Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Schröder, Schmalbauch: Bühnenarbeitsrecht
1. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Bühnenarbeitsrecht
Michael Schröder
Rechtsanwalt, Stellvertreter des Geschäftsführenden Direktors des Deutschen
Bühnenvereins Bundesverband der Theater und Orchester, Köln
Ilka Schmalbauch
Rechtsanwältin, Referentin für juristische Fragen beim Deutschen Bühnenverein
Bundesverband der Theater und Orchester, Köln
Inhalt Seite D
2.3
S. 1
1. Einleitung 2
2. Tarifpolitische Situation 3
3. Struktur des NV Bühne 5
4. Inhalt des NV Bühne 6
4.1 Für welche Theater gilt der NV Bühne? 6
4.2 Für welche Arbeitnehmer gilt der NV Bühne? 7
4.3 Für welche Bühnenkünstler gilt der NV Bühne nicht? 9
4.4 Abschluss des Arbeitsvertrags 10
4.5 Arbeitszeit 11
4.6 Teilzeit und Altersteilzeit 15
4.7 Mitwirkungspflicht 16
4.8 Vergütung, Sondervergütungen und sonstige Bezüge 17
4.9 Freistellung von der Arbeit 20
4.10 Nebenbeschäftigung und Gastierurlaub 21
4.11 Urheber- und Leistungsschutzrechte der Künstler 22
4.12 Nichtverlängerungsrecht 24
4.13 Kündigung 28
4.14 Schiedsgerichtsbarkeit 30
4.15 Übergangs- und Schlussvorschriften 31
5. Geltung des NV Bühne für Privattheater 32
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
1. Einleitung
Das Bühnenarbeitsrecht wird üblicherweise verstanden als das spezielle Arbeits-
recht, das für Bühnenkünstler gilt. Selbstverständlich arbeiten nicht nur Künstler
an Theatern und Opernhäusern, sondern auch Bühnenarbeiter, Verwaltungsange-
stellte und viele andere Arbeitnehmer mit nicht-künstlerischen Berufen. Soweit
das jeweilige Theater von der öffentlichen Hand getragen wird, so gelten für die
nicht-künstlerischen Arbeitnehmer der Bundes-Angestelltentarifvertrag bzw. die
entsprechenden Arbeitertarifverträge des öffentlichen Dienstes. Dazu werden wir
in diesem Beitrag nur eine paar kurze Hinweise geben und uns ansonsten an die
Gepflogenheit halten, als Bühnenarbeitsrecht nur das besondere Arbeitsrecht für
Bühnenkünstler zu verstehen.
Unter Bühnenkünstlern werden zusammengefasst Solisten, künstlerisch tätige
D Bühnentechniker, Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder. Darüber hinaus benö-
2.3 tigt ein Opernhaus natürlich noch ein Orchester, dessen Musiker ebenfalls künst-
S. 2 lerisch tätig sind. Doch gibt es in der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der
Bühnenkünstler einerseits und der Orchestermusiker andererseits erhebliche Un-
terschiede, die eine einheitliche Darstellung als wenig ratsam erscheinen lassen.
Zudem finden sich die Regelungen für Musiker einheitlich im Tarifvertrag für
Musiker in Kulturorchestern (TVK), unabhängig davon, ob der Musiker in einem
Opernorchester oder in einem reinen Konzertorchester tätig ist. Deshalb wird
dieser Beitrag das Arbeitsrecht für Orchestermusiker vollständig außen vorlassen
und sich auf die Bühnenkünstler im oben beschriebenen Sinne beschränken.
Zunächst einmal bleibt für das Bühnenarbeitsrecht festzuhalten, dass auch bei ihm
die aus dem allgemeinen Arbeitsrecht bekannte (nationale) Normenhierarchie zu
beachten ist. An oberster Stelle steht das Grundgesetz, es folgen die für das Ar-
beitsrecht einschlägigen Gesetze, an dritter Stelle steht der Tarifvertrag und für die
unterste Stufe bleibt der individuelle Arbeitsvertrag. Durch die Mitgliedschaft
Deutschlands in der Europäischen Union wird dieses System überwölbt durch die
Verordnungen und Richtlinien der EU, die unmittelbar bzw. über die Verpflichtung
der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung Einfluss auf das nationale Recht haben. Zu
den Einzelheiten siehe die Beiträge zum allgemeinen Arbeitsrecht in diesem Werk.
Das Bühnenarbeitsrecht wird maßgeblich durch den einschlägigen Tarifvertrag
geprägt, nämlich den Normalvertrag Bühne (NV Bühne). Das Wort „Normalver-
trag“ ist heute außerhalb des Theaters nicht mehr gebräuchlich, meint aber einen
„normalen“ Tarifvertrag, der den Vorgaben des Tarifvertragsgesetzes genügt (zu
diesen siehe den gesonderten Beitrag „Einführung in das Tarifvertragsrecht“ von
Dr. Gereon Röckrath). Die Tarifvertragsparteien haben dennoch in alter Tradition
an dem Begriff „Normalvertrag“ festgehalten, weil bereits die erste diesbezügli-
che Regelung im Bühnenbereich diese Bezeichnung führte: der Normalvertrag
Solo vom 1. Mai 1924.
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3. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Dieser Beitrag wird das Bühnenarbeitsrecht wegen der starken tarifvertraglichen
Prägung anhand der Regelungsstruktur des NV Bühne erläutern und an den pas-
senden Stellen auf die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen hinweisen. Der
NV Bühne ist ein noch recht junger Tarifvertrag, der am 1. Januar 2003 in Kraft
getreten ist. Zuvor herrschte eine häufig kritisierte Vielfalt von verschiedenen
Tarifverträgen, die der Deutsche Bühnenverein mit den drei Künstlergewerk-
schaften durch eine umfangreiche Reform und Vereinheitlichung der Tarifverträ-
ge beseitigt hat. Die tarifpolitische Situation, die im Zusammenhang mit der Ta-
rifpolitik für den gesamten öffentlichen Dienst zu sehen ist, wollen wir zunächst
etwas ausführlicher beschreiben, bevor wir nachfolgend die einzelnen Abschnitte
des NV Bühne vorstellen.
2. Tarifpolitische Situation
D
Vor dem In-Kraft-Treten des NV Bühne bestanden für die jeweiligen Künstler- 2.3
gruppen gesonderte Tarifverträge: S. 3
- für die Solisten der Normalvertrag Solo,
- für die überwiegend künstlerisch tätigen Bühnentechniker der Bühnentechni-
kertarifvertrag (BTT),
- für die Chorsänger der Normalvertrag Chor und
- für die Gruppentänzer der Normalvertrag Tanz.
Zu diesen Tarifverträgen traten für jede Künstlergruppe noch weitere ergänzende
Tarifverträge, die z.B.
- die Zahlung einer Zuwendung (13. Monatsgehalt),
- eines Urlaubsgeldes oder
- vermögenswirksamer Leistungen regelten.
Berücksichtigt man noch den oben bereits erwähnten Tarifvertrag für Kulturor-
chester (TVK) für Orchestermusiker und die beiden Tarifverträge für das nicht-
künstlerische Personal, so wird die frühere starke Zersplitterung des einschlägi-
gen Tarifrechts unmittelbar deutlich.
Diese Vielfalt führte zum Einen zu einer Unübersichtlichkeit, die nur durch den
täglichen Umgang mit den verschiedenen Vorschriften zu bewältigen war. Ärger-
licher und für den Betriebsablauf des Theaters störender war die andere Folge,
nämlich zum Teil erheblich abweichende Regelungen für die einzelnen Beschäf-
tigtengruppen zur Struktur des Arbeitsablaufes am Theater, wie z.B. Dauer der
Proben, Länge der Ruhezeiten und Anzahl der freien Tage. Einige dieser Unter-
schiede sind durch die künstlerischen Besonderheiten, die für die jeweilige Grup-
pen zu beachten sind, gerechtfertigt und werden auch im NV Bühne beibehalten.
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Andere Differenzierungen sind im Laufe der Zeit nur dadurch entstanden, dass
unterschiedliche Tarifvertragsparteien Tarifverträge abgeschlossen haben, die
nicht hinreichend untereinander abgestimmt waren.
Deshalb hat der Deutsche Bühnenverein als der für die künstlerischen Mitarbeiter
zuständige Arbeitgeberverband bereits im Juli 1993 in seinen Tarifpolitischen
Leitlinien als langfristiges Ziel die Schaffung eines einheitlichen Tarifvertrags
festgelegt. Als ersten Schritt hat der Deutsche Bühnenverein Verhandlungen mit
den beiden zuständigen Künstlergewerkschaften, der Genossenschaft Deutscher
Bühnen-Angehöriger (GDBA) und der Vereinigung deutscher Opernchöre und
Bühnentänzer (VdO), aufgenommen, um die Tarifverträge für die Opernchor- und
Tanzgruppenmitglieder zu reformieren und zu vereinheitlichen. Diese Verhand-
lungen zum NV Chor/Tanz haben sich zwar wegen vieler Bedenken der Gewerk-
schaften über Jahre hingezogen, konnten aber im Jahr 2000 erfolgreich abge-
D schlossen werden. Daraufhin trat dieser Tarifvertrag am 1. Januar 2001 in Kraft.
2.3
Im unmittelbaren Anschluss daran führten der Bühnenverein und die beiden Ge-
S. 4
werkschaften auf dieser Grundlage erneut Tarifverhandlungen, um auch die Tarif-
regelungen für die Solisten und für die künstlerische Bühnentechnik der neuen
vereinheitlichten Tarifvertragsstruktur anzupassen und damit einen einheitlichen
Tarifvertrag für die Bühnenkünstler zu schaffen. Im Juni 2002 konnten diese
Gespräche zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, so dass der NV
Bühne am 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist.
Um das Bild der tarifpolitischen Situation für den Theaterbereich abzurunden, sei
nur darauf hingewiesen, dass parallel zu den Änderungen für die Bühnenkünstler
auch der TVK grundlegend reformiert worden ist. Zunächst konnte der Bühnen-
verein in mehreren Schritten durch Verhandlungen mit der Musikergewerkschaft
(Deutsche Orchestervereinigung, DOV) erreichen, dass die Regelungen über die
Länge von Bühnenproben sowie über die Ruhezeiten vor Aufführungen mit den
Festlegungen im NV Bühne harmonisiert und die Verteilung der Orchesterdienste
flexibilisiert worden sind. Seid 2004 verhandelte der Bühnenverein mit der Musi-
kergewerkschaft über eine umfassende Reform des TVK, die nach zähem Ringen
im Herbst 2009 abgeschlossen werden konnte. Der neue TVK ist darauf hin am
1. Januar 2010 in Kraft getreten und bietet den Theatern und Orchestern weitere
Flexibilisierungen bei dem Einsatz der Musiker sowie die erweiterte Möglichkeit
für den Austausch von Musikern zwischen benachbarten Orchestern.
Die nicht-künstlerischen Mitarbeiter aller Theater in öffentlicher Trägerschaft
sind hingegen Teil des öffentlichen Dienstes, für den die öffentlichen Arbeitgeber
mit der zuständigen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ebenfalls eine Moderni-
sierung des Tarifrechts verhandelt haben, durch die unter anderem die nicht mehr
zeitgemäße Unterscheidung der Arbeitnehmer in Arbeiter und Angestellte aufge-
geben worden ist. Leider ist im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen die
Tarifeinheit des öffentlichen Dienstes zerbrochen. Daher gibt es nunmehr einen
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), den der Bund und die Vereini-
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