   bloomberg business
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego bloomberg businessCreus Moreira Carlos
 
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth CompaniesCreus Moreira Carlos
 
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...Creus Moreira Carlos
 
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...Creus Moreira Carlos
 
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos Moreira
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos MoreiraPresentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos Moreira
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos MoreiraCreus Moreira Carlos
 
OISTE.ORG granted by the UN Special consultative status
OISTE.ORG  granted by the UN Special consultative status OISTE.ORG  granted by the UN Special consultative status
OISTE.ORG granted by the UN Special consultative status Creus Moreira Carlos
 
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013Copie article tribune_de_genève_11_fév2013
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013Creus Moreira Carlos
 
Wk online trust solutions overview january 2012
Wk online trust solutions overview january 2012Wk online trust solutions overview january 2012
Wk online trust solutions overview january 2012Creus Moreira Carlos
 
Carlos Moreira Interview to Vedomosti Russia
Carlos Moreira Interview to Vedomosti RussiaCarlos Moreira Interview to Vedomosti Russia
Carlos Moreira Interview to Vedomosti RussiaCreus Moreira Carlos
 
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekey
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekeyVedomosti Coverage Carlos Moreira WISekey
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekeyCreus Moreira Carlos
 
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic Forum
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic ForumWISeKey Trailblazers 2011 World Economic Forum
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic ForumCreus Moreira Carlos
 
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneve
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font genevePME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneve
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneveCreus Moreira Carlos
 

Mehr von Creus Moreira Carlos (20)

Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02
Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02
Vedomostiprl17011021 110921095139-phpapp02
 
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego bloomberg business
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego   bloomberg businessBillionaire hinduja hits lima for more business, less ego   bloomberg business
Billionaire hinduja hits lima for more business, less ego bloomberg business
 
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies
3 Swiss companies listed among the World Economic Forum Global Growth Companies
 
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...
WISekey nominated one of the 2014 Global Growth Companies Partners by the Wor...
 
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...
Carlos Moreira Cyber Security Round-table Moderation in NY 2014 M&A Advisory ...
 
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos Moreira
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos MoreiraPresentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos Moreira
Presentation BigTrust at Malaga Valley by Carlos Moreira
 
OISTE.ORG granted by the UN Special consultative status
OISTE.ORG  granted by the UN Special consultative status OISTE.ORG  granted by the UN Special consultative status
OISTE.ORG granted by the UN Special consultative status
 
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013Copie article tribune_de_genève_11_fév2013
Copie article tribune_de_genève_11_fév2013
 
Wi se key - wisephoneplus (esp)
Wi se key - wisephoneplus (esp)Wi se key - wisephoneplus (esp)
Wi se key - wisephoneplus (esp)
 
Bilan fev 2012 300dpi
Bilan fev 2012 300dpiBilan fev 2012 300dpi
Bilan fev 2012 300dpi
 
Fcb 4
Fcb 4Fcb 4
Fcb 4
 
Wk online trust solutions overview january 2012
Wk online trust solutions overview january 2012Wk online trust solutions overview january 2012
Wk online trust solutions overview january 2012
 
Cleantech switzerland 2010-1
Cleantech switzerland 2010-1Cleantech switzerland 2010-1
Cleantech switzerland 2010-1
 
Carlos Moreira Interview to Vedomosti Russia
Carlos Moreira Interview to Vedomosti RussiaCarlos Moreira Interview to Vedomosti Russia
Carlos Moreira Interview to Vedomosti Russia
 
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekey
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekeyVedomosti Coverage Carlos Moreira WISekey
Vedomosti Coverage Carlos Moreira WISekey
 
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic Forum
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic ForumWISeKey Trailblazers 2011 World Economic Forum
WISeKey Trailblazers 2011 World Economic Forum
 
Vedomosti WISeKey Coverage
Vedomosti WISeKey CoverageVedomosti WISeKey Coverage
Vedomosti WISeKey Coverage
 
Wisekeydalian2011presentation
Wisekeydalian2011presentationWisekeydalian2011presentation
Wisekeydalian2011presentation
 
Carlos Article Le Temps May 2011
Carlos Article Le Temps May 2011Carlos Article Le Temps May 2011
Carlos Article Le Temps May 2011
 
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneve
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font genevePME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneve
PME Magazine 25 entrepreneurs qui font geneve
 

Switzerland needs A digital minister » Carlos Moreira

  • 1. Management | 25HANDELSZEITUNG | Nr. 26 | 29. Juni 2017 «Die Schweiz braucht einen Digital-Minister»Carlos Moreira Der Genfer Unternehmer forschte viele Jahre zum Thema digitale Identität und Cybersecurity. Seine Tipps für Firmen und den Digitalstandort Schweiz. INTERVIEW: STEFAN MAIR Welche Schritte muss jede Firma setzen, um ihre Cyber-Sicherheit zu erhöhen? Carlos Moreira: Zuerst muss sichergestellt werden, dass jemand mit genügend Auto- nomie im Unternehmen ausgewählt wird, der explizit verantwortlich für das Thema Cybersecurity ist. Oft passiert es, dass Firmen Systeme pushen, die die Effi- zienz fördern, aber erst in einem zweiten Schritt an Cyer-Sicherheit denken. Zu- dem gibt es eine starke Tendenz in Rich- tung Cloud-Computing, Firmen müssen sicherstellen, dass Kundendaten, die dort lagern, verschlüsselt sind und auch recht- lichen Ansprüchen entsprechen. Es gibt in der Schweiz eine breite Palette von ­Cybersecurity-Angeboten, die hier ent- standen sind, Schweizer Daten-Center, Schweizer digitale Identifikationstools oder Schweizer Crypto-Chips, die ge- nutzt werden sollten. Wie sind wir beim Thema Cyber-Sicher- heit in der Schweiz aufgestellt? Obwohl wir in der Schweiz mit dem Cryp- to-Valley in Zug einen Hub für internatio- nale Cybersecurity-Firmen haben, ist das Land immer noch dabei, eine Cyber­ security-Strategie zu entwickeln. Neutra­ lität ist ein Kernelement des Landes und doch sind wir massiv abhängig von Cyber­ security-AngebotenausanderenLändern. Man muss unterscheiden zwischen in der Schweiz niedergelassenen Firmen, die ausländische Technologie verkaufen, und hier entstandenen Firmen, deren Ser­ vices, Patente und so weiter unter Berück- sichtigung unserer Rechtsordnung ent- standen sind. Ich glaube, wir könnten ­einen eigenen Cybersecurity-Sektor als nationales Asset entwickeln. Wir sehen Länder wie Estland, Israel, Singapur und Luxemburg, die genau das machen. Wie würden Sie jemandem, der nicht ­technikaffin ist, Ihr Geschäft erklären? Die sogenannte Public-Key-Infrastruktur ist eine Grundlagentechnologie im Inter- net und die Basis der sogenannten «En­ cryption». Diese wird bei vielen Aktionen genutzt, etwa bei der Identifizierung eines Users oder der elektronischen Unter- schrift. Wisekey startete als globaler PKI- Provider. Wir haben diesen internatio­ nalen Ansatz und profitieren dabei von der Schweizer Neutralität. Zusätzlich zu verschiedenen Projekten in der Schweiz wie E-Voting-Projekten oder Cybersecu­ rity-Themen für Firmen sind wir in Pro­ jekte von Südamerika bis Afrika und Asien involviert. Und so wie die Websites und das Internet das tägliche Leben für jeden geändert haben, glauben wir bei Wisekey daran, dass das Internet of Things (IoT) die nächste Revolution sein wird – die Dinge, die wir besitzen, sind mit dem ­Internet verbunden, um neue Services möglich zu machen. Beim IoT gelten aber die gleichen Prinzipien der Cybersecurity: also die Identifikation von legitimen De- vices und die Zuordnung zum Besitzer, ­inklusive des Datenschutzes. Die Public- Key-Infrastruktur wird ein wichtiger Teil der Sicherung des IoT-Systems sein. Warum haben Sie Kevin Spacey als ­Testimonial für Ihre Firma gewählt? Kevin ist sehr sensibel, was das Thema ­Cybersecurity und Datenschutz angeht. Immerhin war er selber Opfer der Sony- Attacke, bei der die Daten vieler Promi- nenten gehackt wurden. Er ist zudem ein wunderbarer Schauspieler und Oscar-­ Gewinner, der das Thema Cybersecurity auch Leuten erklären kann, die nichts mit dem Thema Technik zu tun haben. Welche Chancen hat die Schweiz in der Ära der Digitalisierung? Die Schweiz hat eine Top-Reputation im Bereich Neutralität und muss eine Strate- gie ausarbeiten, die diesen Ruf in die digi- tale Welt erweitert. Viele sehen das Inter- net als eine globale Sache, die nationale Grenzen überwindet – aber das ist so nicht richtig, weil alle Interaktionen und Transaktionen im Internet unter natio­ nale Gesetzgebungen fallen und Interes- sen und Interventionen von Regierungen ausgesetzt sind. Ich glaube, dass die Schweiz beim Thema Cybersecurity eine nationale Strategie braucht, die lokale ­Cybersecurity-Firmen fördert, die Inno- vation in der Forschung pusht und mit ­Initiativen wie Digital Switzerland zu- sammenarbeitet. Welche politischen Schritte sind konkret nötig, damit die Schweiz ein «Power Hub» in der digitalen Ära wird? Wir müssen uns entscheiden, was die Schweiz in der digitalen Welt sein will. Wir brauchen eine nationale Strategie und ­einen Digital-Minister mit dem nötigen Wissen, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Wir müssen mit gutem Beispiel ­vorangehen und das erste Land werden, das Smart Cities, Smart Education und ­E-Votingbreitausrollt.Mansolltenichtver- gessen, dass das Netz selbst in Genf erfun- den wurde und wir viele internationale ­Organisationen hier haben, die die Stan- dards für die Entwicklung des Netzes mit- schreiben. Unsere Regierung muss lernen, dieses unglaubliche Wissen, das wir bereits hier haben, besser anzuzapfen. Wir müs- sen in diesem Bereich so viel investieren, wiewirindieBereichealternativeEnergien und Biotechnologie investieren. Wir brau- chen eine Generation von Schweizer Inter- netfirmen, die die monopolistische Rolle der alten Player zurückdrängen. An welchen Projekten arbeiten Sie gerade bei Wisekey? Wir investieren stark in unsere Fähigkei- ten im Bereich Internet of Things und den damit zusammengehörigen Chips. IoT- Daten sind an sich wenig wertvoll, wenn sie nicht authentifizierbar und kontextua- lisierbar sind. Die Mehrheit der IoT-­ Devices haben heute kein eingebettetes Sicherheitssystem – und sind daher sehr verletzbar. Unser Ziel ist es, dass wir un­ sere Wisekey Vertical Trust Platform dazu nutzen, dass IoT-Devices ihr eigenes Cy- bersecurity-Verhalten entwickeln können und damit klügere und smartere Entschei- dungen treffen. IoT-Objekte mit dieser Technologie werden von Attacken lernen sowie sich dagegen verteidigen und dieses Wissen sogar mittels Blockchain mit ande- ren Objekten teilen. Wir wollen in zwei Jahren der Schweizer Leader im Bereich Cybersecurity sein. CHRISTIANBEUTLER/KEYSTONE Carlos Moreira: «Wir sind massiv abhängig von Cybersecurity-Angeboten aus anderen Ländern.» «Wir sollten in der Schweiz einen eigenen Cybersecurity- Sektor als nationales Asset entwickeln.» Der Irrsinn mit dem Gratulieren TIM HÖFINGHOFF B ei Linkedin er- halte ich ständig die Aufforde- rung, anderen Men- schen zu gratulieren: zu ihrem Geburtstag, zur neuen Position als Senior Project Director, zur neuen Posi- tion als Vorstandsmitglied, zur neuen Position als Verwaltungsrat, zum Fir- menjubiläum, zum neuen Was-sonst- noch-alles. Manchmal wird mir ganz schwindelig beim Durchlesen der zahl- reichen Gratulationsaufforderungen. Daher habe ich mir nun fest vorgenom- men, jeden Morgen mindestens zehn Minuten in meinem Arbeitstag zu reser- vieren, um die vielen Linkedin-Bekannt- schaften gebührend zu würdigen. Jeder soll von mir seinen wohlverdienten Klick auf den blauen Linkedin-Gratulieren- Button bekommen. Wenn ich damit meine Mitmenschen glücklich machen kann, ist das den zeitlichen Mehrauf- wand auf jeden Fall wert. Nun muss ich allerdings feststellen, dass die Gratula­ tionseuphorie bei Linkedin eher einem Gratulationsirrsinn gleicht. Einer meiner Linkedin-Kontakte schreibt nämlich, dass er sich zwar über die zahlreichen Glückwünsche freue, aber gar keinen neuen Job habe. Er habe lediglich seinen Lebenslauf aktualisiert, Linkedin habe daraus sogleich einen Gratulationsauf- ruf gemacht. Ich muss daher morgens ­genau prüfen, wer tatsächlich eine Gra- tulation verdient hat. Also: Selektieren kommt vor Gratulieren! DIGITALES LEBEN BLOG DIGITALES LEBEN handelszeitung.ch/digitalesleben Der Cyber-Guru Name: Carlos Moreira Funktion: CEO und Gründer Wisekey SA in Genf Die Karriere: Moreira begann seinen Berufsweg als UN-Experte zum ­Thema Cybersecurity, er lehrte und forschte am Melbourne Institute of Technology und gründete 1999 seine Cybersecurity-Firma Wisekey. Er ist Gründer des Genfer Sicherheits­ forums und engagiert sich in diver- sen Gremien des World Economic Forums. Er gehört zu den Vor­ denkern zum Thema Digitalisierung und digitale Identität in der Schweiz. ANZEIGE