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Helaba Volkswirtschaft/Research



                                           Länderfokus                                                                              24. Januar 2012




                                           Griechenland: Keine Ideallösung in Sicht
                         Autor:
                                           Der notwendige drastische Sparkurs und die wirtschaftlichen Reformen belasten die innenpoliti-
              Ulrich Rathfelder
                                           sche Lage in Griechenland stark, auch weil diese mit einer harten Anpassungsrezession verbunden
     Telefon: 0 69/91 32-20 32
                                           sind. Protestaktionen sowie Kontroversen nicht nur zwischen Regierung und Opposition, sondern
          research@helaba.de
                                           auch innerhalb der Regierung Papandreou ließen Mitte 2011 generell Zweifel am Willen für eine
                                           Fortsetzung der Reformpolitik aufkommen. Die Regierung konnte nach einem couragierten Start
                                           die vereinbarten Ziele des im Mai 2010 gewährten dreijährigen Stützungspaketes von EU und IWF
                    Redaktion:             über insgesamt 110 Mrd. € nicht mehr einhalten. Die im Herbst 2011 fällige sechste Tranche des
        Dr. Stefan Mitropoulos             Stützungspaketes wurde solange zurückgehalten, bis die Regierung weitere Konsolidierungsschrit-
                                           te zusicherte. Dazu zählen weitere Kürzungen der Gehälter für Beamte und staatliche Angestellte,
                                           der Abbau staatlicher Arbeitsplätze und die Einführung einer Immobiliensteuer. Um die Maßnah-
                 Herausgeber:              men leichter durchsetzen zu können, wurde im November 2011 eine im Parlament breit abgesi-
                                           cherte Übergangsregierung unter Ministerpräsident Papadimos gebildet, bestehend aus der sozial-
          Dr. Gertrud R. Traud
                                           demokratischen PASOK, der konservativen Nea Dimokratia und der rechtsgerichteten LAOS. Zu
Chefvolkswirt/Leitung Research             diesem Schritt haben ausländische Forderungen nach einer Einbindung der Opposition bei den
Landesbank Hessen-Thüringen                Sparmaßnahmen eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings beschränkt sich das Mandat der neuen
                MAIN TOWER                 Regierung lediglich darauf, die Haushaltslage kurzfristig zu stabilisieren und ein freiwilliges
      Neue Mainzer Str. 52-58              Schuldenabkommen mit den privaten Gläubigern abzuschließen – beides Voraussetzungen für die
      60311 Frankfurt am Main              weitere Auszahlung aus dem bestehenden Stützungspaket und die Gewährung eines zweiten, sich
     Telefon: 0 69/91 32-20 24             anschließenden Hilfspaketes der EU und des IWF. Nach dem griechischen Osterfest Mitte April
     Telefax: 0 69/91 32-22 44             sind Neuwahlen geplant.

                                           Die griechische Wirtschaft wuchs vor der Krise recht dynamisch, was vermutlich die Sicht auf
                                           Fehlentwicklungen versperrt hatte. Die strukturellen Mängel wie eine wenig wettbewerbsfähige
                                           Industrie, ineffiziente Staatsunternehmen, geschützte Berufsgruppen und Märkte sowie eine ver-
                                           krustete Bürokratie wurden nicht ausreichend betrachtet. Hätte der griechische Staat weniger Stel-
                                           len geschaffen und weniger Defizitfinanzierung betrieben, wäre vermutlich die Entwicklung des
                                           Bruttoinlandsprodukts ähnlich lethargisch wie in Portugal verlaufen. Auch dort verschlechterte
                                           sich die Wettbewerbsfähigkeit infolge steigender Lohnstückkosten und verschleppter Reformen,
                                           nur dass die Staatsfinanzen geordneter blieben.

      Party bis 2008, böses Erwachen danach                                      Lohnstückkosten müssen stärker angepasst werden
      Reales Bruttoinlandsprodukt, Index: Q1 2002 = 100                          Index: Q1 2002 = 100

       135                                                                135     145                                                           145
       130                                                                130     140                                      Irland               140
                                  Irland                   Griechenland
                                                                                  135                                                           135
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                                                                                  130                     Griechenland                          130
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                                     Deutschland                                  115                                                           115
       110                                                                110
                                                                                                                                Portugal
                                                                                  110                                                           110
       105                                                                105
                                                Portugal                          105                                                           105
       100                                                                100     100                        Deutschland                        100
        95                                                                 95      95                                                            95
             2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011                          2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011


      Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research                           Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research
Länderfokus: Griechenland




                                  Das griechische Sparprogramm wird daher auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig die
                                  Wirtschaft effizienter wird. Die hierfür vorgesehenen Reformen können sich jedoch nur allmählich
                                  positiv auswirken. Das BIP wird nach einem Rückgang um 6 % 2011 im Jahr 2012 voraussichtlich
                                  nochmals um mindestens 3 % fallen. Die strukturell schwachen Güterexporte und die wesentlich
                                  bedeutenderen Dienstleistungsexporte (Tourismus, Schifffahrt) werden vorerst nur verhalten zule-
                                  gen. Das Leistungsbilanzdefizit (2011 noch 9 % des BIP) dürfte sich nur wegen der stark fallenden
                                  Binnennachfrage rasch vermindern.

Fiskalische Schwächen                                                            Außenwirtschaftliche Schwächen
% des BIP                                                         % des BIP      Mrd. $                                                           Mrd. $

                                                                          16         0                                                             0
 160
                                                                          14
 140                                  Staatsschulden
                                       (linke Skala)                      12       -10                                                             -10
 120
                                                                          10                           Kapitaleinkommensaldo
 100                                                     Budgetdef izit
  80                                                     (rechte Skala)   8        -20                                                             -20

  60                                                                      6

  40                                                                      4        -30                                                             -30
                                                                                                                    Leistungsbilanzsaldo
  20                                                                      2
   0                                                                      0        -40                                                             -40
            2009           2010             2011              2012                              2009         2010             2011         2012


Quellen: IWF, EU, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research                           Quellen: EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research



                                  Die griechische Regierung, die EU und der IWF verständigten sich bereits im Oktober 2011 auf
                                  ein zweites Rettungspaket. Vorgesehen ist ein Beistandsvolumen von 130 Mrd. €, mit dem die
                                  Finanzierungslücken nach dem Auslaufen des ersten Paketes bis 2014 geschlossen werden sollen.
                                  Ziel ist es, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 % des BIP zu senken, was bei erfolgreichen Re-
                                  formen als tragfähig angesehen wird. Bestandteil des Abkommens ist ein freiwilliger Forderungs-
                                  verzicht der privaten Anleihegläubiger von mindestens 50 %, ergänzt durch die Gewährung neuer
                                  20 bis 30 Jahre laufender festverzinslicher Anleihen zu günstigen Konditionen. Die neuen Anlei-
                                  hen sollen sich auf etwa 35 % des bestehenden Anleihevolumens belaufen, rd. 15 % ihrer Forde-
                                  rungen sollen den privaten Gläubigern sofort zurückgezahlt werden. Die privaten Gläubiger, die
                                  aktuell rd. 205 Mrd. € der gesamten Staatsverschuldung über 350 Mrd. € halten, werden in den
                                  Verhandlungen vom Institute of International Finance (IIF) vertreten. Nach IWF-Prognosen wer-
                                  den durch den vorgesehenen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger die Staatsschulden von
                                  162 % des BIP 2011 auf 151 % 2012 und danach weiter stetig fallen. Der Anteil der privaten
                                  Gläubiger an den Staatsschulden würde von knapp 80 % (2011) auf etwa 40 % (2012) sinken.

                                  Einerseits sind die Schulden der privaten Gläubiger möglichst rasch zu restrukturieren sowie die
                                  neuen Hilfskredite von der EU und dem IWF zu gewähren, damit die griechische Regierung die
            Gefahr eines
                                  am 20. März 2012 fälligen Staatsanleihen über 14,5 Mrd. € refinanzieren kann. Andererseits müs-
            Moratoriums
                                  sen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen sowie die aktuelle Haushaltslage durch die sogenannte
                                  Troika, die sich aus Experten der EU-Kommission, der EZB und des IWF zusammensetzt, erst
                                  noch überprüft werden. Gleichzeitig bestehen bei dem anstehenden Forderungsverzicht Unsicher-
                                  heiten über die Beteiligungshöhe der privaten Gläubiger. Damit besteht das Risiko, dass die ange-
                                  strebte „schrittweise“ Lösung des Schuldenproblems nicht durchführbar ist. In diesem Falle würde
                                  die griechische Regierung offiziell ein Moratorium auf ihre Schulden erklären müssen. Bestehende
                                  Vereinbarungen über das Reformprogramm und deren Finanzierung wären dann hinfällig. Da die
                                  griechische Regierung kein Geld drucken kann, wäre sie zunächst auf eine Überbrückungsfinan-
                                  zierung durch die EU-Regierungen bzw. durch die EZB angewiesen, bis eine langfristig tragfähige
                                  Lösung vereinbart worden ist. Ein solcher Prozess würde nicht nur langwierig sein, sondern vo-
                                  raussichtlich auch zu einem höheren Schuldenschnitt als im zweiten Rettungspaket vorgesehen
                                  führen. Zudem dürfte eine generelle Zahlungseinstellung Griechenlands die europäischen Kapi-




                                  Helaba Volkswirtschaft/Research · 24. Januar 2012· © Helaba                                                            2
Länderfokus: Griechenland




                                                   talmärkte immer noch stark belasten und zusätzliche Stützungsmaßnahmen der EU und der EZB
                                                   erforderlich machen, um die Ansteckungsgefahren auf andere Krisenländer wie Portugal einzu-
                                                   grenzen. Alle Beteiligte dürften daher bestrebt sein, ein Moratorium zu verhindern, da die damit
                                                   verbundenen Unwägbarkeiten und Belastungen hoch sein werden.

                                                   Wirtschaftsdaten Griechenland


                                                                                                                 2009     2010     2011s    2012p

                                                    BIP                                        Mrd. $             326      306      300      268
                                                    Reales BIP-Wachstum                       % gg Vj             -3,3     -3,5     -6,0     -3,0
                                                    BIP pro Kopf                                 $               29.042   27.118   26.596   23.696
                                                    Bevölkerung                                 Mio.              11,2     11,3     11,3     11,3
                                                    Arbeitslosenrate                             %                9,5      12,6     17,0     20,0
                                                    Budgetdefizit                            % des BIP           -15,6    -10,6     -9,5     -6,5
                                                    Inflationsrate                               %                1,3      4,7      3,0      1,0
        Die Publikation ist mit größter Sorgfalt
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich     Leistungsbilanz:
  unverbindliche Analysen und Prognosen zu          Einnahmen                                  Mrd. $             72,4     71,7     79,0     73,5
   den gegenwärtigen und zukünftigen Markt-
                                                    Ausgaben                                   Mrd. $            108,4    102,1    106,1     89,6
     verhältnissen. Die Angaben beruhen auf
    Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
                                                    Leistungsbilanzsaldo                       Mrd. $            -36,0    -30,5    -27,1    -16,2
 deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua-             "                                % des BIP           -11,0    -10,0     -9,0     -6,0
 lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön-
 nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe-     Auslandsschulden (netto)                 % des BIP            87       103      116      105
     nen Angaben dienen der Information. Sie
dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für       s = Schätzung, p = Prognose
  Anlageentscheidungen verstanden werden.
                                                   Quellen: IWF, EU, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research
                                                   




                                                   Helaba Volkswirtschaft/Research · 24. Januar 2012· © Helaba                                        3

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  • 1. Helaba Volkswirtschaft/Research Länderfokus 24. Januar 2012 Griechenland: Keine Ideallösung in Sicht Autor: Der notwendige drastische Sparkurs und die wirtschaftlichen Reformen belasten die innenpoliti- Ulrich Rathfelder sche Lage in Griechenland stark, auch weil diese mit einer harten Anpassungsrezession verbunden Telefon: 0 69/91 32-20 32 sind. Protestaktionen sowie Kontroversen nicht nur zwischen Regierung und Opposition, sondern research@helaba.de auch innerhalb der Regierung Papandreou ließen Mitte 2011 generell Zweifel am Willen für eine Fortsetzung der Reformpolitik aufkommen. Die Regierung konnte nach einem couragierten Start die vereinbarten Ziele des im Mai 2010 gewährten dreijährigen Stützungspaketes von EU und IWF Redaktion: über insgesamt 110 Mrd. € nicht mehr einhalten. Die im Herbst 2011 fällige sechste Tranche des Dr. Stefan Mitropoulos Stützungspaketes wurde solange zurückgehalten, bis die Regierung weitere Konsolidierungsschrit- te zusicherte. Dazu zählen weitere Kürzungen der Gehälter für Beamte und staatliche Angestellte, der Abbau staatlicher Arbeitsplätze und die Einführung einer Immobiliensteuer. Um die Maßnah- Herausgeber: men leichter durchsetzen zu können, wurde im November 2011 eine im Parlament breit abgesi- cherte Übergangsregierung unter Ministerpräsident Papadimos gebildet, bestehend aus der sozial- Dr. Gertrud R. Traud demokratischen PASOK, der konservativen Nea Dimokratia und der rechtsgerichteten LAOS. Zu Chefvolkswirt/Leitung Research diesem Schritt haben ausländische Forderungen nach einer Einbindung der Opposition bei den Landesbank Hessen-Thüringen Sparmaßnahmen eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings beschränkt sich das Mandat der neuen MAIN TOWER Regierung lediglich darauf, die Haushaltslage kurzfristig zu stabilisieren und ein freiwilliges Neue Mainzer Str. 52-58 Schuldenabkommen mit den privaten Gläubigern abzuschließen – beides Voraussetzungen für die 60311 Frankfurt am Main weitere Auszahlung aus dem bestehenden Stützungspaket und die Gewährung eines zweiten, sich Telefon: 0 69/91 32-20 24 anschließenden Hilfspaketes der EU und des IWF. Nach dem griechischen Osterfest Mitte April Telefax: 0 69/91 32-22 44 sind Neuwahlen geplant. Die griechische Wirtschaft wuchs vor der Krise recht dynamisch, was vermutlich die Sicht auf Fehlentwicklungen versperrt hatte. Die strukturellen Mängel wie eine wenig wettbewerbsfähige Industrie, ineffiziente Staatsunternehmen, geschützte Berufsgruppen und Märkte sowie eine ver- krustete Bürokratie wurden nicht ausreichend betrachtet. Hätte der griechische Staat weniger Stel- len geschaffen und weniger Defizitfinanzierung betrieben, wäre vermutlich die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ähnlich lethargisch wie in Portugal verlaufen. Auch dort verschlechterte sich die Wettbewerbsfähigkeit infolge steigender Lohnstückkosten und verschleppter Reformen, nur dass die Staatsfinanzen geordneter blieben. Party bis 2008, böses Erwachen danach Lohnstückkosten müssen stärker angepasst werden Reales Bruttoinlandsprodukt, Index: Q1 2002 = 100 Index: Q1 2002 = 100 135 135 145 145 130 130 140 Irland 140 Irland Griechenland 135 135 125 125 130 Griechenland 130 120 120 125 125 115 115 120 120 Deutschland 115 115 110 110 Portugal 110 110 105 105 Portugal 105 105 100 100 100 Deutschland 100 95 95 95 95 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research
  • 2. Länderfokus: Griechenland Das griechische Sparprogramm wird daher auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig die Wirtschaft effizienter wird. Die hierfür vorgesehenen Reformen können sich jedoch nur allmählich positiv auswirken. Das BIP wird nach einem Rückgang um 6 % 2011 im Jahr 2012 voraussichtlich nochmals um mindestens 3 % fallen. Die strukturell schwachen Güterexporte und die wesentlich bedeutenderen Dienstleistungsexporte (Tourismus, Schifffahrt) werden vorerst nur verhalten zule- gen. Das Leistungsbilanzdefizit (2011 noch 9 % des BIP) dürfte sich nur wegen der stark fallenden Binnennachfrage rasch vermindern. Fiskalische Schwächen Außenwirtschaftliche Schwächen % des BIP % des BIP Mrd. $ Mrd. $ 16 0 0 160 14 140 Staatsschulden (linke Skala) 12 -10 -10 120 10 Kapitaleinkommensaldo 100 Budgetdef izit 80 (rechte Skala) 8 -20 -20 60 6 40 4 -30 -30 Leistungsbilanzsaldo 20 2 0 0 -40 -40 2009 2010 2011 2012 2009 2010 2011 2012 Quellen: IWF, EU, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research Die griechische Regierung, die EU und der IWF verständigten sich bereits im Oktober 2011 auf ein zweites Rettungspaket. Vorgesehen ist ein Beistandsvolumen von 130 Mrd. €, mit dem die Finanzierungslücken nach dem Auslaufen des ersten Paketes bis 2014 geschlossen werden sollen. Ziel ist es, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 % des BIP zu senken, was bei erfolgreichen Re- formen als tragfähig angesehen wird. Bestandteil des Abkommens ist ein freiwilliger Forderungs- verzicht der privaten Anleihegläubiger von mindestens 50 %, ergänzt durch die Gewährung neuer 20 bis 30 Jahre laufender festverzinslicher Anleihen zu günstigen Konditionen. Die neuen Anlei- hen sollen sich auf etwa 35 % des bestehenden Anleihevolumens belaufen, rd. 15 % ihrer Forde- rungen sollen den privaten Gläubigern sofort zurückgezahlt werden. Die privaten Gläubiger, die aktuell rd. 205 Mrd. € der gesamten Staatsverschuldung über 350 Mrd. € halten, werden in den Verhandlungen vom Institute of International Finance (IIF) vertreten. Nach IWF-Prognosen wer- den durch den vorgesehenen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger die Staatsschulden von 162 % des BIP 2011 auf 151 % 2012 und danach weiter stetig fallen. Der Anteil der privaten Gläubiger an den Staatsschulden würde von knapp 80 % (2011) auf etwa 40 % (2012) sinken. Einerseits sind die Schulden der privaten Gläubiger möglichst rasch zu restrukturieren sowie die neuen Hilfskredite von der EU und dem IWF zu gewähren, damit die griechische Regierung die Gefahr eines am 20. März 2012 fälligen Staatsanleihen über 14,5 Mrd. € refinanzieren kann. Andererseits müs- Moratoriums sen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen sowie die aktuelle Haushaltslage durch die sogenannte Troika, die sich aus Experten der EU-Kommission, der EZB und des IWF zusammensetzt, erst noch überprüft werden. Gleichzeitig bestehen bei dem anstehenden Forderungsverzicht Unsicher- heiten über die Beteiligungshöhe der privaten Gläubiger. Damit besteht das Risiko, dass die ange- strebte „schrittweise“ Lösung des Schuldenproblems nicht durchführbar ist. In diesem Falle würde die griechische Regierung offiziell ein Moratorium auf ihre Schulden erklären müssen. Bestehende Vereinbarungen über das Reformprogramm und deren Finanzierung wären dann hinfällig. Da die griechische Regierung kein Geld drucken kann, wäre sie zunächst auf eine Überbrückungsfinan- zierung durch die EU-Regierungen bzw. durch die EZB angewiesen, bis eine langfristig tragfähige Lösung vereinbart worden ist. Ein solcher Prozess würde nicht nur langwierig sein, sondern vo- raussichtlich auch zu einem höheren Schuldenschnitt als im zweiten Rettungspaket vorgesehen führen. Zudem dürfte eine generelle Zahlungseinstellung Griechenlands die europäischen Kapi- Helaba Volkswirtschaft/Research · 24. Januar 2012· © Helaba 2
  • 3. Länderfokus: Griechenland talmärkte immer noch stark belasten und zusätzliche Stützungsmaßnahmen der EU und der EZB erforderlich machen, um die Ansteckungsgefahren auf andere Krisenländer wie Portugal einzu- grenzen. Alle Beteiligte dürften daher bestrebt sein, ein Moratorium zu verhindern, da die damit verbundenen Unwägbarkeiten und Belastungen hoch sein werden. Wirtschaftsdaten Griechenland 2009 2010 2011s 2012p BIP Mrd. $ 326 306 300 268 Reales BIP-Wachstum % gg Vj -3,3 -3,5 -6,0 -3,0 BIP pro Kopf $ 29.042 27.118 26.596 23.696 Bevölkerung Mio. 11,2 11,3 11,3 11,3 Arbeitslosenrate % 9,5 12,6 17,0 20,0 Budgetdefizit % des BIP -15,6 -10,6 -9,5 -6,5 Inflationsrate % 1,3 4,7 3,0 1,0 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich Leistungsbilanz: unverbindliche Analysen und Prognosen zu Einnahmen Mrd. $ 72,4 71,7 79,0 73,5 den gegenwärtigen und zukünftigen Markt- Ausgaben Mrd. $ 108,4 102,1 106,1 89,6 verhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für Leistungsbilanzsaldo Mrd. $ -36,0 -30,5 -27,1 -16,2 deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua- " % des BIP -11,0 -10,0 -9,0 -6,0 lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön- nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe- Auslandsschulden (netto) % des BIP 87 103 116 105 nen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für s = Schätzung, p = Prognose Anlageentscheidungen verstanden werden. Quellen: IWF, EU, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research  Helaba Volkswirtschaft/Research · 24. Januar 2012· © Helaba 3