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M ODELLVORHABEN
     „U NTERSTÜTZUNG VON G EMEINDEN
         BEI DER N EUAUSRICHTUNG
           IHRER F LÄCHENPOLITIK
                 IM R AHMEN
        DER R EGIONALENTWICKLUNG “




                  Abschlussbericht

im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung,
  Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung


                           sowie

                   der Modellkommunen




                                                               1
I NHALTSVERZEICHNIS



1.     EINLEITUNG ..................................................................................................... 4

     1.1    Siedlungspolitische Problemstellung........................................................................... 4
     1.2    Offensive Flächenausweisungen und Infrastrukturfalle .............................................. 8
     1.3    Trends der Wohnungsnachfrage in der Region ........................................................ 14

2.     AUFGABENSTELLUNG, METHODIK UND ABLAUF .................................................18

3.     BETEILIGTE MODELLKOMMUNEN .......................................................................23

     3.1    Einzeldarstellung der beteiligten Kommunen ........................................................... 26

       3.1.1         Gemeinde Kreiensen ........................................................................................ 26
       3.1.2         Stadt Moringen ................................................................................................. 32
       3.1.3         Flecken Adelebsen............................................................................................ 36
       3.1.4         Gemeinde Gleichen .......................................................................................... 40
       3.1.5         Samtgemeinde Bad Grund (Harz) .................................................................... 43
       3.1.6         Stadt Osterode am Harz ................................................................................... 49
       3.1.7         Stadt Bad Sachsa.............................................................................................. 53


4.     SZENARIEN KÜNFTIGER ENTWICKLUNG DER MODELLGEMEINDEN .........................58

     4.1    Gemeinde Kreiensen .................................................................................................. 65
     4.2    Stadt Moringen ........................................................................................................... 71
     4.3    Flecken Adelebsen...................................................................................................... 77
     4.4    Gemeinde Gleichen .................................................................................................... 83
     4.5    Samtgemeinde Bad Grund (Harz) .............................................................................. 88
     4.6    Stadt Osterode am Harz ............................................................................................. 94
     4.7    Stadt Bad Sachsa ...................................................................................................... 100


5.     ERKENNTNISSE, ERGEBNISSE UND HANDLUNGSFELDER .................................... 105

     5.1    Wahrnehmung und Vermittlung von Schrumpfung ............................................... 107
     5.2    Städtebauliche Leitvorstellungen für Kommunen................................................... 110
     5.3    Regionale Abstimmung ............................................................................................ 113
     5.4    Kommunale Haushalte und Immobilienpreisverfall ................................................ 114
     5.5    Revitalisierung der Ortskerne als Aufgabe .............................................................. 115




2
5.6    Weiterentwicklung von Instrumenten...................................................................... 116

       5.6.1         Einsatz vorhandener Instrumente .................................................................. 116
       5.6.2         Modifizierung städtebaulichen Planens......................................................... 116
       5.6.3         Leerstands- und Grundstücksmanagement .................................................. 116
       5.6.4         Staatliche Eingriffsmöglichkeiten................................................................... 117
       5.6.5         Fondslösungen für Sanierung und Abriss..................................................... 117
       5.6.6         Ausbau regionaler Zusammenarbeit ............................................................. 118
       5.6.7         Fortbildungen.................................................................................................. 119
       5.6.8         Bewusstseinsbildung und Ehrenamt ............................................................. 119
       5.6.9         Städtebauförderung, Dorferneuerung und Wohnraumförderung ............... 120

     5.7    Handlungskonzept für Niedersachsen ..................................................................... 121

     5.8    Übertragbarkeit ......................................................................................................... 122

6.     METHODISCHE BEWERTUNG ........................................................................... 123

     6.1    Beschränkung auf das Thema „Siedlungsentwicklung“ ......................................... 123
     6.2    Auswahl der Modellkommunen ............................................................................... 124
     6.3    Methodischer Ansatz ................................................................................................ 124
     6.4    Mitwirkung der Kommunen...................................................................................... 125
     6.5    Mitwirkung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen.................................................. 126


7.     SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK .......................................................... 126

8.     ANLAGEN ..................................................................................................... 130

     8.1    Rede von Landrat Michael Wickmann (Landkreis Northeim) ................................. 130
     8.2    Pressespiegel zum Modellvorhaben ........................................................................ 132
     8.3    Der demographische Wandel in anderen Orten ..................................................... 137


9.     LITERATURLISTE ............................................................................................ 138


           IMPRESSUM………………………...……………………………………………..….145

           KARTENMATERIAL………………………..…………………….……………………146




                                                                                                                                       3
1.     E INLEITUNG

    1.1 S IEDLUNGSPOLITISCHE P ROBLEMSTELLUNG

Den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland wird durch
Artikel 28 Absatz 2 GG das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener
Verantwortung zu regeln.

Zu dem Recht auf Selbstverwaltung gehört die kommunale
Planungshoheit. Sie ermöglicht den Gemeinden, ihre städtebauliche
Entwicklung mit dem Instrument der Bauleitplanung eigenverantwortlich
zu gestalten. Damit zählen die Koordination der unterschiedlichen, an die
Grundstücksflächen in der Gemeinde gestellten Nutzungsansprüche und
die Sicherung nachhaltiger Siedlungsstrukturen zu den zentralen
Aufgabenfeldern kommunaler Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge.
Die örtliche Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger, vertreten durch
die von ihnen gewählten Gemeinderäte, entscheidet damit im
Wesentlichen darüber, welche Flächen unter Berücksichtigung der Ziele
der Raumordnung und der Vorgaben des Baugesetzbuches dem
Naturhaushalt entnommen und einer Nutzung für Verkehrswege,
Industrie und Gewerbe sowie dem Wohnungsbau zugeführt werden. Die
kommunale Selbstverwaltung prägt also die Entwicklung der Städte,
Gemeinden und Regionen maßgeblich.

Der    Kommunalpolitik    kommt    demnach      eine   herausragende
siedlungspolitische Bedeutung zu. Langfristig wird die Frage, ob den
kommunalpolitisch Verantwortlichen die Lösung der siedlungspolitischen
Probleme gelingt, zum Lackmustest für die Funktionsfähigkeit
kommunaler Selbstverwaltung.

Flächenausweisungen erfolgten in den Landkreisen Osterode am Harz,
Northeim und Göttingen mit der Universitätsstadt Göttingen als
Oberzentrum bis vor wenigen Jahren in Zeiten wirtschaftlichen
Wachstums und steigender Bevölkerungszahlen. Die Siedlungs-
entwicklung in der Region Südniedersachsen war seit Anfang der 50er
Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch einem Trend zum Wohnen
„im Grünen“ geprägt, der auf wachsendem Wohlstand, einer steigenden
Verfügbarkeit von PKW, übereinstimmenden gesellschaftlichen
Vorstellungen vom idealen Wohnen und dem städtebaulichen Ziel der
Funktionstrennung fußte. In der Folge dieser Suburbanisierung zogen
auch Teile des Handels, der Industrie und des Gewerbes ihre Standorte
aus den Zentren ab und verlagerten sie – häufig im Zuge der Erweiterung
betrieblicher Aktivitäten – an die Peripherie der Kommunen. Der damit
einhergehende Flächenverbrauch führte zu einer Zersiedlung der


4
Landschaft sowie zu höheren Pendlerdistanzen mit ihren vielfältigen
ökologischen und sozialen Folgen.

Mit der Ausdehnung der Siedlungsflächen ging eine Erhöhung der
volkswirtschaftlichen Raumüberwindungskosten einher. Angesichts
steigender Mobilitätskosten, aber auch einer gewandelten Einstellung
zum Urbanen und einer wachsenden Zahl kleiner Haushalte deutet sich
nunmehr auch in den von großen Pendlerdistanzen geprägten USA eine
Renaissance der Stadt an. Das dramatisch gesunkene Qualitätsniveau
der Immobilien in monofunktionalen Siedlungen weitab von Städten warf
dort lange vor der großen Finanzkrise im Spätsommer 2008 die Frage
auf, ob hier die Slums von morgen entstehen.1




                             Samtgemeinde Bad Grund (Harz) als Beispiel:
                           Wohnen und Gewerbe 1926, 2008 und Planung
                       (Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig 2008)

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in der Bundesrepublik Deutschland
wuchs seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prozentual wesentlich
stärker als die Bevölkerungszahl. Ein Abnehmen des Flächenverbrauchs
ist nicht absehbar.


1
    Christopher B. Leimberger: The Next Slum? In: The Atlantic Monthly, März,
    2008

                                                                                5
Noch heute werden in Deutschland täglich einhundert bis 120 Hektar
Freifläche für Verkehrs-, Gewerbe- und Wohnnutzung umgewandelt – ein
Thema, das das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
während einer Fachtagung am 23. November 2004 in Göttingen2
ausführlich diskutiert hat.

Seit dem Jahr 2000 ist der jährliche Flächenverbrauch bundesweit leicht
zurückgegangen - dies wird jedoch auf die konjunkturellen Probleme bis
zum Jahr 2006 zurückgeführt.3 Es ist davon auszugehen, dass sich der
Flächenverbrauch seitdem wieder erhöht hat und erst im Zuge der sich
seit September 2008 abzeichnenden Rezession reduziert wird.
Festzuhalten ist, dass es bislang nicht gelungen ist, Flächenverbrauch
und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Noch nicht ausreichend geklärt
ist auch die Frage, wie die externen Kosten des Flächenverbrauchs (z. B.
Auswirkungen auf Wasserhaushalte und Klima) ermittelt werden können.
Wenig ausgeprägt ist auch bundesweit die Neigung von Kommunen, zu
errechnen, welche finanziellen Auswirkungen die Flächeninanspruch-
nahme nach sich zieht und in welchem Verhältnis die erzielbaren Erträge
zu den Kosten stehen.

In den Jahren 2001 bis 2004 betrug der durchschnittliche
Flächenverbrauch in Niedersachsen mehr als 14 Hektar täglich; das
entspricht fast der Größe von zwanzig Fußballfeldern. Nach Angaben des
Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie4
wurden im Jahr 2006 in den drei südniedersächsischen Landkreisen
einschließlich der Stadt Göttingen 44 Hektar Freifläche in Anspruch
genommen, im Jahr 2007 lag diese Zahl bei 97 Hektar - dabei ist zu
berücksichtigen, dass es auch zuvor große Unterschiede zwischen den
Jahresergebnissen gab. Im Landkreis Göttingen wurden statistisch im
Jahr 2007 täglich 0,22 Hektar in Anspruch genommen, in Northeim 0,25
Hektar. Wegen einer statistischen Besonderheit wies das Landesamt für
den Landkreis Osterode am Harz für 2007 rein rechnerisch einen
negativen Wert aus.




2
  „Umbau statt Zuwachs“: Siedlungsentwicklung und öffentliche Daseins-
   vorsorge im Zeichen des demographischen Wandels, Hrsg. Bundes-
   ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesamt für
   Bauwesen und Raumordnung (BBR); an dem zweijährigen Modellvorhaben
   der Raumordnung (MoRo) war auch der Regionalverband Südniedersachsen
   beteiligt.
3 Kilian Bizer: Ökonomische Instrumente für den nachhaltigen Bodenschutz,
   local land & soil news 4/2002, Seiten 17 - 18
4 www.ibeg.niedersachsen.de

6
Sebastian Schäfer (Geographisches Institut der Universität Göttingen)


Die Gründe für die Inanspruchnahme von Freiflächen sind vielfältig: Zum
einen nehmen die Menschen im Durchschnitt immer mehr Wohnfläche in
Anspruch. Während die Durchschnittsfläche pro Person und Jahr 1950
noch bei 14 Quadratmetern lag, ist diese Zahl inzwischen auf 42
Quadratmeter gestiegen – ein Zuwachs, der nicht nur mit gestiegenem
Anspruchsdenken, sondern auch der Verkleinerung der Haushalte zu
erklären ist. Aber auch das produzierende Gewerbe, der Straßen- und
sonstige Verkehrswegebau sowie der großflächige Einzelhandel mit den
weiterhin stark ausgeweiteten Sortimenten tragen zum Flächenverbrauch
bei. Von dem erklärten Ziel5, künftig täglich nur noch zusätzlich 30 Hektar
in Anspruch zu nehmen, ist die Bundesrepublik Deutschland auch zu
Zeiten stagnierender und in einigen Regionen sogar rückläufiger
Bevölkerungszahlen weit entfernt.

Suburbanisierung, Discounterisierung6 des Lebensmitteleinzelhandels
und Zentralisierungstendenzen in weiteren Wirtschaftssektoren -

5
    http://www.nsl.ethz.ch/IRL/lep/forschung/workshop16032006/klauseinig.pdf
6
    Die Discounterisierung bezeichnet den wachsenden Marktanteil der
    Discounter im Lebensmitteleinzelhandel. s. Deutsche Bundesbank,
    Hauptverwaltung Hannover, Branchenkonjunktur, Herbst 2003, S.14,
    http://www.bundesbank.de

                                                                               7
Prozesse also, die mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sind -
führen in den Kernen vieler Kommunen Südniedersachsens zu
deutlichen Funktionsverlusten. In den Mittelzentren gilt das sowohl für die
Innenstädte als auch für die Ortsteilzentren. Die Unterauslastung von
Infrastruktur in den Ortskernen geht einher mit einer wachsenden
Nachfrage im suburbanen Raum.

Andererseits zwingen immer enger werdende finanzielle Spielräume die
Kommunen dazu, über die Konzentration ihrer Einrichtungen der
Daseinsvorsorge auf zentrale Standorte nachzudenken. Im Ergebnis führt
das zur weiteren Ausdünnung der Versorgungsleistungen in gering
besiedelten und peripheren Gebieten. Die zu beobachtenden Verödungs-
tendenzen reduzieren die Standortattraktivität und höhlen die Zukunfts-
fähigkeit aus. Diese Probleme äußern sich inzwischen in Leerständen
von Hotels und Gaststätten sowie landwirtschaftlichen Gebäuden und
Wohnhäusern. Selbst im Oberzentrum Göttingen sind in einigen
Ortsteilen erste Anzeichen der beschriebenen Funktionsverluste
erkennbar.



1.2     O FFENSIVE F LÄCHENAUSWEISUNGEN                         UND
        I NFRASTRUKTURFALLE

Bereits in den achtziger Jahren war in Südniedersachsen außerhalb der
Stadt Göttingen der demographische Wandel unübersehbar. Die
Einwohnerzahlen begannen zu sinken, der Anteil der Älteren stieg.
Bereits im November 1988 forderte der damalige Gemeindedirektor der
Gemeinde Kreiensen, der Vizepräsident des Niedersächsischen Städte-
und Gemeindebundes und Vorsitzender des Arbeitskreises ´Gemeinden
im Jahre 2000`, Gerhard Böhme, in einem Zeitungsartikel ein radikales
Umdenken in der Kommunalpolitik. Insbesondere durch den
Geburtenmangel und das Höfesterben sei zu befürchten, dass im Jahr
2000 „Gebäude und Hofstellen verfallen und die Dorfgestalt Schaden
nehmen wird. Eine Lösung für dieses Problem sehe ich derzeit nicht“, so
wurde Böhme damals von der Presse zitiert.

Die Grenzöffnung und die damit verbundene Steigerung der
Einwohnerzahlen in weiten Teilen Südniedersachsens führten im Zuge
konjunktureller Belebungen zu einer trügerischen befristeten
Trendumkehr. So verschwand mit Beginn der neunziger Jahre der
demographische Wandel als relevantes Thema aus den regional- und
kommunalpolitischen Diskussionen. Im Rückblick kann dies als
erstaunliche Fehleinschätzung der politisch Verantwortlichen gewertet
werden.

Die Differenz zwischen der Zahl der Todesfälle und der Geburten erhöht
sich seit 1997 deutlich. Sie addiert sich mit den negativen


8
Wanderungssaldi. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach
fortsetzen und vermutlich noch beschleunigen.




                            Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung;
                           Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“


Südniedersachsen zählt in den alten Bundesländern zu den Regionen mit
dem höchsten Durchschnittsalter. Mehrfach haben sich deshalb die
Regierungsvertretung Braunschweig7 und der Regionalverband
Südniedersachsen8 mit den Auswirkungen des demographischen
Wandels auf verschiedene Politikfelder befasst. Der Regionalverband
Südniedersachsen hat sich darüber hinaus an mehreren Modellvorhaben
der Raumordnung (MoRo) des Bundesamtes für Bauwesen und
Raumordnung (BBR) beteiligt9.

Die meisten Untersuchungen gehen davon aus, dass - bei aller
Unsicherheit mittel- und langfristiger Prognosen - in den nächsten
Jahrzehnten die heute zu erwartende Bevölkerungsentwicklung in
Südniedersachsen bestenfalls marginal zu beeinflussen ist. Das gilt
selbst für die Annahme, dass familienpolitischen Initiativen auf den ver-
schiedenen Ebenen Erfolg beschieden ist. Die drei folgenden Graphiken

7
    „Bevölkerungsvorausberechnung für den räumlichen Zuständigkeitsbereich
    der Regierungsvertretung Braunschweig“, Braunschweig. März 2007, u. a.
8
    Regionales Entwicklungskonzept für die Arbeitsmarktregion
    Göttingen/Northeim (1999), Nachhaltigkeit in Südniedersachsen (Cassing,
    Göttingen 2002), Regionale Entwicklungs-Strategie (Göttingen 2006), Karsten
    Hiege, Wolf-Ekkehard Hesse: Regionalanalyse des Landkreises Göttingen
    (Göttingen 2006), Modellregion Südniedersachsen (Göttingen 2007), Leitbild
    Dassel: Attraktive Landstadt (Cassing, Göttingen, 2008)
9
    Regionen der Zukunft, Netzwerk Regionen der Zukunft sowie Demographie
    und soziale Infrastruktur


                                                                              9
zeigen, dass nicht nur ein Anstieg des Durchschnittsalters, sondern auch
ein weiterer Rückgang der Bevölkerungszahl zu erwarten ist.




                         LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig




                         LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig




10
Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung;
                         Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“


Die demographische Entwicklung hat bislang zu keinem konsequenten
Umdenken in der Siedlungspolitik geführt. Zwar wird der demographische
Wandel inzwischen von vielen Verantwortlichen als zentrale kommunal-
politische Herausforderung angesehen, in der Ausweisungspraxis
herrscht aber vielfach eher die gemeindebezogene Sichtweise vor.




  LSKN, Graphik: Lutz-Michael Schmidt, Regierungsvertretung Braunschweig




                                                                           11
Insbesondere Ortsräte neigen dazu, in der Planung neuer Flächen ein
adäquates Mittel zu Sicherung und Entwicklung der Infrastruktur zu
sehen.   Sie     verweisen  auf   vorhandene      oder    vermeintliche
Standortvorteile, die dazu geeignet seien, Neubürgerinnen und
Neubürger in die Gemeinde zu locken. Verdrängt wird bei vielen Stellung-
nahmen häufig die Tatsache, dass auch in der Nachbargemeinde ähnlich
argumentiert wird.




                         LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig


Durch die offensive Ausweisungspolitik entstehen Überkapazitäten. Bei
tendenziell sinkenden Einwohnerzahlen führt die Aufrechterhaltung der
Infrastruktur zu einer Erhöhung der Pro-Kopf-Fixkosten. Den am
Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für die Schaffung und
Aufrechterhaltung von Infrastruktur steht eine immer weniger effizient
genutzte Infrastruktur in den Zentren gegenüber. Auch dieser Effekt führt
zu einer zusätzlichen Kostenbelastung für die Bürgerinnen und Bürger,
die damit in eine „Infrastrukturfalle“ geraten.




12
Beobachtungen aus den Jahren 2007 und 2008 zeigen, dass diese
Zusammenhänge bei den politisch Verantwortlichen der Samtgemeinden
und der größeren Einheitsgemeinden stärker verankert sind als in den
Mitgliedsgemeinden und Ortsräten. Dort werden Restriktionen in der
Ausweisungspolitik eher als Beschneidung der Entwicklungs-
möglichkeiten angesehen denn als konsequente Reaktion auf den demo-
graphischen Wandel und den damit einhergehenden tief greifenden Ve-
ränderungen auf dem Wohnungsmarkt.




                                                                 13
1.3    T RENDS      DER    W OHNUNGSNACHFRAGE                     IN DER
       R EGION

In den meisten Kommunen Südniedersachsens übertrifft seit Ende der
neunziger Jahre das Wohnraumangebot die Nachfrage. Das gilt mit
wenigen Ausnahmen für alle Preissegmente. Durch die starke Position
der Nachfrager differenziert sich die Nachfrage immer weiter aus. Nach
Einschätzung von Prof. Dr. Ruth Rohr-Zänker von „Stadtregion – Büro für
Raumanalysen       und    Beratung,     Hannover“10  wird    sich   die
Nachfragedynamik auf den Wohnungsmärkten im Zuge des demo-
graphischen Wandels weiter abschwächen. Was für die meisten
Regionen Niedersachsens bislang erst eine Langfristperspektive darstellt,
gilt für Südniedersachsen bereits jetzt: Es werden weniger Wohnungen
benötigt als vorhanden sind. Insbesondere in den Landkreisen Osterode
am Harz und Northeim gehen nicht nur die Einwohnerzahlen, sondern
auch die Haushaltszahlen zurück.




                           Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung
               (Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“ Northeim)


Zu beachten sind dabei allerdings nicht nur Differenzen zwischen den
Landkreisen, sondern auch Unterschiede zwischen den Gemeinden. Und



10
       Vortrag am Dienstag, 20. November 2007, im Rahmen der Regional-
       konferenz des Regionalverbandes Südniedersachsen in Osterode am
       Harz

14
mehr noch: Selbst innerhalb von Gemeindegrenzen gibt es wachsende,
stagnierende und schrumpfende Stadt- und Ortsteile.

Außerhalb des Oberzentrums Göttingen sind längst erhebliche
Leerstände zu beobachten. Dass der Umfang der Leerstände nicht noch
größer ist, liegt auch an der relativ hohen Zahl der Zweit-, Ferien- und
Gästewohnungen, der Zusammenlegung von Wohnungen, der erhöhten
Wohnungsnachfrage der jungen Leute, die frühzeitig aus der elterlichen
Wohnung ausziehen, der Zunahme der Ein-Personen-Haushalte und
dem bereits erwähnten Anstieg der statistischen Pro-Kopf-Wohnfläche.




                Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung
                         (Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“)


In vielen Gemeinden der Region Südniedersachsen gewinnt der
Standortfaktor Bildung an Bedeutung. Jüngere Einwohnerinnen und
Einwohner ziehen wegen des vielfältigen Bildungsangebots in die Ober-
zentren. Auf die Wanderungen hat auch die geänderte Familienstruktur
Einfluss.

Die Wanderungsbewegungen werden zudem durch veränderte berufliche
Situationen angeregt. Von Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden wird
höhere Mobilität verlangt. Firmen setzen eine hohe Umzugsbereitschaft
und flexible Arbeitszeiten voraus. Je höher die Pendlerdistanzen sind,
desto mehr wird die eigentlich verfügbare Freizeit eingeschränkt. Dies hat
direkte Auswirkungen auf die Bereitschaft zum Erwerb von Grundstücken
und die Art der Nachfrage. Eher werden kleinere, einen geringeren
Unterhaltungsaufwand benötigende Grundstücke nachgefragt. Die

                                                                       15
Bedeutung von Motivationen wie das „Bauen für`s Leben“ oder das
„Bauen für die Kinder“ nimmt eher ab.

Es ist zu beobachten, dass sich der Anstieg der Wohnfläche auch im
Zuge steigender Energiekosten verlangsamt und die durchschnittliche
Haushaltsgröße nur noch langsam abnimmt – diese beiden Aspekte aber
waren in den vergangenen Jahren die treibenden Kräfte auf dem
Wohnungsmarkt. Die Wohnungsnachfrage wird also auch künftig weniger
von größeren und mehr von kleineren Wohnungen geprägt sein.

Zwei Trends verstärken sich gegenseitig: Konzentrationstendenzen bei
den Arbeitsplätzen erfolgen vielfach zu Lasten des ländlichen Raumes.
Parallel dazu geht die Zahl der Haushalte, die periphere Standorte
bevorzugen, zurück. Das liegt in erster Linie an der sinkenden Zahl
junger Familien, aber auch daran, dass sich innerhalb der Familien die
traditionelle Arbeitsteilung zwischen den (Ehe-)Partnern weiter auflöst
und immer mehr Frauen berufstätig sind. Damit wächst auch unter
jungen Familien die Zahl derer, die sich für zentrale und gut
angebundene Wohnstandorte entscheiden. Nach dieser Logik verlieren
demnach kleinere, peripher gelegene Gemeinden an Attraktivität.

Eine vergleichbare Verschiebung ist auch innerhalb der Kommunen zu
erwarten: Durch die Zunahme der kleineren Haushalte in allen Alters-
gruppen und die wachsende Bedeutung neuer Haushaltstypen (wie etwa
Gemeinschaftswohnungen für Seniorinnen und Senioren) werden
integrierte urbane Lagen aufgewertet.

In der Planungspraxis der meisten Kommunen schlagen sich diese
Erkenntnisse ganz offensichtlich noch nicht in ausreichendem Umfang
nieder. Nach den Berechnungen von „Stadtregion – Büro für Raum-
analysen und Beratung“ verfügen die Landkreise Osterode am Harz und
Northeim über geplante Bauflächen in einer Größenordnung, der die zu
erwartende Nachfrage der nächsten einhundert Jahre überschreitet. Zum
Vergleich: Der Landkreis Vechta verfügt über geplante Flächen lediglich
für die nächsten vier Jahre.

Die interkommunale Konkurrenz hat also bereits in den vergangenen
Jahren zu Ausweisungen geführt, die den demographischen Wandel mit
den skizzierten Konsequenzen ausblendet. Noch bis in die Gegenwart
orientieren sich viele Bauland-Ausweisungen an klassischen Zielgruppen
wie jungen Familien, die nichts sehnlicher wünschen als das Häuschen
im Grünen. Übersehen wird, dass auch erschlossenes Bauland in fast
allen Orten in völlig ausreichendem Umfang verfügbar ist.

Die folgende Darstellung veranschaulicht die Reserven von Wohn-
bauland-Ausweisungen, wie sie „Stadtregion – Büro für Raumanalysen
und Beratung“ im Jahr 2006 erhoben hat.

16
Prof. Dr. Ruth Rohr-Zänker erklärt dazu: „Wenn man Neubau und vor
allem die weitere Anpassung der Siedlungsfläche minimieren will, muss
man den Bestand anpassen. Denn solange das Angebot die An-
forderungen an Wohnungstypen, Lage und Nachbarschaft nicht erfüllt,
wird der Neubau auf Kosten des Bestands anhalten. Dabei geht es nicht
nur um einzelne Gebäude, sondern um ganze Ortsteile und Wohn-
quartiere. Wie viele Gemeinden haben schon damit zu kämpfen, dass
ihre zentralen Bereiche und ihre älteren Wohnungen immer mehr an
Attraktivität verlieren und dass sich Unternutzung, Vernachlässigung und
Leerstand ausbreiten. Hier ist lokale Politik gefordert, Konzepte zu
entwickeln und zu entscheiden,

    •   wo das Wohnumfeld aufgewertet werden muss,
    •   welche Standorte langfristig aufgegeben oder rückgebaut
        werden sollten und
    •   wo Neubau noch zu verantworten ist.“




                                                                     17
2. A UFGABENSTELLUNG , M ETHODIK UND
   A BLAUF

Angesichts der beschriebenen Bevölkerungsentwicklung und deren
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben die Regierungsvertretung
Braunschweig und der Regionalverband Südniedersachsen im Herbst
2007 die Initiative für das Modellvorhaben „Unterstützung von
Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer Flächenpolitik im Rahmen der
Regionalentwicklung“ ergriffen. Grundlage waren die im Rahmen des
Projektes „Modellregion Südniedersachsen“ formulierte Entwicklungs-
partnerschaft zwischen der Landesregierung und der Region sowie die
Regionale Entwicklungs-Strategie (RES) „Wissens-Region Göttingen".
Abgestimmt mit dem Land Niedersachsen beschreibt die RES als Leitziel
4 „Die lebenswerte Wohnregion“. Unter diesem Leitziel ist die
Regionalpolitik gefordert, sich in peripheren ländlichen Räumen mit den
sich aus dem demographischen Wandel ergebenden Konsequenzen für
die    Siedlungsentwicklung       und     die    Flächennutzungsplanung
auseinanderzusetzen.

Das Modellvorhaben wurde in der Zeit vom 1. Februar bis zum 30. Juni
2008 umgesetzt. Die Auswertung wurde Mitte Dezember 2008
abgeschlossen. Anspruch war es, Kommunen in ihren Bemühungen zu
unterstützen, die eigene Flächenpolitik an den Herausforderungen des
demographischen Wandels zu orientieren. Den Schwerpunkt bildete die
Wohnflächenentwicklung. Dabei wurde ein pragmatischer, induktiver
Modellansatz verfolgt und sowohl auf neue empirische Studien als auch
auf wissenschaftlich abgesicherte neue Prognosen verzichtet.

Der Grund für dieses Vorgehen lag zum einen am begrenzten zeitlichen
und finanziellen Rahmen des Modellvorhabens und zum anderen an den
Erwartungen der teilnehmenden Gemeinden. Sie erhofften sich konkrete
Vorschläge für das eigene Verhalten. Der Verzicht auf weitere
empirische Untersuchungen ergab sich auch aus der bereits
vorliegenden großen Anzahl von Untersuchungen zum demographischen
Wandel in Südniedersachsen.11

Durch die Einschaltung des Bremer Planungsbüros „proloco - Stadt und
Region, Planung und Entwicklung“ (Dipl.-Ing. Michael Glatthaar), das die
Aufgabe hatte, die beteiligten Kommunen bei der Auseinandersetzung


11
     Dr. Gerd Cassing: Projektergebnisbericht „Generationen-Netzwerk
     Südniedersachsen; Modellplanung zur generationsübergreifenden
     Infrastrukturentwicklung, Göttingen 2005; Dr. Gerd Cassing: Leitbild Dassel –
     demographische Herausforderungen und Handlungsstrategien, Göttingen
     2008


18
mit ihrer eigenen Entwicklung und bei der Erarbeitung erster
Leitvorstellungen zur Siedlungsentwicklung zu unterstützen, wurde
sichergestellt, dass die Gegebenheiten vor Ort den weiteren Prozess
determinierten. Damit wurde der kommunalen Selbstverwaltung im
Kontext der Regionalentwicklung Rechnung getragen.

Im Verlauf des Modellvorhabens nahmen die Repräsentantinnen und
Repräsentanten der beteiligten Kommunen die siedlungspolitischen
Auswirkungen des demographischen Wandels gebündelt wahr. Sie
diskutierten Konsequenzen und entwickelten konkrete Hinweise für
zukünftige siedlungspolitische Ausrichtung. Ihre Projektträger und
Initiatoren agierten nicht als belehrend auftretende Institutionen. Vielmehr
ging es ihnen darum, die Gemeinden in ihrer Eigeninitiative zu stärken
und       den      Austausch       von     Ausgangsbedingungen           und
Lösungsmöglichkeiten über Kommunalgrenzen hinweg zwischen den
Teilnehmern zu erleichtern. Die Gemeinden lernten sich dabei
gegenseitig besser kennen, und sie lernten voneinander. Das
Modellvorhaben förderte damit den kommunalen Dialog und trug
zumindest tendenziell zum Abbau von Konkurrenzdenken zwischen den
beteiligten Kommunen bei.

Die Arbeit erfolgte methodisch auf zwei Ebenen: In den Modellkommunen
wurde jeweils eine „Vor-Ort-Projektgruppe“ gebildet, die sich mit den
Ausgangsbedingungen, Entwicklungstendenzen und (so vorhanden)
Leitvorstellungen für ihre jeweilige Kommune auseinander setzte. In
diesem Gremium waren die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die
Bauamtsleiter, das Planungsbüro, der Regionalplaner des jeweiligen
Landkreises, die Regierungsvertretung Braunschweig und der
Regionalverband Südniedersachsen e. V. tätig. Über die jeweilige
Einbeziehung der Kommunalpolitik wurde in Abstimmung mit der
Bürgermeisterin und dem Bürgermeister entschieden.

Alle Vor-Ort-Projektgruppen zusammen bildeten die „interkommunale
Projektgruppe“. Ihre Arbeit half bei der vertiefenden Vermittlung der Ziele
des Modellvorhabens, dem Erkenntnisaustausch zwischen den Modell-
kommunen und der Schärfung des Problembewusstseins. Sie diente
damit dem besseren Austausch zwischen kommunaler, regionaler und
Landesebene.

Bei der Umsetzung des Modellvorhabens wurde darauf geachtet, dass
kommunale Flächenentwicklung im regionalen Kontext gesehen wurde.
Das kam durch die aktive Beteiligung der Regionalplaner der drei
beteiligten Landkreise zum Ausdruck. Auch der städtebauliche Qualitäts-
anspruch sollte einen besonderen Stellenwert erhalten.

Der Prozess war so angelegt, dass er modellhaft für andere, unter
vergleichbaren Rahmenbedingungen tätigen Kommunen in Süd-

                                                                         19
niedersachsen und darüber hinaus in anderen Regionen Niedersachsens
sein konnte.

Der Ablauf des Modellvorhabens erfolgte in sechs Schritten: Einem
gemeinsamen Auftakt und einer gemeinsamen Rundreise von
Vertreterinnen und Vertretern der Modellkommunen durch die
„interkommunale Projektgruppe“ folgten drei Sitzungen der „Vor-Ort-
Projektgruppen“ in jeder einzelnen Kommune. Zum Abschluss erfolgte
(am 1. Juli 2008 in Osterode am Harz) ein gemeinsamer Austausch im
Rahmen der „interkommunalen Projektgruppe“.




                                   Projektablauf; Graphik: Corinna Birkhofer,
                                       (Regionalverband Südniedersachsen)


Im Dezember 2007 und im Januar 2008 erfolgten in den Gemeinden
Vorgespräche. Die offizielle Auftaktveranstaltung fand am 11. März 2008
in der Stadthalle in Moringen statt. Per Bus bereisten Vertreterinnen und
Vertreter der Modellkommunen mit den Initiatoren des Modellvorhabens
am 27. und 28. März die Region. Besichtigt wurden die Kernorte sowie
ausgesuchte Baugebiete.

An die Bereisung schlossen sich drei Workshops in jeder der beteiligten
Kommunen an. Die erste Sitzung der jeweiligen Vor-Ort-Projektgruppe
diente der Bewertung der Ausgangssituation und der Einschätzung der
bisher unternommenen Ansätze zur Gestaltung des demographischen
Wandels im Bereich der Siedlungspolitik.




20
Routenpläne Bereisung, Graphik: Metropolconsult


Das Planungsbüro proloco bereitete aus fachlicher Sicht die
Diskussionen vor. Das Büro stellte die Einwohnerentwicklung im
Zeitraum von 2000 bis 2007 (für die Gesamtgemeinde und - soweit
möglich - für die einzelnen Ortsteile), die Wanderungssalden von 1987
bis 2006 sowie die Zahl der Baufertigstellungen im Zeitraum von 2000 bis
2006 vor.

Die Darstellungen erfolgten auf Grundlage der Daten des
Niedersächsischen Landesbetriebs für Statistik und Kommunikations-
technologie Niedersachsen (LSKN), das ausgehend vom Jahr 2006 eine
Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2016 auf Gemeindeebene erstellt
hatte. Das Planungsbüro schrieb diese Zahlen bis zum Jahr 2020 fort. In
den Vor-Ort-Projektgruppen wurden die Prognosen fast ausnahmslos als
realistisch qualifiziert. In einzelnen Kommunen wurde sogar die
Vermutung geäußert, dass die Bevölkerungsrückgänge noch deutlicher
ausfallen werden als vom LSKN prognostiziert.

Aus diesen Diskussionen sowie vor dem Hintergrund punktueller
optischer Eindrücke der Bereisung wurde die Diskussion durch Thesen
strukturiert. Ein Schwerpunkt im ersten Workshop lag in der Frage,
welche Strategien die Kommunen für die Anpassung an den demo-
graphischen Wandel verfolgt haben (z. B. Dorferneuerung und
Stadtsanierung), wie die Instrumente wirkten (z. B. dauerhafte Belebung
der Ortskerne) und wie Chancen und Risiken einzelner Ortsteile
eingeschätzt werden.




                                                                        21
Auf Grundlage der Erkenntnisse der Bereisung und der ersten Sitzung
stellte das Planungsbüro in der zweiten Sitzung in jeder Kommune die
voraussichtliche Einwohnerentwicklung bis zum Jahr 2020 auf einer
„Prognosekarte“12 vor.

Anhand von drei Szenarien wurden die Auswirkungen auf die Ortsteile
und den Baubestand erörtert. Beim Szenario „Weiter so – Schrumpfung
für alle“ wird der bisherige Trend fortgeschrieben, ohne dass planerisch
eingegriffen wird. Beim Szenario „Konzentration - leere Dörfer“ werden
die größeren, infrastrukturell gut ausgestatteten Ortsteile gestärkt; die
übrigen Ortsteile werden nicht gefördert und verlieren Einwohner. Im
Szenario „Jeder für sich“ wird die Entwicklung der innerörtlichen
Konkurrenz überlassen, so dass die Ortsteile ihre Wettbewerbsvorteile
aktiv nutzen und deutlich mehr Neubaugebiete mit entsprechend
größerem Leerstand ausweisen.

Anhand dieser Szenarien wurden die Vor- und Nachteile dieser
Vorgehensweisen sowie Eingriffsmöglichkeiten der Politik diskutiert.

Auf einer „thematischen Handlungskarte“13 wurden im Verlauf der dritten
Sitzung der Vor-Ort-Projektgruppen erste Leitvorstellungen diskutiert. Die
daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden vom Planungsbüro
präsentiert. Es erfolgte eine Verständigung der Teilnehmer auf die
Handlungsempfehlungen, die damit als Ergebnis gemeinsamer
Diskussionen gewertet werden können.

In allen Modellkommunen herrschte Konsens darüber, dass über die
bestehenden Baugebiete hinaus keine neuen Flächen auszuweisen
seien – vielmehr solle die Innenentwicklung gefördert werden. Neubau
soll nur auf innerörtlichen Baulücken oder auf Abrissflächen möglich sein.
Rückbauaktivitäten erfolgen mit dem Ziel, die Attraktivität der Orte zu
erhöhen. Neben „Orten der Konzentration und der Innenentwicklung“
wurden innerhalb der teilnehmenden Modellkommunen Ortsteile
identifiziert, die bei der Entwicklung von Umnutzungs- und Rückbau-
strategien begleitet werden sollen.

Die Anlage zu diesem Bericht enthält Karten zu verschiedenen Szenarien
für die Entwicklung der Modellkommunen. Quelle ist die
Landesvermessung + Geobasisinformation Niedersachsen (LGN); die
Bearbeitung erfolgte durch proloco und den Regionalverband
Südniedersachsen, das Layout durch Metropolconsult. Die Karten sind
nicht maßstabsgetreu.




12
     Siehe Kartenmaterial ab S. 146
13
     Siehe Kartenmaterial ab S. 146

22
3.     B ETEILIGTE M ODELLKOMMUNEN

Durch die Beteiligung der Städte Osterode am Harz, Bad Sachsa und
Moringen, der Samtgemeinde Bad Grund, der Gemeinden Gleichen und
Kreiensen sowie des Fleckens Adelebsen wurden in den Landkreisen
Göttingen und Northeim je zwei Gemeinden berücksichtigt, im Landkreis
Osterode am Harz drei. Innerhalb der Landkreise wurden jeweils eine
oberzentrumsnahe und eine oberzentrumsferne Kommune ausgewählt.




                        Beteiligte Modellkommunen; Graphik: Metropolconsult


In den sieben Modellkommunen leben insgesamt rund 72.250
Einwohnerinnen und Einwohner. Das Modellvorhaben wurde damit rein
rechnerisch für rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung Süd-
niedersachsens umgesetzt.

Die Entwicklung Südniedersachsens der vergangenen Jahre war geprägt
durch Strukturwandel in allen Wirtschaftssektoren – in der Landwirtschaft
ebenso wie im gewerblichen Sektor, bei den Dienstleistungen und in der
Kommunikationstechnologie. Bei den Prozessen der vergangenen Jahre
spielten Veränderungen bei Bahn und Post sowie Energie-
versorgungsunternehmen eine besondere Rolle. Kreiensen als früherer
Bahnknotenpunkt ist dabei in besonderer Weise betroffen – die
Konversion des früheren Bundeswehrstandorts in Osterode zählt zu den
besonderen Herausforderungen, vor denen die Kreisstadt derzeit steht.

Zwischen den Kommunen des Modellvorhabens bestehen viele
Gemeinsamkeiten. Der demographische Wandel prägt mindestens seit



                                                                        23
Mitte der neunziger Jahre ihre Entwicklung - wenn auch in unter-
schiedlicher Intensität.

Die Bevölkerungszahl der Region ist rückläufig – und sie wird weiter
sinken. Am wenigsten spürbar sind die im statistischen Mittel erkenn-
baren Tendenzen zum Bevölkerungsrückgang und zur Steigerung des
Durchschnittsalters in den Ortsteilen der Gemeinde Gleichen, die vom
Oberzentrum Göttingen besonders gut zu erreichen sind. Stark spürbar
ist der demographische Wandel hingegen in Kommunen wie Kreiensen
und Bad Grund, die vom Oberzentrum Göttingen aus gesehen peripher
liegen.

Mit Ausnahme von Gleichen ist Leerstand von Wohnungen und
gewerblichen Objekten (wie früheren Hotels und Gaststätten, Einzel-
handelsgeschäften und Tankstellen) in allen Orten zu beobachten. Es
besteht ein großes Angebot an Bau- und Gewerbeflächen, das einen
erheblichen Druck auf das Preisniveau ausübt. Die finanziellen
Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden des Modellvorhabens sind
beschränkt.

Unterschiede sind zu erkennen etwa bei der Erreichbarkeit innerhalb des
überregionalen Verkehrsnetzes, dem Arbeitsplatz- und Schulangebot,
der Versorgungsinfrastruktur und der Identifikation von Bürgerinnen und
Bürgern mit ihrer Gemeinde.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Erwartungen nannten bei der Auftakt-
veranstaltung am 11. März 2008 in der Stadthalle Moringen die
Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen folgende Motive für ihre
Beteiligung an dem Modellvorhaben:

1. Feststellung und Dokumentation des Ist-Zustands (einschließlich
   Leerstandsproblematik)
2. Sensibilität von Politik und Öffentlichkeit für Konsequenzen, die aus
   dem demographischen Wandel gezogen werden müssen
3. Anpassung der kommunalen Infrastruktur an den demographischen
   Wandel sowie „Leitbild ´Old City`“ mit der Anpassung der Infrastruktur
   an Jung und Alt
4. Stärkung der Kernorte
5. Interkommunale Abstimmung bei Flächenausweisungen
6. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Ortschaften innerhalb der
   Gemeinden und innerhalb der Landkreise sowie der Region
   Südniedersachsen
7. Erarbeitung von Vorschlägen für soziale Treffpunkte
8. Entwicklung von Strategien zur Vermeidung von Leerständen
9. Vermittlung der Notwendigkeit, dass Flächenausweisungen nur
   erfolgen dürfen, wenn die Vermarktbarkeit nachgewiesen werden
   kann

24
10. Vorschläge, wie der Bevölkerungsrückgang gestoppt werden kann
11. Vorschläge für die Identifikation und Konzentration von
    Infrastrukturangeboten
12. Vorschläge zur Revitalisierung von Dörfern, in denen es keine
    Infrastruktur mehr gibt

Diese Zusammenstellung zeigt, wie vielfältig die mit dem
demographischen Wandel in Verbindung stehenden Aspekte sind und
wie hoch die Erwartungen an Projekte sind, die sich mit diesem Thema
befassen. Wie unter 6.1 dieser Ausarbeitung dargelegt, erfolgt eine
Konzentration auf das Thema Siedlungsflächenentwicklung. Die zitierten
Aussagen machen deutlich, dass der demographische Wandel auch zu
städtebaulichen Chancen geführt hat. In vielen Orten sind innenstadt-
nahe Flächen entstanden, die zumindest von ihrer Lage her gute
Voraussetzungen für Wohnnutzung sowie die Ansiedlung von Klein-
gewerbe und Nahversorgern bieten. Möglich wird so eine Reintegration
von Arbeitsstätten in zentralen Orten.

                  Gleichen   Adelebsen   Moringen    Kreiensen   Bad Grund     Osterode a.H.   Bad Sachsa
Ortsteile            16          7           9           15            5             15             4

Einwohner
(2006)             9.500       6.750       7.500       7.300         9.300          24.700        8.000

Einwohner-
entwicklung
(2000 bis          + 500       - 300       -250        -500          -550           -1.500        -600
2006)
gerundet

Leerstand           kein      deutlich    deutlich    deutlich      deutlich        deutlich     deutlich

Freie Bau-
grundstücke         103         124         54          46            32              264          94

            Überblick über Strukturen der Modellkommunen, Stand: September 2008
                               (Karsten Hiege, Regionalverband Südniedersachsen)


Der Vergleich der Einwohnerzahlen der sieben Modellkommunen macht
deutlich, dass die addierte Einwohnerzahl seit Anfang der neunziger
Jahre rückläufig ist und bis zum Ende des Prognosezeitraums weiter
zurückgehen wird. Mit Ausnahme der Gemeinde Gleichen wird dieser
negative Bevölkerungstrend auch für jede einzelne der beteiligten sechs
Modellkommunen prognostiziert14.




14
   siehe Grafik: Vergleich der Einwohnerzahlen der sieben Modellkommunen im
Anhang (LSKN, Regierungsvertretung Braunschweig)

                                                                               25
3.1 E INZELDARSTELLUNG                                 DER BETEILIGTEN
KOMMUNEN




3.1.1 Gemeinde Kreiensen

                         Fläche:                              65,28 km²
                      Einwohner                                    7.223
             Bevölkerungsdichte:                   112 Einwohner pro km²



                                     Bevölkerungsentwicklung


     7.800

     7.700

     7.600

     7.500

     7.400

     7.300

     7.200

     7.100

     7.000

     6.900
               2000   2001    2002         2003        2004       2005    2006    2007



                                                               LSKN, Graphik: Metropolconsult


In der Gemeinde Kreiensen wohnen 7.707 Einwohnerinnen und
Einwohner (Stand: 30. Juni 2007)15 in fünfzehn Ortsteilen (inkl.
Nebenwohnsitz) mit folgender Verteilung: Kreiensen (2.701), Greene
(1.626), Opperhausen (832), Ahlshausen-Sievershausen (571),
Erzhausen (351), Billerbeck (323), Rittierode (240), Orxhausen (227),
Bentierode (223), Garlebsen (176), Olxheim (118), Beulshausen (100) ,
Ippensen (91), Haieshausen (90) und Bruchhof (mit 38 Einwohnerinnen
und Einwohnern).



15
         Die hier genannten Zahlen beruhen auf Angaben der Gemeinden. Die
         erheblichen Differenzen zu den Zahlen des LSKN sind offensichtlich, da die
         Gemeinden u. a. auch Zweitwohnsitze mitzählen. Dieser Hinweis gilt auch
         für die Darstellung der weiteren Gemeinden.

26
Kreiensen profitierte durch die Grenzöffnung in den frühen neunziger
Jahren von Zuwanderungen. Bis auf das Jahr 2004 waren die
Wanderungssaldi aber seit 1995 negativ. Zwischen dem Jahr 2000 und
dem Jahr 2007 sank die Einwohnerzahl Kreiensens um etwa 500
Personen. Der Rückgang verteilte sich auf die genannten Jahre relativ
gleichmäßig; lediglich in den Jahren 2003 und 2004 stagnierte die
Einwohnerzahl.

                     Kreiensen, Wanderungssaldo je 10.000 EW


 250
 200
 150
 100
  50
   0
       1987


              1989


                     1991


                            1993


                                   1995


                                           1997


                                                  1999


                                                          2001


                                                                 2003


                                                                        2005
 -50
-100
-150
-200
-250


                                                         LSKN, Graphik: proloco


Größte Ortschaften der Gemeinde sind Kreiensen und Greene. Auf vier
Hügeln gelegen besteht die Ortschaft Kreiensen aus Siedlungsflächen,
die räumlich und sozial bislang nur unvollständig zusammengewachsen
sind. Die Gleisanlagen wirken als trennende Elemente. Diese Lage trägt
dazu bei, dass sich die Ortschaft Kreiensen bislang nicht zum
unbestrittenen Mittelpunkt der Gemeinde entwickeln konnte. Angesichts
des eher geringen Zusammenhalts der Bevölkerung bezieht sich die
Identität der Bürgerinnen und Bürger auf die Ortschaft - man ist eher
„Greener“, „Kreienser“ oder „Opperhäusener“. Historisch gesehen eher
ein Konstrukt als eine gewachsene Gemeinde verfügt die Gemeinde
Kreiensen zudem über keine zentrale Versammlungsstätte. Die
Gemeinde bietet erschlossene Bauplätze an - an preisgünstigen
Bauflächen besteht kein Mangel.

In den vergangenen Jahren sind wichtige Wirtschaftszweige weg
gebrochen. Bis 1995 war Kreiensen Postverteilzentrum mit 350 Mit-
arbeitern, die Deutsche Bundesbahn war mit rund eintausend
Mitarbeitern größter Arbeitgeber.

Trotz der abnehmenden Bedeutung der Bahn als Arbeitgeber gilt
Kreiensen bislang noch immer als wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Den
Haltepunkt nutzen nach Schätzung der Gemeinde 3.000 bis 4.000 Ein-
und Auspendler. Diese Lagegunst trug in den vergangenen Jahren aber
weder nennenswert zur Anwerbung von Neubürgerinnen und Neubürgern

                                                                               27
noch zur Ansiedlung von Betrieben bei. Nun hat die Deutsche Bahn AG
entschieden, den IC Stralsund-Karlsruhe künftig über die Neubaustrecke
zu führen. Damit wird in Kreiensen künftig fahrplanmäßig kein IC mehr
halten.

Zu den Konsequenzen der fehlenden Dynamik in Kreiensen gehören
auch Ladenleerstände. In den meisten Ortschaften bestehen Probleme
bei der Nahversorgung. Eine Ausnahme ist die Ortschaft Kreiensen
selbst: Hier gelang es dem Bürgermeister, einen Neubau für die
Lebensmittelversorgung in integrierter Lage anzusiedeln.

Der Strukturwandel der Landwirtschaft äußert sich in deutlich ins Auge
fallenden un- oder untergenutzter Scheunen. Die Entwicklung Kreiensens
ist eng mit der früheren Kreisstadt Bad Gandersheim verknüpft. Bedingt
durch den Abbau von Infrastruktureinrichtungen in Bad Gandersheim wie
etwa dem Freibad verliert diese Verbindung aber derzeit an Bedeutung.

Der Rat der Gemeinde Kreiensen fasste 1997 einen Grundsatzbeschluss
zur Siedlungsentwicklung. Dem liegt ein städtebauliches Rahmenkonzept
zur Wohnbauentwicklung bis zum Jahr 2010 zugrunde. Konzept und
Beschluss werden vom Rat beobachtet. Derzeit werden in allen
Ortschaften Bauplätze angeboten. Bereits heute verfügt Kreiensen über
ein Baulückenkataster. Zur Flächenmobilisierung ist dieses Instrument
offenbar ungeeignet. Ein Leerstandsverzeichnis wurde bisher nicht
erstellt.

Die Gemeinde hält ein Siedlungsflächenkonzept für Südniedersachsen
mit teilregionalen Schwerpunktsetzungen für sinnvoll. Mit diesem
Instrument wird die Hoffnung verbunden, die interkommunale Konkurrenz
um Einwohner zu reduzieren.

In der ersten Jahreshälfte 2008 dürfte der Leerstand bei Wohngebäuden
in der Ortschaft Kreiensen unter zehn Prozent gelegen haben. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass Einliegerwohnungen meist in Hauptwohnungen
integriert werden - ihr Leerstand wirkt sich wohnungspolitisch also ledig-
lich als Unterauslastung aus.

Auf dem Wohnungsmarkt erfolgten in der ersten Jahreshälfte 2008 keine
nennenswerten Bewegungen - das gilt sowohl für Kauf als auch für
Miete. Eine Nachfrage nach Gebäuden des Altbestandes war nicht zu
erkennen. Wenn überhaupt Wohnraum nachgefragt wurde, bezog sich
diese Nachfrage auf preisgünstigen Nachkriegswohnungsbau. Damit ver-
bunden ist ein erheblicher und anhaltender Wertverlust.

Die Gemeinde Kreiensen setzt sich das Ziel, die Abwanderung zu
stoppen und die Attraktivität zu steigern. Dafür plant sie beispielsweise in
Opperhausen die Kombination von Gaststätte und Dorfgemeinschafts-

28
haus mit der Option zur Nahversorgung. Da die Ausrichtung auf einen
nennenswerten Zuzug von Neubürgerinnen und Neubürgern derzeit als
unrealistisch gilt, wird eine Wachstumsstrategie nicht verfolgt. Es geht
eher darum, die Infrastruktureinrichtungen dem demographischen
Wandel anzupassen. Dabei sollen die Bedürfnisse der verschiedenen
Generationen berücksichtigt werden und in die Infrastrukturplanungen
einfließen. Für wenig sinnvoll hält es die Gemeinde, sich ausschließlich
auf junge Familien mit Kindern zu konzentrieren. Die Streichung von
Eigenheimzulage und die Kürzung der Pendlerpauschale tragen nach
ihrer Auffassung dazu bei, die Bedeutung Kreiensens als reiner
Wohnstandort zu schwächen.

Im Flecken Greene stieß das Neubaugebiet „Löberfeld“ auf eine lebhafte
Nachfrage aus Greener Familien und konnte rasch vermarktet werden.
Seit Fertigstellung dieser neuen Bebauung besteht offenbar keine
nennenswerte Nachfrage mehr nach neuem Wohnraum. Der Leerstand
fällt weniger stark ins Auge als im Kernbereich von Kreiensen, dürfte aber
vergleichbar hoch sein.

Im Gegensatz zur Ortschaft Kreiensen ist die Einwohneridentität mit dem
Flecken Greene ausgeprägt. Greene zeichnet sich durch ein intensives
Vereinsleben aus. Zu den Besonderheiten gehören der Burg-
Förderverein und der Heimatverein. Greene besitzt kaum Gewerbe.
Vorhanden sind jedoch ein Nahversorger, eine Arztpraxis, ein Schul-
zentrum (Grundschule und Kindergarten) und ein Hallenbad mit Sauna.
Statistisch auffällig ist der gegenüber der Ortschaft Kreiensen deutlich
geringere Bevölkerungsrückgang.

In Opperhausen, das nur einen geringen Wohnungsleerstand aufweist,
wurden in den vergangenen zehn Jahren 57 Dorferneuerungs-
maßnahmen durchgeführt - davon vier im öffentlichen Bereich. Über-
wiegend erfolgten die Investitionen jedoch privat. Diese Maßnahmen
veränderten das Ortsbild nachhaltig. Die hohe Identifikation der
Bürgerinnen und Bürger mit der Ortschaft dokumentiert sich durch die
erfolgreiche Arbeit des Heimatvereins. Dennoch sind auch in
Opperhausen seit dem Jahr 2000 die Einwohnerzahlen rückläufig.
Gaststätte und Nahversorger wurden kürzlich geschlossen, es existieren
aber ein Hofladen und ein Biobauernhof mit Direktvermarktung. Pro Jahr
werden zwei bis drei Grundstücke bebaut. Zehn der 15 vorhandenen
Bauplätze des Neubaugebietes sind inzwischen vermarktet. Auch die
Neubürgerinnen und Neubürger konnten weitgehend in das Vereinsleben
integriert werden, allerdings scheint die Bereitschaft vieler Menschen
zum sozialen Engagement nachzulassen.

Alshausen liegt in einem „Talkessel“ zwischen dem Krieberg, Rott und
Sonnenberg. Vorhanden sind eine Diskothek sowie ein gastronomischer
Betrieb, in dem sich die Mitglieder von zehn örtlichen Vereinen treffen.

                                                                       29
Eine Nahversorgung mit Lebensmitteln besteht nicht mehr. Wenn auch
die Identifikation der Menschen mit ihrem Ortsteil als beachtlich hoch gilt,
so sind dennoch Wegzüge nach Einbeck und Northeim zu beobachten.
Leerstände sind schon heute zu verzeichnen – angesichts der
Bevölkerungsstruktur und des hohen Durchschnittsalters ist zu erwarten,
dass die Zahl der nicht genutzten Häuser und Wohnungen weiter steigt.
Das Ortsbild ist durch die landschaftstypische Fachwerkbebauung
geprägt; dennoch besteht kein besonderer Modernisierungsdruck. Auch
in Alshausen ist eine nachlassende Bereitschaft der Einwohner zu
sozialem Engagement festzustellen.

Erzhausen besitzt ein Pumpspeicherwerk eines Stromversorgers.
Prägend für den Ortsteil ist die von der Preussen-Elektra ehemals
gebaute und später an Bewohnerinnen und Bewohner verkaufte
Siedlung. In einem 1992 ausgewiesenen Baugebiet wurde bis heute nur
ein Grundstück verkauft. Neuerdings existiert wieder ein Café mit einem
angeschlossenen Minigolfplatz.

Billerbeck zeichnet sich aus durch ein lebhaftes Vereinsleben und eine
gute Dorfgemeinschaft aus. Die Umnutzung eines großen
landwirtschaftlichen Gebäudes zu dem Restaurant „Schinkenscheune“
gilt über die Ortschaftsgrenzen hinaus als gutes Beispiel für einen ge-
lungenen Strukturwandel.

Die Dorferneuerung wurde in Orxhausen nur mit mäßigem Erfolg
umgesetzt – das Instrument selbst bewerten viele Bürgerinnen und
Bürgern kritisch. Ausgelöst wurden nur geringe öffentliche Investitionen
mit entsprechenden Auswirkungen auf den privaten Sektor. Zur
Freisetzung bürgerschaftlichen Engagements sind Wettbewerbe offenbar
inzwischen keine ausreichend motivierenden Instrumente mehr.

Die anderen Ortschaften der Gemeinde Kreiensen sind landwirtschaftlich
geprägt. Mit Ausnahme von Beulshausen, das ein Bürgerhaus hat,
verfügen sie über Feuerwehrhäuser und zum Teil über Dorf-
gemeinschaftshäuser. Der Gebäudeleerstand dürfte in diesen kleinen
Ortsteilen unter zwei Prozent liegen.




30
Nach Angaben der Gemeinde Kreiensen werden derzeit folgende
Baugebiete vermarktet             (Stand: 22. September 2008):




               Bebauungs-       Satzungs-    Inkrafttreten   Zahl der        Freie   Bau-
               plan             beschluss                    Bauplätze       grundstücke

Greene         „Löberfeld“      06.06.2002   12.07.2002              27               13
Kreiensen      „Hainberg II“    05.12.1985   16.06.1987                  9             4
               „Hainberg III“   13.09.2001   05.10.2001              46               26
               „Brunstein/      06.07.2000   28.07.2000                  8             0
               Eskuhle“

Opperhausen    „Am              07.10.1999   14.04.2000              17                3
               Hohlwege“




                                                             31
3.1.2 Stadt Moringen

Fläche:                    82,25 km²
Einwohner                  7.379
Bevölkerungsdichte:        90 Einwohner pro km²

                                   Bevölkerungsentwicklung


     7.650

     7.600

     7.550

     7.500

     7.450

     7.400

     7.350

     7.300

     7.250
             2000   2001    2002         2003        2004     2005    2006    2007



                                                        LSKN, Graphik: Metropolconsult


In der Stadt Moringen wohnen 7.950 Einwohnerinnen und Einwohner
(Stand 2007) in neun Ortsteilen (einschließlich Nebenwohnsitz) mit
folgender Verteilung: Moringen (4.813), Fredelsloh (1.117), Nienhagen
(557), Großenrode (400), Thüdinghausen (364), Behrensen (269),
Lutterbeck (183), Oldenrode (153) und Blankenhagen (194).

Über die Bundesautobahn (BAB) 7 sowie Bundes-, Landes- und
Kreisstraßen ist Moringen gut in das überörtliche Verkehrsnetz
eingebunden. Wer allerdings mit dem Öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) nach Göttingen pendeln will, kommt ohne Umsteigevorgänge
nicht aus. Die Stadt Moringen sucht deshalb nach Möglichkeiten, ihre
eigene Position zum Oberzentrum Göttingen zu stärken. Viel besser ist
die Busverbindung nach Northeim. Nach Hardegsen besteht eine
Busverbindung mit unregelmäßigen Abfahrtzeiten.

Moringen   verfügt  über   ein   gegliedertes  Schulsystem.  Im
Grundschulbereich werden Behinderte integriert. Die Kooperative
Gesamtschule (5. bis 13. Klasse) wird derzeit zur Ganztagsschule



32
ausgebaut. Geprüft wird die Umnutzung von Klassenräumen für den
Hortbedarf.

Vom 30. Juni 2006 bis zum 30. Juni 2007 verlor die Stadt Moringen 92
Einwohnerinnen und Einwohner, in der Kernstadt allein fünfzig. Die
Kommune rechnet weiter mit einem stärkeren Bevölkerungsverlust in den
kleineren Ortschaften. Durch den demographischen Wandel wird ein
Bevölkerungsverlust von ca. 600 Einwohnern bis zum Jahr 2020
erwartet, etwa 400 weitere Wohneinheiten dürften dann leer stehen.

Bei der Anwerbung neuer Bürgerinnen und Bürger sieht sich Moringen in
direkter Konkurrenz zur Stadt Hardegsen, die Baugrundstücke besonders
preiswert anbietet. Moringen vermarktet das freie Bauland nicht über eine
Gesellschaft, sondern in Eigenregie. Im Baugebiet „Am Hagenberg“
verfügt Moringen über ausreichend Bauplätze. Während die Vermarktung
der Baugebiete im Rahmen der Eigenentwicklung in früheren Jahren
relativ rasch erfolgte, bestehen derzeit Vermarktungsprobleme. Die
Nachfrage von außerhalb ist eher verhalten oder gar nicht erkennbar.
Innerhalb der Gremien der Stadt Moringen wurde deshalb im Herbst
2008 ein Maßnahmen-Paket diskutiert, das der Stabilisierung der
Bevölkerungsentwicklung dienen soll. Finanziell gefördert werden sollen
der Erwerb und die Sanierung alter Bausubstanz, die Bebauung von
Baulücken sowie der Abriss alter Gebäude und Neubau an gleicher
Stelle.

Seit etwa vier Jahren weist Moringen keine neuen Baugebiete mehr aus.
Innerhalb der Gremien der Stadt besteht Konsens darin, eine Bebauung
nur dort zu genehmigen, wo bereits jetzt Baurecht besteht. Unter Verweis
auf eine gute Nahversorgung versucht Moringen, sich attraktiver zu
vermarkten. Die Stadt sieht Potentiale im Ausbau z. B. des Freizeit-
bereiches.

Die Stadtsanierung wirkte als Förderinstrument in Moringen positiver als
die Dorferneuerung in den Ortschaften. Öffentliche Maßnahmen zogen
private Gebäudesanierungen nach sich. Im Stadtgebiet Moringen gibt es
betreutes Wohnen, Tagespflege sowie einen ambulanten Pflegedienst;
ein Altenheim ist nicht vorhanden.

In vielen Dörfern besteht eine hohe Identifikation der Menschen mit ihrer
Heimat. Ganz offensichtlich ist der demographische Wandel als zentrale
kommunalpolitische Herausforderung dort noch nicht angekommen. Das
liegt möglicherweise daran, dass bis zum Jahr 2002 noch ein positiver
Wanderungssaldo verzeichnet wurde.




                                                                      33
Moringen, Wanderungssaldo je 10.000 EW


     200

     150

     100

      50

       0


            1987


                   1989


                          1991


                                 1993


                                        1995


                                               1997


                                                      1999


                                                             2001


                                                                    2003


                                                                           2005
      -50

     -100

     -150

     -200

                                                             LSKN, Graphik: proloco


Im Kernort Moringen selbst besteht ein Leerstand von etwa fünfzig
Wohnungen und Läden. Ob die Lage, die Ausstattung oder andere
Ursachen hierfür verantwortlich sind, ist bisher nicht erkennbar. Auch
fehlen Angaben über die Dauer des Leerstandes. Die Baunachfrage im
Kernort ist eher gering und kommt überwiegend aus der einheimischen
Bevölkerung.

Behrensen zeichnet sich durch seine Lagegunst zur BAB 7 aus. Der Ort
hat die Aufnahme in das Dorferneuerungsprogramm beantragt.

Blankenhagen liegt in Kernstadtnähe; nennenswerter Leerstand ist nicht
vorhanden. Die Grundstücke der sechs Baulücken sind offenbar derzeit
nicht zu vermarkten.

Fredelsloh gilt als eine Art zweites Gemeindezentrum, das über
Nahversorgung, viele Kunsthandwerker sowie weitere prosperierende
Unternehmen verfügt. Dennoch ist wenig Nachfrage nach Bauland und
kaum Eigenentwicklung vorhanden. Der Leerstand liegt bei zwanzig
Wohneinheiten, davon fünf Fachwerkhäusern, bei deren Vermarktung
besondere Probleme bestehen. Neubauten werden weit unter dem
Schätzwert angeboten. Der Ortsteil liegt „hinterm Berg“ und ist relativ weit
von der BAB entfernt. Die Dorferneuerung in Fredelsloh stieß bei der
Bevölkerung auf eher verhaltene Resonanz und löste im privaten Sektor
wenige Impulse aus. Begründet wird diese Zurückhaltung mit den
teilweise langen Bearbeitungszeiten der Anträge. Viele Bürgerinnen und
Bürger nehmen deshalb Erneuerungen und Sanierungen lieber ohne
staatliche Subventionierung vor. Dies ermöglicht ihnen eine größere und
kosten-günstigere Materialauswahl. Eine Verbesserung des Dorfbildes
durch private Maßnahmen wurde nicht erreicht.

Trotz der Lagegunst zur BAB besteht in Großenrode nur eine geringe
Nachfrage nach Baugrundstücken – wenn eine Vermarktung erfolgt,

34
dann meist an Einheimische. Während es in Lutterbeck derzeit sieben
Leerstände gibt, stehen in Nienhagen mehrere Ferienwohnungen und
drei Häuser leer. Die derzeitigen Immobilieneigentümer orientieren sich
bei ihren Preisvorstellungen offenbar eher an dem Preisniveau von Groß-
städten. Der Ort Nienhagen steht für einen positiven Verlauf der Dorf-
erneuerung.

Oldenrode liegt im südlichen Stadtgebiet eher in Randlage und weist
zwei Leerstände auf. Thüdinghausen ist gekennzeichnet durch seine
besondere Lagegunst zur BAB 7.

Nach Angaben der Stadt Moringen werden derzeit folgende Baugebiete
vermarktet:                              (Stand: 25. August 2008)



                  Bebauungsplan       Satzungs-      Inkrafttreten   Zahl der Bau-   freie   Bau-
                                      beschluss                      plätze          grundstücke
 Moringen         „Hagenberg“         29.09.1998     30.10.1998                44             23
 Fredelsloh       „Nordfeld"          08.12.1994     05.05.1995                15              7
 Großenrode       „Im Knipstale"      24.06.1999     20.08.1999                34             24




                                                                     35
3.1.3 Flecken Adelebsen

Fläche:                     75,85 km²
Einwohner                   6.738
Bevölkerungsdichte:         89 Einwohner pro km²
                                  Bevölkerungsentwicklung


     7.200

     7.100

     7.000

     6.900

     6.800

     6.700

     6.600

     6.500
             2000   2001   2002         2003        2004     2005    2006    2007



                                                       LSKN, Graphik: Metropolconsult


Im Flecken Adelebsen wohnen 6.807 Einwohnerinnen und Einwohner
(Stand 2007) in sieben Ortsteilen mit folgender Verteilung: Adelebsen
(3.237), Barterode (1.026), Lödingsen (831), Güntersen (658), Erbsen
(402), Wibbecke (350) und Eberhausen (303).

Adelebsen liegt an der Bahnstrecke von Göttingen nach Paderborn. Mit
der Regionalbahn beträgt die Fahrzeit nach Göttingen zwanzig Minuten.
Der Güterverkehr (Cargotransport) von Holz und Basalt ist für den Erhalt
der Trasse besonders wichtig. Immer wieder wird in Adelebsen die Frage
diskutiert, ob die gute Bahnanbindung ein herausgehobener Standort-
vorteil ist. Die Meinungen hierzu gehen auseinander – so auch zu der
Frage, ob eine bessere Taktung zu einer Erhöhung der Akzeptanz der
Regionalbahn führen würde. Adelebsen versteht sich als „grüne Lunge
von Göttingen“ – ein Umstand, der im Oberzentrum allerdings offenbar
nicht so deutlich wahrgenommen wird.

Im Verlauf der drei Workshops diskutierte die Vor-Ort-Projektgruppe die
Attraktivität Adelebsens für Wohnungssuchende. Adelebsen, so wurde
betont, liegt weiter als zehn Kilometer von Göttingen entfernt - damit kann
eine psychologische Grenze für das Pendeln ins Oberzentrum
überschritten sein. Der Flecken Adelebsen ist damit keine typisch

36
suburbane Gemeinde. In der Ortschaft Adelebsen wurde bis 2004 etwa
die Hälfte des Gebäudebestands im Ortskern saniert. Einige Gebäude,
die das Ortsbild prägen (wie beispielsweise der ehemalige
Rathauskeller), sind allerdings nicht darunter. Der Sanierung des
Rathauskellers könnte im Sinne einer starken Impulswirkung zur
städtebaulichen Aufwertung des Innenbereichs führen. Ein besonderer
Problembereich ist die Lange Straße als ehemalige Hauptverkehrstraße.
Hier treten verstärkt Leerstände in Geschäften und in einzelnen
Wohngebäuden auf. Die Stadtsanierung löste bislang keine nachhaltigen
positiven Effekte aus.

Mit der Ausweisung des Baugebietes „Am Antonsberg" in den neunziger
Jahren sollte der Kernort strategisch gestärkt werden – das gelang
bislang nur bedingt. Die Vermarktungsprobleme dieses Baugebiets
trugen dazu bei, dass in den letzten fünf Jahren in anderen Ortsteilen
keine anderen Neubaugebiete ausgewiesen wurden. Das Baugebiet ist
bisher nur zum Teil erschlossen. Seine Bewohner stammen überwiegend
aus Adelebsen selbst.

Das in einer Talaue am südlichen Ortsrand liegende Holzwerk beeinflusst
die Gemeindeentwicklung in vielerlei Hinsicht. Von Süden betrachtet
prägt das Werk mit der neu gebauten Landesstraße 554 im Vordergrund
das mittelalterliche Stadtbild des Fleckens mit seiner erhöht liegenden
Burg. Positive Einflüsse dieses wichtigen Arbeitgebers auf die
Einwohnerentwicklung konnten bislang nicht registriert werden. Lediglich
in den Jahren 2001 und 2002 lag die Zahl der Zuzüge über der Zahl der
Wegzüge.

                              Wanderungssalden Adelebsen (1987-2006)



   200


   150


   100


    50


     0


   -50


  -100


  -150


  -200



                                                        LSKN, Graphik: proloco




                                                                           37
Sechs Orte waren bislang an der Dorferneuerung beteiligt. Die
Maßnahme schob verschiedene private Investitionen an – wie etwa den
Ausbau der Wasserscheune in Erbsen. Eine Ausnahme bildete aber
Wibbecke, hier war die Beteiligung der Bürger verhaltener. Die Dorf-
erneuerung trug insgesamt zu einer Aufwertung der Ortsbilder bei, wenn-
gleich sie nur in geringem Umfang längerfristige Belebungen in den
Innenbereichen auslöste.

Barterode verfügt neben der überregional bekannten „Barteroder
Feinkost GmbH“, die die berühmte Bihun-Suppe produziert, über eine
ausreichende Infrastruktur (Bäcker, Schlachter, Gewerbe und Ärzte) und
eine gute Anbindung zum Oberzentrum. Mit seiner hohen emotionalen
Bindung seiner Einwohner an den Ort nimmt Barterode innerhalb des
Flecken Adelebsen eine Sonderstellung ein. Diese Identifikation trägt zur
stabilen Einwohnerentwicklung bei. Dennoch sind sowohl Baulücken als
auch Leerstände vorhanden. Bei der Ausweisung von Bauflächen war
Barterode immer zurückhaltend – die Baulandnachfrage ist traditionell
eher gering.

In Erbsen, einem Dorf, das nur über wenige Infrastruktureinrichtungen
verfügt, gibt es ein Neubaugebiet mit zwölf Plätzen, die relativ schnell
vermarktet wurden. Erbsen und Lödingsen nehmen gemeinsam an dem
derzeit geplanten Projekt „Bioenergiedorf“ des Landkreises Göttingen teil.
In Lödingsen war vor einigen Jahren die Ausweisung eines großen
Baugebietes mit fünfzig Plätzen vorgesehen – das Vorhaben wurde
bisher aber nicht realisiert. Im Ort gibt es bisher kaum Leerstand und nur
wenig Modernisierungsbedarf. Güntersen, das unter dem Bevölkerungs-
rückgang besonders leidet, ist stark nach Dransfeld orientiert. Wibbecke
und Eberhausen sind stark landwirtschaftlich geprägt. Die
Dorferneuerung ist dort abgeschlossen. Die Bevölkerung nahm sie eher
verhalten an. Einzelne Leerstände sind hier bereits sichtbar.




38
Nach Angaben der Gemeinde Adelebsen werden derzeit folgende
Baugebiete vermarktet:            (Stand: 22. September 2008)



             Bebauungsplan       Satzungs-       Inkrafttreten   Zahl    der   Freie    Bau-
                                 beschluss                       Bauplätze     grundstücke
Adelebsen    Nr. 21              17.09.1998      05.11.1998              74              59
             „Am Antonsberg“
Eberhausen   Nr. 25
             „Eichhof“,          20.12.2001      14.02.2002              17              17
Lödingsen    Nr. 8               noch    nicht
             „Am Lindenberge“,   gefasst                                 48              48




                                                                 39
3.1.4 Gemeinde Gleichen

Fläche:                    128,93 km²
Einwohner                  9.515
Bevölkerungsdichte:        74 Einwohner pro km²
                                  Bevölkerungsentwicklung


     9.700

     9.650

     9.600

     9.550

     9.500

     9.450

     9.400

     9.350

     9.300

     9.250
             2000   2001   2002         2003        2004     2005    2006    2007



                                                       LSKN, Graphik: Metropolconsult


In der Gemeinde Gleichen wohnen 10.446 Einwohnerinnen und
Einwohner (Stand 2007). Sie verteilen sich auf die 16 Ortschaften
Reinhausen (Sitz der Gemeindeverwaltung, 1.560), Diemarden (1.463),
Klein Lengden (1.3479; Groß Lengden (1.040), Bremke (925),
Rittmarshausen (776), Sattenhausen ((563), Gelliehausen (425),
Bischhausen (403), Wöllmershausen (401), Benniehausen (371),
Weißenborn (280), Kerstlingerode (255), Beienrode (250), Etzenborn
(222) und Ischenrode (165 Einwohnerinnen und Einwohner).

Gleichen ist eine typische suburbane Gemeinde mit dem Schwerpunkt
Wohnen im Grünen. Sie liegt unmittelbar im Südosten des
Oberzentrums. In das Göttinger Stadtbusnetz ist Gleichen jedoch nicht
eingebunden. Von allen beteiligten Kommunen im Rahmen des
Modellvorhabens in Südniedersachsen ist Gleichen bislang am
wenigsten vom demographischen Wandel betroffen. Bis 2020 wird ein
Bevölkerungsrückgang von lediglich rund zwei Prozent erwartet. Im
Zusammenhang mit Neubautätigkeit wird es allerdings in geringem
Umfang zu weiteren Leerständen kommen - dies vor allem in den
Gemeindeteilen, die weiter entfernt von Göttingen liegen. Die Gemeinde-
verwaltung erwartet weitere Zuzüge aus Göttingen – allerdings auf
deutlich geringerem Niveau als in der Vergangenheit.



40
Strategisch will Gleichen seine Innenentwicklung stärken und keine
Neubaugebiete mehr ausweisen. Bislang strebte die Gemeinde eine
Konzentration von Infrastruktureinrichtungen nicht an. Zukünftig könnte
sich die Gemeinde jedoch stärker auf eine funktionale Konzentration hin
ausrichten. Denkbar ist, das Schulangebot in Rittmarshausen,
Reinhausen und Klein Lengden zu stärken. Bisher gibt es fünf Grund-
schulen. Angesichts der rückgängigen Schülerzahlen werden die
Einrichtung eines Schulzentrums und alternativ die Konzentration auf nur
drei Grundschulstandorte erwogen. Die Frage, wie sich die drei Ortsteile
weiter stärken lassen, bleibt offen, weil der Handlungsspielraum der
Gemeinde hierbei stark eingeschränkt ist. Eine weitere Möglichkeit neben
der Schulkonzentration wäre die Einrichtung von Ganztagsbetreuungs-
angeboten im Krippen- und Hortbereich.

Problembereiche in der Gemeinde sind die engen Ortsdurchgangs-
straßen wie in Bremke und Reinhausen und die teilweise schlechte
Bausubstanz einiger älterer Gebäude. Hier wurde eine finanzielle
Förderung im Altbaubereich zur Erhaltung des Ortsbildes und zur
Erreichung der Klimaschutzziele angeregt.

Die Modernisierung und Sanierung der Bausubstanz erfolgte in der
Vergangenheit in großem Umfang. Dazu gehörten Umnutzungen von
landwirtschaftlichen Gebäuden oder Gaststätten zu Wohnzwecken. Das
Instrument der Dorferneuerung trug hierzu positiv bei. Aufgrund der
aktuell geringeren Nachfrage nach Wohnraum wird sich der
Umnutzungstrend jedoch nicht fortsetzen. In die Dorferneuerungs-
programme wurden nach und nach zwölf der 16 Dörfer aufgenommen.
Die Maßnahmen verliefen erfolgreich. Gefördert wurden auch größere
private Investitionen.

In Diemarden gibt es Nahversorgungslücken. Als Ausgleich weitete ein
Bioladen sein Angebot für diverse andere Sortimente und Produkte aus.
Zusätzlich bietet ein Lebensmittelhändler aus dem Nachbarort an,
Kunden aus den Ortsteilen zu seinem Geschäft zu fahren. Reinhausen
verfügt über ein Lebensmittelgeschäft mit Postannahmestelle, zudem
sind weitere Infrastruktureinrichtungen wie Ärzte, Grundschule und
Kindertagesstätte vorhanden. Eine ausreichende Anzahl attraktiver
Bauplätze steht hier zur Verfügung.

In Bischhausen stehen acht Gebäude zum Verkauf. Viele Verkäufer
realisieren allerdings noch nicht, dass sich die erzielbaren Verkaufspreise
nach unten entwickelt haben. Eine realistischere Einschätzung des
Immobilienmarktes durch die potenziellen Verkäufer könnte zur
Verkürzung der Leerstandszeiten beitragen. Da der Erwerb von Altbauten
mit kaum abschätzbaren Modernisierungsaufwendungen verbunden ist,
die Grundstücke, anders als in Innenstädten, aber kaum Lagevorteile



                                                                        41
aufweisen, werden im ländlichen Raum tendenziell eher Neubauten bzw.
                                  jüngere Gebrauchtimmobilien nachgefragt.


                                                     Wanderungssalden, Gleichen (1987-2006)


         200


         150


         100


          50


             0
                 1987

                        1988

                                1989

                                       1990

                                              1991

                                                     1992

                                                            1993

                                                                   1994

                                                                          1995

                                                                                 1996

                                                                                        1997

                                                                                               1998

                                                                                                      1999

                                                                                                             2000

                                                                                                                    2001

                                                                                                                           2002

                                                                                                                                  2003

                                                                                                                                         2004

                                                                                                                                                2005

                                                                                                                                                           2006
          -50


         -100


         -150


                                                                                                                               LSKN; Graphik: proloco


                                  Nach Angaben der Gemeinde Gleichen werden derzeit folgende
                                  Baugebiete vermarktet:           (Stand: 22. September 2008)



                               Bebauungsplan-                      Satzungsbe-                 Inkrafttreten               Zahl der                    Freie
                               Nr.                                 schluss                                                 Bauplätze                   Baugrund-
                                                                                                                                                       stücke
Bischhausen                    067
                               "Winkelbreite",                     18.09.2002                  17.10.2002                  9                           4
Bremke                         060         "Am
                               Eschenberg"                         10.12.2003                  15.01.2004                  12                          4
Reinhausen                     073 "Diemardener
                               Straße"                             29.03.2006                  06.04.2006                  21                          19
Rittmarshausen                 061 "Bäckberg",                     17.03.1999                  08.09.1999                  47                          47
Sattenhausen                   059 "Wasserfurth"
                                                                   15.12.1998                  07.01.1999                  10                          10




                                  42
3.1.5 Samtgemeinde Bad Grund (Harz)

Fläche:                41,18 km²
Einwohner              9.217
Bevölkerungsdichte:    227 Einwohner pro km²



                               Bevölkerungsentwicklung


 9.900
 9.800
 9.700
 9.600
 9.500
 9.400
 9.300
 9.200
 9.100
 9.000
 8.900
         2000   2001    2002         2003        2004     2005     2006     2007



                                                   LSKN, Graphik: Metropolconsult


In Bad Grund, der einzigen Samtgemeinde im Modellvorhaben von
Regionalverband und Regierungsvertretung, wohnen mit folgender
Verteilung 9.217 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 31. Dezember
2007) in fünf Gemeinden: Bad Grund (2.473), Gittelde (1.982),
Badenhausen (1.974), Eisdorf (1.774) und Windhausen (1.014).

Die Bevölkerungsentwicklung verläuft in den einzelnen Ortsteilen
unterschiedlich. Im Grunde ist eine Zweiteilung in der Gemeinde-
entwicklung gegeben. Bad Grund und Windhausen haben deutliche
Bevölkerungsverluste.  In    den     anderen Gemeinden   ist die
Einwohnerentwicklung noch relativ stabil.

Ein nennenswerter Zuzug von außen erfolgt derzeit nicht. Die
angebotenen Baugebiete versorgen überwiegend die einheimische
Bevölkerung. Für Gebäude aus den 70er Jahren gestaltete sich der
Bewohnerwechsel in den vergangenen Jahren weitgehend problemlos.
Alte Häuser prägen viele Ortsbilder. Festzustellen ist insgesamt ein
Fortzug jüngerer Einwohnerinnen und Einwohner.

                                                                              43
Insgesamt fällt der hohe Altersdurchschnitt auf. In naher Zukunft wird die
                      Bevölkerungszahl weiter deutlich abnehmen. Noch gibt es - wenn auch
                      auf niedrigem Preisniveau - einen Markt für ältere Ein- und
                      Zweifamilienhäuser. Größere Objekte sind dagegen schwer zu
                      vermarkten und stehen häufig leer. Ein Grund für die Stagnation auf dem
                      Immobilienmarkt dürfte       auch    in den nicht         marktgerechten
                      Preisvorstellungen der Verkäufer liegen. Probleme gibt es im Bereich
                      landwirtschaftlicher Bausubstanz. Hier fehlen Umnutzungsmöglichkeiten.

                      Die Samtgemeinde verfügt über ausreichend Altenheimplätze (drei
                      Einrichtungen; Bad Grund hat ein neues Altenheim) und gewinnt so auch
                      ältere Einwohner hinzu. Die Samtgemeinde versteht sich nicht als reiner
                      Wohnstandort, sondern auch als Standort für Gewerbe und Wohnen.

                      Mit Ausnahme des Jahres 2004 war der Wanderungssaldo seit dem Jahr
                      1996 negativ.


                                          Bad Grund, Wanderungssaldo je 10.000 EW


250

200

150

100

 50

  0
       1987

              1988

                     1989

                            1990

                                   1991

                                          1992

                                                 1993

                                                        1994

                                                               1995

                                                                      1996

                                                                             1997

                                                                                    1998

                                                                                           1999

                                                                                                  2000

                                                                                                         2001

                                                                                                                2002

                                                                                                                       2003

                                                                                                                              2004

                                                                                                                                     2005

                                                                                                                                            2006


 -50

-100

-150

                                                                                                                LSKN, Graphik: proloco


                      Die Entwicklung der Arbeitsplätze diktiert Zu- und Fortzüge in der
                      Gemeinde. Nach Schließung des Preussag-Werkes erfolgte ein
                      deutlicher Bevölkerungsrückgang. Mit einer Fabrik für Drucktechnik und
                      einem Holzwerk sind in der Samtgemeinde zwei auch für den Landkreis
                      Osterode am Harz besonders wichtige Arbeitgeber angesiedelt.

                      Der Rückzug großindustrieller Betriebe, die mangelnde Attraktivität                                                      von
                      Kur- und Fremdenverkehrsangeboten sowie der Rückgang                                                                     der
                      Bevölkerung beeinträchtigen die finanzielle Handlungsfähigkeit                                                           der
                      Samtgemeinde. Diese Entwicklung erschwert eine Beteiligung                                                                an
                      Fördermaßnahmen im Städtebau und in der Dorferneuerung.

                      44
Die Neuausweisung von Baugebieten wird für den Gemeindehaushalt
auch finanziell schnell zum Problem, wenn die Belegung des Gebietes
angesichts des unzureichenden Bedarfs bei gleichzeitiger Notwendigkeit,
Ortskernbereiche zu stärken, zweifelhaft ist. Die Samtgemeinde Bad
Grund profitierte in der Vergangenheit von Zuzügen aus dem Mittel-
zentrum Osterode am Harz. Im Zuge der Preispolitik der Nachbarstadt
schwächte sich der Zuzug aus der Kreisstadt allerdings deutlich ab. Dies
trifft vor allem die südlichen Gemeinden der Samtgemeinde.

Rückläufige Einwohnerzahlen trugen zu einem deutlich sichtbaren
Leerstand von Gebäuden bei. Bei vielen Gebäuden herrscht ein
Modernisierungsstau. Die größeren landwirtschaftlichen Gebäude lassen
sich nur schwer vermieten und nur mit erheblichem finanziellen Aufwand
renovieren. Insbesondere trifft dieses für die eigentlich erforderlichen
energetischen Sanierungen zu.

Der Preisverfall für Immobilien wird von Verkäufern noch nicht
ausreichend erkannt. Zu hohe Erwartungen führen zu längeren
Leerständen und Verfall, insbesondere bei größeren landwirtschaftlichen
Gebäuden. Leerstand erscheint derzeit noch in erster Linie als ein
Problem einzelner Eigentümer und wird noch nicht als Herausforderung
für die Dorfgemeinschaften erkannt. Gebäudesicherungsmaßnahmen wie
das Zumauern von Fensteröffnungen zeigen negative Wirkungen im
Ortsbild. Für die Gemeinden, die einstmals für den blühenden Tourismus
standen, bedeutet dies eine wenig vorteilhafte Imagewirkung.

Bei sinkender Bevölkerungszahl ist das Gebührenaufkommen für den
Samtgemeindehaushalt kaum seriös kalkulierbar. Problematisch ist die
Tatsache, dass jede Gemeinde innerhalb der Samtgemeinde mit unter-
schiedlichem Hebesatz für die Grundsteuer arbeitet. Eine Diskussion
über die Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde hat
deshalb begonnen.

Wie beschrieben ist im Kur- und Fremdenverkehrsbereich derzeit keine
nennenswerte Nachfrage vorhanden. Die derzeitigen Angebote des
einzigen Moorheilbades im Westharz16 sind für Kururlauber nicht attraktiv
genug. Das veränderte Freizeit- und Erholungsverhalten vieler
potenzieller Gäste wurde bei der Angebotsgestaltung offenbar nicht
ausreichend berücksichtigt.

Die Samtgemeinde und der Landkreis erhoffen sich mit dem Betrieb des
2008 eröffneten Höhlenerlebniszentrums „Iberger Tropfsteinhöhle“17
verbesserte Rahmenbedingungen für den Tourismus. Gleichzeitig

16
     http://www.badgrund.de/index.html
17
     HöhlenErlebnisZentrum Iberger Tropfsteinhöhle, http://www.hoehlen-erlebnis-
     zentrum.de

                                                                             45
versucht die Samtgemeinde, im Kurbereich weitere Krankenkassen für
die Anerkennung von Höhlentherapiemaßnahmen im Eisensteinstollen
(Atemtherapie) zu gewinnen.

Der Öffentliche Personennahverkehr einschließlich der Verbindungen auf
der Schiene ist für die Samtgemeindeentwicklung von besonderer
Bedeutung. Wunsch der Samtgemeinde ist zum einen eine Erhaltung und
zum anderen eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes insbesondere in
Eisdorf, Windhausen, Willensen und der Gemeinde Bad Grund. Die
Einführung von Sammeltaxen gilt dort als sinnvoll, wo die Nachfrage zu
gering für den Busverkehr ist.

Dorferneuerungsprogramme werden in der Samtgemeinde grundsätzlich
positiv bewertet. Die Mitgliedsgemeinden sehen in der Dorferneuerung
ein Instrument zur Innenentwicklung. Sie verhalfen mehreren Ortskernen
zu höherer Attraktivität. Als problematisch gilt, dass ältere Haus-
eigentümer sich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr an der
Dorferneuerung beteiligen. Dazu gehörte in der Vergangenheit sowohl
die schwierige finanzielle Situation von Immobilienbesitzern als auch die
lange Bearbeitungsdauer für die Förderanträge. Zudem bezweifeln
manche Bürgermeister, dass hier Prozesse angestoßen wurden, die
nachhaltig in die Zukunft hineinwirken. Sie halten generell eine
Entwicklung ihrer Gemeinden nur mit Hilfe von Fördermitteln für möglich
– das Fehlen eigener Haushaltsmittel schränkt ihren Handlungsspielraum
erheblich ein.

Die Bergstadt Bad Grund ist immer noch ein Kur- und Tourismusort. Sie
weist jedoch auch die größten Leerstände in diesem Sektor auf. Das
Bewusstsein über die Bedeutung des weiter fortschreitenden Leerstands
ist in der Bevölkerung durchaus vorhanden. Gravierende Leerstände gibt
es im sozialen Wohnungsbau, weniger in einzelnen Wohngebäuden. Der
Rückbau von „Reizobjekten“ ist möglich und in einigen Fällen auch
unabwendbar. Fehlende Infrastruktureinrichtungen fördern den Leerstand
im Kern. In Bad Grund ist die Ausweisung neuer Bauflächen nicht
sinnvoll.

Bad Grund besitzt einen hohen Anteil an denkmalgeschützten Häusern
mit Modernisierungsstau. Die Stadtsanierung hatte einen positiven Effekt
auf den Marktplatzbereich. Hierdurch gewann der Ortskern, in dem vor
kurzem auch ein Lebensmittelmarkt öffnete, an Attraktivität. Weitere
private Investitionsmaßnahmen blieben aber während der Stadtsanierung
aus.

Windhausen - Sitz der Samtgemeindeverwaltung - verzeichnet ebenfalls
einen hohen Bevölkerungsrückgang. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist
gering. Neben dem Wohnungsleerstand fällt auch der Leerstand von
Geschäften sowie Filialen von Banken, Sparkassen und Post auf. Ein

46
Bäckerladen ist geöffnet. Für das bestehende Baugebiet „Alter Berg“
wurde in Windhausen im Rahmen des Integrierten ländlichen
Entwicklungskonzeptes (ILEK) ein neues Konzept angekündigt. Die
Ausweisung eines weiteren Neubaugebiets ist nicht geplant.

Dem Flecken Gittelde kommt durch seinen Bahnhaltepunkt eine
besondere Bedeutung zu. Er liegt an der Strecke Braunschweig – Bad
Sachsa – Nordhausen (TH) und wird im Stundentakt frequentiert. Die
Dorferneuerung des Fleckens gilt als erfolgreich - es wird sogar von
einem Vorzeigedorf gesprochen. Die Nachfrage ergibt sich zumeist durch
Bauwünsche aus Familien des Fleckens. Die Einwohnerentwicklung ist
seit mehreren Jahren stabil. Ganz offensichtlich konnte mit der Dorf-
erneuerung dem Leerstand entgegengewirkt werden. Nahversorgungs-
einrichtungen sind vorhanden. Viele mehrgeschossige Gebäude in
Gittelde mit ihren nicht mehr zeitgemäßen Grundrissen sind derzeit nur
schwer zu vermarkten bzw. zu vermieten. Es ist zu befürchten, dass sie
dauerhaft leer stehen werden und mittelfristig möglicherweise abgerissen
werden müssen.

In Badenhausen gibt es wenige Wohnungsleerstände; Nahversorger sind
vorhanden. Die Nachfrage nach Baugebieten entwickelt sich aus Sicht
der Gemeinde nicht zuletzt durch die Nähe zur Kreisstadt Osterode am
Harz relativ gut. Die Dorferneuerung war in Badenhausen nicht ganz so
erfolgreich wie in Gittelde. Es mangelte an Privatinitiativen zur Nutzung
dieses Instruments. Zudem stand der Kommune kein ausreichender
finanzieller Spielraum für die erforderliche Mitfinanzierung zur Verfügung.

In Eisdorf - ebenfalls in der Nähe zur Stadt Osterode am Harz liegend -
besteht ein großes Baugebiet aus den 90er Jahren. Die Ausweisung
dieser Bauflächen belebte den Zuzug. Die vorhandenen Neubauflächen
in Eisdorf decken den Bedarf vermutlich für die nächsten zwanzig Jahre.
Hier ist die bauliche Entwicklung weitgehend abgeschlossen. Im Juli
2008 nahm die Niedersächsische Landesregierung Eisdorf neben elf
anderen Dörfern landesweit in das Dorferneuerungsprogramm
„Modellprojekte zur Umnutzung landwirtschaftlicher Altgebäude und
Hofanlagen“18 auf.

Im Außenbereich von Teichhütte wurde kürzlich ein Einkaufszentrum
errichtet. Diese Investition trug zu Laden-Leerständen im Kernbereich
bei. Hinzu kam, dass Filialen von Post und Geldinstituten in den letzten
Jahren geschlossen wurden. Es existiert ein Bringservice von Teichhütte
aus. In Willensen stehen ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude
leer. Hier werden die Zeichen des demographischen Wandels besonders
deutlich.

18
     Dorferneuerung - Modellprojekte zur Umnutzung landwirtschaftlicher
     Altgebäude und Hofanlagen (Beschluss des Landtages vom 14.November
     2007 - Drs. 15/4227)

                                                                          47
Nach Angaben der Samtgemeinde Bad Grund werden derzeit folgende
                 Baugebiete vermarktet:              (Stand: 22. September 2008)




             Bebauungsplan-        Satzungs-    Inkrafttreten   Zahl der    Freie Bau-
             Nr.                   beschluss                    Bauplätze   grundstücke
Eisdorf      11 „Oberdorf“         29.07.2002   01.11.2002      30          22
Gittelde     20 „ Unter      den   28.02.2005   14:03.2005      9           5
             Beekwiesen“
             22      „Breslauer    28.02.2005   14.03.2005      8           5
             Straße“
Windhausen   Nr. 06 „Hinter dem    12.09.2005   23.09.2005
             Knick“




                 48
3.1.6 Stadt Osterode am Harz

Fläche:                    102,46 km²
Einwohner                  24.209
Bevölkerungsdichte:        239 Einwohner pro km²



                                 Bevölkerungsentwicklung


 26.000


 25.500


 25.000


 24.500


 24.000


 23.500


 23.000
          2000    2001    2002          2003        2004     2005    2006     2007



                                                     LSKN, Graphik: Metropolconsult


In der Stadt Osterode am Harz wohnen 24.730 Einwohnerinnen und
Einwohner (Stand 2007) in 14 Ortschaften mit folgender Verteilung:
Osterode am Harz (11.500), Freiheit (2.100), Förste (2.000),
Schwiegershausen (1.800), Dorste (1.650), Lasfelde (1.300), Katzenstein
(1.200), Lerbach (1.200), Petershütte (800), Marke (150), Düna (140) und
Ührde (100).

Die Kreisstadt Osterode am Harz ist die bevölkerungsreichste Stadt des
Landkreises und wird auch von der Bevölkerung als Zentrum des
Landkreises wahrgenommen. Förste und Lasfelde bilden weitere Kern-
bereiche. Viele der in Osterode am Harz ansässigen Unternehmen
entwickeln sich derzeit gut. Erweiterungsinvestitionen tragen zu einer
positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bei. Diese Entwicklungen
sicheren das raumordnerische Planungsziel „Arbeit“ für die Kreisstadt.

Seit Ende der neunziger Jahre sind jedoch aus Osterode mehr Menschen
weg- als zugezogen.




                                                                                49
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  • 1. M ODELLVORHABEN „U NTERSTÜTZUNG VON G EMEINDEN BEI DER N EUAUSRICHTUNG IHRER F LÄCHENPOLITIK IM R AHMEN DER R EGIONALENTWICKLUNG “ Abschlussbericht im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung sowie der Modellkommunen 1
  • 2. I NHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG ..................................................................................................... 4 1.1 Siedlungspolitische Problemstellung........................................................................... 4 1.2 Offensive Flächenausweisungen und Infrastrukturfalle .............................................. 8 1.3 Trends der Wohnungsnachfrage in der Region ........................................................ 14 2. AUFGABENSTELLUNG, METHODIK UND ABLAUF .................................................18 3. BETEILIGTE MODELLKOMMUNEN .......................................................................23 3.1 Einzeldarstellung der beteiligten Kommunen ........................................................... 26 3.1.1 Gemeinde Kreiensen ........................................................................................ 26 3.1.2 Stadt Moringen ................................................................................................. 32 3.1.3 Flecken Adelebsen............................................................................................ 36 3.1.4 Gemeinde Gleichen .......................................................................................... 40 3.1.5 Samtgemeinde Bad Grund (Harz) .................................................................... 43 3.1.6 Stadt Osterode am Harz ................................................................................... 49 3.1.7 Stadt Bad Sachsa.............................................................................................. 53 4. SZENARIEN KÜNFTIGER ENTWICKLUNG DER MODELLGEMEINDEN .........................58 4.1 Gemeinde Kreiensen .................................................................................................. 65 4.2 Stadt Moringen ........................................................................................................... 71 4.3 Flecken Adelebsen...................................................................................................... 77 4.4 Gemeinde Gleichen .................................................................................................... 83 4.5 Samtgemeinde Bad Grund (Harz) .............................................................................. 88 4.6 Stadt Osterode am Harz ............................................................................................. 94 4.7 Stadt Bad Sachsa ...................................................................................................... 100 5. ERKENNTNISSE, ERGEBNISSE UND HANDLUNGSFELDER .................................... 105 5.1 Wahrnehmung und Vermittlung von Schrumpfung ............................................... 107 5.2 Städtebauliche Leitvorstellungen für Kommunen................................................... 110 5.3 Regionale Abstimmung ............................................................................................ 113 5.4 Kommunale Haushalte und Immobilienpreisverfall ................................................ 114 5.5 Revitalisierung der Ortskerne als Aufgabe .............................................................. 115 2
  • 3. 5.6 Weiterentwicklung von Instrumenten...................................................................... 116 5.6.1 Einsatz vorhandener Instrumente .................................................................. 116 5.6.2 Modifizierung städtebaulichen Planens......................................................... 116 5.6.3 Leerstands- und Grundstücksmanagement .................................................. 116 5.6.4 Staatliche Eingriffsmöglichkeiten................................................................... 117 5.6.5 Fondslösungen für Sanierung und Abriss..................................................... 117 5.6.6 Ausbau regionaler Zusammenarbeit ............................................................. 118 5.6.7 Fortbildungen.................................................................................................. 119 5.6.8 Bewusstseinsbildung und Ehrenamt ............................................................. 119 5.6.9 Städtebauförderung, Dorferneuerung und Wohnraumförderung ............... 120 5.7 Handlungskonzept für Niedersachsen ..................................................................... 121 5.8 Übertragbarkeit ......................................................................................................... 122 6. METHODISCHE BEWERTUNG ........................................................................... 123 6.1 Beschränkung auf das Thema „Siedlungsentwicklung“ ......................................... 123 6.2 Auswahl der Modellkommunen ............................................................................... 124 6.3 Methodischer Ansatz ................................................................................................ 124 6.4 Mitwirkung der Kommunen...................................................................................... 125 6.5 Mitwirkung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen.................................................. 126 7. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK .......................................................... 126 8. ANLAGEN ..................................................................................................... 130 8.1 Rede von Landrat Michael Wickmann (Landkreis Northeim) ................................. 130 8.2 Pressespiegel zum Modellvorhaben ........................................................................ 132 8.3 Der demographische Wandel in anderen Orten ..................................................... 137 9. LITERATURLISTE ............................................................................................ 138 IMPRESSUM………………………...……………………………………………..….145 KARTENMATERIAL………………………..…………………….……………………146 3
  • 4. 1. E INLEITUNG 1.1 S IEDLUNGSPOLITISCHE P ROBLEMSTELLUNG Den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland wird durch Artikel 28 Absatz 2 GG das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Zu dem Recht auf Selbstverwaltung gehört die kommunale Planungshoheit. Sie ermöglicht den Gemeinden, ihre städtebauliche Entwicklung mit dem Instrument der Bauleitplanung eigenverantwortlich zu gestalten. Damit zählen die Koordination der unterschiedlichen, an die Grundstücksflächen in der Gemeinde gestellten Nutzungsansprüche und die Sicherung nachhaltiger Siedlungsstrukturen zu den zentralen Aufgabenfeldern kommunaler Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge. Die örtliche Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger, vertreten durch die von ihnen gewählten Gemeinderäte, entscheidet damit im Wesentlichen darüber, welche Flächen unter Berücksichtigung der Ziele der Raumordnung und der Vorgaben des Baugesetzbuches dem Naturhaushalt entnommen und einer Nutzung für Verkehrswege, Industrie und Gewerbe sowie dem Wohnungsbau zugeführt werden. Die kommunale Selbstverwaltung prägt also die Entwicklung der Städte, Gemeinden und Regionen maßgeblich. Der Kommunalpolitik kommt demnach eine herausragende siedlungspolitische Bedeutung zu. Langfristig wird die Frage, ob den kommunalpolitisch Verantwortlichen die Lösung der siedlungspolitischen Probleme gelingt, zum Lackmustest für die Funktionsfähigkeit kommunaler Selbstverwaltung. Flächenausweisungen erfolgten in den Landkreisen Osterode am Harz, Northeim und Göttingen mit der Universitätsstadt Göttingen als Oberzentrum bis vor wenigen Jahren in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums und steigender Bevölkerungszahlen. Die Siedlungs- entwicklung in der Region Südniedersachsen war seit Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch einem Trend zum Wohnen „im Grünen“ geprägt, der auf wachsendem Wohlstand, einer steigenden Verfügbarkeit von PKW, übereinstimmenden gesellschaftlichen Vorstellungen vom idealen Wohnen und dem städtebaulichen Ziel der Funktionstrennung fußte. In der Folge dieser Suburbanisierung zogen auch Teile des Handels, der Industrie und des Gewerbes ihre Standorte aus den Zentren ab und verlagerten sie – häufig im Zuge der Erweiterung betrieblicher Aktivitäten – an die Peripherie der Kommunen. Der damit einhergehende Flächenverbrauch führte zu einer Zersiedlung der 4
  • 5. Landschaft sowie zu höheren Pendlerdistanzen mit ihren vielfältigen ökologischen und sozialen Folgen. Mit der Ausdehnung der Siedlungsflächen ging eine Erhöhung der volkswirtschaftlichen Raumüberwindungskosten einher. Angesichts steigender Mobilitätskosten, aber auch einer gewandelten Einstellung zum Urbanen und einer wachsenden Zahl kleiner Haushalte deutet sich nunmehr auch in den von großen Pendlerdistanzen geprägten USA eine Renaissance der Stadt an. Das dramatisch gesunkene Qualitätsniveau der Immobilien in monofunktionalen Siedlungen weitab von Städten warf dort lange vor der großen Finanzkrise im Spätsommer 2008 die Frage auf, ob hier die Slums von morgen entstehen.1 Samtgemeinde Bad Grund (Harz) als Beispiel: Wohnen und Gewerbe 1926, 2008 und Planung (Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig 2008) Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in der Bundesrepublik Deutschland wuchs seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prozentual wesentlich stärker als die Bevölkerungszahl. Ein Abnehmen des Flächenverbrauchs ist nicht absehbar. 1 Christopher B. Leimberger: The Next Slum? In: The Atlantic Monthly, März, 2008 5
  • 6. Noch heute werden in Deutschland täglich einhundert bis 120 Hektar Freifläche für Verkehrs-, Gewerbe- und Wohnnutzung umgewandelt – ein Thema, das das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) während einer Fachtagung am 23. November 2004 in Göttingen2 ausführlich diskutiert hat. Seit dem Jahr 2000 ist der jährliche Flächenverbrauch bundesweit leicht zurückgegangen - dies wird jedoch auf die konjunkturellen Probleme bis zum Jahr 2006 zurückgeführt.3 Es ist davon auszugehen, dass sich der Flächenverbrauch seitdem wieder erhöht hat und erst im Zuge der sich seit September 2008 abzeichnenden Rezession reduziert wird. Festzuhalten ist, dass es bislang nicht gelungen ist, Flächenverbrauch und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Noch nicht ausreichend geklärt ist auch die Frage, wie die externen Kosten des Flächenverbrauchs (z. B. Auswirkungen auf Wasserhaushalte und Klima) ermittelt werden können. Wenig ausgeprägt ist auch bundesweit die Neigung von Kommunen, zu errechnen, welche finanziellen Auswirkungen die Flächeninanspruch- nahme nach sich zieht und in welchem Verhältnis die erzielbaren Erträge zu den Kosten stehen. In den Jahren 2001 bis 2004 betrug der durchschnittliche Flächenverbrauch in Niedersachsen mehr als 14 Hektar täglich; das entspricht fast der Größe von zwanzig Fußballfeldern. Nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie4 wurden im Jahr 2006 in den drei südniedersächsischen Landkreisen einschließlich der Stadt Göttingen 44 Hektar Freifläche in Anspruch genommen, im Jahr 2007 lag diese Zahl bei 97 Hektar - dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch zuvor große Unterschiede zwischen den Jahresergebnissen gab. Im Landkreis Göttingen wurden statistisch im Jahr 2007 täglich 0,22 Hektar in Anspruch genommen, in Northeim 0,25 Hektar. Wegen einer statistischen Besonderheit wies das Landesamt für den Landkreis Osterode am Harz für 2007 rein rechnerisch einen negativen Wert aus. 2 „Umbau statt Zuwachs“: Siedlungsentwicklung und öffentliche Daseins- vorsorge im Zeichen des demographischen Wandels, Hrsg. Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR); an dem zweijährigen Modellvorhaben der Raumordnung (MoRo) war auch der Regionalverband Südniedersachsen beteiligt. 3 Kilian Bizer: Ökonomische Instrumente für den nachhaltigen Bodenschutz, local land & soil news 4/2002, Seiten 17 - 18 4 www.ibeg.niedersachsen.de 6
  • 7. Sebastian Schäfer (Geographisches Institut der Universität Göttingen) Die Gründe für die Inanspruchnahme von Freiflächen sind vielfältig: Zum einen nehmen die Menschen im Durchschnitt immer mehr Wohnfläche in Anspruch. Während die Durchschnittsfläche pro Person und Jahr 1950 noch bei 14 Quadratmetern lag, ist diese Zahl inzwischen auf 42 Quadratmeter gestiegen – ein Zuwachs, der nicht nur mit gestiegenem Anspruchsdenken, sondern auch der Verkleinerung der Haushalte zu erklären ist. Aber auch das produzierende Gewerbe, der Straßen- und sonstige Verkehrswegebau sowie der großflächige Einzelhandel mit den weiterhin stark ausgeweiteten Sortimenten tragen zum Flächenverbrauch bei. Von dem erklärten Ziel5, künftig täglich nur noch zusätzlich 30 Hektar in Anspruch zu nehmen, ist die Bundesrepublik Deutschland auch zu Zeiten stagnierender und in einigen Regionen sogar rückläufiger Bevölkerungszahlen weit entfernt. Suburbanisierung, Discounterisierung6 des Lebensmitteleinzelhandels und Zentralisierungstendenzen in weiteren Wirtschaftssektoren - 5 http://www.nsl.ethz.ch/IRL/lep/forschung/workshop16032006/klauseinig.pdf 6 Die Discounterisierung bezeichnet den wachsenden Marktanteil der Discounter im Lebensmitteleinzelhandel. s. Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung Hannover, Branchenkonjunktur, Herbst 2003, S.14, http://www.bundesbank.de 7
  • 8. Prozesse also, die mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sind - führen in den Kernen vieler Kommunen Südniedersachsens zu deutlichen Funktionsverlusten. In den Mittelzentren gilt das sowohl für die Innenstädte als auch für die Ortsteilzentren. Die Unterauslastung von Infrastruktur in den Ortskernen geht einher mit einer wachsenden Nachfrage im suburbanen Raum. Andererseits zwingen immer enger werdende finanzielle Spielräume die Kommunen dazu, über die Konzentration ihrer Einrichtungen der Daseinsvorsorge auf zentrale Standorte nachzudenken. Im Ergebnis führt das zur weiteren Ausdünnung der Versorgungsleistungen in gering besiedelten und peripheren Gebieten. Die zu beobachtenden Verödungs- tendenzen reduzieren die Standortattraktivität und höhlen die Zukunfts- fähigkeit aus. Diese Probleme äußern sich inzwischen in Leerständen von Hotels und Gaststätten sowie landwirtschaftlichen Gebäuden und Wohnhäusern. Selbst im Oberzentrum Göttingen sind in einigen Ortsteilen erste Anzeichen der beschriebenen Funktionsverluste erkennbar. 1.2 O FFENSIVE F LÄCHENAUSWEISUNGEN UND I NFRASTRUKTURFALLE Bereits in den achtziger Jahren war in Südniedersachsen außerhalb der Stadt Göttingen der demographische Wandel unübersehbar. Die Einwohnerzahlen begannen zu sinken, der Anteil der Älteren stieg. Bereits im November 1988 forderte der damalige Gemeindedirektor der Gemeinde Kreiensen, der Vizepräsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und Vorsitzender des Arbeitskreises ´Gemeinden im Jahre 2000`, Gerhard Böhme, in einem Zeitungsartikel ein radikales Umdenken in der Kommunalpolitik. Insbesondere durch den Geburtenmangel und das Höfesterben sei zu befürchten, dass im Jahr 2000 „Gebäude und Hofstellen verfallen und die Dorfgestalt Schaden nehmen wird. Eine Lösung für dieses Problem sehe ich derzeit nicht“, so wurde Böhme damals von der Presse zitiert. Die Grenzöffnung und die damit verbundene Steigerung der Einwohnerzahlen in weiten Teilen Südniedersachsens führten im Zuge konjunktureller Belebungen zu einer trügerischen befristeten Trendumkehr. So verschwand mit Beginn der neunziger Jahre der demographische Wandel als relevantes Thema aus den regional- und kommunalpolitischen Diskussionen. Im Rückblick kann dies als erstaunliche Fehleinschätzung der politisch Verantwortlichen gewertet werden. Die Differenz zwischen der Zahl der Todesfälle und der Geburten erhöht sich seit 1997 deutlich. Sie addiert sich mit den negativen 8
  • 9. Wanderungssaldi. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen und vermutlich noch beschleunigen. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung; Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“ Südniedersachsen zählt in den alten Bundesländern zu den Regionen mit dem höchsten Durchschnittsalter. Mehrfach haben sich deshalb die Regierungsvertretung Braunschweig7 und der Regionalverband Südniedersachsen8 mit den Auswirkungen des demographischen Wandels auf verschiedene Politikfelder befasst. Der Regionalverband Südniedersachsen hat sich darüber hinaus an mehreren Modellvorhaben der Raumordnung (MoRo) des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) beteiligt9. Die meisten Untersuchungen gehen davon aus, dass - bei aller Unsicherheit mittel- und langfristiger Prognosen - in den nächsten Jahrzehnten die heute zu erwartende Bevölkerungsentwicklung in Südniedersachsen bestenfalls marginal zu beeinflussen ist. Das gilt selbst für die Annahme, dass familienpolitischen Initiativen auf den ver- schiedenen Ebenen Erfolg beschieden ist. Die drei folgenden Graphiken 7 „Bevölkerungsvorausberechnung für den räumlichen Zuständigkeitsbereich der Regierungsvertretung Braunschweig“, Braunschweig. März 2007, u. a. 8 Regionales Entwicklungskonzept für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim (1999), Nachhaltigkeit in Südniedersachsen (Cassing, Göttingen 2002), Regionale Entwicklungs-Strategie (Göttingen 2006), Karsten Hiege, Wolf-Ekkehard Hesse: Regionalanalyse des Landkreises Göttingen (Göttingen 2006), Modellregion Südniedersachsen (Göttingen 2007), Leitbild Dassel: Attraktive Landstadt (Cassing, Göttingen, 2008) 9 Regionen der Zukunft, Netzwerk Regionen der Zukunft sowie Demographie und soziale Infrastruktur 9
  • 10. zeigen, dass nicht nur ein Anstieg des Durchschnittsalters, sondern auch ein weiterer Rückgang der Bevölkerungszahl zu erwarten ist. LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig 10
  • 11. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung; Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“ Die demographische Entwicklung hat bislang zu keinem konsequenten Umdenken in der Siedlungspolitik geführt. Zwar wird der demographische Wandel inzwischen von vielen Verantwortlichen als zentrale kommunal- politische Herausforderung angesehen, in der Ausweisungspraxis herrscht aber vielfach eher die gemeindebezogene Sichtweise vor. LSKN, Graphik: Lutz-Michael Schmidt, Regierungsvertretung Braunschweig 11
  • 12. Insbesondere Ortsräte neigen dazu, in der Planung neuer Flächen ein adäquates Mittel zu Sicherung und Entwicklung der Infrastruktur zu sehen. Sie verweisen auf vorhandene oder vermeintliche Standortvorteile, die dazu geeignet seien, Neubürgerinnen und Neubürger in die Gemeinde zu locken. Verdrängt wird bei vielen Stellung- nahmen häufig die Tatsache, dass auch in der Nachbargemeinde ähnlich argumentiert wird. LSKN, Graphik: Regierungsvertretung Braunschweig Durch die offensive Ausweisungspolitik entstehen Überkapazitäten. Bei tendenziell sinkenden Einwohnerzahlen führt die Aufrechterhaltung der Infrastruktur zu einer Erhöhung der Pro-Kopf-Fixkosten. Den am Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für die Schaffung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur steht eine immer weniger effizient genutzte Infrastruktur in den Zentren gegenüber. Auch dieser Effekt führt zu einer zusätzlichen Kostenbelastung für die Bürgerinnen und Bürger, die damit in eine „Infrastrukturfalle“ geraten. 12
  • 13. Beobachtungen aus den Jahren 2007 und 2008 zeigen, dass diese Zusammenhänge bei den politisch Verantwortlichen der Samtgemeinden und der größeren Einheitsgemeinden stärker verankert sind als in den Mitgliedsgemeinden und Ortsräten. Dort werden Restriktionen in der Ausweisungspolitik eher als Beschneidung der Entwicklungs- möglichkeiten angesehen denn als konsequente Reaktion auf den demo- graphischen Wandel und den damit einhergehenden tief greifenden Ve- ränderungen auf dem Wohnungsmarkt. 13
  • 14. 1.3 T RENDS DER W OHNUNGSNACHFRAGE IN DER R EGION In den meisten Kommunen Südniedersachsens übertrifft seit Ende der neunziger Jahre das Wohnraumangebot die Nachfrage. Das gilt mit wenigen Ausnahmen für alle Preissegmente. Durch die starke Position der Nachfrager differenziert sich die Nachfrage immer weiter aus. Nach Einschätzung von Prof. Dr. Ruth Rohr-Zänker von „Stadtregion – Büro für Raumanalysen und Beratung, Hannover“10 wird sich die Nachfragedynamik auf den Wohnungsmärkten im Zuge des demo- graphischen Wandels weiter abschwächen. Was für die meisten Regionen Niedersachsens bislang erst eine Langfristperspektive darstellt, gilt für Südniedersachsen bereits jetzt: Es werden weniger Wohnungen benötigt als vorhanden sind. Insbesondere in den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim gehen nicht nur die Einwohnerzahlen, sondern auch die Haushaltszahlen zurück. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung (Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“ Northeim) Zu beachten sind dabei allerdings nicht nur Differenzen zwischen den Landkreisen, sondern auch Unterschiede zwischen den Gemeinden. Und 10 Vortrag am Dienstag, 20. November 2007, im Rahmen der Regional- konferenz des Regionalverbandes Südniedersachsen in Osterode am Harz 14
  • 15. mehr noch: Selbst innerhalb von Gemeindegrenzen gibt es wachsende, stagnierende und schrumpfende Stadt- und Ortsteile. Außerhalb des Oberzentrums Göttingen sind längst erhebliche Leerstände zu beobachten. Dass der Umfang der Leerstände nicht noch größer ist, liegt auch an der relativ hohen Zahl der Zweit-, Ferien- und Gästewohnungen, der Zusammenlegung von Wohnungen, der erhöhten Wohnungsnachfrage der jungen Leute, die frühzeitig aus der elterlichen Wohnung ausziehen, der Zunahme der Ein-Personen-Haushalte und dem bereits erwähnten Anstieg der statistischen Pro-Kopf-Wohnfläche. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung (Fachtagung „Wohnungsmärkte in Südniedersachsen“) In vielen Gemeinden der Region Südniedersachsen gewinnt der Standortfaktor Bildung an Bedeutung. Jüngere Einwohnerinnen und Einwohner ziehen wegen des vielfältigen Bildungsangebots in die Ober- zentren. Auf die Wanderungen hat auch die geänderte Familienstruktur Einfluss. Die Wanderungsbewegungen werden zudem durch veränderte berufliche Situationen angeregt. Von Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden wird höhere Mobilität verlangt. Firmen setzen eine hohe Umzugsbereitschaft und flexible Arbeitszeiten voraus. Je höher die Pendlerdistanzen sind, desto mehr wird die eigentlich verfügbare Freizeit eingeschränkt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Bereitschaft zum Erwerb von Grundstücken und die Art der Nachfrage. Eher werden kleinere, einen geringeren Unterhaltungsaufwand benötigende Grundstücke nachgefragt. Die 15
  • 16. Bedeutung von Motivationen wie das „Bauen für`s Leben“ oder das „Bauen für die Kinder“ nimmt eher ab. Es ist zu beobachten, dass sich der Anstieg der Wohnfläche auch im Zuge steigender Energiekosten verlangsamt und die durchschnittliche Haushaltsgröße nur noch langsam abnimmt – diese beiden Aspekte aber waren in den vergangenen Jahren die treibenden Kräfte auf dem Wohnungsmarkt. Die Wohnungsnachfrage wird also auch künftig weniger von größeren und mehr von kleineren Wohnungen geprägt sein. Zwei Trends verstärken sich gegenseitig: Konzentrationstendenzen bei den Arbeitsplätzen erfolgen vielfach zu Lasten des ländlichen Raumes. Parallel dazu geht die Zahl der Haushalte, die periphere Standorte bevorzugen, zurück. Das liegt in erster Linie an der sinkenden Zahl junger Familien, aber auch daran, dass sich innerhalb der Familien die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den (Ehe-)Partnern weiter auflöst und immer mehr Frauen berufstätig sind. Damit wächst auch unter jungen Familien die Zahl derer, die sich für zentrale und gut angebundene Wohnstandorte entscheiden. Nach dieser Logik verlieren demnach kleinere, peripher gelegene Gemeinden an Attraktivität. Eine vergleichbare Verschiebung ist auch innerhalb der Kommunen zu erwarten: Durch die Zunahme der kleineren Haushalte in allen Alters- gruppen und die wachsende Bedeutung neuer Haushaltstypen (wie etwa Gemeinschaftswohnungen für Seniorinnen und Senioren) werden integrierte urbane Lagen aufgewertet. In der Planungspraxis der meisten Kommunen schlagen sich diese Erkenntnisse ganz offensichtlich noch nicht in ausreichendem Umfang nieder. Nach den Berechnungen von „Stadtregion – Büro für Raum- analysen und Beratung“ verfügen die Landkreise Osterode am Harz und Northeim über geplante Bauflächen in einer Größenordnung, der die zu erwartende Nachfrage der nächsten einhundert Jahre überschreitet. Zum Vergleich: Der Landkreis Vechta verfügt über geplante Flächen lediglich für die nächsten vier Jahre. Die interkommunale Konkurrenz hat also bereits in den vergangenen Jahren zu Ausweisungen geführt, die den demographischen Wandel mit den skizzierten Konsequenzen ausblendet. Noch bis in die Gegenwart orientieren sich viele Bauland-Ausweisungen an klassischen Zielgruppen wie jungen Familien, die nichts sehnlicher wünschen als das Häuschen im Grünen. Übersehen wird, dass auch erschlossenes Bauland in fast allen Orten in völlig ausreichendem Umfang verfügbar ist. Die folgende Darstellung veranschaulicht die Reserven von Wohn- bauland-Ausweisungen, wie sie „Stadtregion – Büro für Raumanalysen und Beratung“ im Jahr 2006 erhoben hat. 16
  • 17. Prof. Dr. Ruth Rohr-Zänker erklärt dazu: „Wenn man Neubau und vor allem die weitere Anpassung der Siedlungsfläche minimieren will, muss man den Bestand anpassen. Denn solange das Angebot die An- forderungen an Wohnungstypen, Lage und Nachbarschaft nicht erfüllt, wird der Neubau auf Kosten des Bestands anhalten. Dabei geht es nicht nur um einzelne Gebäude, sondern um ganze Ortsteile und Wohn- quartiere. Wie viele Gemeinden haben schon damit zu kämpfen, dass ihre zentralen Bereiche und ihre älteren Wohnungen immer mehr an Attraktivität verlieren und dass sich Unternutzung, Vernachlässigung und Leerstand ausbreiten. Hier ist lokale Politik gefordert, Konzepte zu entwickeln und zu entscheiden, • wo das Wohnumfeld aufgewertet werden muss, • welche Standorte langfristig aufgegeben oder rückgebaut werden sollten und • wo Neubau noch zu verantworten ist.“ 17
  • 18. 2. A UFGABENSTELLUNG , M ETHODIK UND A BLAUF Angesichts der beschriebenen Bevölkerungsentwicklung und deren Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben die Regierungsvertretung Braunschweig und der Regionalverband Südniedersachsen im Herbst 2007 die Initiative für das Modellvorhaben „Unterstützung von Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer Flächenpolitik im Rahmen der Regionalentwicklung“ ergriffen. Grundlage waren die im Rahmen des Projektes „Modellregion Südniedersachsen“ formulierte Entwicklungs- partnerschaft zwischen der Landesregierung und der Region sowie die Regionale Entwicklungs-Strategie (RES) „Wissens-Region Göttingen". Abgestimmt mit dem Land Niedersachsen beschreibt die RES als Leitziel 4 „Die lebenswerte Wohnregion“. Unter diesem Leitziel ist die Regionalpolitik gefordert, sich in peripheren ländlichen Räumen mit den sich aus dem demographischen Wandel ergebenden Konsequenzen für die Siedlungsentwicklung und die Flächennutzungsplanung auseinanderzusetzen. Das Modellvorhaben wurde in der Zeit vom 1. Februar bis zum 30. Juni 2008 umgesetzt. Die Auswertung wurde Mitte Dezember 2008 abgeschlossen. Anspruch war es, Kommunen in ihren Bemühungen zu unterstützen, die eigene Flächenpolitik an den Herausforderungen des demographischen Wandels zu orientieren. Den Schwerpunkt bildete die Wohnflächenentwicklung. Dabei wurde ein pragmatischer, induktiver Modellansatz verfolgt und sowohl auf neue empirische Studien als auch auf wissenschaftlich abgesicherte neue Prognosen verzichtet. Der Grund für dieses Vorgehen lag zum einen am begrenzten zeitlichen und finanziellen Rahmen des Modellvorhabens und zum anderen an den Erwartungen der teilnehmenden Gemeinden. Sie erhofften sich konkrete Vorschläge für das eigene Verhalten. Der Verzicht auf weitere empirische Untersuchungen ergab sich auch aus der bereits vorliegenden großen Anzahl von Untersuchungen zum demographischen Wandel in Südniedersachsen.11 Durch die Einschaltung des Bremer Planungsbüros „proloco - Stadt und Region, Planung und Entwicklung“ (Dipl.-Ing. Michael Glatthaar), das die Aufgabe hatte, die beteiligten Kommunen bei der Auseinandersetzung 11 Dr. Gerd Cassing: Projektergebnisbericht „Generationen-Netzwerk Südniedersachsen; Modellplanung zur generationsübergreifenden Infrastrukturentwicklung, Göttingen 2005; Dr. Gerd Cassing: Leitbild Dassel – demographische Herausforderungen und Handlungsstrategien, Göttingen 2008 18
  • 19. mit ihrer eigenen Entwicklung und bei der Erarbeitung erster Leitvorstellungen zur Siedlungsentwicklung zu unterstützen, wurde sichergestellt, dass die Gegebenheiten vor Ort den weiteren Prozess determinierten. Damit wurde der kommunalen Selbstverwaltung im Kontext der Regionalentwicklung Rechnung getragen. Im Verlauf des Modellvorhabens nahmen die Repräsentantinnen und Repräsentanten der beteiligten Kommunen die siedlungspolitischen Auswirkungen des demographischen Wandels gebündelt wahr. Sie diskutierten Konsequenzen und entwickelten konkrete Hinweise für zukünftige siedlungspolitische Ausrichtung. Ihre Projektträger und Initiatoren agierten nicht als belehrend auftretende Institutionen. Vielmehr ging es ihnen darum, die Gemeinden in ihrer Eigeninitiative zu stärken und den Austausch von Ausgangsbedingungen und Lösungsmöglichkeiten über Kommunalgrenzen hinweg zwischen den Teilnehmern zu erleichtern. Die Gemeinden lernten sich dabei gegenseitig besser kennen, und sie lernten voneinander. Das Modellvorhaben förderte damit den kommunalen Dialog und trug zumindest tendenziell zum Abbau von Konkurrenzdenken zwischen den beteiligten Kommunen bei. Die Arbeit erfolgte methodisch auf zwei Ebenen: In den Modellkommunen wurde jeweils eine „Vor-Ort-Projektgruppe“ gebildet, die sich mit den Ausgangsbedingungen, Entwicklungstendenzen und (so vorhanden) Leitvorstellungen für ihre jeweilige Kommune auseinander setzte. In diesem Gremium waren die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die Bauamtsleiter, das Planungsbüro, der Regionalplaner des jeweiligen Landkreises, die Regierungsvertretung Braunschweig und der Regionalverband Südniedersachsen e. V. tätig. Über die jeweilige Einbeziehung der Kommunalpolitik wurde in Abstimmung mit der Bürgermeisterin und dem Bürgermeister entschieden. Alle Vor-Ort-Projektgruppen zusammen bildeten die „interkommunale Projektgruppe“. Ihre Arbeit half bei der vertiefenden Vermittlung der Ziele des Modellvorhabens, dem Erkenntnisaustausch zwischen den Modell- kommunen und der Schärfung des Problembewusstseins. Sie diente damit dem besseren Austausch zwischen kommunaler, regionaler und Landesebene. Bei der Umsetzung des Modellvorhabens wurde darauf geachtet, dass kommunale Flächenentwicklung im regionalen Kontext gesehen wurde. Das kam durch die aktive Beteiligung der Regionalplaner der drei beteiligten Landkreise zum Ausdruck. Auch der städtebauliche Qualitäts- anspruch sollte einen besonderen Stellenwert erhalten. Der Prozess war so angelegt, dass er modellhaft für andere, unter vergleichbaren Rahmenbedingungen tätigen Kommunen in Süd- 19
  • 20. niedersachsen und darüber hinaus in anderen Regionen Niedersachsens sein konnte. Der Ablauf des Modellvorhabens erfolgte in sechs Schritten: Einem gemeinsamen Auftakt und einer gemeinsamen Rundreise von Vertreterinnen und Vertretern der Modellkommunen durch die „interkommunale Projektgruppe“ folgten drei Sitzungen der „Vor-Ort- Projektgruppen“ in jeder einzelnen Kommune. Zum Abschluss erfolgte (am 1. Juli 2008 in Osterode am Harz) ein gemeinsamer Austausch im Rahmen der „interkommunalen Projektgruppe“. Projektablauf; Graphik: Corinna Birkhofer, (Regionalverband Südniedersachsen) Im Dezember 2007 und im Januar 2008 erfolgten in den Gemeinden Vorgespräche. Die offizielle Auftaktveranstaltung fand am 11. März 2008 in der Stadthalle in Moringen statt. Per Bus bereisten Vertreterinnen und Vertreter der Modellkommunen mit den Initiatoren des Modellvorhabens am 27. und 28. März die Region. Besichtigt wurden die Kernorte sowie ausgesuchte Baugebiete. An die Bereisung schlossen sich drei Workshops in jeder der beteiligten Kommunen an. Die erste Sitzung der jeweiligen Vor-Ort-Projektgruppe diente der Bewertung der Ausgangssituation und der Einschätzung der bisher unternommenen Ansätze zur Gestaltung des demographischen Wandels im Bereich der Siedlungspolitik. 20
  • 21. Routenpläne Bereisung, Graphik: Metropolconsult Das Planungsbüro proloco bereitete aus fachlicher Sicht die Diskussionen vor. Das Büro stellte die Einwohnerentwicklung im Zeitraum von 2000 bis 2007 (für die Gesamtgemeinde und - soweit möglich - für die einzelnen Ortsteile), die Wanderungssalden von 1987 bis 2006 sowie die Zahl der Baufertigstellungen im Zeitraum von 2000 bis 2006 vor. Die Darstellungen erfolgten auf Grundlage der Daten des Niedersächsischen Landesbetriebs für Statistik und Kommunikations- technologie Niedersachsen (LSKN), das ausgehend vom Jahr 2006 eine Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2016 auf Gemeindeebene erstellt hatte. Das Planungsbüro schrieb diese Zahlen bis zum Jahr 2020 fort. In den Vor-Ort-Projektgruppen wurden die Prognosen fast ausnahmslos als realistisch qualifiziert. In einzelnen Kommunen wurde sogar die Vermutung geäußert, dass die Bevölkerungsrückgänge noch deutlicher ausfallen werden als vom LSKN prognostiziert. Aus diesen Diskussionen sowie vor dem Hintergrund punktueller optischer Eindrücke der Bereisung wurde die Diskussion durch Thesen strukturiert. Ein Schwerpunkt im ersten Workshop lag in der Frage, welche Strategien die Kommunen für die Anpassung an den demo- graphischen Wandel verfolgt haben (z. B. Dorferneuerung und Stadtsanierung), wie die Instrumente wirkten (z. B. dauerhafte Belebung der Ortskerne) und wie Chancen und Risiken einzelner Ortsteile eingeschätzt werden. 21
  • 22. Auf Grundlage der Erkenntnisse der Bereisung und der ersten Sitzung stellte das Planungsbüro in der zweiten Sitzung in jeder Kommune die voraussichtliche Einwohnerentwicklung bis zum Jahr 2020 auf einer „Prognosekarte“12 vor. Anhand von drei Szenarien wurden die Auswirkungen auf die Ortsteile und den Baubestand erörtert. Beim Szenario „Weiter so – Schrumpfung für alle“ wird der bisherige Trend fortgeschrieben, ohne dass planerisch eingegriffen wird. Beim Szenario „Konzentration - leere Dörfer“ werden die größeren, infrastrukturell gut ausgestatteten Ortsteile gestärkt; die übrigen Ortsteile werden nicht gefördert und verlieren Einwohner. Im Szenario „Jeder für sich“ wird die Entwicklung der innerörtlichen Konkurrenz überlassen, so dass die Ortsteile ihre Wettbewerbsvorteile aktiv nutzen und deutlich mehr Neubaugebiete mit entsprechend größerem Leerstand ausweisen. Anhand dieser Szenarien wurden die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweisen sowie Eingriffsmöglichkeiten der Politik diskutiert. Auf einer „thematischen Handlungskarte“13 wurden im Verlauf der dritten Sitzung der Vor-Ort-Projektgruppen erste Leitvorstellungen diskutiert. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden vom Planungsbüro präsentiert. Es erfolgte eine Verständigung der Teilnehmer auf die Handlungsempfehlungen, die damit als Ergebnis gemeinsamer Diskussionen gewertet werden können. In allen Modellkommunen herrschte Konsens darüber, dass über die bestehenden Baugebiete hinaus keine neuen Flächen auszuweisen seien – vielmehr solle die Innenentwicklung gefördert werden. Neubau soll nur auf innerörtlichen Baulücken oder auf Abrissflächen möglich sein. Rückbauaktivitäten erfolgen mit dem Ziel, die Attraktivität der Orte zu erhöhen. Neben „Orten der Konzentration und der Innenentwicklung“ wurden innerhalb der teilnehmenden Modellkommunen Ortsteile identifiziert, die bei der Entwicklung von Umnutzungs- und Rückbau- strategien begleitet werden sollen. Die Anlage zu diesem Bericht enthält Karten zu verschiedenen Szenarien für die Entwicklung der Modellkommunen. Quelle ist die Landesvermessung + Geobasisinformation Niedersachsen (LGN); die Bearbeitung erfolgte durch proloco und den Regionalverband Südniedersachsen, das Layout durch Metropolconsult. Die Karten sind nicht maßstabsgetreu. 12 Siehe Kartenmaterial ab S. 146 13 Siehe Kartenmaterial ab S. 146 22
  • 23. 3. B ETEILIGTE M ODELLKOMMUNEN Durch die Beteiligung der Städte Osterode am Harz, Bad Sachsa und Moringen, der Samtgemeinde Bad Grund, der Gemeinden Gleichen und Kreiensen sowie des Fleckens Adelebsen wurden in den Landkreisen Göttingen und Northeim je zwei Gemeinden berücksichtigt, im Landkreis Osterode am Harz drei. Innerhalb der Landkreise wurden jeweils eine oberzentrumsnahe und eine oberzentrumsferne Kommune ausgewählt. Beteiligte Modellkommunen; Graphik: Metropolconsult In den sieben Modellkommunen leben insgesamt rund 72.250 Einwohnerinnen und Einwohner. Das Modellvorhaben wurde damit rein rechnerisch für rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung Süd- niedersachsens umgesetzt. Die Entwicklung Südniedersachsens der vergangenen Jahre war geprägt durch Strukturwandel in allen Wirtschaftssektoren – in der Landwirtschaft ebenso wie im gewerblichen Sektor, bei den Dienstleistungen und in der Kommunikationstechnologie. Bei den Prozessen der vergangenen Jahre spielten Veränderungen bei Bahn und Post sowie Energie- versorgungsunternehmen eine besondere Rolle. Kreiensen als früherer Bahnknotenpunkt ist dabei in besonderer Weise betroffen – die Konversion des früheren Bundeswehrstandorts in Osterode zählt zu den besonderen Herausforderungen, vor denen die Kreisstadt derzeit steht. Zwischen den Kommunen des Modellvorhabens bestehen viele Gemeinsamkeiten. Der demographische Wandel prägt mindestens seit 23
  • 24. Mitte der neunziger Jahre ihre Entwicklung - wenn auch in unter- schiedlicher Intensität. Die Bevölkerungszahl der Region ist rückläufig – und sie wird weiter sinken. Am wenigsten spürbar sind die im statistischen Mittel erkenn- baren Tendenzen zum Bevölkerungsrückgang und zur Steigerung des Durchschnittsalters in den Ortsteilen der Gemeinde Gleichen, die vom Oberzentrum Göttingen besonders gut zu erreichen sind. Stark spürbar ist der demographische Wandel hingegen in Kommunen wie Kreiensen und Bad Grund, die vom Oberzentrum Göttingen aus gesehen peripher liegen. Mit Ausnahme von Gleichen ist Leerstand von Wohnungen und gewerblichen Objekten (wie früheren Hotels und Gaststätten, Einzel- handelsgeschäften und Tankstellen) in allen Orten zu beobachten. Es besteht ein großes Angebot an Bau- und Gewerbeflächen, das einen erheblichen Druck auf das Preisniveau ausübt. Die finanziellen Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden des Modellvorhabens sind beschränkt. Unterschiede sind zu erkennen etwa bei der Erreichbarkeit innerhalb des überregionalen Verkehrsnetzes, dem Arbeitsplatz- und Schulangebot, der Versorgungsinfrastruktur und der Identifikation von Bürgerinnen und Bürgern mit ihrer Gemeinde. Bei aller Unterschiedlichkeit der Erwartungen nannten bei der Auftakt- veranstaltung am 11. März 2008 in der Stadthalle Moringen die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen folgende Motive für ihre Beteiligung an dem Modellvorhaben: 1. Feststellung und Dokumentation des Ist-Zustands (einschließlich Leerstandsproblematik) 2. Sensibilität von Politik und Öffentlichkeit für Konsequenzen, die aus dem demographischen Wandel gezogen werden müssen 3. Anpassung der kommunalen Infrastruktur an den demographischen Wandel sowie „Leitbild ´Old City`“ mit der Anpassung der Infrastruktur an Jung und Alt 4. Stärkung der Kernorte 5. Interkommunale Abstimmung bei Flächenausweisungen 6. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Ortschaften innerhalb der Gemeinden und innerhalb der Landkreise sowie der Region Südniedersachsen 7. Erarbeitung von Vorschlägen für soziale Treffpunkte 8. Entwicklung von Strategien zur Vermeidung von Leerständen 9. Vermittlung der Notwendigkeit, dass Flächenausweisungen nur erfolgen dürfen, wenn die Vermarktbarkeit nachgewiesen werden kann 24
  • 25. 10. Vorschläge, wie der Bevölkerungsrückgang gestoppt werden kann 11. Vorschläge für die Identifikation und Konzentration von Infrastrukturangeboten 12. Vorschläge zur Revitalisierung von Dörfern, in denen es keine Infrastruktur mehr gibt Diese Zusammenstellung zeigt, wie vielfältig die mit dem demographischen Wandel in Verbindung stehenden Aspekte sind und wie hoch die Erwartungen an Projekte sind, die sich mit diesem Thema befassen. Wie unter 6.1 dieser Ausarbeitung dargelegt, erfolgt eine Konzentration auf das Thema Siedlungsflächenentwicklung. Die zitierten Aussagen machen deutlich, dass der demographische Wandel auch zu städtebaulichen Chancen geführt hat. In vielen Orten sind innenstadt- nahe Flächen entstanden, die zumindest von ihrer Lage her gute Voraussetzungen für Wohnnutzung sowie die Ansiedlung von Klein- gewerbe und Nahversorgern bieten. Möglich wird so eine Reintegration von Arbeitsstätten in zentralen Orten. Gleichen Adelebsen Moringen Kreiensen Bad Grund Osterode a.H. Bad Sachsa Ortsteile 16 7 9 15 5 15 4 Einwohner (2006) 9.500 6.750 7.500 7.300 9.300 24.700 8.000 Einwohner- entwicklung (2000 bis + 500 - 300 -250 -500 -550 -1.500 -600 2006) gerundet Leerstand kein deutlich deutlich deutlich deutlich deutlich deutlich Freie Bau- grundstücke 103 124 54 46 32 264 94 Überblick über Strukturen der Modellkommunen, Stand: September 2008 (Karsten Hiege, Regionalverband Südniedersachsen) Der Vergleich der Einwohnerzahlen der sieben Modellkommunen macht deutlich, dass die addierte Einwohnerzahl seit Anfang der neunziger Jahre rückläufig ist und bis zum Ende des Prognosezeitraums weiter zurückgehen wird. Mit Ausnahme der Gemeinde Gleichen wird dieser negative Bevölkerungstrend auch für jede einzelne der beteiligten sechs Modellkommunen prognostiziert14. 14 siehe Grafik: Vergleich der Einwohnerzahlen der sieben Modellkommunen im Anhang (LSKN, Regierungsvertretung Braunschweig) 25
  • 26. 3.1 E INZELDARSTELLUNG DER BETEILIGTEN KOMMUNEN 3.1.1 Gemeinde Kreiensen Fläche: 65,28 km² Einwohner 7.223 Bevölkerungsdichte: 112 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 7.800 7.700 7.600 7.500 7.400 7.300 7.200 7.100 7.000 6.900 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult In der Gemeinde Kreiensen wohnen 7.707 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand: 30. Juni 2007)15 in fünfzehn Ortsteilen (inkl. Nebenwohnsitz) mit folgender Verteilung: Kreiensen (2.701), Greene (1.626), Opperhausen (832), Ahlshausen-Sievershausen (571), Erzhausen (351), Billerbeck (323), Rittierode (240), Orxhausen (227), Bentierode (223), Garlebsen (176), Olxheim (118), Beulshausen (100) , Ippensen (91), Haieshausen (90) und Bruchhof (mit 38 Einwohnerinnen und Einwohnern). 15 Die hier genannten Zahlen beruhen auf Angaben der Gemeinden. Die erheblichen Differenzen zu den Zahlen des LSKN sind offensichtlich, da die Gemeinden u. a. auch Zweitwohnsitze mitzählen. Dieser Hinweis gilt auch für die Darstellung der weiteren Gemeinden. 26
  • 27. Kreiensen profitierte durch die Grenzöffnung in den frühen neunziger Jahren von Zuwanderungen. Bis auf das Jahr 2004 waren die Wanderungssaldi aber seit 1995 negativ. Zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2007 sank die Einwohnerzahl Kreiensens um etwa 500 Personen. Der Rückgang verteilte sich auf die genannten Jahre relativ gleichmäßig; lediglich in den Jahren 2003 und 2004 stagnierte die Einwohnerzahl. Kreiensen, Wanderungssaldo je 10.000 EW 250 200 150 100 50 0 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 -50 -100 -150 -200 -250 LSKN, Graphik: proloco Größte Ortschaften der Gemeinde sind Kreiensen und Greene. Auf vier Hügeln gelegen besteht die Ortschaft Kreiensen aus Siedlungsflächen, die räumlich und sozial bislang nur unvollständig zusammengewachsen sind. Die Gleisanlagen wirken als trennende Elemente. Diese Lage trägt dazu bei, dass sich die Ortschaft Kreiensen bislang nicht zum unbestrittenen Mittelpunkt der Gemeinde entwickeln konnte. Angesichts des eher geringen Zusammenhalts der Bevölkerung bezieht sich die Identität der Bürgerinnen und Bürger auf die Ortschaft - man ist eher „Greener“, „Kreienser“ oder „Opperhäusener“. Historisch gesehen eher ein Konstrukt als eine gewachsene Gemeinde verfügt die Gemeinde Kreiensen zudem über keine zentrale Versammlungsstätte. Die Gemeinde bietet erschlossene Bauplätze an - an preisgünstigen Bauflächen besteht kein Mangel. In den vergangenen Jahren sind wichtige Wirtschaftszweige weg gebrochen. Bis 1995 war Kreiensen Postverteilzentrum mit 350 Mit- arbeitern, die Deutsche Bundesbahn war mit rund eintausend Mitarbeitern größter Arbeitgeber. Trotz der abnehmenden Bedeutung der Bahn als Arbeitgeber gilt Kreiensen bislang noch immer als wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Den Haltepunkt nutzen nach Schätzung der Gemeinde 3.000 bis 4.000 Ein- und Auspendler. Diese Lagegunst trug in den vergangenen Jahren aber weder nennenswert zur Anwerbung von Neubürgerinnen und Neubürgern 27
  • 28. noch zur Ansiedlung von Betrieben bei. Nun hat die Deutsche Bahn AG entschieden, den IC Stralsund-Karlsruhe künftig über die Neubaustrecke zu führen. Damit wird in Kreiensen künftig fahrplanmäßig kein IC mehr halten. Zu den Konsequenzen der fehlenden Dynamik in Kreiensen gehören auch Ladenleerstände. In den meisten Ortschaften bestehen Probleme bei der Nahversorgung. Eine Ausnahme ist die Ortschaft Kreiensen selbst: Hier gelang es dem Bürgermeister, einen Neubau für die Lebensmittelversorgung in integrierter Lage anzusiedeln. Der Strukturwandel der Landwirtschaft äußert sich in deutlich ins Auge fallenden un- oder untergenutzter Scheunen. Die Entwicklung Kreiensens ist eng mit der früheren Kreisstadt Bad Gandersheim verknüpft. Bedingt durch den Abbau von Infrastruktureinrichtungen in Bad Gandersheim wie etwa dem Freibad verliert diese Verbindung aber derzeit an Bedeutung. Der Rat der Gemeinde Kreiensen fasste 1997 einen Grundsatzbeschluss zur Siedlungsentwicklung. Dem liegt ein städtebauliches Rahmenkonzept zur Wohnbauentwicklung bis zum Jahr 2010 zugrunde. Konzept und Beschluss werden vom Rat beobachtet. Derzeit werden in allen Ortschaften Bauplätze angeboten. Bereits heute verfügt Kreiensen über ein Baulückenkataster. Zur Flächenmobilisierung ist dieses Instrument offenbar ungeeignet. Ein Leerstandsverzeichnis wurde bisher nicht erstellt. Die Gemeinde hält ein Siedlungsflächenkonzept für Südniedersachsen mit teilregionalen Schwerpunktsetzungen für sinnvoll. Mit diesem Instrument wird die Hoffnung verbunden, die interkommunale Konkurrenz um Einwohner zu reduzieren. In der ersten Jahreshälfte 2008 dürfte der Leerstand bei Wohngebäuden in der Ortschaft Kreiensen unter zehn Prozent gelegen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Einliegerwohnungen meist in Hauptwohnungen integriert werden - ihr Leerstand wirkt sich wohnungspolitisch also ledig- lich als Unterauslastung aus. Auf dem Wohnungsmarkt erfolgten in der ersten Jahreshälfte 2008 keine nennenswerten Bewegungen - das gilt sowohl für Kauf als auch für Miete. Eine Nachfrage nach Gebäuden des Altbestandes war nicht zu erkennen. Wenn überhaupt Wohnraum nachgefragt wurde, bezog sich diese Nachfrage auf preisgünstigen Nachkriegswohnungsbau. Damit ver- bunden ist ein erheblicher und anhaltender Wertverlust. Die Gemeinde Kreiensen setzt sich das Ziel, die Abwanderung zu stoppen und die Attraktivität zu steigern. Dafür plant sie beispielsweise in Opperhausen die Kombination von Gaststätte und Dorfgemeinschafts- 28
  • 29. haus mit der Option zur Nahversorgung. Da die Ausrichtung auf einen nennenswerten Zuzug von Neubürgerinnen und Neubürgern derzeit als unrealistisch gilt, wird eine Wachstumsstrategie nicht verfolgt. Es geht eher darum, die Infrastruktureinrichtungen dem demographischen Wandel anzupassen. Dabei sollen die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen berücksichtigt werden und in die Infrastrukturplanungen einfließen. Für wenig sinnvoll hält es die Gemeinde, sich ausschließlich auf junge Familien mit Kindern zu konzentrieren. Die Streichung von Eigenheimzulage und die Kürzung der Pendlerpauschale tragen nach ihrer Auffassung dazu bei, die Bedeutung Kreiensens als reiner Wohnstandort zu schwächen. Im Flecken Greene stieß das Neubaugebiet „Löberfeld“ auf eine lebhafte Nachfrage aus Greener Familien und konnte rasch vermarktet werden. Seit Fertigstellung dieser neuen Bebauung besteht offenbar keine nennenswerte Nachfrage mehr nach neuem Wohnraum. Der Leerstand fällt weniger stark ins Auge als im Kernbereich von Kreiensen, dürfte aber vergleichbar hoch sein. Im Gegensatz zur Ortschaft Kreiensen ist die Einwohneridentität mit dem Flecken Greene ausgeprägt. Greene zeichnet sich durch ein intensives Vereinsleben aus. Zu den Besonderheiten gehören der Burg- Förderverein und der Heimatverein. Greene besitzt kaum Gewerbe. Vorhanden sind jedoch ein Nahversorger, eine Arztpraxis, ein Schul- zentrum (Grundschule und Kindergarten) und ein Hallenbad mit Sauna. Statistisch auffällig ist der gegenüber der Ortschaft Kreiensen deutlich geringere Bevölkerungsrückgang. In Opperhausen, das nur einen geringen Wohnungsleerstand aufweist, wurden in den vergangenen zehn Jahren 57 Dorferneuerungs- maßnahmen durchgeführt - davon vier im öffentlichen Bereich. Über- wiegend erfolgten die Investitionen jedoch privat. Diese Maßnahmen veränderten das Ortsbild nachhaltig. Die hohe Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Ortschaft dokumentiert sich durch die erfolgreiche Arbeit des Heimatvereins. Dennoch sind auch in Opperhausen seit dem Jahr 2000 die Einwohnerzahlen rückläufig. Gaststätte und Nahversorger wurden kürzlich geschlossen, es existieren aber ein Hofladen und ein Biobauernhof mit Direktvermarktung. Pro Jahr werden zwei bis drei Grundstücke bebaut. Zehn der 15 vorhandenen Bauplätze des Neubaugebietes sind inzwischen vermarktet. Auch die Neubürgerinnen und Neubürger konnten weitgehend in das Vereinsleben integriert werden, allerdings scheint die Bereitschaft vieler Menschen zum sozialen Engagement nachzulassen. Alshausen liegt in einem „Talkessel“ zwischen dem Krieberg, Rott und Sonnenberg. Vorhanden sind eine Diskothek sowie ein gastronomischer Betrieb, in dem sich die Mitglieder von zehn örtlichen Vereinen treffen. 29
  • 30. Eine Nahversorgung mit Lebensmitteln besteht nicht mehr. Wenn auch die Identifikation der Menschen mit ihrem Ortsteil als beachtlich hoch gilt, so sind dennoch Wegzüge nach Einbeck und Northeim zu beobachten. Leerstände sind schon heute zu verzeichnen – angesichts der Bevölkerungsstruktur und des hohen Durchschnittsalters ist zu erwarten, dass die Zahl der nicht genutzten Häuser und Wohnungen weiter steigt. Das Ortsbild ist durch die landschaftstypische Fachwerkbebauung geprägt; dennoch besteht kein besonderer Modernisierungsdruck. Auch in Alshausen ist eine nachlassende Bereitschaft der Einwohner zu sozialem Engagement festzustellen. Erzhausen besitzt ein Pumpspeicherwerk eines Stromversorgers. Prägend für den Ortsteil ist die von der Preussen-Elektra ehemals gebaute und später an Bewohnerinnen und Bewohner verkaufte Siedlung. In einem 1992 ausgewiesenen Baugebiet wurde bis heute nur ein Grundstück verkauft. Neuerdings existiert wieder ein Café mit einem angeschlossenen Minigolfplatz. Billerbeck zeichnet sich aus durch ein lebhaftes Vereinsleben und eine gute Dorfgemeinschaft aus. Die Umnutzung eines großen landwirtschaftlichen Gebäudes zu dem Restaurant „Schinkenscheune“ gilt über die Ortschaftsgrenzen hinaus als gutes Beispiel für einen ge- lungenen Strukturwandel. Die Dorferneuerung wurde in Orxhausen nur mit mäßigem Erfolg umgesetzt – das Instrument selbst bewerten viele Bürgerinnen und Bürgern kritisch. Ausgelöst wurden nur geringe öffentliche Investitionen mit entsprechenden Auswirkungen auf den privaten Sektor. Zur Freisetzung bürgerschaftlichen Engagements sind Wettbewerbe offenbar inzwischen keine ausreichend motivierenden Instrumente mehr. Die anderen Ortschaften der Gemeinde Kreiensen sind landwirtschaftlich geprägt. Mit Ausnahme von Beulshausen, das ein Bürgerhaus hat, verfügen sie über Feuerwehrhäuser und zum Teil über Dorf- gemeinschaftshäuser. Der Gebäudeleerstand dürfte in diesen kleinen Ortsteilen unter zwei Prozent liegen. 30
  • 31. Nach Angaben der Gemeinde Kreiensen werden derzeit folgende Baugebiete vermarktet (Stand: 22. September 2008): Bebauungs- Satzungs- Inkrafttreten Zahl der Freie Bau- plan beschluss Bauplätze grundstücke Greene „Löberfeld“ 06.06.2002 12.07.2002 27 13 Kreiensen „Hainberg II“ 05.12.1985 16.06.1987 9 4 „Hainberg III“ 13.09.2001 05.10.2001 46 26 „Brunstein/ 06.07.2000 28.07.2000 8 0 Eskuhle“ Opperhausen „Am 07.10.1999 14.04.2000 17 3 Hohlwege“ 31
  • 32. 3.1.2 Stadt Moringen Fläche: 82,25 km² Einwohner 7.379 Bevölkerungsdichte: 90 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 7.650 7.600 7.550 7.500 7.450 7.400 7.350 7.300 7.250 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult In der Stadt Moringen wohnen 7.950 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 2007) in neun Ortsteilen (einschließlich Nebenwohnsitz) mit folgender Verteilung: Moringen (4.813), Fredelsloh (1.117), Nienhagen (557), Großenrode (400), Thüdinghausen (364), Behrensen (269), Lutterbeck (183), Oldenrode (153) und Blankenhagen (194). Über die Bundesautobahn (BAB) 7 sowie Bundes-, Landes- und Kreisstraßen ist Moringen gut in das überörtliche Verkehrsnetz eingebunden. Wer allerdings mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nach Göttingen pendeln will, kommt ohne Umsteigevorgänge nicht aus. Die Stadt Moringen sucht deshalb nach Möglichkeiten, ihre eigene Position zum Oberzentrum Göttingen zu stärken. Viel besser ist die Busverbindung nach Northeim. Nach Hardegsen besteht eine Busverbindung mit unregelmäßigen Abfahrtzeiten. Moringen verfügt über ein gegliedertes Schulsystem. Im Grundschulbereich werden Behinderte integriert. Die Kooperative Gesamtschule (5. bis 13. Klasse) wird derzeit zur Ganztagsschule 32
  • 33. ausgebaut. Geprüft wird die Umnutzung von Klassenräumen für den Hortbedarf. Vom 30. Juni 2006 bis zum 30. Juni 2007 verlor die Stadt Moringen 92 Einwohnerinnen und Einwohner, in der Kernstadt allein fünfzig. Die Kommune rechnet weiter mit einem stärkeren Bevölkerungsverlust in den kleineren Ortschaften. Durch den demographischen Wandel wird ein Bevölkerungsverlust von ca. 600 Einwohnern bis zum Jahr 2020 erwartet, etwa 400 weitere Wohneinheiten dürften dann leer stehen. Bei der Anwerbung neuer Bürgerinnen und Bürger sieht sich Moringen in direkter Konkurrenz zur Stadt Hardegsen, die Baugrundstücke besonders preiswert anbietet. Moringen vermarktet das freie Bauland nicht über eine Gesellschaft, sondern in Eigenregie. Im Baugebiet „Am Hagenberg“ verfügt Moringen über ausreichend Bauplätze. Während die Vermarktung der Baugebiete im Rahmen der Eigenentwicklung in früheren Jahren relativ rasch erfolgte, bestehen derzeit Vermarktungsprobleme. Die Nachfrage von außerhalb ist eher verhalten oder gar nicht erkennbar. Innerhalb der Gremien der Stadt Moringen wurde deshalb im Herbst 2008 ein Maßnahmen-Paket diskutiert, das der Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung dienen soll. Finanziell gefördert werden sollen der Erwerb und die Sanierung alter Bausubstanz, die Bebauung von Baulücken sowie der Abriss alter Gebäude und Neubau an gleicher Stelle. Seit etwa vier Jahren weist Moringen keine neuen Baugebiete mehr aus. Innerhalb der Gremien der Stadt besteht Konsens darin, eine Bebauung nur dort zu genehmigen, wo bereits jetzt Baurecht besteht. Unter Verweis auf eine gute Nahversorgung versucht Moringen, sich attraktiver zu vermarkten. Die Stadt sieht Potentiale im Ausbau z. B. des Freizeit- bereiches. Die Stadtsanierung wirkte als Förderinstrument in Moringen positiver als die Dorferneuerung in den Ortschaften. Öffentliche Maßnahmen zogen private Gebäudesanierungen nach sich. Im Stadtgebiet Moringen gibt es betreutes Wohnen, Tagespflege sowie einen ambulanten Pflegedienst; ein Altenheim ist nicht vorhanden. In vielen Dörfern besteht eine hohe Identifikation der Menschen mit ihrer Heimat. Ganz offensichtlich ist der demographische Wandel als zentrale kommunalpolitische Herausforderung dort noch nicht angekommen. Das liegt möglicherweise daran, dass bis zum Jahr 2002 noch ein positiver Wanderungssaldo verzeichnet wurde. 33
  • 34. Moringen, Wanderungssaldo je 10.000 EW 200 150 100 50 0 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 -50 -100 -150 -200 LSKN, Graphik: proloco Im Kernort Moringen selbst besteht ein Leerstand von etwa fünfzig Wohnungen und Läden. Ob die Lage, die Ausstattung oder andere Ursachen hierfür verantwortlich sind, ist bisher nicht erkennbar. Auch fehlen Angaben über die Dauer des Leerstandes. Die Baunachfrage im Kernort ist eher gering und kommt überwiegend aus der einheimischen Bevölkerung. Behrensen zeichnet sich durch seine Lagegunst zur BAB 7 aus. Der Ort hat die Aufnahme in das Dorferneuerungsprogramm beantragt. Blankenhagen liegt in Kernstadtnähe; nennenswerter Leerstand ist nicht vorhanden. Die Grundstücke der sechs Baulücken sind offenbar derzeit nicht zu vermarkten. Fredelsloh gilt als eine Art zweites Gemeindezentrum, das über Nahversorgung, viele Kunsthandwerker sowie weitere prosperierende Unternehmen verfügt. Dennoch ist wenig Nachfrage nach Bauland und kaum Eigenentwicklung vorhanden. Der Leerstand liegt bei zwanzig Wohneinheiten, davon fünf Fachwerkhäusern, bei deren Vermarktung besondere Probleme bestehen. Neubauten werden weit unter dem Schätzwert angeboten. Der Ortsteil liegt „hinterm Berg“ und ist relativ weit von der BAB entfernt. Die Dorferneuerung in Fredelsloh stieß bei der Bevölkerung auf eher verhaltene Resonanz und löste im privaten Sektor wenige Impulse aus. Begründet wird diese Zurückhaltung mit den teilweise langen Bearbeitungszeiten der Anträge. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen deshalb Erneuerungen und Sanierungen lieber ohne staatliche Subventionierung vor. Dies ermöglicht ihnen eine größere und kosten-günstigere Materialauswahl. Eine Verbesserung des Dorfbildes durch private Maßnahmen wurde nicht erreicht. Trotz der Lagegunst zur BAB besteht in Großenrode nur eine geringe Nachfrage nach Baugrundstücken – wenn eine Vermarktung erfolgt, 34
  • 35. dann meist an Einheimische. Während es in Lutterbeck derzeit sieben Leerstände gibt, stehen in Nienhagen mehrere Ferienwohnungen und drei Häuser leer. Die derzeitigen Immobilieneigentümer orientieren sich bei ihren Preisvorstellungen offenbar eher an dem Preisniveau von Groß- städten. Der Ort Nienhagen steht für einen positiven Verlauf der Dorf- erneuerung. Oldenrode liegt im südlichen Stadtgebiet eher in Randlage und weist zwei Leerstände auf. Thüdinghausen ist gekennzeichnet durch seine besondere Lagegunst zur BAB 7. Nach Angaben der Stadt Moringen werden derzeit folgende Baugebiete vermarktet: (Stand: 25. August 2008) Bebauungsplan Satzungs- Inkrafttreten Zahl der Bau- freie Bau- beschluss plätze grundstücke Moringen „Hagenberg“ 29.09.1998 30.10.1998 44 23 Fredelsloh „Nordfeld" 08.12.1994 05.05.1995 15 7 Großenrode „Im Knipstale" 24.06.1999 20.08.1999 34 24 35
  • 36. 3.1.3 Flecken Adelebsen Fläche: 75,85 km² Einwohner 6.738 Bevölkerungsdichte: 89 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 7.200 7.100 7.000 6.900 6.800 6.700 6.600 6.500 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult Im Flecken Adelebsen wohnen 6.807 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 2007) in sieben Ortsteilen mit folgender Verteilung: Adelebsen (3.237), Barterode (1.026), Lödingsen (831), Güntersen (658), Erbsen (402), Wibbecke (350) und Eberhausen (303). Adelebsen liegt an der Bahnstrecke von Göttingen nach Paderborn. Mit der Regionalbahn beträgt die Fahrzeit nach Göttingen zwanzig Minuten. Der Güterverkehr (Cargotransport) von Holz und Basalt ist für den Erhalt der Trasse besonders wichtig. Immer wieder wird in Adelebsen die Frage diskutiert, ob die gute Bahnanbindung ein herausgehobener Standort- vorteil ist. Die Meinungen hierzu gehen auseinander – so auch zu der Frage, ob eine bessere Taktung zu einer Erhöhung der Akzeptanz der Regionalbahn führen würde. Adelebsen versteht sich als „grüne Lunge von Göttingen“ – ein Umstand, der im Oberzentrum allerdings offenbar nicht so deutlich wahrgenommen wird. Im Verlauf der drei Workshops diskutierte die Vor-Ort-Projektgruppe die Attraktivität Adelebsens für Wohnungssuchende. Adelebsen, so wurde betont, liegt weiter als zehn Kilometer von Göttingen entfernt - damit kann eine psychologische Grenze für das Pendeln ins Oberzentrum überschritten sein. Der Flecken Adelebsen ist damit keine typisch 36
  • 37. suburbane Gemeinde. In der Ortschaft Adelebsen wurde bis 2004 etwa die Hälfte des Gebäudebestands im Ortskern saniert. Einige Gebäude, die das Ortsbild prägen (wie beispielsweise der ehemalige Rathauskeller), sind allerdings nicht darunter. Der Sanierung des Rathauskellers könnte im Sinne einer starken Impulswirkung zur städtebaulichen Aufwertung des Innenbereichs führen. Ein besonderer Problembereich ist die Lange Straße als ehemalige Hauptverkehrstraße. Hier treten verstärkt Leerstände in Geschäften und in einzelnen Wohngebäuden auf. Die Stadtsanierung löste bislang keine nachhaltigen positiven Effekte aus. Mit der Ausweisung des Baugebietes „Am Antonsberg" in den neunziger Jahren sollte der Kernort strategisch gestärkt werden – das gelang bislang nur bedingt. Die Vermarktungsprobleme dieses Baugebiets trugen dazu bei, dass in den letzten fünf Jahren in anderen Ortsteilen keine anderen Neubaugebiete ausgewiesen wurden. Das Baugebiet ist bisher nur zum Teil erschlossen. Seine Bewohner stammen überwiegend aus Adelebsen selbst. Das in einer Talaue am südlichen Ortsrand liegende Holzwerk beeinflusst die Gemeindeentwicklung in vielerlei Hinsicht. Von Süden betrachtet prägt das Werk mit der neu gebauten Landesstraße 554 im Vordergrund das mittelalterliche Stadtbild des Fleckens mit seiner erhöht liegenden Burg. Positive Einflüsse dieses wichtigen Arbeitgebers auf die Einwohnerentwicklung konnten bislang nicht registriert werden. Lediglich in den Jahren 2001 und 2002 lag die Zahl der Zuzüge über der Zahl der Wegzüge. Wanderungssalden Adelebsen (1987-2006) 200 150 100 50 0 -50 -100 -150 -200 LSKN, Graphik: proloco 37
  • 38. Sechs Orte waren bislang an der Dorferneuerung beteiligt. Die Maßnahme schob verschiedene private Investitionen an – wie etwa den Ausbau der Wasserscheune in Erbsen. Eine Ausnahme bildete aber Wibbecke, hier war die Beteiligung der Bürger verhaltener. Die Dorf- erneuerung trug insgesamt zu einer Aufwertung der Ortsbilder bei, wenn- gleich sie nur in geringem Umfang längerfristige Belebungen in den Innenbereichen auslöste. Barterode verfügt neben der überregional bekannten „Barteroder Feinkost GmbH“, die die berühmte Bihun-Suppe produziert, über eine ausreichende Infrastruktur (Bäcker, Schlachter, Gewerbe und Ärzte) und eine gute Anbindung zum Oberzentrum. Mit seiner hohen emotionalen Bindung seiner Einwohner an den Ort nimmt Barterode innerhalb des Flecken Adelebsen eine Sonderstellung ein. Diese Identifikation trägt zur stabilen Einwohnerentwicklung bei. Dennoch sind sowohl Baulücken als auch Leerstände vorhanden. Bei der Ausweisung von Bauflächen war Barterode immer zurückhaltend – die Baulandnachfrage ist traditionell eher gering. In Erbsen, einem Dorf, das nur über wenige Infrastruktureinrichtungen verfügt, gibt es ein Neubaugebiet mit zwölf Plätzen, die relativ schnell vermarktet wurden. Erbsen und Lödingsen nehmen gemeinsam an dem derzeit geplanten Projekt „Bioenergiedorf“ des Landkreises Göttingen teil. In Lödingsen war vor einigen Jahren die Ausweisung eines großen Baugebietes mit fünfzig Plätzen vorgesehen – das Vorhaben wurde bisher aber nicht realisiert. Im Ort gibt es bisher kaum Leerstand und nur wenig Modernisierungsbedarf. Güntersen, das unter dem Bevölkerungs- rückgang besonders leidet, ist stark nach Dransfeld orientiert. Wibbecke und Eberhausen sind stark landwirtschaftlich geprägt. Die Dorferneuerung ist dort abgeschlossen. Die Bevölkerung nahm sie eher verhalten an. Einzelne Leerstände sind hier bereits sichtbar. 38
  • 39. Nach Angaben der Gemeinde Adelebsen werden derzeit folgende Baugebiete vermarktet: (Stand: 22. September 2008) Bebauungsplan Satzungs- Inkrafttreten Zahl der Freie Bau- beschluss Bauplätze grundstücke Adelebsen Nr. 21 17.09.1998 05.11.1998 74 59 „Am Antonsberg“ Eberhausen Nr. 25 „Eichhof“, 20.12.2001 14.02.2002 17 17 Lödingsen Nr. 8 noch nicht „Am Lindenberge“, gefasst 48 48 39
  • 40. 3.1.4 Gemeinde Gleichen Fläche: 128,93 km² Einwohner 9.515 Bevölkerungsdichte: 74 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 9.700 9.650 9.600 9.550 9.500 9.450 9.400 9.350 9.300 9.250 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult In der Gemeinde Gleichen wohnen 10.446 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 2007). Sie verteilen sich auf die 16 Ortschaften Reinhausen (Sitz der Gemeindeverwaltung, 1.560), Diemarden (1.463), Klein Lengden (1.3479; Groß Lengden (1.040), Bremke (925), Rittmarshausen (776), Sattenhausen ((563), Gelliehausen (425), Bischhausen (403), Wöllmershausen (401), Benniehausen (371), Weißenborn (280), Kerstlingerode (255), Beienrode (250), Etzenborn (222) und Ischenrode (165 Einwohnerinnen und Einwohner). Gleichen ist eine typische suburbane Gemeinde mit dem Schwerpunkt Wohnen im Grünen. Sie liegt unmittelbar im Südosten des Oberzentrums. In das Göttinger Stadtbusnetz ist Gleichen jedoch nicht eingebunden. Von allen beteiligten Kommunen im Rahmen des Modellvorhabens in Südniedersachsen ist Gleichen bislang am wenigsten vom demographischen Wandel betroffen. Bis 2020 wird ein Bevölkerungsrückgang von lediglich rund zwei Prozent erwartet. Im Zusammenhang mit Neubautätigkeit wird es allerdings in geringem Umfang zu weiteren Leerständen kommen - dies vor allem in den Gemeindeteilen, die weiter entfernt von Göttingen liegen. Die Gemeinde- verwaltung erwartet weitere Zuzüge aus Göttingen – allerdings auf deutlich geringerem Niveau als in der Vergangenheit. 40
  • 41. Strategisch will Gleichen seine Innenentwicklung stärken und keine Neubaugebiete mehr ausweisen. Bislang strebte die Gemeinde eine Konzentration von Infrastruktureinrichtungen nicht an. Zukünftig könnte sich die Gemeinde jedoch stärker auf eine funktionale Konzentration hin ausrichten. Denkbar ist, das Schulangebot in Rittmarshausen, Reinhausen und Klein Lengden zu stärken. Bisher gibt es fünf Grund- schulen. Angesichts der rückgängigen Schülerzahlen werden die Einrichtung eines Schulzentrums und alternativ die Konzentration auf nur drei Grundschulstandorte erwogen. Die Frage, wie sich die drei Ortsteile weiter stärken lassen, bleibt offen, weil der Handlungsspielraum der Gemeinde hierbei stark eingeschränkt ist. Eine weitere Möglichkeit neben der Schulkonzentration wäre die Einrichtung von Ganztagsbetreuungs- angeboten im Krippen- und Hortbereich. Problembereiche in der Gemeinde sind die engen Ortsdurchgangs- straßen wie in Bremke und Reinhausen und die teilweise schlechte Bausubstanz einiger älterer Gebäude. Hier wurde eine finanzielle Förderung im Altbaubereich zur Erhaltung des Ortsbildes und zur Erreichung der Klimaschutzziele angeregt. Die Modernisierung und Sanierung der Bausubstanz erfolgte in der Vergangenheit in großem Umfang. Dazu gehörten Umnutzungen von landwirtschaftlichen Gebäuden oder Gaststätten zu Wohnzwecken. Das Instrument der Dorferneuerung trug hierzu positiv bei. Aufgrund der aktuell geringeren Nachfrage nach Wohnraum wird sich der Umnutzungstrend jedoch nicht fortsetzen. In die Dorferneuerungs- programme wurden nach und nach zwölf der 16 Dörfer aufgenommen. Die Maßnahmen verliefen erfolgreich. Gefördert wurden auch größere private Investitionen. In Diemarden gibt es Nahversorgungslücken. Als Ausgleich weitete ein Bioladen sein Angebot für diverse andere Sortimente und Produkte aus. Zusätzlich bietet ein Lebensmittelhändler aus dem Nachbarort an, Kunden aus den Ortsteilen zu seinem Geschäft zu fahren. Reinhausen verfügt über ein Lebensmittelgeschäft mit Postannahmestelle, zudem sind weitere Infrastruktureinrichtungen wie Ärzte, Grundschule und Kindertagesstätte vorhanden. Eine ausreichende Anzahl attraktiver Bauplätze steht hier zur Verfügung. In Bischhausen stehen acht Gebäude zum Verkauf. Viele Verkäufer realisieren allerdings noch nicht, dass sich die erzielbaren Verkaufspreise nach unten entwickelt haben. Eine realistischere Einschätzung des Immobilienmarktes durch die potenziellen Verkäufer könnte zur Verkürzung der Leerstandszeiten beitragen. Da der Erwerb von Altbauten mit kaum abschätzbaren Modernisierungsaufwendungen verbunden ist, die Grundstücke, anders als in Innenstädten, aber kaum Lagevorteile 41
  • 42. aufweisen, werden im ländlichen Raum tendenziell eher Neubauten bzw. jüngere Gebrauchtimmobilien nachgefragt. Wanderungssalden, Gleichen (1987-2006) 200 150 100 50 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 -50 -100 -150 LSKN; Graphik: proloco Nach Angaben der Gemeinde Gleichen werden derzeit folgende Baugebiete vermarktet: (Stand: 22. September 2008) Bebauungsplan- Satzungsbe- Inkrafttreten Zahl der Freie Nr. schluss Bauplätze Baugrund- stücke Bischhausen 067 "Winkelbreite", 18.09.2002 17.10.2002 9 4 Bremke 060 "Am Eschenberg" 10.12.2003 15.01.2004 12 4 Reinhausen 073 "Diemardener Straße" 29.03.2006 06.04.2006 21 19 Rittmarshausen 061 "Bäckberg", 17.03.1999 08.09.1999 47 47 Sattenhausen 059 "Wasserfurth" 15.12.1998 07.01.1999 10 10 42
  • 43. 3.1.5 Samtgemeinde Bad Grund (Harz) Fläche: 41,18 km² Einwohner 9.217 Bevölkerungsdichte: 227 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 9.900 9.800 9.700 9.600 9.500 9.400 9.300 9.200 9.100 9.000 8.900 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult In Bad Grund, der einzigen Samtgemeinde im Modellvorhaben von Regionalverband und Regierungsvertretung, wohnen mit folgender Verteilung 9.217 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 31. Dezember 2007) in fünf Gemeinden: Bad Grund (2.473), Gittelde (1.982), Badenhausen (1.974), Eisdorf (1.774) und Windhausen (1.014). Die Bevölkerungsentwicklung verläuft in den einzelnen Ortsteilen unterschiedlich. Im Grunde ist eine Zweiteilung in der Gemeinde- entwicklung gegeben. Bad Grund und Windhausen haben deutliche Bevölkerungsverluste. In den anderen Gemeinden ist die Einwohnerentwicklung noch relativ stabil. Ein nennenswerter Zuzug von außen erfolgt derzeit nicht. Die angebotenen Baugebiete versorgen überwiegend die einheimische Bevölkerung. Für Gebäude aus den 70er Jahren gestaltete sich der Bewohnerwechsel in den vergangenen Jahren weitgehend problemlos. Alte Häuser prägen viele Ortsbilder. Festzustellen ist insgesamt ein Fortzug jüngerer Einwohnerinnen und Einwohner. 43
  • 44. Insgesamt fällt der hohe Altersdurchschnitt auf. In naher Zukunft wird die Bevölkerungszahl weiter deutlich abnehmen. Noch gibt es - wenn auch auf niedrigem Preisniveau - einen Markt für ältere Ein- und Zweifamilienhäuser. Größere Objekte sind dagegen schwer zu vermarkten und stehen häufig leer. Ein Grund für die Stagnation auf dem Immobilienmarkt dürfte auch in den nicht marktgerechten Preisvorstellungen der Verkäufer liegen. Probleme gibt es im Bereich landwirtschaftlicher Bausubstanz. Hier fehlen Umnutzungsmöglichkeiten. Die Samtgemeinde verfügt über ausreichend Altenheimplätze (drei Einrichtungen; Bad Grund hat ein neues Altenheim) und gewinnt so auch ältere Einwohner hinzu. Die Samtgemeinde versteht sich nicht als reiner Wohnstandort, sondern auch als Standort für Gewerbe und Wohnen. Mit Ausnahme des Jahres 2004 war der Wanderungssaldo seit dem Jahr 1996 negativ. Bad Grund, Wanderungssaldo je 10.000 EW 250 200 150 100 50 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 -50 -100 -150 LSKN, Graphik: proloco Die Entwicklung der Arbeitsplätze diktiert Zu- und Fortzüge in der Gemeinde. Nach Schließung des Preussag-Werkes erfolgte ein deutlicher Bevölkerungsrückgang. Mit einer Fabrik für Drucktechnik und einem Holzwerk sind in der Samtgemeinde zwei auch für den Landkreis Osterode am Harz besonders wichtige Arbeitgeber angesiedelt. Der Rückzug großindustrieller Betriebe, die mangelnde Attraktivität von Kur- und Fremdenverkehrsangeboten sowie der Rückgang der Bevölkerung beeinträchtigen die finanzielle Handlungsfähigkeit der Samtgemeinde. Diese Entwicklung erschwert eine Beteiligung an Fördermaßnahmen im Städtebau und in der Dorferneuerung. 44
  • 45. Die Neuausweisung von Baugebieten wird für den Gemeindehaushalt auch finanziell schnell zum Problem, wenn die Belegung des Gebietes angesichts des unzureichenden Bedarfs bei gleichzeitiger Notwendigkeit, Ortskernbereiche zu stärken, zweifelhaft ist. Die Samtgemeinde Bad Grund profitierte in der Vergangenheit von Zuzügen aus dem Mittel- zentrum Osterode am Harz. Im Zuge der Preispolitik der Nachbarstadt schwächte sich der Zuzug aus der Kreisstadt allerdings deutlich ab. Dies trifft vor allem die südlichen Gemeinden der Samtgemeinde. Rückläufige Einwohnerzahlen trugen zu einem deutlich sichtbaren Leerstand von Gebäuden bei. Bei vielen Gebäuden herrscht ein Modernisierungsstau. Die größeren landwirtschaftlichen Gebäude lassen sich nur schwer vermieten und nur mit erheblichem finanziellen Aufwand renovieren. Insbesondere trifft dieses für die eigentlich erforderlichen energetischen Sanierungen zu. Der Preisverfall für Immobilien wird von Verkäufern noch nicht ausreichend erkannt. Zu hohe Erwartungen führen zu längeren Leerständen und Verfall, insbesondere bei größeren landwirtschaftlichen Gebäuden. Leerstand erscheint derzeit noch in erster Linie als ein Problem einzelner Eigentümer und wird noch nicht als Herausforderung für die Dorfgemeinschaften erkannt. Gebäudesicherungsmaßnahmen wie das Zumauern von Fensteröffnungen zeigen negative Wirkungen im Ortsbild. Für die Gemeinden, die einstmals für den blühenden Tourismus standen, bedeutet dies eine wenig vorteilhafte Imagewirkung. Bei sinkender Bevölkerungszahl ist das Gebührenaufkommen für den Samtgemeindehaushalt kaum seriös kalkulierbar. Problematisch ist die Tatsache, dass jede Gemeinde innerhalb der Samtgemeinde mit unter- schiedlichem Hebesatz für die Grundsteuer arbeitet. Eine Diskussion über die Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde hat deshalb begonnen. Wie beschrieben ist im Kur- und Fremdenverkehrsbereich derzeit keine nennenswerte Nachfrage vorhanden. Die derzeitigen Angebote des einzigen Moorheilbades im Westharz16 sind für Kururlauber nicht attraktiv genug. Das veränderte Freizeit- und Erholungsverhalten vieler potenzieller Gäste wurde bei der Angebotsgestaltung offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Die Samtgemeinde und der Landkreis erhoffen sich mit dem Betrieb des 2008 eröffneten Höhlenerlebniszentrums „Iberger Tropfsteinhöhle“17 verbesserte Rahmenbedingungen für den Tourismus. Gleichzeitig 16 http://www.badgrund.de/index.html 17 HöhlenErlebnisZentrum Iberger Tropfsteinhöhle, http://www.hoehlen-erlebnis- zentrum.de 45
  • 46. versucht die Samtgemeinde, im Kurbereich weitere Krankenkassen für die Anerkennung von Höhlentherapiemaßnahmen im Eisensteinstollen (Atemtherapie) zu gewinnen. Der Öffentliche Personennahverkehr einschließlich der Verbindungen auf der Schiene ist für die Samtgemeindeentwicklung von besonderer Bedeutung. Wunsch der Samtgemeinde ist zum einen eine Erhaltung und zum anderen eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes insbesondere in Eisdorf, Windhausen, Willensen und der Gemeinde Bad Grund. Die Einführung von Sammeltaxen gilt dort als sinnvoll, wo die Nachfrage zu gering für den Busverkehr ist. Dorferneuerungsprogramme werden in der Samtgemeinde grundsätzlich positiv bewertet. Die Mitgliedsgemeinden sehen in der Dorferneuerung ein Instrument zur Innenentwicklung. Sie verhalfen mehreren Ortskernen zu höherer Attraktivität. Als problematisch gilt, dass ältere Haus- eigentümer sich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr an der Dorferneuerung beteiligen. Dazu gehörte in der Vergangenheit sowohl die schwierige finanzielle Situation von Immobilienbesitzern als auch die lange Bearbeitungsdauer für die Förderanträge. Zudem bezweifeln manche Bürgermeister, dass hier Prozesse angestoßen wurden, die nachhaltig in die Zukunft hineinwirken. Sie halten generell eine Entwicklung ihrer Gemeinden nur mit Hilfe von Fördermitteln für möglich – das Fehlen eigener Haushaltsmittel schränkt ihren Handlungsspielraum erheblich ein. Die Bergstadt Bad Grund ist immer noch ein Kur- und Tourismusort. Sie weist jedoch auch die größten Leerstände in diesem Sektor auf. Das Bewusstsein über die Bedeutung des weiter fortschreitenden Leerstands ist in der Bevölkerung durchaus vorhanden. Gravierende Leerstände gibt es im sozialen Wohnungsbau, weniger in einzelnen Wohngebäuden. Der Rückbau von „Reizobjekten“ ist möglich und in einigen Fällen auch unabwendbar. Fehlende Infrastruktureinrichtungen fördern den Leerstand im Kern. In Bad Grund ist die Ausweisung neuer Bauflächen nicht sinnvoll. Bad Grund besitzt einen hohen Anteil an denkmalgeschützten Häusern mit Modernisierungsstau. Die Stadtsanierung hatte einen positiven Effekt auf den Marktplatzbereich. Hierdurch gewann der Ortskern, in dem vor kurzem auch ein Lebensmittelmarkt öffnete, an Attraktivität. Weitere private Investitionsmaßnahmen blieben aber während der Stadtsanierung aus. Windhausen - Sitz der Samtgemeindeverwaltung - verzeichnet ebenfalls einen hohen Bevölkerungsrückgang. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist gering. Neben dem Wohnungsleerstand fällt auch der Leerstand von Geschäften sowie Filialen von Banken, Sparkassen und Post auf. Ein 46
  • 47. Bäckerladen ist geöffnet. Für das bestehende Baugebiet „Alter Berg“ wurde in Windhausen im Rahmen des Integrierten ländlichen Entwicklungskonzeptes (ILEK) ein neues Konzept angekündigt. Die Ausweisung eines weiteren Neubaugebiets ist nicht geplant. Dem Flecken Gittelde kommt durch seinen Bahnhaltepunkt eine besondere Bedeutung zu. Er liegt an der Strecke Braunschweig – Bad Sachsa – Nordhausen (TH) und wird im Stundentakt frequentiert. Die Dorferneuerung des Fleckens gilt als erfolgreich - es wird sogar von einem Vorzeigedorf gesprochen. Die Nachfrage ergibt sich zumeist durch Bauwünsche aus Familien des Fleckens. Die Einwohnerentwicklung ist seit mehreren Jahren stabil. Ganz offensichtlich konnte mit der Dorf- erneuerung dem Leerstand entgegengewirkt werden. Nahversorgungs- einrichtungen sind vorhanden. Viele mehrgeschossige Gebäude in Gittelde mit ihren nicht mehr zeitgemäßen Grundrissen sind derzeit nur schwer zu vermarkten bzw. zu vermieten. Es ist zu befürchten, dass sie dauerhaft leer stehen werden und mittelfristig möglicherweise abgerissen werden müssen. In Badenhausen gibt es wenige Wohnungsleerstände; Nahversorger sind vorhanden. Die Nachfrage nach Baugebieten entwickelt sich aus Sicht der Gemeinde nicht zuletzt durch die Nähe zur Kreisstadt Osterode am Harz relativ gut. Die Dorferneuerung war in Badenhausen nicht ganz so erfolgreich wie in Gittelde. Es mangelte an Privatinitiativen zur Nutzung dieses Instruments. Zudem stand der Kommune kein ausreichender finanzieller Spielraum für die erforderliche Mitfinanzierung zur Verfügung. In Eisdorf - ebenfalls in der Nähe zur Stadt Osterode am Harz liegend - besteht ein großes Baugebiet aus den 90er Jahren. Die Ausweisung dieser Bauflächen belebte den Zuzug. Die vorhandenen Neubauflächen in Eisdorf decken den Bedarf vermutlich für die nächsten zwanzig Jahre. Hier ist die bauliche Entwicklung weitgehend abgeschlossen. Im Juli 2008 nahm die Niedersächsische Landesregierung Eisdorf neben elf anderen Dörfern landesweit in das Dorferneuerungsprogramm „Modellprojekte zur Umnutzung landwirtschaftlicher Altgebäude und Hofanlagen“18 auf. Im Außenbereich von Teichhütte wurde kürzlich ein Einkaufszentrum errichtet. Diese Investition trug zu Laden-Leerständen im Kernbereich bei. Hinzu kam, dass Filialen von Post und Geldinstituten in den letzten Jahren geschlossen wurden. Es existiert ein Bringservice von Teichhütte aus. In Willensen stehen ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude leer. Hier werden die Zeichen des demographischen Wandels besonders deutlich. 18 Dorferneuerung - Modellprojekte zur Umnutzung landwirtschaftlicher Altgebäude und Hofanlagen (Beschluss des Landtages vom 14.November 2007 - Drs. 15/4227) 47
  • 48. Nach Angaben der Samtgemeinde Bad Grund werden derzeit folgende Baugebiete vermarktet: (Stand: 22. September 2008) Bebauungsplan- Satzungs- Inkrafttreten Zahl der Freie Bau- Nr. beschluss Bauplätze grundstücke Eisdorf 11 „Oberdorf“ 29.07.2002 01.11.2002 30 22 Gittelde 20 „ Unter den 28.02.2005 14:03.2005 9 5 Beekwiesen“ 22 „Breslauer 28.02.2005 14.03.2005 8 5 Straße“ Windhausen Nr. 06 „Hinter dem 12.09.2005 23.09.2005 Knick“ 48
  • 49. 3.1.6 Stadt Osterode am Harz Fläche: 102,46 km² Einwohner 24.209 Bevölkerungsdichte: 239 Einwohner pro km² Bevölkerungsentwicklung 26.000 25.500 25.000 24.500 24.000 23.500 23.000 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 LSKN, Graphik: Metropolconsult In der Stadt Osterode am Harz wohnen 24.730 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 2007) in 14 Ortschaften mit folgender Verteilung: Osterode am Harz (11.500), Freiheit (2.100), Förste (2.000), Schwiegershausen (1.800), Dorste (1.650), Lasfelde (1.300), Katzenstein (1.200), Lerbach (1.200), Petershütte (800), Marke (150), Düna (140) und Ührde (100). Die Kreisstadt Osterode am Harz ist die bevölkerungsreichste Stadt des Landkreises und wird auch von der Bevölkerung als Zentrum des Landkreises wahrgenommen. Förste und Lasfelde bilden weitere Kern- bereiche. Viele der in Osterode am Harz ansässigen Unternehmen entwickeln sich derzeit gut. Erweiterungsinvestitionen tragen zu einer positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bei. Diese Entwicklungen sicheren das raumordnerische Planungsziel „Arbeit“ für die Kreisstadt. Seit Ende der neunziger Jahre sind jedoch aus Osterode mehr Menschen weg- als zugezogen. 49