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Pressemitteilung                                                               17. August
2009


Der Vorsitzende des DDB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Martin Hadder, zur
                 Qualität der Diabetikerversorgung in Deutschland

Diabetes ist eine Volkskrankheit, von der inzwischen über acht Millionen Menschen in
Deutschland betroffen sind und deren Behandlung hohe Kosten verursacht. Experten schätzen
die Dunkelziffer der Betroffenen, die bereits erkrankt sind, aber deren Erkrankung noch nicht
diagnostiziert wurde, auf weitere zwei Millionen Menschen. Tendenz steigend.

Wird die Erkrankung nicht optimal therapiert, drohen dem Patienten Folgeerkrankungen wie
beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Nierenversagen oder Fußkomplikationen
bis hin zur Amputation. Die Behandlung dieser Folgeerkrankungen schraubt die Kostenspirale
im Gesundheitswesen entsprechend in die Höhe.

Daher fordert der Deutsche Diabetiker Bund (DDB), der die Interessen der Menschen mit
Diabetes vertritt, schon lange und eindringlich eine präventiv und individuell ausgerichtete
optimale Versorgung der Betroffenen. In einem Gespräch äußert sich der Vorsitzende des
DDB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Martin Hadder, zu der Entwicklung in der
Diabetes-Versorgung.



Herr Hadder, was verstehen Sie unter einer individuellen optimalen Versorgung in der Diabetes-
Therapie? Und wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass diese Versorgung den
Patienten nicht erreicht?

Martin Hadder: Jeder Mensch ist individuell. Verschiedene Entscheidungen des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA), die auf nicht zutreffende Bewertungsergebnisse von Therapien und
Leistungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
zurückzuführen sind – Budgetierungen ärztlicher Leistungen und Rabattverträge – hindern den
Arzt daran, die nach seiner Auffassung geeignete Therapie für seine Patienten anzuwenden.
Bei der Bewertung durch das IQWiG sind die Erfahrungen der Betroffenen völlig ignoriert
worden.

Viele Patienten haben den Eindruck, dass es nicht um den Nutzen, sondern zunehmend nur um
die Höhe der Kosten von Medikamenten oder Hilfsmitteln in der Versorgung geht, was eine
Einschränkung in der Verordnung zur Folge hat. Immer mehr Patienten zahlen beispielsweise
die Teststreifen zur Blutzuckermessung selbst.

Martin Hadder: Der Deutsche Diabetiker Bund hat schon immer kritisiert, dass in den letzten
Jahren durch die Bewertung von Arzneimitteln und Therapien durch das IQWiG ein
Preiskampf gegen die Pharmaindustrie geführt wird, der auf dem Rücken der Betroffenen
ausgetragen wird. Wir befürchten daher, dass zukünftig Patienten vom Fortschritt in der
Versorgung ausgeschlossen werden. Schon heute werden 25 Prozent der Testmedien für die
Selbstkontrolle der Diabetiker von den Betroffenen selbst bezahlt.
Was müsste sich nach Ihrer Meinung im Gesundheitswesen ändern, damit zukünftig Diabetiker
oder chronisch Kranke in Deutschland besser versorgt werden?

Martin Hadder: Durch die Bewertungsmethoden des IQWiG und deren Ergebnisse entsteht bei
den Betroffenen der Eindruck, dass nach der Devise verfahren wird, Kosten senken zu wollen
um jeden Preis, koste es, was es wolle. Nach meiner Auffassung muss die Qualität der
Versorgung wieder in den Vordergrund gerückt werden. Es gibt für alle Krankheitsbilder eine
Fachgesellschaft, die auch entsprechende Behandlungsleitlinien erarbeitet hat. Ich bin der
Überzeugung, dass durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Kostenträgern,
Fachgesellschaften und Betroffenen eine bessere und effektivere Versorgung bei gleichen
Kosten möglich ist.



Das Interview führte Ursula Breitbach, Landesredakteurin NRW subkutan.

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  • 1. Pressemitteilung 17. August 2009 Der Vorsitzende des DDB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Martin Hadder, zur Qualität der Diabetikerversorgung in Deutschland Diabetes ist eine Volkskrankheit, von der inzwischen über acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind und deren Behandlung hohe Kosten verursacht. Experten schätzen die Dunkelziffer der Betroffenen, die bereits erkrankt sind, aber deren Erkrankung noch nicht diagnostiziert wurde, auf weitere zwei Millionen Menschen. Tendenz steigend. Wird die Erkrankung nicht optimal therapiert, drohen dem Patienten Folgeerkrankungen wie beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Nierenversagen oder Fußkomplikationen bis hin zur Amputation. Die Behandlung dieser Folgeerkrankungen schraubt die Kostenspirale im Gesundheitswesen entsprechend in die Höhe. Daher fordert der Deutsche Diabetiker Bund (DDB), der die Interessen der Menschen mit Diabetes vertritt, schon lange und eindringlich eine präventiv und individuell ausgerichtete optimale Versorgung der Betroffenen. In einem Gespräch äußert sich der Vorsitzende des DDB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Martin Hadder, zu der Entwicklung in der Diabetes-Versorgung. Herr Hadder, was verstehen Sie unter einer individuellen optimalen Versorgung in der Diabetes- Therapie? Und wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass diese Versorgung den Patienten nicht erreicht? Martin Hadder: Jeder Mensch ist individuell. Verschiedene Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die auf nicht zutreffende Bewertungsergebnisse von Therapien und Leistungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zurückzuführen sind – Budgetierungen ärztlicher Leistungen und Rabattverträge – hindern den Arzt daran, die nach seiner Auffassung geeignete Therapie für seine Patienten anzuwenden. Bei der Bewertung durch das IQWiG sind die Erfahrungen der Betroffenen völlig ignoriert worden. Viele Patienten haben den Eindruck, dass es nicht um den Nutzen, sondern zunehmend nur um die Höhe der Kosten von Medikamenten oder Hilfsmitteln in der Versorgung geht, was eine Einschränkung in der Verordnung zur Folge hat. Immer mehr Patienten zahlen beispielsweise die Teststreifen zur Blutzuckermessung selbst. Martin Hadder: Der Deutsche Diabetiker Bund hat schon immer kritisiert, dass in den letzten Jahren durch die Bewertung von Arzneimitteln und Therapien durch das IQWiG ein Preiskampf gegen die Pharmaindustrie geführt wird, der auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird. Wir befürchten daher, dass zukünftig Patienten vom Fortschritt in der Versorgung ausgeschlossen werden. Schon heute werden 25 Prozent der Testmedien für die Selbstkontrolle der Diabetiker von den Betroffenen selbst bezahlt.
  • 2. Was müsste sich nach Ihrer Meinung im Gesundheitswesen ändern, damit zukünftig Diabetiker oder chronisch Kranke in Deutschland besser versorgt werden? Martin Hadder: Durch die Bewertungsmethoden des IQWiG und deren Ergebnisse entsteht bei den Betroffenen der Eindruck, dass nach der Devise verfahren wird, Kosten senken zu wollen um jeden Preis, koste es, was es wolle. Nach meiner Auffassung muss die Qualität der Versorgung wieder in den Vordergrund gerückt werden. Es gibt für alle Krankheitsbilder eine Fachgesellschaft, die auch entsprechende Behandlungsleitlinien erarbeitet hat. Ich bin der Überzeugung, dass durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Kostenträgern, Fachgesellschaften und Betroffenen eine bessere und effektivere Versorgung bei gleichen Kosten möglich ist. Das Interview führte Ursula Breitbach, Landesredakteurin NRW subkutan.