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      PORTFOLIO | JUNGE TALENTE



                        Andy Spyra

                        An den Rändern der Geschichte




      Nachdem das Wahrzeichen der Stadt, die Brücke Stari Most, 1993 im Krieg zerstört wurde, springen die Männer von Mostar heute wieder von ihr in den Fluss Neretva.




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                                                                              Er ist bei den Schicksalen der Menschen,
                                                                              wenn jene aus den Schlagzeilen
                                                                              verschwunden sind. Andy Spyra
                                                                              erzählt seine Geschichten auf lange
                                                                              Sicht und von seltener Intensität.
                                                                              Dabei benutzt er die Handykamera
                                                                              ebenso wie die analoge Filmtechnik.



                                                                                   Kann man von einer nachhaltigen Fotografie spre-
                                                                              chen? Ein Begriff, den es nicht gibt, der einem aber ein-
                                                                              fällt, wenn man den Bildern von Andy Spyra begegnet.
                                                                              Der 27-Jährige aus Hagen reist den Geschehnissen
                                                                              hinterher, die längst aus den Schlagzeilen der Aktualitä-
                                                                              ten verschwunden sind. Er zeigt auf Konflikte, die wir ver-
                                                                              gessen haben, die in den Tagesnachrichten nicht mehr
                                                                              oder nur noch am Rande vorkommen. Andy Spyra erin-
                                                                              nert in dramatischen Bildern daran, dass nichts auf der
                                                                              Welt in Ordnung ist – weder in Kaschmir, wo der Streit
                                                                              zwischen Indien und Pakistan seit Jahrzehnten währt,
                                                                              weder nach dem Genozid in Bosnien, noch im Irak. Wie
                                                                              kommt es, dass ein junger Mann pendelt zwischen West
                                                                              und Ost, meist ohne Auftrag, ohne den „sicheren“ Hin-
                                                                              tergrund eines Verlagshauses oder eines Magazins?
                                                                                   Es sind die Menschen und ihre Geschichten, die
                                                                              ihn fesseln, seit der im westfälischen Hagen geborene
                                                                              Andy Spyra nach dem Abitur mit dem Motorrad durch
                                                                              Indien fuhr, noch zwei Monate übrig hatte, wie er sagt,
                                                                              und in Kaschmir hängen blieb. Mit der Fotografie hatte
                                                                              er damals noch nichts zu tun, dennoch ist hier der Be-
                                                                              ginn einer Obsession zu suchen, die ihn bis heute nicht
                                                                              loslässt. Was er ver folgt? „Es sind die Themen, die
                                                                              mich als Mensch berühren“, sagt er, „und von denen
                                                                              ich denke, dass sie erzählt werden müssen. So war es,
                                                                              als ich das erste Mal bei einer Demonstration in Srina-
                                                                              gar mit dem Kaschmirkonflikt hautnah in Berührung
                                                                              kam und ebenso in Bosnien, wo ich durch eine Geo-Re-
                                                                              portage auf die noch immer offenen Wunden des dor-
                                                                              tigen Völkermordes aufmerksam geworden bin. In mei-
                                                                              nem neuen Langzeitprojekt beschäftige ich mich mit



                                                                                      2 | 2012 PHOTO International                   55
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      PORTFOLIO | JUNGE TALENTE




      dem Verschwinden der Christen aus dem Nahen Osten,
      und auch dies ist eine Geschichte, die mich persönlich
      beschäftigt. Mich interessieren die Randbereiche un-
      serer Existenz, der Teil unseres Lebens, mit dem wir
      nur selten oder auch gar nicht in Berührung kommen:
      der blinde Hass während des Völkermordes in Bos-
      nien, die ohnmächtige Wut in Kaschmir, aber auch der
      unbrechbare Glaube der Christen im Irak, die sich un-
      ter Bedrohung ihres Lebens zu ihrer Religion und Hei-
      mat bekennen. Die mitunter jahrelange Auseinander-
      setzung mit solchen Themen hat mich als Fotograf,
      aber vor allem als Mensch sehr geprägt.“

      Von der Lokalzeitung in die Welt
          Dabei hätte Andy Spyra Sozialwissenschaften stu-
      dieren sollen, allein die schlechte Abiturnote machte
      das nicht sofort möglich. Die Indienreise kam dazwi-
      schen, von der er zwar Fotos mitbrachte, sie aber der-
      maßen klischeehaft empfand, dass er bei der Lokal-         Foca, Ostbosnien.
      zeitung seiner Heimatstadt Hagen ein Praktikum als
      Redaktionsfotograf begann und dor t ein Jahr blieb.
      Anschließend wollte er es genau wissen und ging 2007
      zum Fotografiestudium an die Fachhochschule Hanno-
      ver. Zwei Jahre später erhielt er den „Getty Images
      Grants for Editorial Photography“ und konnte es schier
      nicht glauben: Mit ihm auf dem Treppchen stand Paolo
      Pellegrin, Magnumfotograf und eines seiner Vorbilder.
      Spyra war der erste Student und Deutsche, der das
      begehrte 5000-Dollar-Stipendium der Bildagentur Getty
      erhielt. Und es natürlich sofort in seine Projekte in-
      vestierte. Nur ein Jahr später kam der Newcomer-Award
      des Oskar-Barnack-Preises dazu.
          Spyras Bilder sind einerseits direkt und hart, dann
      wieder weich und elegisch, aber immer schwarzweiß
      mit kräftigen Kontrasten. Vielleicht wie er selbst. „Die
      Bildsprache ist immer auch das Spiegelbild des Foto-
      grafen“, weiß er. „Meine Fotografie ist Ausdruck meines
      Anspruchs, immer nah am Menschen und den Gescheh-
      nissen zu sein, nicht nur physisch. Ich muss, um eine
      Geschichte mit meinen Bildern erzählen zu können,
      diese nicht nur intellektuell, sondern auch emotional
      verstehen lernen. Die sich dabei ergebende Bildspra-
      che (ich bevorzuge diesen Ausdruck, denn seinen Stil
      kann man als Fotograf nicht wählen, sondern man
      ist sein Stil) darf jedoch den Blick auf die eigentliche
      Geschichte nicht verstellen.“ So muss man sich den



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                   Oben: Massengrab bei Srebrenica. Unten: Proteste gab es gegen den Bau einer orthodoxen serbischen Kirche unweit der Gedenkstätte für die Opfer von Srebrenica.




                                                                                                                             2 | 2012 PHOTO International                           57
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      PORTFOLIO | JUNGE TALENTE




      Es dauerte Jahre, bis die Opfer identifiziert waren.
      Am 15. Jahrestag des Völkermordes von Srebrenica
      stehen Särge zur Beisetzung bereit.




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                                                                              Links: Die Gedenkstätte von Srebrenica.
                                                                              Unten: Massengrab im See Perucac bei Visegrad.




                                                                              Fotografen nicht als diskreten Reporter vorstellen: „Ich
                                                                              habe auch wenig Bestrebungen, unauffällig zu sein – ich
                                                                              möchte schließlich mit den Menschen reden, will ihre
                                                                              Geschichte hören und ihnen nahe kommen. Viel wich-
                                                                              tiger ist Ehrlichkeit. Die Menschen merken, wenn man
                                                                              aufrichtig mit ihnen ist – gerade wenn man nicht mit
                                                                              Worten, weil man ihre Sprache nicht beherrscht, son-
                                                                              dern mit den Augen kommuniziert.“
                                                                                   Und so bedingt seine Arbeitsweise das Equipment
                                                                              (das immer auch wechselt) nach dem Motto „Keep it
                                                                              light and simple“. Ein Kamerabody und eine 28-mm-
                                                                              Optik. Es gibt aber auch Ausnahmen: „Bei meinem
                                                                              Projekt ‚Echoes and memories‘ über die Nachwirkun-
                                                                              gen des Genozids in Bosnien habe ich zum Beispiel mit
                                                                              mehreren Formaten gearbeitet, um der Optik der Ge-
                                                                              schichte gerecht zu werden. Dabei habe ich im Laufe
                                                                              von zwei Jahren sieben Kameras verwendet. Zwei ana-
                                                                              loge und zwei digitale Leicas, eine Nikon D700, zwei
                                                                              Panoramakameras (Hasselblad X-Pan), eine Holga
                                                                              fürs Mittelformat und mein iPhone.“ Der überwiegende
                                                                              Teil der Bilder entsteht auf analogem Film: „Ich benutze
                                                                              sowohl für Kleinbild- als auch meine Mittelformatauf-
                                                                              nahmen ausschließlich Kodak Tri X. Ich mag die Optik
                                                                              und bin ein großer Fan vom Tri X-Korn. Leider habe ich
                                                                              jetzt selber keine Zeit mehr zum Entwickeln. Ausgerech-
                                                                              net in meiner Heimatstadt Hagen habe ich aber jeman-
                                                                              den gefunden, der meine Filme professionell und in
                                                                              Handarbeit entwickelt. Herr Heß teilt meine Vorliebe
                                                                              für Schwarzweiß, und wir haben viele Entwicklermi-
                                                                              schungsverhältnisse ausprobier t, nur um am Ende
                                                                              wieder bei einer klassischen Rodinal 1:50-Mischung
                                                                              anzukommen.“                                         eh



                                                                                Andy Spyra wurde 1984
                                                                                in Hagen geboren.
                                                                                Arbeitet ein Jahr als Fotograf
                                                                                bei der örtlichen Tageszeitung
                                                                                in Hagen.
                                                                                Ab 2007 Studium der Fotografie
                                                                                an der Fachhochschule Hannover, das er 2009 abbricht.
                                                                                Seitdem, und auch schon während des Studiums, arbeitet er an
                                                                                Langzeitprojekten auf dem Balkan und im Mittleren Osten.
                                                                                Veröffentlichungen in Geo, New York Times u.a.
                                                                                Ausstellungen im Mai 2012 in Erbil, der Hauptstadt des kurdischen
                                                                                Teils des Irak, und im September im Kunstverein Friedrichshafen.
                                                                                Andy Spyra lebt und arbeitet in Hagen und Istanbul.




                                                                                        2 | 2012 PHOTO International                           59

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Andy Spyra Photo International

  • 1. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 54 PORTFOLIO | JUNGE TALENTE Andy Spyra An den Rändern der Geschichte Nachdem das Wahrzeichen der Stadt, die Brücke Stari Most, 1993 im Krieg zerstört wurde, springen die Männer von Mostar heute wieder von ihr in den Fluss Neretva. 54 PHOTO International 2 | 2012
  • 2. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 55 Er ist bei den Schicksalen der Menschen, wenn jene aus den Schlagzeilen verschwunden sind. Andy Spyra erzählt seine Geschichten auf lange Sicht und von seltener Intensität. Dabei benutzt er die Handykamera ebenso wie die analoge Filmtechnik. Kann man von einer nachhaltigen Fotografie spre- chen? Ein Begriff, den es nicht gibt, der einem aber ein- fällt, wenn man den Bildern von Andy Spyra begegnet. Der 27-Jährige aus Hagen reist den Geschehnissen hinterher, die längst aus den Schlagzeilen der Aktualitä- ten verschwunden sind. Er zeigt auf Konflikte, die wir ver- gessen haben, die in den Tagesnachrichten nicht mehr oder nur noch am Rande vorkommen. Andy Spyra erin- nert in dramatischen Bildern daran, dass nichts auf der Welt in Ordnung ist – weder in Kaschmir, wo der Streit zwischen Indien und Pakistan seit Jahrzehnten währt, weder nach dem Genozid in Bosnien, noch im Irak. Wie kommt es, dass ein junger Mann pendelt zwischen West und Ost, meist ohne Auftrag, ohne den „sicheren“ Hin- tergrund eines Verlagshauses oder eines Magazins? Es sind die Menschen und ihre Geschichten, die ihn fesseln, seit der im westfälischen Hagen geborene Andy Spyra nach dem Abitur mit dem Motorrad durch Indien fuhr, noch zwei Monate übrig hatte, wie er sagt, und in Kaschmir hängen blieb. Mit der Fotografie hatte er damals noch nichts zu tun, dennoch ist hier der Be- ginn einer Obsession zu suchen, die ihn bis heute nicht loslässt. Was er ver folgt? „Es sind die Themen, die mich als Mensch berühren“, sagt er, „und von denen ich denke, dass sie erzählt werden müssen. So war es, als ich das erste Mal bei einer Demonstration in Srina- gar mit dem Kaschmirkonflikt hautnah in Berührung kam und ebenso in Bosnien, wo ich durch eine Geo-Re- portage auf die noch immer offenen Wunden des dor- tigen Völkermordes aufmerksam geworden bin. In mei- nem neuen Langzeitprojekt beschäftige ich mich mit 2 | 2012 PHOTO International 55
  • 3. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 56 PORTFOLIO | JUNGE TALENTE dem Verschwinden der Christen aus dem Nahen Osten, und auch dies ist eine Geschichte, die mich persönlich beschäftigt. Mich interessieren die Randbereiche un- serer Existenz, der Teil unseres Lebens, mit dem wir nur selten oder auch gar nicht in Berührung kommen: der blinde Hass während des Völkermordes in Bos- nien, die ohnmächtige Wut in Kaschmir, aber auch der unbrechbare Glaube der Christen im Irak, die sich un- ter Bedrohung ihres Lebens zu ihrer Religion und Hei- mat bekennen. Die mitunter jahrelange Auseinander- setzung mit solchen Themen hat mich als Fotograf, aber vor allem als Mensch sehr geprägt.“ Von der Lokalzeitung in die Welt Dabei hätte Andy Spyra Sozialwissenschaften stu- dieren sollen, allein die schlechte Abiturnote machte das nicht sofort möglich. Die Indienreise kam dazwi- schen, von der er zwar Fotos mitbrachte, sie aber der- maßen klischeehaft empfand, dass er bei der Lokal- Foca, Ostbosnien. zeitung seiner Heimatstadt Hagen ein Praktikum als Redaktionsfotograf begann und dor t ein Jahr blieb. Anschließend wollte er es genau wissen und ging 2007 zum Fotografiestudium an die Fachhochschule Hanno- ver. Zwei Jahre später erhielt er den „Getty Images Grants for Editorial Photography“ und konnte es schier nicht glauben: Mit ihm auf dem Treppchen stand Paolo Pellegrin, Magnumfotograf und eines seiner Vorbilder. Spyra war der erste Student und Deutsche, der das begehrte 5000-Dollar-Stipendium der Bildagentur Getty erhielt. Und es natürlich sofort in seine Projekte in- vestierte. Nur ein Jahr später kam der Newcomer-Award des Oskar-Barnack-Preises dazu. Spyras Bilder sind einerseits direkt und hart, dann wieder weich und elegisch, aber immer schwarzweiß mit kräftigen Kontrasten. Vielleicht wie er selbst. „Die Bildsprache ist immer auch das Spiegelbild des Foto- grafen“, weiß er. „Meine Fotografie ist Ausdruck meines Anspruchs, immer nah am Menschen und den Gescheh- nissen zu sein, nicht nur physisch. Ich muss, um eine Geschichte mit meinen Bildern erzählen zu können, diese nicht nur intellektuell, sondern auch emotional verstehen lernen. Die sich dabei ergebende Bildspra- che (ich bevorzuge diesen Ausdruck, denn seinen Stil kann man als Fotograf nicht wählen, sondern man ist sein Stil) darf jedoch den Blick auf die eigentliche Geschichte nicht verstellen.“ So muss man sich den 56 PHOTO International 2 | 2012
  • 4. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 57 Oben: Massengrab bei Srebrenica. Unten: Proteste gab es gegen den Bau einer orthodoxen serbischen Kirche unweit der Gedenkstätte für die Opfer von Srebrenica. 2 | 2012 PHOTO International 57
  • 5. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 58 PORTFOLIO | JUNGE TALENTE Es dauerte Jahre, bis die Opfer identifiziert waren. Am 15. Jahrestag des Völkermordes von Srebrenica stehen Särge zur Beisetzung bereit. 58 PHOTO International 2 | 2012
  • 6. 54-59_PI_2-12_JungeTalente_54_po_JungeTalente_druck 07.02.12 06:56 Seite 59 Links: Die Gedenkstätte von Srebrenica. Unten: Massengrab im See Perucac bei Visegrad. Fotografen nicht als diskreten Reporter vorstellen: „Ich habe auch wenig Bestrebungen, unauffällig zu sein – ich möchte schließlich mit den Menschen reden, will ihre Geschichte hören und ihnen nahe kommen. Viel wich- tiger ist Ehrlichkeit. Die Menschen merken, wenn man aufrichtig mit ihnen ist – gerade wenn man nicht mit Worten, weil man ihre Sprache nicht beherrscht, son- dern mit den Augen kommuniziert.“ Und so bedingt seine Arbeitsweise das Equipment (das immer auch wechselt) nach dem Motto „Keep it light and simple“. Ein Kamerabody und eine 28-mm- Optik. Es gibt aber auch Ausnahmen: „Bei meinem Projekt ‚Echoes and memories‘ über die Nachwirkun- gen des Genozids in Bosnien habe ich zum Beispiel mit mehreren Formaten gearbeitet, um der Optik der Ge- schichte gerecht zu werden. Dabei habe ich im Laufe von zwei Jahren sieben Kameras verwendet. Zwei ana- loge und zwei digitale Leicas, eine Nikon D700, zwei Panoramakameras (Hasselblad X-Pan), eine Holga fürs Mittelformat und mein iPhone.“ Der überwiegende Teil der Bilder entsteht auf analogem Film: „Ich benutze sowohl für Kleinbild- als auch meine Mittelformatauf- nahmen ausschließlich Kodak Tri X. Ich mag die Optik und bin ein großer Fan vom Tri X-Korn. Leider habe ich jetzt selber keine Zeit mehr zum Entwickeln. Ausgerech- net in meiner Heimatstadt Hagen habe ich aber jeman- den gefunden, der meine Filme professionell und in Handarbeit entwickelt. Herr Heß teilt meine Vorliebe für Schwarzweiß, und wir haben viele Entwicklermi- schungsverhältnisse ausprobier t, nur um am Ende wieder bei einer klassischen Rodinal 1:50-Mischung anzukommen.“ eh Andy Spyra wurde 1984 in Hagen geboren. Arbeitet ein Jahr als Fotograf bei der örtlichen Tageszeitung in Hagen. Ab 2007 Studium der Fotografie an der Fachhochschule Hannover, das er 2009 abbricht. Seitdem, und auch schon während des Studiums, arbeitet er an Langzeitprojekten auf dem Balkan und im Mittleren Osten. Veröffentlichungen in Geo, New York Times u.a. Ausstellungen im Mai 2012 in Erbil, der Hauptstadt des kurdischen Teils des Irak, und im September im Kunstverein Friedrichshafen. Andy Spyra lebt und arbeitet in Hagen und Istanbul. 2 | 2012 PHOTO International 59