Personalmagazin 4 2015 Unternehmenskultur

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Artikel in der Zeitschrift Personalmagazin über Unternehmenskultur. Der Artikel ist aus dem Buch "Arbeitskultur 2020" entstanden.

22
personalmagazin 04 / 15
TITEL_UNTERNEHMENSKULTUR
I
st eine gute Unternehmenskultur
heute noch notwendig? Reichen in
einer Arbeitswelt, in der die Beleg-
schaft teilweise über Kontinente
verteilt ist und oft nur virtuell kommu-
niziert wird, nicht klare Strategien und
Vorgaben zum Erfolg aus?
Nein, meint Nico Rose, Senior Direc-
tor Corporate Management Development
bei Bertelsmann. „Unternehmenskultur
isst die Unternehmensstrategie zum
Frühstück - culture eats strategy for
breakfast“, zitiert er Management-Guru
Peter Drucker. „Über diese Zuspitzung
kann man natürlich streiten, aber der
generellen Einschätzung stimme ich
zu.“ Und er verweist auf Bertelsmann-
Nachkriegsgründer Reinhard Mohn,
der als einer der ersten Unternehmer in
Deutschland die herausgehobene Bedeu-
tung von Unternehmenskultur erkannt
habe: „Seine Gedanken sind heute so ak-
tuell wie damals.“
Auch Karl de Molina sieht eine kla-
re und solide Unternehmenskultur als
unverzichtbaren Richtungsweiser in der
heutigen Arbeitswelt voller Umbrüche –
eine Erfahrung, die sich dem CEO und
Gründer von Think Simple immer wie-
Von Katharina Schmitt (Red.) der gerade bei der Beratung von Start-
ups bestätigt. „Den gesellschaftlichen
Veränderungen müssen die Personal-
verantwortlichen natürlich Rechnung
tragen“, erklärt er. „Dazu gehört die An-
passung der Unternehmenskultur an die
Gegebenheiten und dies – wenn möglich
– zu antizipieren.“ Employer Branding
lebe letztlich von einer anziehenden Un-
ternehmenskultur, so Molina. „Zählten
früher Werte wie Arbeitsplatzsicherheit,
gutes Gehalt, interessante Aufgaben,
kommen heute Themen wie Ökologie,
Kultur des Miteinanders noch dazu oder
verdrängen teilweise alte Werte.“
Neue Werte als Grundlagen einer
veränderten Unternehmenskultur
Als Geschäftsführer der Väter gGmbH
sieht Volker Baisch insbesondere die
junge Generation der Väter als Treiber
der neuen Werte, die eine moderne
Unternehmenskultur bestimmen. „Vor
allem eine Strategie für die Vereinbar-
keit von Familie und Beruf erhält eine
elementare Bedeutung – und das nicht
nur für Frauen. Zentral für eine zu-
kunftsweisende Unternehmenskultur
ist daher der gleichberechtigte Zugang
zu Karriereschritten für Frauen und zu
Möglichkeiten für Väter, Familie und
Beruf zu vereinbaren.“ Eine familien-
orientierte Unternehmenskultur werde,
so seine Überzeugung, in Zukunft der
Vorzeigefaktor für ein positives Arbeit-
geberimage.
Aber es ist nicht nur die Familieno-
rientierung und Work-Life-Balance, die
als veränderte Grundlagen einer neuen
Unternehmenskultur genannt werden.
Professor Michael Bartz leitet das New
World of Work Forschungszentrum an
der IMC FH Krems. Er sieht zuneh-
mend vertrauensbasierte und ergebnis-
orientierte Unternehmenskulturen, die
schrittweise kontrollorientierte Unter-
nehmenskulturen ablösen. „Kontrolle
funktioniert unter den Rahmenbedin-
gungen zunehmender Internationalisie-
Wandel gerne – aber wohin?
DISKUSSION. In einem virtuellen Roundtable sprachen Praktiker und Wissenschaftler
über die Entwicklung und Zukunft einer neuen Unternehmenskultur.
„Der Wandel muss überall zugleich an-
gestoßen werden. Ein von oben vorgege-
bener Prozess dauert heute zu lange.“
Dr. Nico Rose, Bertelsmann SE  Co, Gütersloh
„Nur eine klare und solide Unterneh-
menskultur vermag für die Mitarbeiter
richtungsweisend zu sein.“
Dr. Karl de Molina, Think Simple, München
23
04 / 15 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an katharina.schmitt@personalmagazin.de
rung, Komplexität und Beschleunigung
in Unternehmen nur noch bedingt oder
gar nicht mehr“, erklärt der Arbeits-
wissenschaftler. „Gute Kultur heute
setzt auf Vertrauen und Eigeninitiative.
Schlechte Kulturen setzen auf Kontrolle
und demotivieren die Leistungsträger“,
beschreibt de Molina den gegenwärtigen
Status. Diese Aussage unterstützt auch
Vätervertreter Baisch: „Eine gute Unter-
nehmenskultur verzichtet auf die bloße
Präsenz- und öffnet sich hin zu einer
Ergebniskultur. Fachkräfte haben freie
Hand bei der Umsetzung von Aufgaben,
können sich ihre Zeit frei einteilen. Da-
durch verbessert sich die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf.“
Kulturelles Miteinander ist
auch in virtuellen Welten möglich
Die neuen Arbeitswelten verändern
zwar die Unternehmenskultur, machen
sie aber keinesfalls obsolet, darüber
sind sich die Gesprächspartner also ei-
nig. Doch der Wandel beeinflusst auch
das Miteinander – bei virtuell geprägter
Arbeitsweise und einem stetigen Trend
zur Individualisierung wird die Ent-
wicklung der Unternehmenskultur an-
ders ablaufen müssen als bisher.
„Kulturen leben vom menschlichen
Austausch. Dieser ist durch persönlichen
Kontakt am stärksten ausgeprägt“, gibt
de Molina zu Bedenken, verweist aber
gleichzeitig darauf, dass soziale Medien
und digitale Kollaborationskonzepte die
Möglichkeiten von Austausch und Zu-
sammenarbeit erhöhen. „Gerade in den
neuen virtuellen Arbeitswelten mit zeit-
lich und räumlich flexiblen Arbeitswei-
sen ist Unternehmenskultur quasi der
Klebstoff, der alles zusammenhält“, sagt
Michael Bartz. In virtuell arbeitenden
Unternehmen komme den Führungs-
kräften eine Schlüsselrolle zu bei der
Vermittlung von Unternehmenskultur
und ihren Werten. Das Vorleben und
die Orientierung des eigenen Führungs-
verhaltens an der Unternehmenskultur
seien die konkreten Ansatzpunkte für
die Mitglieder des Managements.
Und fehlende räumliche Nähe, so
Bertelsmann-Personalentwickler Rose,
könne auch durch „relationale Nähe“,
also der gedachten oder gefühlten Nähe,
ersetzt werden. Rose erklärt: „Diese Art
von Nähe ergibt sich nicht aus dem phy-
sischen Zusammensein, sondern dem
Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Wer-
tegemeinschaft, einem ‚Tribe‘, wie es
Seth Godin nennt. Die Mitglieder eines
Tribes können über den ganzen Erdball
verstreut sein. Solange ein regelmäßiger
virtueller Kontakt besteht, zum Beispiel
über Enterprise-2.0-Tools, kann auch
der Tribe fortbestehen.“ Unternehmen,
die sich dieses Prinzip zunutze machen,
könnten so auch mit einem Minimum an
physischem Kontakt von einer starken
Kultur profitieren.
Und wer treibt in Zukunft die Kultur?
Idealerweise mehrere, meint Michael
Bartz. „Verantwortung der Geschäfts-
führung ist, dass an dem Thema ‚Un-
ternehmenskultur‘ gearbeitet wird. Die
Belegschaft verantwortet das Mitarbei-
ten an der Entwicklung. HR ist der Mode-
rator des Prozesses.“ Nico Rose erwartet
darüber hinaus, dass sich die Unterneh-
menskultur künftig immer mehr von der
Entwicklung „top down“ verabschiedet:
„Der digitale Wandel verändert viele
Branchen so schnell und umfassend,
dass ein von oben vorgegebener, kaska-
dierender Wandlungsprozess zu lange
dauert. Der Wandel muss unter solchen
Extrembedingungen praktisch überall
zugleich angestoßen werden.“ Dies, so
Rose, funktioniert am besten in sehr
dezentral oder selbstorganisatorisch ge-
führten Unternehmen.“ 
„In virtuellen Arbeitswelten ist Unter-
nehmenskultur quasi der Klebstoff, der
alles zusammenhält.“
Prof. Michael Bartz, New World of Work Forschungszentrum IMC FH Krems
„Eine Kultur der Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf wird der Vorzeigefaktor
für ein positives Arbeitgeberimage.“
Volker Baisch, Väter gGmbH, Hamburg
Eine vertiefende Auseinandersetzung der Diskussionspartner und weiterer Experten
mit dem Thema Kulturwandel finden Sie im Buch „Arbeitskultur 2020“.
Das Buch zeigt praktische Erfahrungen und Projekte des Wandels der
Arbeitskultur. Beiträge von Unternehmenspraktikern, Wissenschaftlern
und Verbandsvertretern liefern Denkanstöße für die Arbeit der Zukunft.
Arbeitskultur in Gegenwart und Zukunft
BUCHTIPP
Prof. Dr. Werner Widuckl, Dr. Karl de Molina, Prof. Dr. Max Ringlstetter, ­
Prof. Dr. Dieter Frey (Hrsg.): Arbeitskultur 2020. Herausforderungen und
Best Practices der Arbeitswelt der Zukunft. 583 Seiten, Springer-Verlag
Heidelberg, 2014. 49,99 Euro.

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  • 1. 22 personalmagazin 04 / 15 TITEL_UNTERNEHMENSKULTUR I st eine gute Unternehmenskultur heute noch notwendig? Reichen in einer Arbeitswelt, in der die Beleg- schaft teilweise über Kontinente verteilt ist und oft nur virtuell kommu- niziert wird, nicht klare Strategien und Vorgaben zum Erfolg aus? Nein, meint Nico Rose, Senior Direc- tor Corporate Management Development bei Bertelsmann. „Unternehmenskultur isst die Unternehmensstrategie zum Frühstück - culture eats strategy for breakfast“, zitiert er Management-Guru Peter Drucker. „Über diese Zuspitzung kann man natürlich streiten, aber der generellen Einschätzung stimme ich zu.“ Und er verweist auf Bertelsmann- Nachkriegsgründer Reinhard Mohn, der als einer der ersten Unternehmer in Deutschland die herausgehobene Bedeu- tung von Unternehmenskultur erkannt habe: „Seine Gedanken sind heute so ak- tuell wie damals.“ Auch Karl de Molina sieht eine kla- re und solide Unternehmenskultur als unverzichtbaren Richtungsweiser in der heutigen Arbeitswelt voller Umbrüche – eine Erfahrung, die sich dem CEO und Gründer von Think Simple immer wie- Von Katharina Schmitt (Red.) der gerade bei der Beratung von Start- ups bestätigt. „Den gesellschaftlichen Veränderungen müssen die Personal- verantwortlichen natürlich Rechnung tragen“, erklärt er. „Dazu gehört die An- passung der Unternehmenskultur an die Gegebenheiten und dies – wenn möglich – zu antizipieren.“ Employer Branding lebe letztlich von einer anziehenden Un- ternehmenskultur, so Molina. „Zählten früher Werte wie Arbeitsplatzsicherheit, gutes Gehalt, interessante Aufgaben, kommen heute Themen wie Ökologie, Kultur des Miteinanders noch dazu oder verdrängen teilweise alte Werte.“ Neue Werte als Grundlagen einer veränderten Unternehmenskultur Als Geschäftsführer der Väter gGmbH sieht Volker Baisch insbesondere die junge Generation der Väter als Treiber der neuen Werte, die eine moderne Unternehmenskultur bestimmen. „Vor allem eine Strategie für die Vereinbar- keit von Familie und Beruf erhält eine elementare Bedeutung – und das nicht nur für Frauen. Zentral für eine zu- kunftsweisende Unternehmenskultur ist daher der gleichberechtigte Zugang zu Karriereschritten für Frauen und zu Möglichkeiten für Väter, Familie und Beruf zu vereinbaren.“ Eine familien- orientierte Unternehmenskultur werde, so seine Überzeugung, in Zukunft der Vorzeigefaktor für ein positives Arbeit- geberimage. Aber es ist nicht nur die Familieno- rientierung und Work-Life-Balance, die als veränderte Grundlagen einer neuen Unternehmenskultur genannt werden. Professor Michael Bartz leitet das New World of Work Forschungszentrum an der IMC FH Krems. Er sieht zuneh- mend vertrauensbasierte und ergebnis- orientierte Unternehmenskulturen, die schrittweise kontrollorientierte Unter- nehmenskulturen ablösen. „Kontrolle funktioniert unter den Rahmenbedin- gungen zunehmender Internationalisie- Wandel gerne – aber wohin? DISKUSSION. In einem virtuellen Roundtable sprachen Praktiker und Wissenschaftler über die Entwicklung und Zukunft einer neuen Unternehmenskultur. „Der Wandel muss überall zugleich an- gestoßen werden. Ein von oben vorgege- bener Prozess dauert heute zu lange.“ Dr. Nico Rose, Bertelsmann SE Co, Gütersloh „Nur eine klare und solide Unterneh- menskultur vermag für die Mitarbeiter richtungsweisend zu sein.“ Dr. Karl de Molina, Think Simple, München
  • 2. 23 04 / 15 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an katharina.schmitt@personalmagazin.de rung, Komplexität und Beschleunigung in Unternehmen nur noch bedingt oder gar nicht mehr“, erklärt der Arbeits- wissenschaftler. „Gute Kultur heute setzt auf Vertrauen und Eigeninitiative. Schlechte Kulturen setzen auf Kontrolle und demotivieren die Leistungsträger“, beschreibt de Molina den gegenwärtigen Status. Diese Aussage unterstützt auch Vätervertreter Baisch: „Eine gute Unter- nehmenskultur verzichtet auf die bloße Präsenz- und öffnet sich hin zu einer Ergebniskultur. Fachkräfte haben freie Hand bei der Umsetzung von Aufgaben, können sich ihre Zeit frei einteilen. Da- durch verbessert sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Kulturelles Miteinander ist auch in virtuellen Welten möglich Die neuen Arbeitswelten verändern zwar die Unternehmenskultur, machen sie aber keinesfalls obsolet, darüber sind sich die Gesprächspartner also ei- nig. Doch der Wandel beeinflusst auch das Miteinander – bei virtuell geprägter Arbeitsweise und einem stetigen Trend zur Individualisierung wird die Ent- wicklung der Unternehmenskultur an- ders ablaufen müssen als bisher. „Kulturen leben vom menschlichen Austausch. Dieser ist durch persönlichen Kontakt am stärksten ausgeprägt“, gibt de Molina zu Bedenken, verweist aber gleichzeitig darauf, dass soziale Medien und digitale Kollaborationskonzepte die Möglichkeiten von Austausch und Zu- sammenarbeit erhöhen. „Gerade in den neuen virtuellen Arbeitswelten mit zeit- lich und räumlich flexiblen Arbeitswei- sen ist Unternehmenskultur quasi der Klebstoff, der alles zusammenhält“, sagt Michael Bartz. In virtuell arbeitenden Unternehmen komme den Führungs- kräften eine Schlüsselrolle zu bei der Vermittlung von Unternehmenskultur und ihren Werten. Das Vorleben und die Orientierung des eigenen Führungs- verhaltens an der Unternehmenskultur seien die konkreten Ansatzpunkte für die Mitglieder des Managements. Und fehlende räumliche Nähe, so Bertelsmann-Personalentwickler Rose, könne auch durch „relationale Nähe“, also der gedachten oder gefühlten Nähe, ersetzt werden. Rose erklärt: „Diese Art von Nähe ergibt sich nicht aus dem phy- sischen Zusammensein, sondern dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Wer- tegemeinschaft, einem ‚Tribe‘, wie es Seth Godin nennt. Die Mitglieder eines Tribes können über den ganzen Erdball verstreut sein. Solange ein regelmäßiger virtueller Kontakt besteht, zum Beispiel über Enterprise-2.0-Tools, kann auch der Tribe fortbestehen.“ Unternehmen, die sich dieses Prinzip zunutze machen, könnten so auch mit einem Minimum an physischem Kontakt von einer starken Kultur profitieren. Und wer treibt in Zukunft die Kultur? Idealerweise mehrere, meint Michael Bartz. „Verantwortung der Geschäfts- führung ist, dass an dem Thema ‚Un- ternehmenskultur‘ gearbeitet wird. Die Belegschaft verantwortet das Mitarbei- ten an der Entwicklung. HR ist der Mode- rator des Prozesses.“ Nico Rose erwartet darüber hinaus, dass sich die Unterneh- menskultur künftig immer mehr von der Entwicklung „top down“ verabschiedet: „Der digitale Wandel verändert viele Branchen so schnell und umfassend, dass ein von oben vorgegebener, kaska- dierender Wandlungsprozess zu lange dauert. Der Wandel muss unter solchen Extrembedingungen praktisch überall zugleich angestoßen werden.“ Dies, so Rose, funktioniert am besten in sehr dezentral oder selbstorganisatorisch ge- führten Unternehmen.“ „In virtuellen Arbeitswelten ist Unter- nehmenskultur quasi der Klebstoff, der alles zusammenhält.“ Prof. Michael Bartz, New World of Work Forschungszentrum IMC FH Krems „Eine Kultur der Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf wird der Vorzeigefaktor für ein positives Arbeitgeberimage.“ Volker Baisch, Väter gGmbH, Hamburg Eine vertiefende Auseinandersetzung der Diskussionspartner und weiterer Experten mit dem Thema Kulturwandel finden Sie im Buch „Arbeitskultur 2020“. Das Buch zeigt praktische Erfahrungen und Projekte des Wandels der Arbeitskultur. Beiträge von Unternehmenspraktikern, Wissenschaftlern und Verbandsvertretern liefern Denkanstöße für die Arbeit der Zukunft. Arbeitskultur in Gegenwart und Zukunft BUCHTIPP Prof. Dr. Werner Widuckl, Dr. Karl de Molina, Prof. Dr. Max Ringlstetter, ­ Prof. Dr. Dieter Frey (Hrsg.): Arbeitskultur 2020. Herausforderungen und Best Practices der Arbeitswelt der Zukunft. 583 Seiten, Springer-Verlag Heidelberg, 2014. 49,99 Euro.