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Dr. Marion Bär
Kompetenzzentrum Alter
am Institut für Gerontologie Heidelberg
Newsletter-Day
Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD)
28. Februar 2014
DEMIAN-Konzept
Positive Alltagssituationen gestalten
– Sinnerleben fördern
Was ist schon ein
Moment…
Der Tag hat 24
Stunden!
Entwicklung
• 2004 – 2010 in zwei Forschungsabschnitten entwickelt und für die
stationäre Langzeitpflege empirisch geprüft
• Multiprofessionelles Forscherteam (Gerontologie, Pflegewissenschaft,
Psychologie)
• Mitglied im Pflegeforschungsverbund NRW
• Förderer: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
• Seit 2012 erste Schritte zu langfristiger Implementierung
Rahmen
• Ein Konzept für die Pflege und Begleitung (nicht nur) von Menschen
mit Demenz
DEMIAN
DEmenzkranke Menschen in Individuell bedeutsamen
AlltagssituationeN
Menschen, die Ihnen
wichtig sind?
Aufgaben und Tätigkeiten, die
Ihnen Freude bereiten?
Erinnerungen, die Ihnen Kraft geben?
Dinge, an denen Sie
hängen?
Ziele und Ereignisse, auf
die Sie hinleben?
Würden Sie auf all dies verzichten können?
… und was macht IHR Leben reich?
Personen, Erinnerungen, Ziele, Tätigkeiten, persönliche
Projekte, Dinge,
die mir etwas bedeuten,
mein Leben bereichern,
an denen ich hänge, die für mich persönlich wert-voll sind
Individuell bedeutsame Andere
Bindungen an individuell bedeutsame Andere sind Ausdruck unserer
Individualität
Im Kontakt mit Individuell bedeutsamen Anderen erfahren wir
Lebenssinn
„Mensch-Sein (verweist) über sich selbst hinaus auf etwas (…), das nicht wieder
es selbst ist, - auf etwas oder auf jemanden: auf einen Sinn, den zu erfüllen es
gilt, oder auf mitmenschliches Sein, dem es begegnet“
Viktor Emil Frankl (1905 – 1997)
Frau Kallewitz*
• 89 Jahre alt
• Pflegeheimbewohnerin
• mittelgradige Demenz (MMST =10)
• Hilfebedarf bei der Grundpflege
• zeigt immer wieder herausforderndes Verhalten
*Name geändert
Auf die Frage, was ihr wichtig sei:
„Ich schreibe gern, das ist wie ein Hobby für mich. Vor allem Maschine
schreiben. Jetzt bin ich hier gelandet, die haben eine Schreibkraft
gesucht, da bin ich gleich genommen worden.“
„Auch jemand anderem helfen. Wenn jemand einen Wunsch hat. Das
beruhigt und befriedigt mich. Nicht dass ich Geld nehme! Wenn dann
jemand sagt “das haben Sie gut gemacht” das ist dann für mich eine
Belohnung..“
*Name geändert
…auch bei Demenz?
Positive Alltagssituationen
Individuell
bedeutsame
Andere
Erinnerungen Soziale Beziehungen
Soziale Rollen
Individuelle VorliebenLebensthemen
unmittelbar
beobachtbar
durch
Nachfragen
ermittelbar
Positive Alltagssituationen
Projekt DEMIAN: Ergebnisse
Ergebnisse
• Individuelle positiv bedeutsame Alltagssituationen wurden für alle
zufällig ausgewählten Teilnehmer gefunden (N= 98)
• Die positive Bedeutung der Situationen blieb über einen längeren
Zeitraum stabil
• Aus dem Wissen über positive Alltagssituationen konnten die
Pflegenden Maßnahmen für die Gestaltung des Alltags entwickeln
• Die Anzahl gefundener Pflegeinterventionen zur Gestaltung positiver
Alltagssituationen war unabhängig vom Schweregrad der Demenz
• Die Arbeit mit positiven Alltagssituationen wurde auch von den
Pflegenden als gewinnbringend erlebt
Projekt DEMIAN (2004-2010)
Demenzkranke Menschen in individuell
bedeutsamen Alltagssituationen
Was geschieht
mit individuell bedeutsamen Anderen, wenn die Demenz
voranschreitet?
•manche bleiben erhalten
•manche gehen verloren oder verändern sich in ihrer Ausdrucksform
•neue können auftreten
Über den Kontakt und die Begegnung mit individuell
bedeutsamen Anderen eröffnen sich Sinnmomente
– auch in den fortgeschrittenen Stadien einer Demenz
Was bleibt?
• Das Potenzial für emotionale Bindungen an individuell bedeutsame Andere
• Die Fähigkeit, Emotionen zu erleben und auszudrücken
DEMIAN – Grundsätze
1. Lebenssinn, soziale Teilhabe und Lebensfreude sind die wesentlichen Dinge, die das
Leben reich machen,- egal ob mit oder ohne Demenz
2. Auch bei Demenz gibt es Spielräume, Lebenssinn und soziale Teilhabe zu erfahren
3. In dem, was uns am Herzen liegt, sind wir individuell und unverwechselbar. Menschen
mit Demenz behalten auch bei schwersten Einschränkungen einen Kern an Individualität.
Sie bleiben Personen bis zum Schluss
4. Menschen mit Demenz dabei zu unterstützen, Lebenssinn und soziale Teilhabe zu
realisieren, ist Bestandteil sorgender Pflege und Begleitung (Care)
Positive Alltagssituationen:
Für Sie - Vielleicht nur ein Moment!
„Auch wenn wir wenig Zeit haben: Durch diese
persönliche Ansprache hat der Bewohner das Gefühl, man
hat sich FÜR IHN Zeit genommen!“
Für einen Menschen mit
Demenz vielleicht der
Lichtblick des Tages!
Neues Wissen in der Pflege anwenden
(Estabrooks et al. 1999)
Direkte Anwendung
•z.B. Anwendung von Konzepten und Instrumenten
Indirekte Anwendung
•Das das neue Wissen fließt in die Pflegeinteraktionen ein und
unterstützt die Pflegenden beim personzentrierten Umgang mit
Menschen mit Demenz
Argumentative Anwendung
Das neue Wissen dient als Argumentationsgrundlage, um
•ein bestimmtes Handeln gegenüber Dritten zu begründen
•andere zu überzeugen oder mit einzubinden
Positive
Alltagssituationen
im
Pflegeprozess
Wahrnehmen
Planen und
Dokumentieren
Frau M. reagiert erfreut,
wenn ich sie auf ihre
Tochter anspreche…
Im Team
kommunizieren
„Hast du das auch
erlebt? Welche
positiven
Alltagssituationen
von Frau M. hast
du beobachtet?“
„Die Tochter ist eine wichtige
Bezugsperson. Sie lebt in
Amerika. Mit Frau M. das
Gespräch über die Tochter
suchen, ihr aus alten und
aktuellen Briefen vorlesen.“
In die Pflege
integrieren
Direkte Anwendung: DEMIAN im Pflegeprozess
3) Pflegeziele festlegen
Hier: psychisches
Wohlbefinden
4) Pflegemaßnahmen
planen
Erstellung des individuellen
Maßnahmenplans
2) Fähigkeiten, Probleme
& Gewohnheiten
erfassen
Auswertung der
Informationen
6) Pflegemaßnahmen
auswerten & ggf.
anpassen
Prüfung der Wirksamkeit
5) Pflegemaßnahmen
durchführen
Maßnahme aus dem Plan
umsetzen
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bedeutsamer positiver
Alltagssituationen
1) Informationen sammeln
(Pflegeanamnese)
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Wahrnehmen
und Erfassen
Reflektieren,
Auswerten,
Planen
Reflektieren,
Auswerten,
Planen
Wissen
anwenden,
Situationen
gestalten
Indirekte Anwendung
Welches Wissen soll das Handeln der Mitarbeiter leiten?
• In Kontakt zu sein mit dem, was einem Menschen wichtig ist, ist Grundlage für
Lebenssinn,- für mich genauso wie für diesen Menschen mit Demenz.
• In allen Stadien der Demenz haben Menschen das Potenzial, Lebenssinn erfahren zu
können.
• Mein Handeln oder Nichthandeln als Mitarbeiter trägt entscheidend dazu bei, ob
Chancen zur Sinnerfahrung für diesen Menschen entstehen oder nicht.
• Kein positiver Moment ist zu unbedeutend. Auch wenn er nur kurz ist: Er kann für
diesen Menschen der Lichtblick des Tages sein.
• Auch wenn ich diesen Menschen gut zu kennen meine: Er immer mehr, als ich von
ihm weiß.
• In jeder Begegnung mit ihm habe ich Potenziell die Möglichkeit, etwas neues über
ihn zu erfahren.
Gefühlsarbeit (Strauss et al., 1980)
Personzentriertes Arbeiten (Kitwood, 2004)
DEMIAN- Teambesprechung
Effekte
•Informationstransfer
•Basis für Maßnahmenentwicklung
•Psychosoziale Dimensionen des pflegerischen Handelns werden
verbalisiert und sichtbar gemacht
•Die Individualität von Menschen mit Demenz wird deutlicher
•Impulse werden gesetzt für person-orientiertes Wahrnehmen und
Handeln
Sammeln und dokumentieren:
•Beobachtete positive Alltagssituationen von Frau K.
•Wissen/Vermutungen darüber, wer oder was für Frau K. wichtig ist
•Wissen/Vermutungen über sensorische Anregungen, die für Frau K.
positiv sein können
Von der individuellen Pflegeplanung zu
Veränderungen auf der Organisationsebene
Veränderungen, z.B. bei
•Aufgabenteilung zw. Pflege, Alltagsbetreuung, Hauswirtschaft
•Arbeitsabläufen
•Räumlichen Gegebenheiten
•Mahlzeitenversorgung
•Einbindung von Bezugspersonen
• Wo stoßen wir bei der Planung immer wieder auf Hürden?
• Können wir diese Hürden durch strukturelle Veränderungen
überwinden?
• Wie groß sind dabei unsere Spielräume, wo liegen unsere Grenzen?
Ein Konzept „nur“ für positive Alltagssituationen?
Ansatz: Bedarfsorientierte Integration personzentrierter Konzepte
statt Fokussierung auf ein einziges Gesamtkonzept
z.B.
•Verstehende Diagnostik* (Umgang mit
herausforderndem Verhalten)
•Milieutherapeutische Konzepte
(bedürfnisgerechte Umweltgestaltung)
*vgl. Bartholomeyczik et al. 2006
Argumentative Wissensanwendung
In der Kommunikation mit
Angehörigen, Besuchern, Kooperationspartnern, bei
Netzwerkaktivitäten im Gemeinwesen, ….
Spielräume zu Sinn und
sozialer Teilhabe trotz und
mit Demenz zum Thema
machen
Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit!
Dr. phil. Marion Bär
Kompetenzzentrum Alter am Institut für
Gerontologie
marion.baer@gero.uni-heidelberg.de
Bildnachweis: http://www.geog.ucsb.edu/mapsandsociety/slides/thematic/
cartoons/heidelberg2_thmb.jpg

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Das Projekt DEMIAN: Positive Alltagssituationen gestalten

  • 1. Dr. Marion Bär Kompetenzzentrum Alter am Institut für Gerontologie Heidelberg Newsletter-Day Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) 28. Februar 2014 DEMIAN-Konzept Positive Alltagssituationen gestalten – Sinnerleben fördern
  • 2. Was ist schon ein Moment… Der Tag hat 24 Stunden!
  • 3. Entwicklung • 2004 – 2010 in zwei Forschungsabschnitten entwickelt und für die stationäre Langzeitpflege empirisch geprüft • Multiprofessionelles Forscherteam (Gerontologie, Pflegewissenschaft, Psychologie) • Mitglied im Pflegeforschungsverbund NRW • Förderer: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) • Seit 2012 erste Schritte zu langfristiger Implementierung Rahmen • Ein Konzept für die Pflege und Begleitung (nicht nur) von Menschen mit Demenz DEMIAN DEmenzkranke Menschen in Individuell bedeutsamen AlltagssituationeN
  • 4. Menschen, die Ihnen wichtig sind? Aufgaben und Tätigkeiten, die Ihnen Freude bereiten? Erinnerungen, die Ihnen Kraft geben? Dinge, an denen Sie hängen? Ziele und Ereignisse, auf die Sie hinleben? Würden Sie auf all dies verzichten können? … und was macht IHR Leben reich?
  • 5. Personen, Erinnerungen, Ziele, Tätigkeiten, persönliche Projekte, Dinge, die mir etwas bedeuten, mein Leben bereichern, an denen ich hänge, die für mich persönlich wert-voll sind Individuell bedeutsame Andere Bindungen an individuell bedeutsame Andere sind Ausdruck unserer Individualität Im Kontakt mit Individuell bedeutsamen Anderen erfahren wir Lebenssinn „Mensch-Sein (verweist) über sich selbst hinaus auf etwas (…), das nicht wieder es selbst ist, - auf etwas oder auf jemanden: auf einen Sinn, den zu erfüllen es gilt, oder auf mitmenschliches Sein, dem es begegnet“ Viktor Emil Frankl (1905 – 1997)
  • 6. Frau Kallewitz* • 89 Jahre alt • Pflegeheimbewohnerin • mittelgradige Demenz (MMST =10) • Hilfebedarf bei der Grundpflege • zeigt immer wieder herausforderndes Verhalten *Name geändert Auf die Frage, was ihr wichtig sei: „Ich schreibe gern, das ist wie ein Hobby für mich. Vor allem Maschine schreiben. Jetzt bin ich hier gelandet, die haben eine Schreibkraft gesucht, da bin ich gleich genommen worden.“ „Auch jemand anderem helfen. Wenn jemand einen Wunsch hat. Das beruhigt und befriedigt mich. Nicht dass ich Geld nehme! Wenn dann jemand sagt “das haben Sie gut gemacht” das ist dann für mich eine Belohnung..“ *Name geändert …auch bei Demenz?
  • 7. Positive Alltagssituationen Individuell bedeutsame Andere Erinnerungen Soziale Beziehungen Soziale Rollen Individuelle VorliebenLebensthemen unmittelbar beobachtbar durch Nachfragen ermittelbar Positive Alltagssituationen
  • 8. Projekt DEMIAN: Ergebnisse Ergebnisse • Individuelle positiv bedeutsame Alltagssituationen wurden für alle zufällig ausgewählten Teilnehmer gefunden (N= 98) • Die positive Bedeutung der Situationen blieb über einen längeren Zeitraum stabil • Aus dem Wissen über positive Alltagssituationen konnten die Pflegenden Maßnahmen für die Gestaltung des Alltags entwickeln • Die Anzahl gefundener Pflegeinterventionen zur Gestaltung positiver Alltagssituationen war unabhängig vom Schweregrad der Demenz • Die Arbeit mit positiven Alltagssituationen wurde auch von den Pflegenden als gewinnbringend erlebt Projekt DEMIAN (2004-2010) Demenzkranke Menschen in individuell bedeutsamen Alltagssituationen
  • 9. Was geschieht mit individuell bedeutsamen Anderen, wenn die Demenz voranschreitet? •manche bleiben erhalten •manche gehen verloren oder verändern sich in ihrer Ausdrucksform •neue können auftreten Über den Kontakt und die Begegnung mit individuell bedeutsamen Anderen eröffnen sich Sinnmomente – auch in den fortgeschrittenen Stadien einer Demenz Was bleibt? • Das Potenzial für emotionale Bindungen an individuell bedeutsame Andere • Die Fähigkeit, Emotionen zu erleben und auszudrücken
  • 10. DEMIAN – Grundsätze 1. Lebenssinn, soziale Teilhabe und Lebensfreude sind die wesentlichen Dinge, die das Leben reich machen,- egal ob mit oder ohne Demenz 2. Auch bei Demenz gibt es Spielräume, Lebenssinn und soziale Teilhabe zu erfahren 3. In dem, was uns am Herzen liegt, sind wir individuell und unverwechselbar. Menschen mit Demenz behalten auch bei schwersten Einschränkungen einen Kern an Individualität. Sie bleiben Personen bis zum Schluss 4. Menschen mit Demenz dabei zu unterstützen, Lebenssinn und soziale Teilhabe zu realisieren, ist Bestandteil sorgender Pflege und Begleitung (Care)
  • 11. Positive Alltagssituationen: Für Sie - Vielleicht nur ein Moment! „Auch wenn wir wenig Zeit haben: Durch diese persönliche Ansprache hat der Bewohner das Gefühl, man hat sich FÜR IHN Zeit genommen!“ Für einen Menschen mit Demenz vielleicht der Lichtblick des Tages!
  • 12. Neues Wissen in der Pflege anwenden (Estabrooks et al. 1999) Direkte Anwendung •z.B. Anwendung von Konzepten und Instrumenten Indirekte Anwendung •Das das neue Wissen fließt in die Pflegeinteraktionen ein und unterstützt die Pflegenden beim personzentrierten Umgang mit Menschen mit Demenz Argumentative Anwendung Das neue Wissen dient als Argumentationsgrundlage, um •ein bestimmtes Handeln gegenüber Dritten zu begründen •andere zu überzeugen oder mit einzubinden
  • 13. Positive Alltagssituationen im Pflegeprozess Wahrnehmen Planen und Dokumentieren Frau M. reagiert erfreut, wenn ich sie auf ihre Tochter anspreche… Im Team kommunizieren „Hast du das auch erlebt? Welche positiven Alltagssituationen von Frau M. hast du beobachtet?“ „Die Tochter ist eine wichtige Bezugsperson. Sie lebt in Amerika. Mit Frau M. das Gespräch über die Tochter suchen, ihr aus alten und aktuellen Briefen vorlesen.“ In die Pflege integrieren
  • 14. Direkte Anwendung: DEMIAN im Pflegeprozess 3) Pflegeziele festlegen Hier: psychisches Wohlbefinden 4) Pflegemaßnahmen planen Erstellung des individuellen Maßnahmenplans 2) Fähigkeiten, Probleme & Gewohnheiten erfassen Auswertung der Informationen 6) Pflegemaßnahmen auswerten & ggf. anpassen Prüfung der Wirksamkeit 5) Pflegemaßnahmen durchführen Maßnahme aus dem Plan umsetzen Ermittlung individuell bedeutsamer positiver Alltagssituationen 1) Informationen sammeln (Pflegeanamnese) Gezieltes Wahrnehmen und Erfassen Reflektieren, Auswerten, Planen Reflektieren, Auswerten, Planen Wissen anwenden, Situationen gestalten
  • 15. Indirekte Anwendung Welches Wissen soll das Handeln der Mitarbeiter leiten? • In Kontakt zu sein mit dem, was einem Menschen wichtig ist, ist Grundlage für Lebenssinn,- für mich genauso wie für diesen Menschen mit Demenz. • In allen Stadien der Demenz haben Menschen das Potenzial, Lebenssinn erfahren zu können. • Mein Handeln oder Nichthandeln als Mitarbeiter trägt entscheidend dazu bei, ob Chancen zur Sinnerfahrung für diesen Menschen entstehen oder nicht. • Kein positiver Moment ist zu unbedeutend. Auch wenn er nur kurz ist: Er kann für diesen Menschen der Lichtblick des Tages sein. • Auch wenn ich diesen Menschen gut zu kennen meine: Er immer mehr, als ich von ihm weiß. • In jeder Begegnung mit ihm habe ich Potenziell die Möglichkeit, etwas neues über ihn zu erfahren. Gefühlsarbeit (Strauss et al., 1980) Personzentriertes Arbeiten (Kitwood, 2004)
  • 16. DEMIAN- Teambesprechung Effekte •Informationstransfer •Basis für Maßnahmenentwicklung •Psychosoziale Dimensionen des pflegerischen Handelns werden verbalisiert und sichtbar gemacht •Die Individualität von Menschen mit Demenz wird deutlicher •Impulse werden gesetzt für person-orientiertes Wahrnehmen und Handeln Sammeln und dokumentieren: •Beobachtete positive Alltagssituationen von Frau K. •Wissen/Vermutungen darüber, wer oder was für Frau K. wichtig ist •Wissen/Vermutungen über sensorische Anregungen, die für Frau K. positiv sein können
  • 17. Von der individuellen Pflegeplanung zu Veränderungen auf der Organisationsebene Veränderungen, z.B. bei •Aufgabenteilung zw. Pflege, Alltagsbetreuung, Hauswirtschaft •Arbeitsabläufen •Räumlichen Gegebenheiten •Mahlzeitenversorgung •Einbindung von Bezugspersonen • Wo stoßen wir bei der Planung immer wieder auf Hürden? • Können wir diese Hürden durch strukturelle Veränderungen überwinden? • Wie groß sind dabei unsere Spielräume, wo liegen unsere Grenzen?
  • 18. Ein Konzept „nur“ für positive Alltagssituationen? Ansatz: Bedarfsorientierte Integration personzentrierter Konzepte statt Fokussierung auf ein einziges Gesamtkonzept z.B. •Verstehende Diagnostik* (Umgang mit herausforderndem Verhalten) •Milieutherapeutische Konzepte (bedürfnisgerechte Umweltgestaltung) *vgl. Bartholomeyczik et al. 2006
  • 19. Argumentative Wissensanwendung In der Kommunikation mit Angehörigen, Besuchern, Kooperationspartnern, bei Netzwerkaktivitäten im Gemeinwesen, …. Spielräume zu Sinn und sozialer Teilhabe trotz und mit Demenz zum Thema machen
  • 20. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. phil. Marion Bär Kompetenzzentrum Alter am Institut für Gerontologie marion.baer@gero.uni-heidelberg.de Bildnachweis: http://www.geog.ucsb.edu/mapsandsociety/slides/thematic/ cartoons/heidelberg2_thmb.jpg

Editor's Notes

  1. 3 Schwerpunkte: Kern des Konzepts Konzept Rahmen
  2. Es geht nicht darum, dass Sie eine vollständige Liste erstellen, sondern dass Sie sich diese Personen, Projekte, Dinge oder Erinnerungen einmal kurz vergegenwärtigen.
  3. Neue Erfüllungsgestalten treten auf: Es ist oft schwer, diese als Erfüllungsgestalten anzuerkennen. - Frau S. -> laufen. Ich aber: Könnte ich das doch! Damit haben wir zum ersten: Eben keine notwendig determinierte Abwärtskurve! Umd zum anderen…
  4. - Vorab: Es dreht sich nicht um etwas, was es so in der Praxis noch nicht gibt. Sondern: Etwas, was es in so systematischer Form noch nicht gibt.
  5. Positive Alltagssituationen sind zunächst einmal etwas ganz schlichtes, einfaches. Doch sie sind alles andere als marginal. Denn die Emotionen, die ich wahrnehme, stehen für etwas. Emotionen entstehen in der Kommunikation zwischen einem Individuum und der Welt. Emotionen sind Ausdruck erhaltener Beziehungen. Das ist gerade das erschütternde bei einer Apathie: Dass man den Eindruck hat, da ist nichts mehr. Keine Beziehung, kein Zugang.
  6. Das ist nicht nur Hilfebedarf, sondern zugleich auch Herausforderung für die Personen, die Menschen mit Demenz betreuen und pflegen.
  7. o.k. so?
  8. Jetzt haben wir uns bereits mit der Indikation für DEMIAN beschäftigt … Im Folgenden möchte ich Ihnen zeigen, wie wir versucht haben, DEMIAN in den Pflegeprozess zu integrieren … Aus unserer Sicht war dies ein wichtiger Schritt in der Erarbeitung des Pflegekonzeptes, da der PP den Arbeitsablauf der Pflegepersonen leitet. Ich stelle Ihnen den PP erst einmal kurz vor – DEMIAN ist „rot“ markiert Anschließend möchte ich Ihnen ein Bsp. aus der 2. Projektphase vorstellen