5. I
Vorwort
Die Geometrie spielte in der Architektur stets eine wichtige Rolle, sowohl in der
Ausbildung der Studierenden als auch in der Praxis. Beide Bereiche wurden durch die
Verfiigbarkeit von 3-D-Modellierungs- und Visualisierungssofrware revolutioniert.
Dieser Umbruch hat zu einer Verlagerung der wesentlichen geometrischen
Inhalte gefiihrt. War friiher alleine schon die Darstellung geometrisch einfacher
Entwiirfe ein kompliziertes und zeitraubendes Unterfangen, so stellen sich heute
neue Herausforderungen, zum Beispiel in der praktischen Umsetzung komplexer,
digital erzeugter Geometrien. Damit liegt nun der 5chwerpunkt der akademischen
Ausbildung aufder Vermittlung jenes geometrischen Basiswissens, das fiir einen guten
Oberblick iiber die Vielfalt der vorhandenen (digitalen) Werkzeuge und fiir deren
efIizienten Einsatz notig isr.
Angesichts dieser Entwicklungen haben wir im Jahr 2007 das Buch "Architectural
Geometry" veroflentlichr. Das internationale Echo aufdieses mehr als 700 5eiten
starke Buch, das einen Bogen von den einfachsten Grundlagen bis hin zur akruellen
architekturgeometrischen Forschung spannt, war sowohl von Archirekrinnen und
Archicekten als auch von akademischen Lehrerinnen und Lehrern sehr positiv. Das
Buch erhielt in der Fachwelt hochstes Lob, ist aber fiir den Lehrbetrieb etwas zu
umfangreich. Mit einer deutschen Version, die speziell aufdie Bedurfnisse in der
Lehre eingeht, wollen wir zur graBen Tradition in der Geometrie-Ausbildung im
deutschsprachigen Raum beitragen. Die auf das geometrische Basiswissen reduzierte,
leichtere deuts che Fassung bietet eine kostengiinstigere Alternative zum englischen
Original fiir den Lehrbetrieb.
Die vorliegende deutsche Version ist als Grundlage fiir Einfiihrungsvorlesungen
in die Geometrie fiir Srudierende von Architekrur und Design konzipiert. Sie geht
vom traditionellen, aufder Darstellenden Geometrie beruhenden Curriculum aus
und stellt eine aufdie modernen Medlen hin ausgerichtete Form der GeometrieAusbildung
vor. Dabei werden wesentliche geometrische Inhalte der alren Schule nicht
vernachlassigt, aber wichtige neue Konzepte mit eingebunden.
Das Buch ist aber auch fur den Einsatz in der Architektur-Praxis gedacht, zumindest
fiir Projekte mit einer nicht allzu hohen geometrischen Komplexitat. All jenen,
die tiefer in das spannende Gebiet der Architektur-Geornetrie eindringen wollen,
empfehlen wir weiterhin, aufdie englische Originalausgabe zuriickzugreifen.
6. Bei den Leserinnen und Lesern dieses Buches wird keine iiber die iiblichen
Schulkenntnisse hinausgehende mathernatische Ausbildung vorausgesetzt. Zur
Erinnerung an die Schulmathemarik und zur Erleichterung des Verstandnisses haben
wir einige zentrale Tatsachen aus elernentarer und analytischer Geometrie im Anhang
zusammengestellt. Die dabei getroffene Auswahl der Inhalte ist subjektiv und kann
aufgrund der gebotenen Kiirze auch nichr vollstandig sein.
Die Vermitdung der Inhalte stiirzt sich aufeine Fiille von Abbildungen, die Freude an
der Geometrie und einer soliden Geometrieausbildung vermitteln sollen. Wir hoffen,
dass dieses Lehrbuch der Architektur-Geometrie auch dadurch leicht lesbar und gut
verstandlich ist und somit eine willkommene Grundlage fiir Einfiihrungsvorlesungen
an Universitaten darstellt.
Danksagung
Ganz besonders mochten wir uns noch einmal bei all jenen bedanken, die uns bei
der Arbeit an der englischen Orginalausgabe unterstiitzt haben. Bei der deutschen
Obersetzung haben uns vor allem Bernhard Blaschitz (Korrekturlesen), Martin
Reis (Hilfe beim Layout), onlinelektorat@aon.at (Lektorat), Elisabeth Kaziz-Hitz
und Eva Riemer (Layout) sehr professionell geholfen; allen dafiir ein aufrichtiges
Dankeschonl Unser Dank gebiihrt auch Buddy Cleveland und]effKelly von Bentle y,
welche die Obersetzung von Seiten des Verlags bestmoglich unterstiirzt haben. Ein
herzliches Danke gebuhrr auch wieder unseren Familien (zwei Kinder mehr als bei der
englischen Originalausgabe) fiir ihre Liebe und die immerwahrende Unterstiitzung
unserer Aktivitaten!
II
7. Inhalt
Kapitell: Erzeugung eines digitalen 3-D-Modells 1
Erzeugung eines digitalen 3-D-Modells 3
Modellierung des Winton-Gastehauses 5
Kugeln, Kugelkoordinaten und Exrrusionstlachen 17
Kapitel2: Projektionen 23
Projektionen 25
Perspektive 35
Licht, Schatten und Rendering 49
Normale und schiefe Axonometrie 57
Nichtlineare Abbildungen 67
Kapitel3: Polyeder und polyedrische Flachen 73
Polyeder und polyedrische Flachen 75
Pyramiden und Prismen 77
Platonische Kerper 81
Eigenschaften platonischer Kerper 87
Der goldene Schnitt 89
Archimedische Kerper 93
Geodarische Kuppeln 97
Raumfiillende Polyeder 103
Polyedrische Flachen 105
Kapitel4: Boolesche Operationen III
Boolesche Operationen 113
Vereinigung, Differenz und Durchschnitt 115
Trimmen und Splitten 119
Feature-basiertes Modellieren: ein effizienter Zugang zum Formdesign 127
Kapitel 5: Ebene Transformationen 141
Ebene Transformationen 143
Schiebung, Drehung und Spiegelung in der Ebene 145
Skalierung und Scherung 153
PB.asterungen und Pakettierungen 155
Kapitel6: Raumtransformationen 165
Raumtransformationen 167
Schiebung, Drehung und Spiegelung im Raum 169
Schraubung 179
Stetige Bewegung und Animation 187
Affine Transformationen 193
III
8. Kapitel 7: Kurven und Flachen 201
Kurven und Flachen 203
Kurven 207
Kegeischnitte 223
Flachen 229
Schnittkurven von Flachen 237
Kapite18: Freiformkurven 245
Freiformkurven 247
Bezier-Kurven 251
B-Spline-Kurven 261
NURBS-Kurven 267
Unterteilungskurven 271
Kapite19: Traditionelle Flachenklassen 277
Traditionelle Flachenklassen 279
Drehtlachen 281
Schiebflachen 297
Regeltlachen 303
Abwickeibare Flachen 315
Schraubflachen 327
Rohrtlachen 333
KapitellO: Offsets 335
Offsets 337
Offsetkurven 339
Ofisettiachen 345
Trimmen von Offsets 351
Anwendungen von Offsets 355
Kapitelll: Freiformflachen 363
Freiformtlachen 365
Bezier-Flachen 369
B-Spline-Flachen und NURBS-Flachen 383
Netze 387
Unterteilungsflachen 405
Kapitel12: Die Erstellung von Modellen im Kontext der Architektur 423
Die Erstellungvon Modellen im Kontext der Architektur 425
Fabrikationstechniken 435
Schneidebasierte Prozesse 437
Additive Verfahren:schichtbasierte Fabrikation 439
SubtraktiveVerfahren 443
Herausforderungen beim Frasenund Rapid Prototyping 447
Zusammenbau 451
Anhang - Geometrische Grundiagen 455
Literatur 465
Index 467
Bildnachweis 471
IV
10. Erzeugung eines
digitalen 3-D-Modells
Wir aile haben schon digitale Architekturmodelle von groBer Kornplexitat in
verschiedenen Darstellungsformen gesehen. Aber wie beginnen wir? Wie konnen wir
unsere Ideen mit Hilfe eines Computers verwirklichen? Was sind die geometrischen
Grundlagen, die es uns errnoglichen, ein digitales dreidimensionales (3-D-) Modell
zu erzeugen? Viele Werkzeuge und Prozeduren fur die Erstellung von 3-D-Modellen
werden von modernen CAD-Systemen (CAD steht als Abkiirzung fur Computeraided
Design) zur Verfugung gestellt. Urn die existierende Software effizient
einzusetzen - und urn dariiber hinausgehen zu konnen - ist ein gutes geometrisches
Wissen notwcndig.
Natiirlich beginnt die Entwurfsarbeit eines Architekten lange vor dem geometrischen
Modelliercn. Frank O. Gehry zu Folge kam seine Inspiration fur das
Winton-Gastehaus in Wayzata, Minnesota, von den Srillleben-Cernalden von
Giorgio Morandi. Als er in den 1980erJahren gebeten wurde, ein Gastehaus fur einen
Klienten zu bauen, entschied er sich fur einen Kontrapunkt zum Haupthaus, das
bereits 1952 von Philip Johnson gebaut worden war.
3
11. Gehry emwarfdas Gastehaus als eine groBe Freilufi:skulptur, in der jeder Raum ein
eigenstandiges Miniarur-Cebaude darsrellt (Abb. 1.1). Basierend auf Skizzen wurden
skalierte physische 3-D-Modelle und Planzeichnungen manu ell erstellt. In diesem
Kapirel lern en wir ein digitales 3-D-Modell dieses Geb audes zu erzeugen.
Abb. 1.1
(oben) Das Winton-Gastehaus von
Frank O. Gehry: Skizzen,
(unten links) skalierte physikal ische
Modelle,
(unten rechts) Foto des Gebaudes,
4
12. Abb. 1.2
Ein kartesisches Koordinatensystem
mit den drei Koordinaten (xp, YP' zp)
eines Punktes P im 3-D-Raum. Ein
Koordinatenweg, der den Ursprung 0
mit dem Punkt P verbindet, liegt auf
dem Koordinatenquader mit Lange xp ,
Breite YPund H6he zp.
xy-Ebene
zx-Ebene
Modellierung des
Winton-Gastehauses
Kartesische Koordinaten. Geometrische Objekte konncn als cine Ansammlung
von Punkrcn bcschriebcn werden, wclche die Form des Objcktcs bestimmen. Um die
Position cines Punktcs P im dreidimension alen Raum (3-D-Raum) zu bcstimrncn,
verwenden wir ein geordn etes Tripcl von Zahlen, die als Koordinaten bezeichnet
werden, Diese Koordinaten messen wir in Bezug auf ein gewahltes Koordinatensystem.
Ein kartesisches Koordinatensystem (Abb. 1.2) ist durch d rei paarwcise orthogonale
orien tierte Achse n gege ben, d ie als x-, y - und z-Achse bezeichnet werden , Die d rei
Achse n treffen eina nde r in einem gemeinsamen Pu nkt 0 , dem Koordinatenursprrmg
(kur z: Ursprrmg). Aufjeder Koord in atcn ach se verwende n wir di esclb e Ein heitslange.
Bezogen auf ein bcsrirnmtes Koord inarcn systcm hat dann ein Pun kt P
im dreidimen sionalen Raum die d rei ka rtesische n Koor d inat cn (xp,}p , zp). Sie
werde n x-Koordinate xp,y-KoordinateYPund z-Koordinate zpgenannt. Die posit iven
Koordinaten liegen immer aufjene n Halbgeraden, welch e im Ursprung beginn en
und in Achscnrichtung verlaufen.
Um yom Ursprung 0 mit den Koordinaten (0, 0,0) zu einem Punkt P mit den
Koordinaten (xp,YP ' zp) zu gelangen, gibt es sechs verschiedene Koordinateruoege,d ie
aile auf einern Koordinatenquader der Lange xp, BreiteYPund Hohe zpliegen . Die achr
Ecken des Koordinatenquaders besitz en die Koordinaten (0, 0, 0), (xp , 0, 0),
(O,yp, 0), (0, 0, zp) , (xp'YP' 0), (xp, 0, zp), (O, yp, zp) und (xp,yp' zp). ] edes Paar von
Koordinatenachsen spa nnt cine Eben e auf, die als Koordinatenebene bezeichn er wird.
Wir crhalten dah er die xy-Ebene, dieyz-Ebene und die zx -Ebene.W ir merkcn noch an,
dass in jed er Koordinatcnebene durch d ie beiden Koord inatenachsen auch ein
kartesisches 2-D-Koo rdina tensystem festgclegt ist,
vz-Ebene
/
y
5
13. Rechts- und linkshandige Koordinatensysteme. Wir verwenden das kartesische
Koordinatensystem in Abbildung 1.3. Blicken wir entgegen der z-Richtung auf diexyEbene,
dann fiihrt eine positive 90-Grad-Drehung (d.h. gegen den
Uhrzeigersinn ) die x-Achse in diey-Achse iiber. Ein solches rechtshiindiges kar tesisches
Koordinatensystem kann mit den ersten drei Fingern der rechten Hand einfach
nachgebildet werden.
Beginn end mit der zur Faust geballten recht en Hand . strecken wir den Daumen in
Richtung der x-Achse und den Zeigdinger in Richtung dery-Achse. Dann konnen
wir den Mittelfinger so offnen. dass er in Richtung der z-Achse eines rechtshandigen
kart esischen Koordinatensystems zeigt.Andern wir die Orientierung der z-Achse,
erhalten wir ein linkshiindiges kartesisches Koordinatensystern, das mit Daumen,
Zeige- und Mittelfinger der linken Hand visualisiert werden kann. Es gibt also zwei
mogl iche Orientierungen fiir ein kartesisches 3-D-Koordinatensystem.
Irngesamt en Buch verwenden wir - wie in der Geometrie iiblich - rechtshandige
Koord inatensysteme. Fiir den Darenaustausch zwischen verschiedenen
CAD-Systemen ist es wichtig, dass die Orientierung der Koordinatensysteme
dieselbe ist,Ansonsten werden z.B. bei der Obertragung aile Objekte an der xy-Ebene
gespiegelt.
z
rechte Hand
Abb. 1.4
Modellierung der beiden Quader des
Kamins im Winton-Gastehaus (links).
Der untere Teil ist annahernd ein
Wurfel (rechts), und der Kamin
Abb. 1.3
Rechtshandiqes kartesisches
Rechtskoordinatensystem.
ist ein Quader mit quadratischer
Grundflache.
Drei Ecken des Quadrats sind die
Punkte P2, P3 und P4 •
P1(353 /35710)
h i = 335
P2(123161 1335)
P3(2291°1335)
P.(290 11061335)
n,= 415
Quader
Quader
6
14. Flachenmodell
Volumenmodell
~ader.Wahrend einWtirfelsechs kongruente quadratische Flachen besitzt, besteht
ein Quader ausdrei Paarenjeweils kongruenter Rechrecke, die in paarweise
zueinander orthogonalen Ebenen liegen. Die geometrischen Grundelemente eines
Quaders sind seine 8 Ecken,12Kanten und 6 ebenen Flachen.Wir konstruieren nun
den Kamin im Winton-Gastehaus,der auszweiQuadern besteht.
Fur das Modellierenzweckmaliig,wahlen wir die xy-Ebene horizontal und die z-Achse
nach oben zeigend. Wir platzieren den ersten Quader so, dassdrei Kanten mit den
Koordinatenachsen und eine Eckemit dem Ursprung eineskartesischenKoordinatensystems
iibereinstimmen (Abb. 1.4, links). Dazu wahlen wir den Ursprung alseine
Eckeund definieren dann Langeund Breitedes Basisrechtecks in Richtung derx- und
y-Achse. Schlielslich gebenwir noch die Hohe hI des ersten Quaders ein. Urn einen
Wurfelzu erhalten, mussten wir Lange, Breite und Hohe gleichgrof wahlen.
Ein wesentliches CAD-Konstruktionsprinzip ist, dass wir digital immer mit den
tarsachlichen MatSen konstruieren. Daher verwendenwir die Originalabmessungen
des Quaders, Den zweiten Quader, der den Kaminschlot darstellt, positionieren wir in
der Deckllachedes ersten Quaders.Wir zeichnen dazu das Basisquadrat in der
Decktlache,von dem wir die Koordinaten von drei Eckenkennen: Pz, P3 und P4
(Abb. 1.4, rechts). Dann definieren wir die Hohe hzdes Kamins und erhalten den
zweiten Quader,
Flachen- und Volumenmodelle. Ein geometrisches Objekt mit derselben
Berandungkann entweder ein Fldchenmodell (vorzustellen alseine diinne Haut)
oder ein Volumenmodell (vorzustellen als massives gefiilltes Modell) sein, wie in
Abbildung 1.5fur einen Quader illustriert. Urn den Unterschied zwischen Flachenund
Volumenmodell zu verdeutlichen,ziehen wir einen Vergleich zu Kunst und
Modedesign.Ein Bildhauerbeginnt mit einem Block aus Stein oder Holz (einem
Volumenmodell) und entfernt Material, urn die gewunschte Skulptur zu erhalten. Im
Gegensatzdazu verwendet ein ModedesignerStoffstucke (also Flachenrnodelle), urn
ein Kleidungsstiick zu formen.
Abb. 1.5
Hacnen- und Volumenmodell illustriert
an Hand eines Quaders mit einem
herausgeschnittenen Teil.
Abb. 1.6
(links) Parallelextrusion eines Polygons
erzeugt ein Prisma.
(rechts) Zentralextrusion eines
Polygons erzeugt eine Pyramide.
7
15. Wir arbeiten vorlaufig mit abstrakten geometrischen Objekten und erzeugen nur die
Grundformen, ohne Wand- und Deckenstarken oder Fenster- und Tiiroflnungen zu
beriicksichtigen. In Kapitel 4 lernen wir dann Werkzeuge zur weiteren Bearbeitung
dieser geometrischen Modelle kennen. Zunachst beschranken wir uns aufdie
geome tr ischen Grundformen, oft in der Form eines Volumenmodells.
Extrusion. Der untere Teil des Wohnzimmers im Wint on-Gastehaus ist kein Quader,
da die Basisflache kein Rechte ck ist, Der Raum besitzt jedoch senkrechte Wande.
Mit Hilfe von Parallelextrusion erzeugen wir ein Prisma, indem wir ein Polygon
in die gewiinschte Hohe ext rudieren (siehe auch Kapitel3).Wahrend ein Polygon
ein geschlossenes Objekt ist, ist eine Polylinie"offen" in dem Sinn , dass sie zwei
Endpunkte besirzt, die durch eine Folge von Strccken miteinander verbunden sind.
Parallelextrusion einer Polylinieperzeugt eine Prismenfii cbe (Abb. 1.6, links).
Ein verwandtesWerkzeug ist die Zentralextrusion . Dab ei wird ein Polygon p zu einem
einzigen Punkt S im Raum extrudiert, und wir erzeugen damit eine Pyramide (siehe
auch Kapitel 3). Verwenden wir eine Polylinie, dann erzeugen wir eine
Pyramidenfidche (Abb. 1.6, rechts). Zur Konstruktion des unte ren Teils des
Wohnzimmers im Wint on-Gastehaus als Prisma zeichnen wir das Basisviereck in der
xy-Ebene mit den vier Eckpunkren Ps,P6, P7 und Pg und extrudieren dieses dann in
z-Richrung bis zur gewiinschten Hohe h3 (Abb. 1.7).
Abb. 1.7
Der untere Teil des Wohnzimmers
im Winton-Gastehaus ist ein Prisma,
erzeugt durch Parallelextrusion .
Abb. 1.8a
Die vier ebenen Vierecke, die das
Wohnzimmerdach bilden, werden mit
Hilfe von lokalen Koordinatensystemen
konstruiert (beschriftet mit "BKS").
Gezeigt wird die Konstruktion fO r zwei
der vier Dachebenen.
Ps(-2741357 10)
P6(266 1357 10)
P7(270 1969 10)
Pa(- 309 186110)
Pg(266 1357 1244) = (01010)
P,o(270 19691 244)
Pll (38 11836 10)
P12 (304 1836 10 )
8
Prisma
99°
Pg (Iokaler Ursprung)
16. Abb. 1.8b
Die beiden anderen Dachebenen
werden analog modelliert. Lokale
Koordinaten werden andersfarblq
dargestellt und sind immer auf das
beschriftete lokale Koordinatensystem
bezogen.
Abb. 1.9
Ein lokales Koordinatensystem mit
Ursprung P17 wird verwendet, um das
erste Schlafzimmer mit Hilfe einer
Parallelextrusion zu erzeugen. Der
Punkt Pl 7 Iiegt auf der Geraden P6P7
und hat eine lokale y-Koordinate von
753 Einheiten.
P13 = PlQ = (0 1010)
P14 ( - 309 18611244 )
Pl s(3511850 10)
Pl 6 = r..
Globale und lokale Koordinatensysteme. Bis jetzt haben wir in einemglobalen
(Welt-, absoluten) Koordinatensystem gearbeitet. Dieses System ist iiblicherweise
ein rechtshandiges kartesisches Koordinatensystem. Fur das geometrische Design
ist es aber ott wiinschenswert, auch lokale (benutzerdefinierte, Hilfs-, relative)
Koordinatensysteme einzusetzen, urn Modellieraufgaben zu vereinfachen. Wenn
wir lokale Koordinaten in ein CAD-System eingeben, werden diese autornatisch in
gIobale Koordinaten umgerechnet.
Der obere Teil des Wohnzimmers im Winton-Gastehaus ist kein Pyramidenstumpf
(besprochen in Kapitel J). Daher ist die Zentralextrusion nicht das passende
Werkzeug, und wir wahlen einen anderen Modellierzugang. Jede der vier Dachflachen
ist ein ebenes Viereck, das wir mit Hilfe eines lokalen Benutzerkoordinatensystems
(BKS) modellieren (Abb. 1.8). Zusammen formen die vier Vierecke ein Flachenrnodell
fur das Dach des Wohnzimmers.
Das erste Schlafzimmer im Winton-Gastehaus hat eine prismatische Form, die wir mit
Parallelextrusion erzeugen. Fur diesen Zweck definieren wir ein lokales kartesisches
Koordinatensystern mit einer Wand des Wohnzimmers als lokaler xy-Ebene
(Abb. 1.9). Dann zeiehnen wir ein Basispolygon in der lokalen xy-Ebene und
extrudieren dieses in Iokaler z-Richtung, urn das gewunschte Prisma zu erhalten.
PI7(273166310) = (01010)
Pls (4 54 10 10)
PI9 (454 1323 10)
P2o(0 1463 10) ti, = 747
9
17. Polarkoordinaten. Neben den ebenen kartesis chen Koordinaten gibt es eine
alternative Moglichkeit, ebene Koordinaten zu definieren. Polarkoordinaten (r, cp)
eines PunktesPgeben den Abstand r des PunktesPzum Ursprung 0 und den Winkel
os cp < 3600 zur Polarachse an (Abb. 1.10, lin ks). Die Polarachse wird iiblicherweise
als die positive Halbgerade der x-Achsegewahlt. Wahrend ebene kartesische
Koordinaten den Abstand zu zwei orthogon alen Achsen messen, sind dies bei Polarkoo
rdinaten der Abstand r zum Ursprung und der Winkel zwischen der Polarachse
und der Halbgeraden PO.
Polarkoordinaten kon nen beim Modellieren mit einem CAD-System sehr hil freich
sein, insbesondere fur die Eingabe von Koordinaten in lokalen Koordinatensystem en,
Die karresischen Koord inaten der Punkte eines Kreises mit Mirtelpunkt im Ursprung
und Radius r sind (r.coscp, r-sinrp) .Wie in Abb ildung 1.10 (rechts) gezeigt , verwenden
wir dies, urn von Polarkoordinaten (r, rp) auf kartesische Koordinaten (x,y) wie folgt
umzurechn en:
x = r·coscp,
y = r-sinrp,
Die Kiiche und die Garage desWimon-Gas tehauses bilden zusammen ein weiteres
Prisma. Wir kennen den Winkel, den eine Wand desWohnzimmers mit einer Wand
der Kiiche einschlielit,Weiters kenn en wir die Lange des Cebaudes. Damit konnen wir
das Basispolygon mit H ilfe von lokalen Polarkoordinaten konstruieren (Abb. 1.11).
Wir verwenden dazu ein lokales Polarkoordin aten system in der globalen xy-Ebene.
Eine Kame desWohnzimmers liegt aufder lokalen Polarachse. Mi t Parallelextrusion
des Basispolygons in globaler z-Richtung (bis zur gewiinscht en Hohe) erzeugen wir
das gewiin schte Prisma.
Abb. 1.10
Ebene Polarkoordinaten und ihre
Umwandlung in ebene kartesische
Koordinaten.
Abb. 1.11
Das Basispolygon p (P211 P2u P23t
P24 ) der KOche und der Garage wird
im lokalen Polarkoordinatensystem
gezeichnet . Parallelextrusion von p in
z-Richtung bis zu einer H5he hs erzeugt
ein Prisma.
Pz1(-116/89710) = (010°)
Pn (rn lq>zz) = (14691101°)
Pn (1 5 10 111 5° )
Pz4( 355 11800) h5=421
P oL 0ff_ --L.l..o---------.
y = r ·sin q>
X •
Polarachse x = r-ees e
Polarachse
10
18. Abb.1.12
Zylinderkoord inaten (r, !p, z) sind ebene
Polarkoordinaten (r, !p), erweitert um
die kartesische z-Koord inate .
Abb.1.13
(links) Ein Drehzyl inder kann durch
Parallelextrusion eines Kreises k
der Ebene E erzeugt werden. Die
Extrusionsrichtu ng ist orthogonal zu E.
(rechts) Eine alternative Konstruktion
ist die Drehung einer Erzeugenden e
um eine parallele Achse a.
Zylinderkoordinaten. Eng verwan dt mit ebenen Polarkoordinaten sind die
raurnlichen Zylinderkoordinaten (r, q>, z), Diese sind nichts anderes als ebene
Polarkoordinaten in der xy-Ebene, erweitert urn die z-Koordinate (Abb. 1.12).
1m Unrerschied zu einem kartesischen 3-D-Koordinatensystem ersetzen wir bei
Zylinderkoordinaten die kartesischen x- und j-Koordina ten durch die polaren
r- und rp-Koordinaten. Die Umwandlung von Zylind erkoordin aten in kartesische
Koord inaten folgt dern Prinzip der oben beschriebenen Umrechnung von
Polarkoord inaten und passiert wic folgt :
x = r-cosrp,
y =r-sinrp,
z =z.
Mit Hilfe von Zylinderkoordinaten konnen wir Positionen auf Drehzylindern leicht
bestimrnen.
Drehzylinder. Ein Drehzylinder ist die Menge aller Punkte im 3-D- Raum, die
konstanten Abstand von einer Geraden (genannt seine Drehachse) aufweisen. Ein
Drchzylind cr kann durch Parallelextrus ion eines Kreises k der EbeneE erzeugt werden
(Abb. 1.13, link s). Dabei ist die Extrusionsrichrung orthogonal zu E. Aile Gcraden
auf einem Drehzylind er werden Erzeugendegenannt . Einc alternative Erzeugu ng eines
Drchzylinders erfolgt durch Rotation einer Erzeugenden e urn cine dazu parallele
Achse a (Abb. 1.13, rechts),
/'
/
I ~
~ * - I ~
e !
- I ~
-- !- - - .......
I . "--
9;.-t.."...~
11
19. Drehzylinder sind Grundkorper, die in CAD-Systemen enthalren sind. Siewerden
iiblicherweise durch einen Basiskreis und ihre Hohe definiert. Im Winton-Gistehaus
kommt eine drehzylindrische Saule vor, die den Dachboden iiber der Kiiche stiitzt
(Abb. 1.14). Wir verwenden globale kartesische Koordinaten, urn den Mittelpunkr P 2S
des Basiskreiseseinzugeben.
Fangfunktionen. Fangfimktionenuntersriitzen das exakte Konstruieren von
CAD-Modellen. Beim Modellieren mit einem CAD-System reichr es nicht, mit
Hilfe eines Eingabegerates (z.B. der Computermaus) die Position eines Punktes nur
ungefahr anzugeben. Es ist von fundamentaler Bedeutung, dem CAD-System
.mitzuteilen", dass der gewiinschte Punktgpmgen werden soil. Erst diese
Technik garantiert, dass unsere Konstruktionen exakt werden. Eine Vielfalt von
Fangfunktionen wird iiblicherweise zur Verfiigung gestellt. Die Auswahl fiir Punkre
inkludiert das Fangen von Endpunkten, Mittelpunkten, Schnirtpunkten, beliebigen
Kurvenpunkten und der verschiedenen Schwerpunkte der Objekte.
Selbstverstandlich gibt es auch Fangfunktionen, die auf Geraden, Kreise und so
weiter angewendet werden konnen. Wir verwenden jetzt eine Fangfunktion, urn den
Dachboden (einen Quader) so zu positionieren, dass er genau aufder Kiiche und der
zylindrischen Saule zu liegen kommt (Abb. 1.15). Wir verwend en dazu ein lokales
Koordinatensystem mit Ursprung im Mittelpunkt P26 des oberen Randkreises k des
Drehzylinders. Wir fangen den Mittelpunkt mit der entsprechenden Fangfunktion
und machen ihn zum Ursprung einer lokalen xy-Ebene, die den Kreis k enthalt,
P2s(-663199110)
Zvttnderredtus =30
h6=hs=421
Abb. 1.14
Ein Drehzylinder wird als stutze fur den
Dachboden uber der KOche verwendet.
12
20. Der Winkel zwischen der globalen und der lokalen x-Achse ist im Grundriss
angegeben. Nun konnen wir das Basispolygon des Quaders zeichnen (Abb. 1.15) und
seine Hohe eingeben. Eine fortgeschrittene Form des "Fangens" ist das automatische
Speichern der sich aus den einzelnen Modellierschritten ergebenden Assoziationen.
Damit bleiben die Zusammenhange (z.B. die gegenseitige Lage) der einzelnen Teile
erhalten, auch wenn wir sparer deren GrolSeoder Lage verandern (rnehrDetails dazu
im Abschnitt .Featurebasiertes Modellieren" in Kapitel4).
Griffe. Geometrische Objekte in CAD-Systemen haben iiblicherweise einige
mit ihnen verkniipfte Grijfi. Diese erlauben auf unkomplizierte Art und Weise
eine einfache Modifikation der Objekte. Verwenden wir Griffe gemeinsam mit
Fangfunktionen, dann konnen wir geometrische Objekre leicht verlagern oder
verandern. Griffe sind iiblicherweise jene speziellen Punkte, die uns eine Form zu
definieren helfen.
Typische Griffe eines Quaders sind seine Eckpunkte und sein Schwerpunkt.
Klicken wir aufeinen der Eckpunkte, dann konnen wir den Quader interaktiv
verandern. Klicken wir auf den Schwerpunkt, dann konnen wir den gesamten Quader
in eine andere Raumposition verschieben. Typische Griffe von Drehzylindern sind
jene zwei Punkre, die Anfang und Ende der Achse definieren, sowie ein weiterer Punkt
zur Definition des Radius .
P26(-66319911421) = (01010)
P27( 198 1-46 10)
P2s(- 46 135110) h7 =230
Abb. 1.15
Mit der Fangfunktion "Mittelpunkt"
positionieren wir den Ursprung
eines lokalen Koordinatensystems
im Punkt P261 dem Mittelpunkt des
Deckkreises der drehzylindrischen
Saute. Der Winkel zwischen der
globalen und lokalen x-Achse ist mit
-32 Grad gegeben. In diesem lokalen
Koordinatensystem erzeugen wir jenen
Quader, der den Dachboden uber der
Kuche darstellt.
/
BKS
X9'Obd'~ -v/~ X/ok. ,
13
21. Modellierung des zweiten Schlafzimmers. Nun werden wir das zweite Schlafzimmer
mit gekriimmter Oberdachung modellieren (Abb. 1.16). £ine geometrische
Analyse zeigt , dass zwei verschiedene Drehzylinder in der Konstruktion involviert
sind. Ein Teil des ersten Drehz ylind ers geho rt zur vertika len Mauer, ein Teil des
zweiten Drehzylinders bildet das Dach. Wir erzeugen das zweite Schlafzimmer als
Durchschnitt zweier Volume nkorper,
Dazu konstruieren wir zunachs t in der xy-Ebene die Grundflache und extrudieren
diese in eine bestimmte Hoh e. Dann verwenden wir ein lokales Koordinatensystem
mit der lokalen xy-Ebene in der Riickwand des Schlafzimmers. Der lokale Ursprung ist
der Punkt P 29' Die lokal e x-Achse liege enrgegengeset zt zur globalen y-Richtu ng, und
die lokal ey-Achse liegt parall el zur global en z-Achse. In der lokal en xy-Ebene zeichnen
wir die Basisform des zweiten Volumenkorpers - die wir dann in lokale z-Richtung
extrudieren.
Der Durchschnitt der beiden Volumenkorper (siehe Kapitel 4 iiber Boolesche
Operation en) liefert uns das gewiinschte geometrische Modell des zweiten
Schlafzimmers. Somit haben wir aIle iiber der Erde liegenden Grundkorper des
Winron-Gastehauses konstruiert.
P29(-66015421 0) = (01010)
P3o(-660 1-2321 0) = (7741010)
P3 1 ... Mittelpunkt des Kreisbogens
P32 = Ps
P33(-284 150110)
P34(774 1266 10)
P3s(387 1457 10)
P36(0 1266 10) r = 582
14
Abb.1.16
Wir modellieren das zweite
Schlafzimmer, indem wir zweimal eine
Parallelextrusion anwenden und die
beiden so erzeugten Volumenmodelle
danach miteinander verschneiden.
Die Grundflache des ersten
Volumenmodells besitzt die Ecken
P29, P30 , P32 und P33 • Dabei hat der
Kreisbogen mit Endpunkten P30 und P32
den Mittelpunkt P31 und Radius r. Wir
extrudieren ihn in eine Hohe von 500
Einheiten. Die Basisflache des zweiten
Volumenmodells wird durch die Punkte
P29, P30, P34, P3S und P36 festgelegt,
wobei die letzten drei Punkte einen
Kreisbogen definieren . Wir extrudieren
in lokale z-Richtung bls zu einer H6he
von 400 Einheiten. Das Schnittvolumen
der belden Volumenmodelle liefert
uns ein Volumenmodell des zweiten
Schlafzimme rs.
22. Abb. 1.17
Wir verwenden einen weiteren Layer,
in dem wir die Fenster und Turen im
Winton-Gastehaus modellieren.
Layer. Layer sind eine weitere grundlegende CAD-Technik, welche die digitale
Konstruktionsarbeit sinnvoll unterstiitzt, Ein Blatt Papier kann als ein Layer (Schicht,
Ansichtsebene, ...) angesehen werden, aufdem wir arbeiten. Indem wir Blatter aus
Transparentpapier iibereinander legen, konnen wir weitere Layer erzeugen, wobei jeder
Layer unterschiedliche Informationen enthalren kann. In einem CAD-System ist jeder
Layer eine 3-D-Kopie des gesamten Modellierraumes, die exakt an derselben Stelle des
globalen Koordinatensystems liegt.
Unterschiedliche Layer konnen unterschiedliche Objektteile enthalten, und wir
konnen diese einfach ein- oder ausblenden. Dieser Zugang erlaubt uns, nur die
aktuell benotigten Informationen anzuzeigen. Dazu muss der Benutzer nur die
einzelnen geometrischen Objekte den gewiinschten Layern zuweisen. Wtirden wir die
Modellierung des Winton-Gastehauses fortserzen, dann konnten wir zum Beispiel
eine Kopie der Basisformen aufeinem eigenen Layer speichern und die Fenster und
Tiiren in einem weiteren Layer konstruieren (Abb. 1.17).
Das Rohrsystem und die Elektroinstallationen wiirden auf zusatzlichen Layern
konstruiert werden . Wird ein 3-D-CAD-Modell sparer auch fur Wartungszwecke
eines Cebaudes verwendet, dann vereinfacht eine sinnvolle Layerstruktur auch das
Management des Cebaudes nach seiner Fertigstellung.
wtnton-Gesteheus mit Fenster-Layer
IS
23. Farbe, Textur und Materialien. Zu Beginn eines Designs arbeiten wir oft mit einem
Drahtgittermodell unserer geometrischen Formen. Dieses zeigt uns nur gewisse
Geraden und Kurven unserer Objekte (Abb. 1.18, links). Dabei konnen wir durch das
Objekt hindurchsehen wie bei einem Ronrgenapparat, und wir benctigen
raumliches Vorstellungsverrnogen, urn mental ein vollstandigeres Bild zu erzeugen.
Eine Darstellung ohneverdeckte Kanten liefert uns bereits ein besseres Bild, bei dem die
vom jetzigen Blickpunkt aus verdeckten Objektteile nicht gezeigt werden, sondern nur
die sichtbaren Ecken, Kamen und Flachen (Abb. 1.18, Mitre).
Eine Alternative ist, sichtbare Linien als durchgezogene Kamen zu zeichnen,
verdeckre Kamen als srrichlierte Kamen, und sichrbare Flachen einzufarben
(Abb. 1.18, rechts). Urn die verschiedenen Objekte visuell besser unterscheiden zu
konnen, farben wir sie verschieden ein. Urn sie realistischer aussehen zu lassen, konnen
wir sie "digital verputzen" oder Farbe anbringen sowie z.B. ein Objekt als Ziegelwand
und ein anderes als Betonwand darstellen. Dies erreichen wir durch mit Hilfe von
Texturen und Materialien (Abb. 1.19). Das Erzeugen eines Bildes mit Hilfe des
Computers wird oft als Rendern bezeichnet.
In diesem Buch diskutieren wir nur die geometrischen Aspekte des Renderns (Kapitel
2). Fur die Erstellung eines fotorealistischen Bildes benotigen wir gutes Wissen
iiber Farbe, Texturen, Materialien, Beleuchtung und verschiedene wcitere Faktoren.
Lichtquellen sind norwendig, denn ohne Licht ware das digitale Bild einfach nur
schwarz. In Kapitel2 studieren wir die geometrischen Grundlagen der verschiedenen
Beleuchtungsmodelle und Renderverfahren, die in der Computergrafik enrwickelt
wurden.
16
Abb. 1.18
Verschiedene Darstellungen derselben
geometrischen Form:
(links) Drahtgittermodell,
(Mitte) Liniendarstellung ohne
verdeckte Kanten,
(rechts) und mit durchgezogenen
sichtbaren Kanten, strichlierten
verdeckten Kanten, sowie elnqefarbten
sichtbaren Flachen.
Abb. 1.19
Ein fotorealistisches,
computererzeugtes Bild des
Winton-Gastehauses.
24. Kugeln,
Kugelkoordinaten und
Extrusionsflachen
Kugel. Eine Kugel (genauer Kugelflache) mit MittelpunktM und Radiusr ist die
Menge aller Punkte im 3-D- Raum, die konstanten Abstand r vom MittelpunktM
haben (Abb. 1.20). Das Volumenmodell einer Kugel mit MittelpunktM und Radiusr
ist die Menge aller Punkte im 3-D-Raum, die einen Abstand kleiner oder gleich rvom
MittelpunktM aufweisen. Worin liegt der Unterschied zwischen dem Flachen- und
Volumenmodell einer Kugel? Das Flachenmodell einer Kugel bildet den Rand des
Volumenmodells derselben Kugel.
1st der Radius gleich der Einheitslange (r = 1), dann sprechen wir von einer
Einheitskugel.Jede ebene Kurve aufeiner Kugel ist ein Kreis. Stimmt der
Kreismittelpunkt mit dem Kugelmittelpunkt iiberein, so sprechen wir von einem
Groflkreis; alle anderen Kreise heilien Kleinkreise (Abb . 1.20).
Abb. 1.20
Eine Kugel lst durch Mittelpunkt Mund
Radius r festgelegt. Aile ebenen Kurven
auf einer Kugel sind Kreise. Jene mit
Mittelpunkt M heiBen GroBkreise. Aile
anderen sind Kleinkreise.
Kleinkreise
~
Kugelteil als
Volumenmodell
Kugelteil als
Flschenmcdell
GroBkreise
17
25. Kugelkoordinaten. Neben den kartesischen Koordinaten und den Zylinderkoordinaten
sind Kugelkoordinaten (r, cp, 8) eine weitere Moglichkeit, den 3-D-Raum
analytisch zu beschreiben (Abb. 1.21). Sie bestehen aus einer positiven Zahl rund zwei
Winkeln rp und 8. Kugelkoordinaten werden wie folgt definiert: Wir fixieren eine
Ebene E (zurn Beispiel die xy-Ebene eines kartesischen Koordinatensystems), wahlen
darin einen Ursprung 0 und legen eine Halbgerade in Richtung der positiven x-Achse
fest.
Die erste Kugelkoordinate r ist eine positive reelle Zahl und gibt den Abstand des
Punktes Pzum Ursprung 0 an. Die zweite Kugelkoordinate ist ein orientierter
Winkel cp (-180° < rp s 180°), gernessen zwischen der x-Achse und einer horizontalen
Halbgeraden durch den Ursprung und den Punkt P '. Der Punkt P' entsteht durch
Norrnalprojektion von P (siehe Kapitel Z) auf die Ebene E. Die dritte Kugelkoordinate
ist der orientierte Winkel 8 (-90° < 8 s 90°), gemessen zwischen den Halbgeraden
OP'undOP.
Urn Kugelkoordinaten (r, rp, 8) in kartesische Koordinaten (x, y, z) urnzuwandeln,
gehen wir wie irn Fall der Polarkoordinaten vor. Die Lange der Strecke OP ist r.
Mit Hilfe von Winkelfunktionen finden wir die Langen der Srrecken OP' und PP'
als r- cos8 und r :sinf = z. Durch nochrnaliges Anwenden von Winkelfunktionen
erhalten wir schlieflich die x- und y-Koordinare mit:
x = r :cosrp.cos8,
y = r- sinrp.cos8,
z = r·sin8.
Die so definierten Kugelkoordinaren entsprechen den geografischen Koordinaten, die
wir irn Folgenden kurz erklaren.
18
r-coso
p
z = r-sln n
r- -----..
p '
Abb. 1.21
Kugelkoordinaten (r, Ip,8) eines Punktes
und ihre Umwandlung in kartesische
Koordinaten (xp, YPI zp) illustriert an
Hand des Punktes P.
p
" /
y =r-slnc-cose
26. Abb. 1.22
Geografische Koordinaten des Wintoncasteheuses
(bis zu seinem "Umzug"
im Jahr 2008/09).
Abb. 1.23
(links) Zyllnderflache, erzeugt durch
ParalIelextrusion.
(rechts) Keqelflache, erzeugt durch
Zentralextrusion.
Geografisches Koordinatensystem. Die Oberflache unseres Planeten Erde kann
durch das Flachenmodell einer Kugel mit dem Radius r = 6370 krn gut angenahert
werden. Urn die globale Position Pauf unserem Planeten zu beschreiben,
verwenden wir geografische Koordinaten (Abb. 1.22). Diese sind ein Spezialfall der
Kugelkoordinaten mit konstanter Koordinate r und den laufenden Koordinaten
geografische Lange cp undgeografische Breite 8. Die geografische Breite ist der Winkel
zwischen der Aquatorebene und der Halbgeraden OP, die geografische Lange ist
der Winkel zwischen der Ebene durch den Nullmeridian (der durch Greenwich,
GroBbritannien, verlaufi) und der Ebene des Meridians durch P.
Urn die Position P aufder Erdoberflache exakt zu definieren, benotigen wir eine dritte
Koordinate, die so genannte Seehbbe. Die Seehohe wird als vertikaler Abstand von P
zu einer Referenzflache gemessen, die iiblicherweise auf mittlerem Meeresniveau liegt.
Durch Verwenden eines sarellirenbasierten, globalen Positionierungssystems konnen
die geografische Lange, geografische Breite und die Seehohe mit hoher Genauigkeit
bestimmt werden.
Die geografischen Koordinaten von Wayzata, Minnesota - wo das Winton-Gastehaus
bis 2008/09 stand - sind N44°S8', W93°30'. Dabei sreht N fur nordlich des Aquators
und W fiir westlich von Greenwich. Die Seehohe von Wayzata betragt 287 m iiber
demMeer.
Zylinder- und Kegelflachen, Parallelextrusion einer glatten Kurve erzeugt eine
Zylinderflache (Abb . 1.23, links). Zentralextrusion einer glatten Kurve erzeugt eine
Kegelflache (Abb . 1.23, rechts) . Beide Flachenklassen tragen Geraden, die Erzeugende
genannt werden. Bei einer Zylinderflache sind diese Geraden alle zueinander parallel.
Bei einer Kegelflache gehen alle Erzeugenden durch einen gemeinsamen Punkt, die
Spitze S. Den Drehzylinder als Spezialfall einer Zylinderflache haben wir bereits
kennen gelernt. Drehkegel (genauer Drehkegelllachen) werden durch Zentralextrusion
eines Kreises zu einem Punkt Saufder Kreisachse hin erzeugt.
19
27. DieDrehachse eines Kreises istjene Geradedurch den Kreismittelpunkt, dieorthogonal
aufdie Tragerebene desKreises steht, Ein Drehkegel kann auchdurch Drehungeiner
Erzeugenden e urn eineschneidende Achse a erzeugr werden(Abb. 1.24, links). Der
Schnittpunkt der beidenGeradenist die Kegelspitze S. Ist eparallel zua, dann erhalten
wir einenDrehzylinder. Iste nicht orthogonalzua, dann ist der Drehkegel sogarein
Doppelkegel- der auszwei Teilen besteht:einemoberenund einemunteren Kegel (mit
derselben Achse und in der gemeinsamenSpitze aneinandersrolsend), Unter einem
Drehkegel verstehen wir iiblicherweise nur einenTeil eines Doppelkegels.
AuspraktischenGrunden wird ein Drehkegel zusatzlichnoch durch einen Kreis
begrenzt, der in einerEbeneorthogonal zur Drehachse liegr(und mit dem Mittelpunkt
auf der Achse). So ein Drehkegel ist dann definiertdurch den MittelpunktM,den
Radiusr desBasiskreises sowie die Hohe b, die den AbstandvonM zur SpitzeS misst
(Abb. 1.24,rechts).Wir bemerken, dasswir nicht nur Flachenmodellc von Kegeln und
Zylindernerzeugen konnen, sondern auchVolumenmodelle. Die Abbildungen1.25und
1.26illustrieren Anwendungenvon Kegeln und Zylindernin der Architekrur,
Abb. 1.24
(links) Ein Drehkegel entsteht, wenn
wir eine Erzeugende e um eine
schneidende Achse a drehen.
(rechts) Wir definieren einen Drehkegel
durch den Mittelpunkt M und Radius r
des Basiskreises sowie seiner Hbhe h.
Abb. 1.25
Ein geneigter Drehkegel im
Glasmuseum in Tacoma (1998-2002)
von Arthur Erickson.
28. Ausblick. Kegel stehen in einem offensichtlichen Zusammenhang mit Pyramid en.
Verfeinern wir das Basispolygon einer Pyramide, so erhalten wir eine glatt e Kurve (und
die verfeinerte Flache wird zu einer Kegelflache). Pyramiden werden in
Kapitel 3 besproch en, und der Zusammenhang zwischen diskreren und glatten
Flachen ist eines der Themen in Kapirel 11.
Ebene Schnitte von Drehkegeln heifen Kegelschnitte, es sind dies Ellipse, Parabel und
Hyperbel. Diese Kurven waren schon in der Antike bekannt und sind auch heute
noch von Bedeutung. Wir werden in den Kapiteln 6, 7 und 8 wieder aufsie treffen .
Kegel- und Zylind erflachen sind zwei der drei existierenden Typen von abwickelbaren
Fldchen, die wir in Kapit el 9 besprechen. 1m restlichen Buch lernen wir von Kapitel
zu Kapitel komple xere geometrische Modelle kennen und sie fur architektonische
Zwecke einzusetzen.
Abb. 1.26
Das IKMZ (1998-2004) in Cottbus von
Herzog & de Meuron hat die Form eines
allgemeinen Zylinders.
30. , , ,,,,~, ,.., , ,., , , ,
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Projektionen
Vor dem Zeitalter der Computergrafik war eine gute Kenntnis iiber Projektionen
Voraussetzung, urn dreidimensionale Raumobjekte geometrisch richtig abbilden zu
konnen (Abb. 2.1). Heutzutage iibernehmen CAD-Systeme (CAD = Computeraided
Design), die alle klassischen Darstellungsverfahren in Echtzeit berechnen
konnen, die zeitintensive Arbeit des Abbildens. Dennoch ist auch heme noch ein
theoretisches Grundlagenwissen iiber Projektionen erforderlich, urn die verfiigbaren
Darstellungsverfahren und deren Parameter besrmoglich zur Visualisierung
raumlicher Objekre einsetzen zu konnen. Zu diesem Basiswissengehoren unter
anderem auch das geometrisch richtige Skizzieren von Raumobjekten und das
Herstellen von perspektiven Bildern.
Abb.2.1
Ein Holzschnitt von Albrecht DOrer
(1471-1528) zeigt ein weit verbreitetes
Hilfsmittel zur Herstellung perspektiver
Bilder. Mit Hilfe eines rechteckigen
Rahmens, in den mit Faden ein Raster
gespannt ist, gelingt es dem KOnstler,
das liegende Modell richtig in
Perspektive darzustellen. In der
Abbildung rechts sehen wir das
Aktmodell aus der Sicht des Zeichners.
25
31. Geom etr ische Modelle von Licht und Schatten sind Spezialfalle von Projektionen.
Diese Erkennmis verhilft uns zu einem besseren Verstandnis, wie Licht und Scharren
das Erscheinungsbild von architekronischen Szenen beeinflussen (Abb. 2.2). Durch
das Studium diverser Rend er-Verfahren und -merhoden (wie konstante Schattierung.
Gouraud-Schattierung und Phong-Schattierung, aber auch Raytracing und aktueller
Methoden wie Radi osity) lern en wir unsere Visualisierungsfahigkeiten zu verbessern.
Am Ende des Kapitels beschafiigen wir uns noch mit geometrisch komplexeren
Abbildungsverfahren. Kiinsderisch richtig eingesetzt, erwei te rn diese nichdinearen
Abbildungsverfahren die Prasenrationsmoglichkeiten von Archirekrurprojekten. Mit
einem Ausblick aufden Einsatz dieser Abbildungsverfahr en in der modernen Kun st
beenden wir das Kapitel.
Projektionen. Vor dem Aufkommen leistungsstarker CAD-Software wurden
Raumobjekte mit Hilfe zweidimensio naler Kon struktion szeichnungen entw ickelr,
Dabei wurden allgemeine Ansichten zur Visualisierung der raurnlichen Objekte
eingesetzt, wahrend spezielle Risse zur Fesdegung der Dimension ierung und
Bemal5ung dieser Objekte dienten. Diese Kon struktionszeichnungen waren ein
wichtiges Hilfsmittel, urn Design ideen geeignet kommunizieren zu konnen.
Daher waren ein extensiver Einsarz verschie dener Projektionsmethod en und eine
profunde Kenntnis iiber die Eigenschaften dieser Projektionen ein wichtiger
Bestandteil jedes Designprozesses. Di e Darstellende Geometrie beschaftigt sich mit den
Grundlagen und Eigenschaften von Projektionen - sie wurde daher zum wichtigsten
Kommunikationsmedium zwischen Designern und Kon strukteuren.
Heut e wird die Entwicklung von 3-D-Objekten meist mit der Unterstiitzung leistungsstarker
CAD-Software ausgefiihrt. Dennoch ist es auch heut e noch notwendig,
geometrische Modelle oder raumliche Situationen rasch aufeinem Blatt Papier
skizzieren zu konnen, Grundkenntnisse iiber Projektionen sind das notwendige
Riistzeug dafiir, Damit sind wir in der Lage, geometrische Skizzen richtig herzustellen
und un sere Designideen kommunizieren zu konnen,
./ / ,/
Abb.2.2
(a) Zur Visualisierung einer raumllchen
Situation (z.B. ein Detail eines
Dachstuhls) eignet sich eine allgemeine
Ansicht am besten. Be; Verwendung
spezieller Normalrisse lassen sich die
maBgeblichen Dimensionen der
Struktur leicht ablesen.
.'
26
(b) Moderne CAD-Systeme errnoqllchen
eine weitaus realistischere Darstellung
des Objekts.
32. Einen intuitiven Zugang zu Projektionen verrnittelt uns das Stud ium der von Sonn enlicht
erzeugten Schatten (Abb. 2.3a). Durch jeden Punkt P eines Objekts
legen wir einen Licht strahl (Projektionsstrahl) lp. Den Schn ittpunkt dieses Projektionsstrahls
mit der BildebeneITbezeichnen wir alsBildpunkt(Riss) P" von P.Verlaufen aile
Projektionsstrahlen zueinander parallel, so sprechen wir von einer Parallelprojektion.
In diesem Fall nennen wir den Punkt pP(in der Bildebene IT) den Parallelrissdes
Raumpunktes P,wobei der Index p auf die Parallelprojektion hinweisen soil.
Neben der Parallelprojektion (geometrisches Modell der Beleuchtung mit
Sonnenlicht) gibt es noch die Zentralprojektion (Abb. 2.3b). Hier gehen aile
Lichtstrahlen (Projektio nsstrahlen) von einem festen Punkt L aus. Dies kann als
geometrischesModell Hir die Beleuchtung mit einer punktformigen Lichtquelle oder
das Aufnehmen eines Fotos mit einer Kamera int erpretiert werden. Irn Unterschied
zur Parallelprojektion bezeichn en wir den Bildpunkt P' als den Zentralriss des Punktes
P und verwenden als Abbildungszeiger den Index C.
Bevor wir uns eingehender mit Projektionen auseinandersetzen, erwahnen wir
noch, dass vom geometrischen Standpunkt aus zwischen den Begriffen Proj ektion
und Riss klar unterschieden wird: Unt er einer Proj ektionverstehen wir den raumlichen
Abbildungsvorgang, wahrend ein Riss das (zweidimensionale) Ergebnis einer
Abbildung ist. Haufig wird aus Grunden einer leichteren Lesbarkeit die Bezeichnung
Projektion sowohl fur den raurnlichen Abbildungsvorgang als auch fiir das in der
Zeicheneb ene liegende Ergebnis verwendet.
L
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:' . . :
" .
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• I ••
• I • • .:p: '. '.
: .
Abb.2.3
Der Bildpunkt (Riss) eines Punktes P
wird als Schnittpunkt des Lichtstrahls t»
durch P mit der Bildebene IT ermittelt.
(a) 1m Faile paralleler Lichtstrahlen
erhalten wir den Parallelriss PP.
(b) Verlaufen aile Lichtstrahlen durch
einen festen Punkt L, so sprechen wir
von einer Zentralprojektion. Der Punkt
pc heiBt Zentralriss des Punktes P.
27
33. Paralle1projektion. Wenn wir den Schattenwurfeines Objekts bei Sonnenbeleuchtung
eingehender betrachten, konnen wir leicht folgende , wichtige Eigenschaften
der Parallelprojektion herleiten (Abb. 2.4):
• Der Parallelriss einer raumlichen Geraden a ist im Allgemeinen wieder eine
Gerade aP• Liegt eine Gerade callerdings parallel zum Projektionsstrahl
(Lichtstrahl) I, so erscheint deren Parallelriss cPpunktformig. Wir bezeichnen
Geraden, die parallel zu den Projektionsstrahlen verlaufen, alsprojizierende
Geraden.
• Die ParallelrisseaP, bPvon allgemeinen (niche projizierenden) parallelen
Geraden a, bsind parallel.
• Das Verhaltnis von Abstanden aufeiner Strecke zueinander bleibt bei einer
Parallelprojektion erhalten. Teilt z.B. ein Punkt Feine raumliche Strecke DE
in einem bestimmten Verhaltnis, so teilt der Bildpunkt FP die Bildstrecke
D PEP im selben Verhaltnis. Als Sonderfall dieser Eigenschaft erkennen wir:
Der Mittelpunkt Meiner Strecke wird auf den MittelpunktMPder Bildstrekke
abgebildet.
• Parallele, gleich lange Strecken im Raum werden aufparallele und gleich
lange Strecken abgebildet.
Die meisten Bilder und Abbildungen in diesem Buch, ob handisch oder mit
Unterstiitzung einer CAD-Software erzeugt , sind Parallelrisse von raumlichen
Situationen. Sie wurden aIle unterBeachtung der vorher aufgelisteten Eigenschaften
ersrellt. Fiir die meisten Illustrationen verwenden wir Parallelrisse, da im Unterschied
zur Zentralprojektion die Parallelirar von Geraden auch im Bild erhalten bleibt,
Obwohl perspektive Bilder aufden Berrachter wesentlich vertrauter wirken, kann der
Verlust der Parallelitat ein groger Nachteil sein, speziell dann, wenn wir geometrische
Eigenschaften von raumlichen Objekten illustrieren wollen (Abb. 2.S). Wir empfehlen
daher, wahrend des Modellierungs- und Designprozesses in Parallelrissen zu arbeiten
und perspektive Bilder erst bei der Prasentation fertiger Objekte einzusetzen. Mit
perspektiven Bildern (Zenrralrissen) werden wir uns im Abschnitt iiber die Zentralprojektion
ausfiihrlicher auseinandersetzen.
28
Abb.2.4
Wichtige Eigenschaften einer
Parallelprojektion.
Abb.2.5
1m Aligemeinen veranschaulichen
Parallelrisse geometrische
Eigenschaften besser als Zentralrisse
(Taipei Tower [1999-2004] in Taipei
von C. Y. Lee). Man beachte, dass das
linke Foto aus gro13er Distanz
aufgenommen wurde und daher einem
Parallelriss recht nahe kommt.
34. Abb.2.6
Zwei windschiefe Geraden im Raum,
deren Parallelrisse zueinander parallel
Iiegen. Das Wissen um diese raurnllche
Abb.2.7
Abhangig von der Position der Sonne
wirft ein Objekt verschiedene
Schattenbilder. Irn Aligemeinen werden
die GraBen von Winkeln bei
Parallelprojektion nicht erhalten.
Ausnahme sind lediglich jene Winkel,
die an Objekten in Ebenen parallel zur
Bildebene auftreten.
Wie wir gesehen haben, sind die Bilder paralleler Geraden bei Parallelprojektion
wieder zueinander parallel. Allerdings gilt die Umkehrung nicht: Sind in einem
Riss die Bilder zweier Geraden zueinander parallel, so konnen diese Bilder auch von
zwei zueinander windschiefen (nicht parallelen und nicht schneidenden) Geraden
starnmen (Abb. 2.6). Diese raumliche Konstellation wird manchmal von Kiinstlern
verwendet, urn Bilder von scheinbar unmoglichen Objekten zu erzeugen.
In den meisten Fallen ist der ParallelrissAPBP einer StreckeAB langer oder kiirzer als die
tarsachliche Lange der StreckeAB im Raum. Das Verhalmis v = dist(AP,BP) :dist{A,B) der
Lange der BildstreckeAPBP zur Lange der raumlichen Strecke AB wird als
Verzerrungsfaktor der Strecke AB bezeichner, Dieser Verzerrungsfaktor legt damit fest,
ob der Parallelriss einer Strecke langer oder kiirzer als die Raumstrecke ist,
Wenn wir den Schattenwurfbei Sonnenbeleuchtung betrachten, erkennen wir, dass
der Verzerrungsfaktor jeden beliebigen positiven Wert annehmen kann. Je hoher die
Sonne iiber dem Horizont steht (zur Mittagszeir), desto kiirzer werden die Schatten.
Umgekehrt werfen Objekte am sparen Nachmittag (wenn die Sonne nahe am
Horizont sreht) sehr lange Schatten (Abb. 2.7).
Der Verzerrungsfaktor verursacht auBerdem die Verzerrung von Flachen und
Winkeln. Daher werden im Aligemeinen bei Parallelprojektion die GraBen von
Flachen und Winkeln niche erhalten. Nur die Parallelrisse jener Objektteile, die in
Ebenen parallel zur Bildebene liegen, behalten ihre Form bei.
Situation wurde von M. C. Escher
ausgenutzt, um scheinbar unrnoqllche
Objekte darzustellen.
29
35. Der Verzerrungsfaktor wirkt sich auch bei der Darstellung von Kreisen aus: Der
Parallelriss eines allgemein liegenden Kreises (Kreisebene liegt nicht parallel zur
Bildebene) ist kein Kreis, da unterschi edliche Durchmesserstrecken unter einer
Parallelp rojektion versch ieden verzerrt werden (Abb. 2.8). Ohne Beweis stellen wir
fest, dass Parallelri sse von Kreisen und Kugeln im Allgemeinen Ellipsen sind
(vgl. Kapitel6, 7 und 8). Da elliptische Kreis- und Kugelbilder der natiirlichen
Seherfahrung eines geom etr isch wenig versierten Betrachterswidersprechen, wirken
Bilder, die von allgemeinen Parallelprojekeionen stammen, eher wenig realitatsnah,
AxonometrischeRisse basieren aufden GesetzmaBigkeiten der Parallelp rojektion .
Sie werden unre r Verwendung des Parallelrisses eines Koordinatensysterns und der
Verzerrungsfaktoren der Koordinatenachsen herge stellt. Vor dem Aufkommen von
CAD-Software wurden sie haufig zur Darstellung und Prasenration raurnlicher
Objekte eingesetzt. Mit dieser grundlegend en Zeichentechnik konnen mit traditionellen
Zeicheninstrumenten brauchbare Visualisierungen von Raumobjekten und
raurnlichen Situ ationen relativ einfach, wenn auch zeitaufwandig, hergestellt werden
(Abb. 2.9).
Diese Verfahren sind sehr hilfreich bei der Entwicklung von Freihandskizzen und
bei der Visualisierung von Designideen. Besonders im Rahm en von Prasent arionen,
wenn nicht alltagliche Ansichten eine s Projekts erwiin scht sind, konnen diese
Zeichentechniken vorteilhaft eingesetzt werden. Eine zweckmaf ige Vorgangsweise zur
Herstellung axonometrischer Risse stellen wir etwa s sparer in diesem Kapitel vor.
30
Abb.2.8
Im Aligemeinen sind die Parallelrisse
von Kreisen und Kugeln Ellipsen.
Abb.2.9
Axonometrische Risse basieren auf den
GesetzmaBigkeiten von Parallelprojektionen.
Sie konnen relat iv einfach
handlsch hergestellt werden. Sie
werden daher manchmal zu Prasentationszwecken
eingesetzt. ORFLandesstudio
(1968-1972) in Salzburg
von G. Peichl (links). Moller-Haus
(1927-1928) in Wien von A. Loos
(rechts) .
36. Abb.2.10
Die Projektionsstrahlen einer
Normalprojektlon verlaufen norma l zur
Bildebene. 1m Unterschied zur
allgemeinen Parallelprojektion ist der
Normalriss elner Kugel immer eln
Normalprojektion. Verlaufen die Projekt ion sstrahlen einer Parallelprojektion normal
zur Bildebene, so sp rechen wir von einer Nonnalprojektion (Abb. 2.10). Normalrisse
sind Sonderfalle von Parallelr issen, und es gelten daher dieselben Eigenschaft en wie fUr
Parallelprojekti on en. Zusatzlich gilt , dass der Normalriss ein er Kugel immer ein Kreis
ist ,
Zum Nachweis dieser Tatsache bet rachten wir alle Projektionsstrahlen, die eine
Kugel umhiillen (Abb. 2.10) . Di ese Projektion sstrahl en beriihren die Kugel langs eines
Kre ises k, dessen Tragerebene normal zu den Projektionsstrahlen liegt. Der Krei s k
liegt also parallel zur Bildeb ene n. Er wird dahe r als ein Kreis abgebildet, dessen
Radius gleich dem Kugelradius ist, Dies ist einer der Griinde, warum Normalrisse
weitaus naturlicher wirken als allgemeine Parallelrisse.
Kreis. Man beachte, dass dlese IIlustrierende
Abbildung eine Darstellung einer
Raumsituation 1st; das Blld des Kreises
in der Bildebene it erscheint daher als
Ellipse.
/
31
37. Wie schon erwahnr, sind Parallelrisse, die aufden Gesetzma/Sigkeiten von Parallelpro
jektionen beruhen, ein gute s Hilfsmittel, urn raumliche Situationen und
Designideen zu visualisieren. Zur Angabe von Bema/Sungen und zur Festlegung von
Objektdimensionierungen verwenden wir hingegen Normalrisse. AIle Strecken und
Objektreile in Ebenen normal zu den Projektionsstrahl en liegen parallel zur Bildebene.
Siewerden daher unter einer Normalprojektion unverzerrt abgebildet.
Mit jedem kartesi schen Raumkoordinatensystem (mit lotrechtcr z-Achse) sind drei
Normalprojektionen in natiirl icher Weise verkniipft, die wir als Hauptrisse
bezeichnen (Abb. 2.11 ).
• Die lotrechte Normalproj ektion mit den Projektionsstrahlen SI (ent gegengesetzt
zur Richrung der z-Achse) liefert den Grundriss (Ansicht von oben) eines
Objekrs,
• Die horizonralen Normalprojektionen mit den Projektionsstrahlen S2 und S3
erzeugen den Auftiss (Ansicht von vorne) bzw. den Kreuzriss (Ansicht von
rechts) des Objekts,
Kreuzriss
Abb.2.11
Drei Normalrisse (Hauptrisse) sind mit
jedem kartesischen Koordinatensystem
in natUrlicher Weise verknUpft.
Aufriss
Abb. 2.12
Drei weitere Hauptansichten eines
Objekts.
I
Ansicht von links
32
I
Ansicht von rechts
Ansicht
von unten
Ansicht von links Ansicht von rechts
38. Wenn wir zusatzlich die Normalprojektionen in Richtung der Koordinatenachsen
betrachten, erh alten wir drei weitere Hauptrisse des Objekts. Diese Risse
(Abb. 2.12) zeigen dann die Ansichtvon unten (Projekrionssrrahl -s-), die Ansichtvon
hinten (-52) und die Ansicht von links (-53)' Technische Zeichnungen bestehen meist
aus Grundriss, Aufriss und Kreuzriss, da die Form und die Ausmalie eine s Objekts
durch die Angabe von drei Hauptrissen meist ausreichend beschri eben werden.
In technischen Zeichnungen werden die Hauptrisse oft so angeordnet, dass der
Informationstr ansfer zwischen je zwei Rissen einfacher moglich wird. Abhangig von
der "histo rischen Entwicklung der Darstellenden Ceornerrie" unterscheiden wir
zwischen zwei haufig verwendeten Anordnungen:
Abb.2.13
FOr die Platzierung der Hauptrisse am
Zeichenblatt sind zwei verschiedene
Anordnungen Oblich.
• Der Aufriss wird direkt oberhalb des Grundrisses plarzierr, und der Kreuzri ss
liegt links vom Aufriss (Abb. 2.13, links). Diese in Europa iibliche Anordnung
kann von der in Abb. 2.11 illustr ierten Raumsituation abgeleitet
werden.
• Benutzt man eine Art von "Projekt ionsquader" (Abb. 2.13, rech ts), der das
abzubildende Objekt umfasst, so liegt es nahe, den Grundriss direkt oberhalb
des Aufrisses und den Kreuzriss rechts vom Aufri ss anzuordnen.
Amerikenische Anordnung
z'"
P" r:
•. ....... . ~--~
y " »:
0 '"
z"
...
r- - "y'
"""
... ~
p'
0 '
""x'
0 "
P"
y"
. ...
0 '" 0 "
0 '
r- - - "'y
"""
... ..J
p'
""x'
z'"
EuropiHsche Anordnung
p'"..--------i
x'"
Kreuzriss
Grundriss /"
33
39. Bei der Verwendung von CAD-Systemen kann der Benutzer die Hauptrisse beliebig,
seinen individuellen Bediirfnissen angepasst, platzieren. Bei der Weitergabe und
Verteilung von Bau- und Konstruktionsplanen hingegen rniissen haung die
offiziellen Standardanordnungen berucksichrigr werden.
Wir erinnern nochmals daran, dass der Hauptgrund fur die Verwendung von
mehreren Hauptrissen darin besteht, dass mit deren Hilfe samtliche Objektabmessungen
unverzerrt abgelesen werden konnen. Daher ist es wichtig, das zugrunde
liegende Koordinatensystem dem Objekt geeignet anzupassen, das heHk dass
wesentliche Objektteile in Ebenen parallel zu den Koordinatenebenen liegen.
In den letztenJahren verlor - bedingt durch das vermehrte Aufkommen von
Freiformgeometrien - die Verwendung von Hauptrissen zur Festlegung von
Objektdimensionen etwas an Bedeutung. Anstelle von ausgedruckten Planen haben
sich digirale, modellbasierte Formate vermehrt durchgesetzt. Diese digitalen Formate
enthalten deraillierte Informationen iiber die Geometrie und die Abmessungen der
beteiligten Objekte. Sie konnen direkt zur maschinellen Herstellung von
3-D-Objekten verwendet werden.
Als ein Beispiel fiir den Einsatz von digiralen Planen sei das von Frank O. Gehry
entworfene Srata Center am MIT in Cambridge (Abb. 2.14) erwahnt. Das
Stata Center war eines der ersten Projekre, bei dem ein digitales Datenmodell
ausgedruckte Bauplane zur Ganze als rechtliche Grundlage ersetzte.
Abb.2.14
Stata Center des MIT (1999-2003) in
Cambridge von F. Gehry.
40. Perspektive
Bisher haben wir uns mit Parallel- und Normalprojektionen auseinandergesetzt.
Sie sind recht brauchbare Werkzeuge, urn Designideen zu visualisieren, geometrische
Eigenschaften von Raumobjekten zu illustrieren und urn die Abmessungen
von Objekten festzulegen . Urn allerdings nariirlich wirkende Bilder herzustellen,
miissen wir uns mit der Zentralprojektion und den damit erzeugbaren Zentralrissen
beschaftigen.
Die erstcn Ansatze, exakte perspektive Bilder herzustellen, gehen aufdas
16.Jahrhundert zuriick. Zu dieser Zeit versuchten vor allem italienische Kiinstler und
Arch itekten wie Filippo Brunelleschi, Leon Battista Alberti und Piero della Francesca
einige grundlegende Regeln und Methoden festzulegen, urn realistisch wirkende
Bilder malen zu konnen.
Eine dieser Merhoden zur Herstellung perspektiver Bilder bestand in der
Vcrwendung eines Holzrahmens mit eingespanntem Fadengitter (Abb. 2.1). Ein
von den Objektpunkten zum Auge des Kiinstlers gespannter Faden diente dabei als
Projektionsstrahl, und die Bildebene wurde in Form des Holzrahmens realisiert. Die
Obertragung der Bildpunkte in der (lotrechten) Bildebene auf ein (horizontales)
Zeichenblatt wurde mit Unterstiitzung eines Quadratrasters durchgefiihrt.
41. Diese recht pr aktikable Meth ode der alten Meister soll uns nun als Vorbild fur ein
einfaches Verfahren zur Erzeugung von Zentralrissen dienen. In Abb. 2.15 haben wir
den Holzrahmen dur ch eine lotrechte Bildebene :It ersetzt, und anstelle des gespannren
Fadens verwenden wir einen Projekt ionsstrahl s durch einen festen Augpunkt 0 .
Wir ermitteln dann den ZenrralrissP' eines ObjektpunktsPals Schn ittpunkt des
Projektionsstrahls mit der Bildebene n ,
Es gibt genau einen Projektionsstrahl durch den Augpunkt 0 , der normal zur
Bildebene :It verlaufi, Dieser Projektionsstrahllegt die optiscbeAcbse der Zenrr alprojektion
fest. Den Schnittpunkt der optischen Achse mit der Bildebene
bezeichnen wir alsHauptpunkt der Perspektive. Die horizontale Ebene durch den
Augpunkt°enrhalt die optische Achse und schneidet die Bildebene :It langs einer
Ger aden h.
Abb.2.15
Zentralprojektion: Wir sehen die raurnliche
Situation wahrend der Konstruktlon
(oben).
Zentralriss: Das Ergebnis der Zentralprojektion
- der Tisch aus der Sicht
eines Betrachters, der vom Punkt 0
aus in Richtung der optlschen Achse
schaut (unten).
It
, , optische
, Achse '" ". ' j, / ..... / " / ..............< ·· ·s· ·· ·:-: : ~ . 0
. .. . ... . . . .. . . . ... ...~.. . .. :::::::::::.'.·.·.·.,:,~o
· .. ····· 1
. .. ... ............... . . .. .. . . .. . .... ... ..... .. .
h
36
42. Fixieren wir nun das Auge eines Betrachters im Augpunkt 0 und lassen ihn langs der
optischen Achse aufdas Bild schauen, dann vermittelt das perspektive Bild denselben
Eindruck, wie ihn der Betrachter in der urspriinglichen Raumsituation harte
(Abb. 2.15, unten). Die horizonrale Gerade h wiirde dabei dem Horizont - der Grenze
zwischen der "horizontalen Erdoberflache" und dem Himmel- ent sprechen. Wir
bezeichnen daher die Gerade h durch den HauptpunktH als Horizont.
Dieselbe Raumsituation bestehr auch beim Fotografieren eines Objekrs (Abb. 2.16).
Dabei wird die Kamera im Augpunkt 0 positioniert und die optische Achse der
Kamera wird aufden Hauptpunkt H hin ausgerichtet. Daher wird der Augpunkt 0
haufig auch als Kamerastandpunkt und der HauptpunktH als Kamerazielpunkt
bezeichnet.
Nach der Aufnahme des Bildes mit der Kamera kommt der HauptpunktH im
Mittelpunkt des aufgenommenen Bildes zu liegen. In Abb. 2.16 konnen wir einen
weiteren, wohlbekannten Aspekt bei perspektiven Bildern erkennen: Die Zentralrisse
paralleler, horizontaler Geraden schneiden einander offensichdich aufdem Horizont.
Abb.2.16
Raumsituat ion (Zentralprojektion) und
2-0-Ergebnis (Zentralriss) beim
Fotografieren eines Hauses.
h
37
43. Abb. 2.17 illustriert den Beweis dieser Tatsache. Urn den ZentralrissgCeiner
allgemeinen Geradeng zu ermitteln, miissen wir die durch die Geradeg und den
Augpunkt 0 aufgespannte Ebene Emit der Bildebene Jt schneiden (Abb. 2.17, links) .
Betrachren wir nun zwei beliebige, horizonrale Geraden g, undgz, die zueinander
parallelliegen (Abb. 2.17, Mine). Zur Konstruktion ihrer Zentralrisseg l undgz
verbinden wir beide Geraden mit dem Augpunkt 0 und erhalten damit die beiden
Ebenen E1 und Ez. Die Schnittgeradegf dieser beiden Ebenen enthalt den Augpunkt 0
und verlauti parallel zu den Geradeng] undgz. Der Schnittpunkt Fg-der GeradentJ
mit der Bildebene Jt liegt daher aufdem Horizont h.Wir bezeichnen den Punkt Fg- als
Fluchtpunkt aller zu gf parallelen Geraden.
Diese Punkre sind bei der handischen Konstruktion perspektiver Bilder von groBer
Bedeutung. 1mAllgemeinen gilt, dass die Zentralrisse beliebiger paralleler Geraden k]
und kzeinander im FluchtpunktP, der Geraden k, und k2 schneiden. Wir erhalren den
Fluchrpunkr FkalsSchnittpunkt der Hilfsgeraden kfmit der Bildebene Jt, wobei die
Gerade kf eine zu k] and kzparallele Gerade durch den Augpunkt 0 ist, Wir erkennen,
dass im Unterschied zur Parallelprojektion bei der Zentralprojektion die Parallelitac
von Geraden und Verhalmisse von Streckenlangen zueinander im Allgemeinen nicht
erhalten werden.
Abb.2.17
Konstruktion von Fluchtpunkten
38
44. Der Abstand des Augpunkts 0 zum HauptpunktH (aufdem Horizont h) legt auch
die Entfernung des Augpunkts 0 von der Bildebene Jt fest. Wir bezeichnen diesen
Abstand als Distanz der Perspektive . Eine Anderung der Distanz wirkt sich niche auf
das Aussehen des Zentralrisses aus, sie verursacht lediglich eine VergroBerung oder
Verkleinerung des perspektiven Bildes (Abb. 2.18, oben). Andererseits kann
jedoch ein Verschieben der Kamera langs der optischen Achse groBe Auswirkungen
aufdas Aussehen des Zentralrisses haben (Abb . 2.18, unten).
Abb.2.18
Zentralrisse einer Modellfigur der
"Endlosen Treppe" (1991, Ludwigshafen)
von Max Bill. Mit festem Augpunkt 0
und variabler Distanz (oben).
Mit fester Distanz und bewegtem
Augpunkt (unten) .
Bild 1 Bild 2 Bild 3
verschiedene Bildebenen
' ''to' :~: : :'':'' ' 0 to ' -0
Distanz
1t l~ < . 1tzJ1 <.
'-
"-..-
.. _ -- 0 " -" - " -06
Augpunkt wird bewegt
rt
Bild 4
1t
Bild 5 Bild 6
39
45. horizontalen und vertikalen Absrande dh
und d, des Punktes P czum Hauptpunkt
H. Der horizontale Absrand dh kann dabei
unverzerrr aus dem Grundriss als
Abstand der Punkte H' und PC' iibernommen
werden. Den verrikalen Abstand
d; finden wir im Aufriss als Abstand
des Punktes pc "vom Horizont h.
Mit dieser einfachen Konstruktionsvorschrifi
konnen wir die Bilder aller
Obj ektpunkte ermirreln und erhalten
damit den Zentralriss des Objekrs.
Abb.2.19
Handlsche Konstruktion der Perspektive
eines vereinfachten Hausmodells. Die
Konstruktion wurde in zwei
unterschiedlichen Rissanordnungen im
Maf3stab 1: 600 durchgefUhrt (oben) .
Das Ergebnis ist im Maf3stab 1 : 300
wiedergegeben (unten).
Bildpunktes P' als Schnittpunkt des
Projektionsstrahls OPmit der Bildebene
n. Urn den in der Bildebene n liegenden
Zentralriss des Objekts unverzerrr zu sehen,
.------ - - - - -----QQ '
-,
p'
iiberrragen wir die konstruierren
Bildpunkte in eine Zeichenebene. Dieser
Transfer erfolgt unter Beachrung der
Konstruktion
im MaBstab
1:600
" .. .. I
__P"__. _· ·_·· ..p·c·_i,O_'·· -··ld....... 0" - 0-- :..-c-· · · ~o -
h" H" ~Qc "
Beispiel:
Handische Konstruktion der Perspektive
" ' ~ Q"
0'
p" ' 0 -· _ _ _ pc"
' .
Konstruktion
im MaBstab 1:600
- ,
h" I
p'
eines Hauses. Zur handischen
Konsrruktion einer Perspektive ordnen
wir Grund- und Aufriss der raurnlichen
Situation zweckmaliigerweise wie in Abbildung
2.19 an. In dieser Aufstellung
ermitreln wir Grund- und Aufriss eines
40
Ergebnis im MaBstab 1:300
h
46. Die Verwendung von Fluchtpunkten erbOht
EuropiUsche Anordnung
h"_
Beispiel:
Verwendung von Fluchtpunkten bei
der handischen Konstruktion von
Perspektiven. Die punkrweise Konstruktion
einer Perspektive kann durch
die Verwendung von Pluchtpunkren
wiefolgc verbessert werden (Abb. 2.20):
Wir konstruieren Grund- und Aufriss
des Fluchtpunkrs fig einer beliebigen
Geraden g als 5chnittpunkt von gf mit
der Bildebene n. Die dazu benotigte
Geradegfermittdn wir a1s einezug parallele
Gerade durch den Augpunkt O.
Die Position des Fluchtpunkts fig in der
Zeichenebene erhaltenwir dann durch
Obertragender Abstande d, und dbwie
oben beschrieben.
Abb.2.20
Handlsche Konstrukt ion elner
Perspektive mit Verwendung von
Fluchtpunkten. Die Konstruktion erfolgt
in zwel unterschiedlichen
Rissanordnungen (oben).
h _ - ----~-- --yC
Wir verbinden denBildpunktP' mitdem
Fluchtpunkr F, und iibertragen dann nur
noch die horizontalen Abstande db, die
wir unverzerrt irn Grundriss ablesen konnen.
In analoger Art und Weise konstruieren
wirdieZentralrissevonPunkren,die
aufx-parallelenKanten liegen, indem wir
den FluchtpunktF, verwenden.
Amerikanische Anordnung
F."
g ,, '~
d.
1"'-- - - - -"1
h" H"
-- o~
0 "
y"
R" Q" e: F..'
6----6--..a....o- ...
z"
--=
F.
y"
Q" e:
Ergebnis in doppelter GroBe
R"
die Genauigkeit der Konstruktion
und verringert gleichzeitig die Anzahl
der benorigten Konstruktionslinien. 50
finden wir beispidsweise die Zentralrisse
der PunkreQund R, die beide auf einer
y-parallelen Geraden durch den schon
konstruierten PunkrP liegen, wie folgt:
x '
d"
I P'
41
47. Wir merken noeh an, dass die besehriebene Konstruktionsmethode gut fur das
Abbilden von Objekten mit aussehlieBlieh ebenen Seirenflachen geeignet ist, Die
Anwendung dieser Methode aufdie Herstellung perspektiver Bilder von Zylindern,
Kugeln oder Objekten mit gekrummten Oberllachen ist im Allgemeinen wesentlich
komplizierter und zeitaufwandiger,
Das konstruktionsteehniseh aufwandige Abbilden von Kreisen und Kugeln war ein
wesentlicher Inhalt der traditionellen Darstellenden Geomerrie, woraufwir in diesem
Bueh nieht weiter eingehen werden, Trotzdem ist es hilfreich, wenn man in der
Lage ist, perspektive Bilder von einfaehen Objekren (wie oben beschrieben) richtig
skizzieren zu konnen, Weiters helfen uns beim Modellieren mit CAD die vorgestellten
Grundkenntnisse iiber die Zentralprojektion beim Festlegen geeigneter perspektiver
Ansichren.
Hinweise fiir das Erzeugen natiirlich wirkender Bilder. Perspektive Bilder
sind besonders fur Prasentationen geeignet, da sie das einaugige Betrachren einer
modellierten Szene simulieren. Zur Herstellung realistiseh wirkender Bilder konnen
noeh folgende Tipps recht hilfreich sein (Abb . 2.21 und 2.22). Abb.2.21
Geneigte optische Achsen
(Kamerastandpunkt und Kamerazielpunkt
befinden sich auf unterschiedlichen
Hohen) erzeugen stOrzende
z-Kanten .
Abb.2.22
Der Sehkegel und die Sehpyramide
begrenzen den sichtbaren Bereich.
o ,.
sichtbarer Bereich sichtbarer Bereich
Sehpyramide
/
;;
42
48. Abb.2.23
Bilder einer Szene mit verschiedenen
Sehpyramiden: Ein Winkel a kleiner als
30 Grad ergibt realistisch wirkende
Bilder, wahrend Bilder mit grOBeren
Wir sollten uns immer in Erinnerung rufen, dass die Kameraposition die Lage
des Auges eines Betrachters fesdegt. Die Position des Augpunktes sollte daher
vorzugsweise zwischen l.S und 2 m oberhalb der eben en Srandllache angenommen
werden.
• Die Wahl einer horizontalen optischen Achse 0lH1 bewirkt perspektive
Bilder, in denen die z-parallelen Geraden als lotrechte, parallele Geraden
erscheinen. Daher sollten Kamerastandpunkr und Kamerazielpunkt
dieselbe z-Koordinate haben.
• Falls der Kamerazielpunkt hoher liegt als der Kamerastandpunkt, so zeigt die
opcische Achse OzHznach oben. Der Fluchtpunkt F,liegt daher oberhalb des
Horizonts, und wir erhalten stiirzende z-parallele Kanrenbilder.
• Liegt hingegen der Kamerastandpunkt 0 3hoher als der Kamerazielpunkt, so
erhalten wir ebenfalls stiirzende z-Kanten, wobei in diesem Fall der Fluchtpunkt
F; unterhalb des Horizonts liegt.
• Der sichtbare Bereich, den das menschliche Auge ohne Bewegen wahrnehmen
kann, wird durch den so genannren Sehkegel begrenzt. Der Winkel a
zwischen den Erzeugenden des Sehkegels und seiner Achse betragt beim
Menschen etwa 30 Grad (Abb . 2.22) . Bei der Verwendung eines
CAD-Systems oder einer Fotokamera tritt anstelle dieses Sehkegels eine
Sehpyramide. Die meisten CAD-Systeme stellen Hilfsmittel bereit, die ein
Anpassen der Sehpyramide erlauben. Wie in Abb. 2.23 illustriert, sollte man
zur Herstellung realistisch wirkender Bilder die GroBe des Winkels a mit 30
Grad beschranken.
Werten fOr a ungewohnt wirken.
Allerdings kann dieser Effekt auch
gezielt fOr kunstlerische Zwecke
eingesetzt werden.
a =30 0
I
a =40 o
I
a= 50 o
I
a = 60 o
43
49. Erzeugung von optischen Illusionen. Bisher haben wir die Zentralprojektion
eingesetzt, urn den dreidimensionalen Raum moglich sr realistisch auf einem Bild
wiederzugeben. Allerdings kann man die Geserzmaliigkeiren der Perspektive auch
nutzen, urn den optischen Sinn eines Betrachters bewusst zu tauschen.
Die zugrunde liegende geometrische Idee zur Herstellung
dieser optischen Tauschungen ist das Wissen, dass aIle Punkte,
die aufdemselben Projektionsstrahl s liegen, in einen einzigen
Bildpunkt abgebildet werden. Wahrend der letzten jahrhunderte
wurde diese Moglichkeit von Malern und Architekten
haufig genutzt, urn auf ebenen Wanden oder Kuppeln das
Vorhandensein von raumlichen Objekten tauschend echt zu
simulieren. Ein eindrucksvolles Beispiel dafiir befindet sich
in der Kirche des HI. Ignatiu s in Rom. Dort bernalte in den
Jahren 1684 und 1685 Andrea Pozzo eine ebene Decke so,
dass diese als perfekte dreidimensionale Kuppel erscheint
(Abb. 2.24) .
44
"'
51. Betrachten wir einen Wlirfelund ein allgemeines Polyeder (Polyeder werden im
Kapitel3 behandelt), die so zueinander liegen, dass jedes Paar zugeordneter Punkte
aufje einem Projektionsstrahl durch den Augpunkt 0 liegt. In Abb. 2.25 (links) wird
diesegegenseitigeLageanhand von Projektionsstrahlen durch die Punkte PI' Pzund
P3 (auf dem Polyeder) und den WurfeleckpunktenQh 0. und 0 illustriert. In diesem
Fallwerden beide Raumobjekte auf dasselbeBild abgebildet.
Aus psychologischenGrunden erkennt das menschlicheGehirn regelmaBige Objekte
(wie einen Wlirfel) leichter als unregelmaliige, Eine Person, die vom Punkt 0 aus in
orthogonaler Richtung auf die Bildebene J"[ blickr,wird daher beim Betrachten der
Bild6gurdavon ausgehen, dass es sich urn das Bild einesWlirfels und nicht urn das
Bild eines allgemeinen Polyeders handelt, Aus der Abb. 2.25 (links) erkennen wir
weiters,dass die Bildgeraden P IP2undQlQ2von je zweizugeordneten Raumgeraden
P1PZundQIQZeinander im Fluchtpunkt F;schneiden. Ebenso sehen wir,dass die
Geraden PZP3 undQz0 die Bildebeneim Fluchtpunkt F,schneiden.
Abb.2.25
Wie man die menschliche Wahrnehmung
tauschen kann. Ein Betrachter,
der vom Punkt 0 auf das allgemeine
Polyeder blickt, meint einen WOrfel zu
sehen (l inks).
Der Polyeder aus der Sicht des
Betrachters (Mitte) . Die Geometrie
hinter den Stra13enmalereien von Julian
Beever (rechts).
46
. .
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52. In der Abb. 2.25 (rechrs) verwenden wir zwei verschiedene Bildebenen: eine lorrechte
Ebene Jt (sie enthalt ein Bild der gewunschten Szene) und eine horizontale Ebene Jtl
(z.B. die Oberflache eines Gehsteigs, der als Zeichenflache dient). Jeder Punkt R auf
dem Projektionsstrahl OPhat dasselbe Bild R' = P' in der vertikalen Bildebene n;
Daher erzeugt der SchnittpunkrP, des Projektionsstrahls OPmit der horizontalen
Zeichenebene Jt 1 dasselbe Bild P' wie der Punkt P aufeinem realen Objekt.
Yom geometrischen Standpunkt aus miissen wir zur Herstellung solcher StraBenmalereien
lediglich alle Punkte der gewiinschten Szene (in der lotrechren Bildebene n) in
eine andere Ebene Jtl projizieren . Enrfernen wir dann die lorrechte Bildebene Jt und
positionieren das Auge des Betrachters im Punkt 0, so glaubt der Betrachter die
Originalszene zu sehen, wahrend er aufdas verzerrte Bild (blaue Linien) aufdem
Gehsteig blickt.
«o:
47
54. Licht, Schatten und
Rendering
Der geschickte Einsatz der Zentralprojektion ist eine der wesentlichen Voraussetzungen,
um Architektur und Design in einer realistisch wirkenden Art und
Weise prasentiercn zu konnen, Aber ohne geeignete Beleuchrung werden unsere
modellierten Objekte nur "Bach" und nicht raumlich wirken . Fiir wirklich
hervorragende Visualisierungen miissen wir uns daher mit verschiedenen Lichtarten
und Bildwiedergabeverfahren beschaliigen. Da auch im deutschsprachigen Raum
ansrelle von .Bildwiedergabe" iibllcherweise das Wort "Rendering" oder .Rendem"
verwendet wird, benutzen wir es auch in diesern Buch.
Lichtarten, Vom geometrischen Standpunkt aus betrachtet, sind die Parallelbeleuchtung
(entferntes Licht) und die Zentralbeleuchtung (Punktlicht) die Gegenstiicke
zur Parallelprojektion und zur Zentralprojektion. Diese Beleuchtungsmethoden
weisen daher dieselben Eigenschaften aufwie die ihnen entsprechenden Projektionen.
Abb.2.26
Beleuchtungen mit entferntem Licht,
Punktlicht und Scheinwerfer erzeugen
scharfe Schattenkanten.
Abb.2.27
Spotlight
Zusatzlich zu den geometrischen Eigenschaften miissen wir noch beriicksichtigen, dass
bei Parallelbeleuchtung (Sonnenlichr) ein gleichmalSighelles Licht verwendet wird,
wahrend bei Punktlichtern die Lichtstarke mit der Entfernung abnimmt (Abb. 2.26).
]e weiter das Objekt von der Lichtquelle entlernt liegt, desto weniger Licht ernpfangt
es. Dieses graduelle Abnehmen der Lichrstarke, oft auch als Fading bezeichnet, wird
von der Rendering-Software vereinfachr so simuliert, dass die Lichtstarke mit dem
Quadrat der Entfernung abnimmt,
Beleuchtungen mit einem Scheinwerfer (Spotlight) sind eine Sonderform der
Bcleuchtung mit einem Punktlicht. Im Gegensatz zum Punktlicht wird in diesem Fall
nur ein durch einen Kegel begrenzter Bereich ausgeleuchtet. Diese Beleuchtung eignet
sich daher hervorragend, wenn wir bestimmte Teile eines Objekts hervorheben wollen.
Zusatzlich konnen wir bei einem Spotlight mit Hilfe eines weiteren, koaxialen Kegels
den so genannten Fall-offBereich regeln . Innerhalb dieses Kegels haben wir die volle
Lichtsrarke, wahrend sic aulSerhalb des Kegels gleichmalSigbis zum begrenzenden
Lichtkegel hin abnimmt (Abb. 2.27) .
49
55. Schattengrenzen, die von einer einzelnen emfernten Lichtqueile oder einem
Punktlicht erzeugt werden , sind sehr scharf (plotzlicher Obergang von voller
Ausleuchtung zu absolute r Dunkelheit),Daher wirken Szenen mit nur einer dieser
Lichtquellen nicht sehr realistisch. Urn dies zu vermeiden und urn einen sanfi:en
Obergang von beleuchteten zu abgedunkelren Bereichen zu erzielen, setzen wir eine
groBere Anzahl von Punkrlichtern bzw. Scheinwerfern ein, die wir nahe aneinan der
positionieren.
Diese Biindelanordnung von einzeln en Lichtern erzeugt zwar recht realistische
Schatten, allerdings auf Kosten stark steigender Berechnungszeiten. Deshalb
stellen Renderprogramme auch Lichrquellen wie Linien- und Fldcbenlichter zur
Verfiigung, die auf der Idee der Biindelanordnung basieren. So kann beispielsweise
das Lini enlicht als eine Menge von Punktlichrern aufgefasst werden, die hngs einer
Strecke angeordnet sind . Diese regeimaBigverteilten Punktlichter senden dann Licht
gleichformig in alle Richtungen aus (Abb. 2.28).
Abb.2.28
Linien- und Flachenlichter konnen als
Mengen von Spotlights aufgefasst
werden, die langs einer Strecke oder
innerhalb eines Polygons gleichmaBig
verteilt sind.
56. Abb.2.29
Linien- und Flachenllchter werden
haufig bei der Beleuchtung von
Innenraumszenen eingesetzt.
Platzieren wir die einzelnen Lichtquellen gleichmaBig innerhalbeinesebenen
Polygons, so erhaltenwir das Modellfur ein Flachenlichr. Linien-und Flachenlichter
sind hervorragendzumVisualisieren von Innenraumengeeignet, wo in der Realitar
ublicherweise Leuchtsroffr6hren oder Lichtpaneele Verwendungfinden (Abb.2.29).
ZweiweiterewichtigeLichtquellen, die jede Rendering-Software zur Verfugung
stellt, sind das Umgebungslicht (ambient light) und das Blitzlicht (/lash light). Das
Umgebungslichtdient dabei nur zum Verandernder Grundhelligkeit der Szene,
wahrend das Blitzlicht ein spezielles Punktlicht isr,das genau in der Position der
Kameraplatziert ist, Eine Anderung der Lichtstarkedes Blitzlichtserhellr bzw.
verdunkelt nur jene Flachenreile, die von der Kameraposition aus sichtbar sind.
Umgebungslichtund Blirzlichterzeugenkeine sichtbaren Schatten, siedienen
lediglichzur Steuerungder Helligkeit der gesamtenSzene.
57. Render-Merhoden, Urn qualitativ hochwertige Bilder zu erzeugen, miissen wir
unseren Objekren zusarzlich noch Texturen und Materialien zuweisen. Verschiedene
Beleuchtungsmodelle, welche die Interaktion zwischen Licht und Oberilachenbeschaffenheit
beschreiben, ermoglichen erst die Darstellung nanirlich wirkender
Texturen. Diese Beleuchtungsmodelle berucksichtigen dabei zahlreiche geometrische
und physikalische Fakroren, welche die Farbe jedes einzelnen Objektpunktes festlegen.
Urn das natiirliche Verhalten des Lichts zu simulieren, miissen beispielsweise
physikalische Effekte wie Reflexion, Transparenz oder Spiegelung in die marhematische
Beschreibung der Beleuchtungsmodelle einllielsen . Diese marhernatischen
Modelle versuchen mit minimalem Rechenaufwand die in der Realitat vorhandenen
Lichtverhalmisse rnoglichst gut anzunahern. Eine tiefere Behandlung dieser
Thernatik wiirde den Rahmen des Buches sprengen. Wir beschranken uns daher auf
die Beschreibung einiger grundlegender Tatsachen.
Im Wesentlichen unterscheiden wir zwischen lokalen undglobalen Beleuchtungsmodellen
(Abb . 2.30).
• Lokale Beleuchtungsmodelle beriicksichtigen nur die Interaktion zwischen
Licht und Objekt. Sie sind einfache, aber gute Approximationen von ratsachlichen
Lichtverhaltnissen und werden daher fiir schnelle Bilddarstellungen
mit konstanter Schattierung oder Phong-Schattierung (wirdim Folgenden
erklart) eingesetzt.
• Globale Beleuchtungsmodelle sind viel genauere Simulationen der Realitar.
Sie beriicksichtigen physikalische Eigenschaften, die Interaktion zwischen
Licht und Objekt sowie die Inreraktion zwischen den Objekten. Diese
Modelle erlauben daher auch die Darstellung von Spiegelungs- und Lichtbrechungseffekten.
Sie schlieBen bei der Berechnung des Farbtons jedes
einzelnen Objekrpunktes samrliche Objekte der dargestellten Szcne ein.
Typische Render-Methoden, die aufglobalcn Beleuchtungsmodellen
basieren, sind die als Raytracing bzw. Radiosity bezeichneten Verfahren.
Aufgrund der Komplexitat der zugrunde liegenden mathemarischen Modelle
ben6tigen diese Render-Methoden wesentlich mehr Rechnerleistung als jene,
die lediglich auflokalen Beleuchtungsmodellen beruhen.
52
Abb.2.30
Lokale Beleuchtungsmodelle (wie
konstante Schattierung, links) im
Gegensatz zu globalen Beleuchtungsmodellen
(wie Raytracing, rechts).
Abb.2.31
Der Reflexionswinkel legt den
Zusammenhang zwischen einem
Lichtstrahl und einer Objektfacette fest.
Lichtquelle
58. Abb.2.32
Polygonales Modell einer Kugel samt
den Polygonnormalen.
Abb. 2.33
Bei Verwendung einer punktf6rmigen
Lichtquelle treten verschiedene
Reflexionswinkel in jedem einzelnen
Punkt einer Ebene auf.
Urn die verschiedenen Meth oden zur Bildwiedergabe (Render-Methoden) zu
verstehen, betrachten wir vorerst nur die lokale Interaktion zwischen einer Lichtquelle
und einer einzelnen Facette eines Objekrs (Abb. 2.31).Wir studieren dazu die
Reflexion eines einzelnen Lichtstr ahls I an einer Ebene n, Sei n eine Gerade durch den
Punkt P,welche normal zur Ebene Jrsteht. Das aus der Physik bekannre
Reflexion sgesetz besagt nun , dass der einfallende Licht strahl Z,der rellektierte
Lichtstrahl Zund die Ebenennormale n in einer Ebene liegen.
Weiters gilt, dass der Winkel zwischen Ieund n gleich grog wie der Winkel zwischen n
und ITist. Sei nun s ein beliebiger Sehstrahl durch das Auge eines Betrachters. Dann
bestimmt der Winkel zwischen ITund s die Inren sitat des reflektierenden Lichtstrahl s s,
der in Richtung der Kamera verlaufi. Falls s und ITzusammenfallen, wird das
Maximum an Licht zum Betrachter hin retlektiert, Berucksichrigr man nun diese
Geserzmaiiigkeit und lasst man noch die Eigenschaften des verwendeten Materials
einfliefen, so kann ein passender Farbton berechnet werden. Diese Farbe wird dann
dem Objektpunkt P zugewiesen.
Zur Vereinfachung des Berechnungsprozesses nehmen wir zusatzlich an, dass alle
Raumobjekte durch polygonale Modelle mit ebenen Facetten reprasentiert werden
(Abb. 2.32 ).Wie wir bereits gesehen haben, ist die Lage der Normalen n in Bezug zur
Lichtquelle und zum Betr achter von entscheidender Bedeutung. Daher werden im
ersten Schritt die Normalen samtlicher ebener Polygone berechnet.
Anhand der Abbildung 2.33 erkennen wir, dass in verschiedenen Punkten einer
einzelnen Facette der Winkel zwischen einfallendem Lichrstrahl und der Polygonnorm
alen variieren kann , obwohl die Polygonnormalen in allen Flachenpunkren
zueinander parallel sind. Folglich rellekt iert jeder Punkt der Flache den einfallenden
Licht strahl in eine andere Richtung.Jed er Flachenpunkr scheint daher eine andere
Farbe zu haben.
' " :4:.
B·· ..
53
59. Die Berechnung der Farbe jedes einzelnen Punktes (Bildschirmpixel) der gesamten
Szene ist daher auBerst komplex und zeiraufwandig, Daher miissen Vereinfachungen
getroffen werden, urn brauchbare Resultate in angemessener Zeit zu erhalten. Je nach
Art dieser Vereinfachung unterscheiden wir zwischen folgenden Render-Methoden:
• Konstante Schattierung: Allen Punkten eines Polygons wird dieselbe
Farbe zugeordnet. Bei diesem schnellen Algorithmus ist die Qualitat des
Ergebnisses allerdings nicht iiberragend, da man die Rander der einzelnen
Facetten recht klar erkennen kann:
• Gouraud-Schattierung (Abb. 2.34): Die HelIigkeit des Lichts (Luminanz)
wird in den Ecken des Polygons berechnet, und daraus werden die Farbwerte
in diesen Punkten errnirtelr. Mit Hilfe eines linearen Interpolationsprozesses
(siehe auch im Anhang "Geometrische Grundlagen") werden dann die
Farbwerte fUrjeden Punkr (Pixel) einer Flachenfacerre berechnet. Dazu
werden zunachst die Farbwerte langs der Kanten des Polygons interpoliert.
Dabei andert sich beispielsweise langs der Kante DA die Farbe von Blau
in Griin, und langs der Kante DBwechselt die Farbe graduell von Blau
in Rot. Anschliefend wird mit Hilfe einer linearen Interpolation endang
einer Scanlinie EF der Farbwert eines Flachenpunkres P ermittelt. Dieses
Verfahren zur Berechnung der Farbwerte ist zeiraufwandiger als die konstante
Schattierung, allerdings wird die ~alitat der resultierenden Bilder deutlich
verbessert. Bei diesem Verfahren miissen die Normalen in den Ecken einer
Flachenfacette ermittelt werden. Zur Erklarung dieses Vorgangs berrachten
wir nochmals die Abbildung 2.34. In der EckeD treffen einander vier
Facetten mit vier verschiedenen Flachennorrnalen. Urn einen glatten
Obergang zwischen diesen Facetten zu erhalten, verwenden wir den
Vektor n =1;4(n +n2+n3+n4)'der als arithmetisches Mittel aller beteiligten
Vekroren berechnet wird.
Abb.2.34
Gouraud-Schattierung: Ausgehend von
den Farbwerten in den Ecken eines
Polygons wird die Farbe eines jeden
Punktes durch Iineare Interpolation
ermittelt.
Phong-Schattierung: Zuerst wird mit
derselben linearen Interpolation aus
den Normalen in den Polygonecken fOr
jeden Flachenpunkt eine Normale
berechnet. Erst dann wird der Farbwert
im Punkt P mit Hilfe dieser Normalen
ausgewertet.
Prinzip der Gouraud-Schattierung Prinzip der Phong-Schattierung
A
54
B
60. • Phong-Schattierung: Bei dieser Methode wird die line are Interpolation nicht
auf die Farbwerte, sondern aufdie Flachennormalen selbst ausgeubt. Der
Interpolationsprozess verlauft gleich wie bei der Gouraud-Schattierung mit
dem Unterschied, dass wir nun im Flachenpunkt P einen interpolierten
Normalvektor np erhalten. Mit Hilfe von np wird dann die Farbe des Flachenpunktes
errnittelt. Dieser Algorithmus erfordert noch mehr Rechenleistung,
liefert allerdings auch eine bessere Qualitat. Speziell bei der Verwendung
von glanzenden Marerialien erzeugt die Phong-Schattierung rechr gute
Ergebn isse bei relativ kurzen Rechenzeiten.
In Abbildung 2.35 werden die Unterschiede und Grenzen dieser lokalen Schattierungsverfahren
anhand eines einfachen geometrischen Objekts (Ringtorus)
aufgezeigt. Diese einfachen Methoden liefem akzeptable Naherungen der Realitat,
sie konnen aber keine physikalischen Effekte wie Spiegelung oder Lichtbrechung
wiedergeben. Zur Erzeugung fotorealistischer Bilder miissen wir daher globale
Methoden wie Raytracing oder Radio sity einsetzen.
Das Raytracing-Verfahren(StrahlruckverfOlgung) basiert aufdem Scannen (Abtasten )
der Bildschirmpixel. Dabei werden durch jeden Punkt des Bildschirms (Pixel) Sehstrahlen
durch den Augpunkt gelegt. Dann wird jeder dieser Sehstrahlen s durch
die gesamte Szene solange zuriickverfolgt, bis er aufeine Lichtquelle triftt. Wahrend
dieser Riickverfolgung wird jeder Lichtstrahl nach den Gesetzen der Physik in allen
Schnittpunkten mit den Objekten an deren Oberflache retlektiert bzw. gebrochen
reflektiert und dabei in diverse Teilstrahlen zerlegt (Abb. 2.36 ).
Abb.2.35
Die Sildqualitat hangt vom RenderVerfahren
abo Wahrend die konstante
Schattierung mit wenig Rechenaufwand
eher bescheidene Silder liefert,
erzeugen Gouraud- und PhongSchattierung
recht brauchbare Silder
auf Kosten erhohter Rechenzeit.
Abb.2.36
Raytracing: Ein Sehstrahl 5 wird vom
Auge zu den Lichtquellen ruckverfolqt,
konstante
Schattierung
GouraudSchattierung
PhongSchattierung
Augpunkt 0 Pixel
55
61. Die dabei entstehenden, neuen Teilstrahlen werden wie die Ausgangsstrahlen
behandelt, Das heiEt, sie werden ebenfalls durch die gesamte Szene bis zu einer
Lichtquelle zuriickverfoIgt und konnen dabei wieder in weitere Teilstrahlen aufgeteilt
werden. Szenen mit vielen spiegelnden Objekroberflachen konnen dabei eine riesige
Anzahl von Strahlen erzeugen, die von vielfachen Spiegelungen oder Lichtbrechungen
herriihren. Das Raytracing-Verfahren ist daher auEerst rechenintensiv, erzeugt dafiir
aber recht eindrucksvolle Bilder.
Das Radiosity-Verfthren ist eine noch komplexere Methode zur Erzeugung photorealistischer
BUder. Die Rechenzeit steigt nochmals enorm an, da aufwandige
mathematische Verfahren verwendet werden . Allerdings lohnt sich der Rechenaufwand
speziell dann, wenn man diese Methode beim Rendern von Innenraumszenen einsetzt,
urn auch diffuse Reflexionen darstellen zu konnen (Abb. 2.37).
Wir haben uns hier nur mit den Grundlagen von Beleuchtungsmodellen und
Render-Methoden beschattigt, Fiir ein intensives Studium dieser Thernarik verweisen
wir aufdie einschlagige Literarur aus der Computergrafik.
Raytracing
56
Radiosity
Abb.2.37
Dieselbe Szene dargestellt mit dem
Raytracing- und dem RadiosityVerfahren.
In der Szene wird nur ein
einziges Flachenlicht (in Form eines
Dreiecks an der Decke des Innenraums)
verwendet, um die Unterschiede
der beiden Render-Verfahren
zu illustrieren . Mit Hilfe des RadiosityVerfahrens
gelingt es sogar, diffuse
Reflexionen darzustellen . (Bilder mit
freundlicher Genehmigung von
Alexander Wilkie und Andrea Weidlich.)
62. v
Normale und schiefe
Axonometrie
Die Moglichkeit, aussagekrafiige Skizzen freihandig zu zeichnen, ist fur jeden
Designer und Architekten eine grofe Hilfe, da viele Designkonzepte und Designideen
nur schwer mit Worten allein beschreibbar sind. Eine rasch erstellre Handskizze kann
bei der Vermitdung dieser Designideen hilfreich sein. Die Beachtung der wenigen
Eigenschaften einer Parallelprojektion, die wir am Beginn dieses Kapitels hergeleitet
haben, reichen schon aus, urn allgemeine Ansichten von Raurnobjekten richtig
skizzieren zu konnen,
Gegeben seien jeweils dieVerzerrungsfaktoren vx' vyund Vz der drei Achsen x, y und z
eines kartesischen Koordinatensystems sowie die Bilder x P,yP,zPdieser Koordinatenachsen
(Abb. 2.38 ). Mit dieser Angabe sind wir nun in der Lage, die Parallelrisse der
Einheitspunkte EA1,0,0), Er(0, 1,0) und Ez (0,0,1) in der Zeichnung einzutragen.
Legen wir nun durch die Bilder dieser Einheitspunkte achsenparallele Geraden, so
erhalten wir den Parallelr iss eines Wtirfels mit der Kantenlange 1. Dieser Einheitswurfel
dient uns als visuelle Hilfe , urn festzusrellen , ob eine beliebig gewahlte Angabe
auch cine brauchbare Ansicht liefert.
Der Parallelriss eines allgemeinen PunktesQmit den Koordinaten xQ'yQund zQwird
dann, wie in Abbildung 2.38 gezeigt, ermitrelt, Die Koordinaten von Qwerden mit
den jeweiligen Verzerrungsfaktoren multipliziert und mit Hilfe achsenparalleler
Geraden in das Bild eingetragen.
Abb.2.38
Parallelriss eines allgemeinen Punktes
QCO.512/2) . tz"
E"z
0 "
o ~E" "
z"
~-~y"
.... . ...... ,
.:-:
" ,
oQ '"
57
63. Voter der Annahme, dass jede beliebige Wahl fur die Verzerrungsfaktoren und die
Bilder der Koordinatenachsen zulassig ist, ermoglicht die se Konstrukrionsvorschrifi
das richtige Einzeichnen eines jeden Punktes des dreidimensionalen Raums. Bei der
Festlegung der Verzerrungsfaktoren und der Bilder x", y P und zP haben wir also eine
vollkommen freie Wahl.
Dennoch miissen wir uns im Klaren sein, dass eine ungeeignete Auswahl zwar
ein geometrisch richtiges, aber visuell unbrauchbares Ergebnis liefern kann. Wir
zeigen daher in Abbildung 2.39 einige gelaufige und brauchbare Annahmen fur die
Verzerrungsfaktoren vx' vyund Vz sowie fur die Parallelrisse x",y P und z".
vx= l ; vy=O.5; vz= l
zP
Beispiel:
Parallelriss einer Uberdachung, Gegeben
sind Grund- und Aufriss einer vereinfachren
Oberdachung, die Parallelrisse
des Koordinatensystems sowie die Verzerrungsfaktoren
(Abb. 2.40a). Wir beginnen
mit dem Einzeichnen des Achtecks
in der xy-Ebene und berucksichtigen dabei
die Verzerrungsfaktoren sowie die
Parallelitat gegenuberliegender Seiten.
Abb.2.39
Gut gewahlte Vorgaben fOr die
Verzerrungsfaktoren und fOr die
Parallelrisse x", yP und z" der
Koordinatenachsen erzeugen realistisch
wirkende Bilder.
58
vx= l ; vy=O.75;
vz= 1 z"
vx=O.5; vy= l ;
vz= l z"
Abb. 2.40
Axonometrischer Riss eines vereinfachten
Modells einer Oberdachung.
(a) Gegeben sind Grund- und Aufriss
der Oberdachung, das Koordinatensystem
und die Verzerrungsfaktoren.
(b) Konstruktion des Achtecks und der
lotrechten Saulen.
(c)Einzeichnen der Oberdachung.
(d) Ermittlung der Verschneidung der
Oberdachung mit einer quadratischen
Pyramide.
(e) Fertigstellung der Zeichnung.
64. Dann zeichnen wir die vertikalen Saulen
ein (Abb. 2.40b). Verbinden wir nun die
BilderdieserEndpunkte mit dem PunkrS,
so erhalt en wir den Parallelriss der Oberdachung
(Abb. 2.40c).
Nun wollen wir eine weitere, quadratische
Pyramide mit dem Leitpol ygan
A,B,C,D konstruieren, welche die
bereit sexistierende Oberdachungdurchdringt
(Abb. 2.40d). Wir wahlen eine
(a)
vx=O.5
vy= l
v,= l
10
passende Hohe (1SEinheiten) und tragen
den Parallelriss P der Pyramidenspitze in
unserer Zeichnung ein. Die aultretenden
Schnittkantcn konnen wir nun direkr im
Bild konstruieren.
Die Kamen AT und IS liegen in derselben
Ebene. Wir erhalten damit direkt
den Schnittpunkt E. Die Seirenflache
ABT der Pyramide schneidet die lotrechte
Ebene durch die Kame 2S langs
(b)
J .. .. .Z' . .J
~ . '#.. ..
der Hilfsgeraden h. Mit Hilfe dieser
Geraden errnitteln wir den Punkt G, den
Schnittpunkt der Kame 2S mit der Pyrarnide
, Die restlichen Schnitrkanten und
Schnittpunkte konnen nun in analoger
Weise konstruiert werden. Alrernariv
dazu konnen wir zur Fertigstellung der
Konstruktion auch die Symmetrien des
Objekrs ausnutzen (Abb. 2.40e).
U'l
....,j "
x ,
M
y '
y"
S9
65. Sichtbarkeit von Objekren. In den meisten Fallen skizzierenwir unsere Designideen
und Raumobjekte so, dass wir sie von oben betrachten konnen (das hei/k wir sehen
die Oberseite der xy-Ebene). Manchmal kann es aber auch n6tig sein, Zeichnungen zu
erstellen, welche die Objekte von unten zeigen. In diesem Fall rniissenwir eine Ansicht
erzeugen,welche die Unterseite der xy-Ebene zeigt.
Bereitsdie Wahl der gegenseitigen Lageder Parallelrisse xP,yPund zPder Koordinatenachsenx,
y und z legt fest,von welcherSeite das abzubildende Objektzu sehen sein wird.
Der Grund dafiir ist,dasswir bei der Herstellung unsererZeichnungen immer ein
kartesisches Rechrskoordinarensysrern voraussetzen. Aus den Abbildungen 2Ala und b
erkennen wir, dassbei einer Ansicht von oben (wenn wir die Oberseite der xy-Ebene
sehen) die 90-Grad-Drehung der x-Achsein diey-Achseimmer im Gegenuhrzeigersinn
erscheint. Andererseitserscheint dieselbeDrehung im Uhrzeigersinn,wenn wir die
Unterseite der xy-Ebenebetrachten (Abb. 2.41c).
Wir konnen daher eine einfache Regel zur Bestimmung der richtigen Sichtbarkeit
herleiten . Fallsdie "kurzere" Drehung (Drehwinkel kleiner als 180 Grad) der
x"-Achse in dieyP-Achse im Gegenuhrzeigersinn (diese Rotation wird als mathematisch
positiv bezeichnet) verlaufi, dann sehen wir das Objekt von oben (Obersicht).
1mFalle einer Drehung im Uhrzeigersinn liegt eine Ansicht vor, die das Objekt von
unten zeigt (Untersicht) .Wir konnen daher, nur durch Betrachten der Bilder der
Koordinatenachsen, bereits feststellen, welche Ansicht vorliegt. Abb. 2.42 illustriert
diese Regel anhand einiger Beispiele.
(a) (b) (c) Abb. 2.41
Die gegenseitige Lage der Parallelrisse
x", yP und z" legt fest, ob ein Objekt
von oben (a, b) oder unten (c)
gesehen wird.
Abb.2.42
Obersicht und Untersicht.
Obersicht Untersicht Untersicht Obersicht Obersicht
60