Museen haben in besonderem Maße das Potential, durch multiperspektivische Erzählweisen und ko-kreative Ansätze gemeinschafts- und sinnstiftende Orte einer diversen Gesellschaft zu sein. Sie können als Foren der Kommunikation und Verständigung fungieren und einen Raum bieten, in dem gesellschaftliche Aushandlungsprozesse stattfinden. Als Orte der zwischenmenschlichen Begegnung gewinnen sie im digitalen Zeitalter an Bedeutung. Einige Häuser haben dies bereits erkannt und das Thema Diversität auf ihre Agenda genommen.
Wie erreichen Museen eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft? Welche neuen Ansätze kuratorischer Arbeit braucht es, um neue Formen von Narrativen zu entwickeln? Welche Fragestellungen ergeben sich dadurch in Bezug auf Führungskultur, Personalstrukturen und Arbeitsweisen? Wie können mit neuen Partnerschaften und strategischen Allianzen Relevanz für eine mehr Menschen erreicht werden.
Um neue, bisher museumsdistanzierte Besucher zu erreichen, erfordert es eine aktive, zielgerichtete Ansprache der Bevölkerung mit neuen Formaten und Konzepten, die in einer Outreach-Strategie zum Ausdruck kommen. Hier liegen die Stärken von Outreach als strategischem Diversity-Instrument, das mittlerweile in zahlreichen Museen weltweit in Form von Outreach-Managern, Outreach-Kuratoren und Outreach-Abteilungen etabliert ist. Diese Stärken zu zeigen, ist das Ziel dieses Beitrags.
Dieser Impuls gibt Antwort auf die Frage nach der Definition von Outreach, entwirft einen Überblick über den Forschungsstand zur aktuellen demographischen und sozioökonomischen Situation des Museumspublikums, zeichnet die historische Entwicklung von Outreach im internationalen Zusammenhang nach und stellt dar, wie sich Outreach im Kontext von Audience Development, Sozialer Inklusion, Partizipation und Empowerment verortet.
Neben den klassischen und langjährig erprobten Outreach-Formaten wie Museumsboxen- und koffern, Mobilen Museen und Satellitenmuseen werden auch digitale Outreach-Formate wie Webseiten, Social Media, Apps, digitale Sammlungen, MOOCs und digitale Strategien vorgestellt.
Beispiele aus der musealen Praxis aus Deutschland, Großbritannien, Skandinavien und den Niederlanden zeigen mit Erfahrungsberichten aus Interviews, wie Museen mit verschiedenen Kategorien wie School Outreach, Community Outreach und Digital Outreach ein diverseres Publikum ansprechen und beteiligen.
Dieser Vortrag basiert auf dem 2018 im Waxmann Verlag erscheinenden Titel "Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity Instrument" von Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich und Julia Heisig.
2. Quelle: Institut für Museumsforschung, Heft 71, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2016, S. 18
Museen sind beliebt!
Wofür Outreach?
Entwicklung der Besuchszahlen
in deutschen Museen seit 1990
3. Quelle: Darstellung anhand der jeweils aktuellsten verfügbaren, vollständigen Angaben in der EGMUS-Statistik www.egmus.eu.
0.76
1.1
1.5
1.6
1.6
1.74
1.9
1.9
2.41
2.5
2.8
3.1
3.12
3.46
3.57
4.6
4.7
4.77
5
6.5
6.7
7.1
7.5
8
8.04
8.19
10.5
14
16.7
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Italien
Mazedonien
Slovakische Republik
Griechenland
Weißrußland
Schweden
Finland
Frankreich
Polen
Norwegen
Bulgarien
Spanien
Großbritannien
Rumänien
Litauen
Tschechische Republik
Niederlande
Dänemark
Kroatien
Portugal
Ungarn
Deutschland
Lettland
Slowenien
Irland
Österreich
Luxemburg
Schweiz
Estland
Museen je 100.000
Einwohner*innen in Europa
4. Quelle: Darstellung anhand der jeweils aktuellsten verfügbaren, vollständigen Angaben in der EGMUS-Statistik www.egmus.eu.
16,804
21,422
42,567
47,859
48,447
54,801
62,831
66,362
67,241
72,247
86,644
94,989
98341
100,777
112,967
121,446
122,209
123,724
125,740
137824
140,594
153,566
164,130
186,226
192,042
195,909
202,337
252,500
0 50,000 100,000 150,000 200,000 250,000 300,000
Rumänien
Norwegen
Griechenland
Mazedonien
Weißrußland
Kroatien
Italien
Bulgarien
Frankreich
Slovakische Republik
Polen
Finland
Luxemburg
Ungarn
Portugal
Deutschland
Spanien
Tschechische Republik
Großbritannien
Litauen
Slowenien
Estland
Lettland
Dänemark
Schweden
Niederlande
Österreich
Schweiz
Anzahl Besuche je 100.000
Einwohner*innen in Europa
5. Wie oft haben Sie in den letzten 12
Monaten ein Museum oder eine
Galerie besucht?
Museumsbesucher*innen
in Europa
0
10
20
30
40
50
60
Nicht in den
letzten 12
Monaten
1 bis 2 Mal 3 bis 5 Mal
Mehr als 5
Mal
Weiß nicht Mind. 1 Mal
EU-Durchschnitt 2007 58 25 9 7 1 41
EU-Durchschnitt 2013 62 23 8 6 1 37
D-Durchschnitt 2007 52 30 11 7 0 48
D-Durchschnitt 2013 56 29 9 6 0 44
Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
6.
7. Diversity in Museen?
Rechtliche Basis
Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im
Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen
Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des
Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um
Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen
Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. (Art. 1 13 EG)
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner
Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner
religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(Art. 3 Abs. 3 GG)
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
zu verhindern oder zu beseitigen.
(Art. 1 AGG §1)
EU, Vertrag von Amsterdam
1999
Deutschland, Grundgesetz
1949
Deutschland, Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz
2006
Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
8. Diversity in Museen?
Statements
„Vielgestaltigkeit und Differenz von Lebenskonzepten. Das Konzept der
diversity beinhaltet die Wertschätzung jeder Unterschiedlichkeit bspw. in
Bezug auf kulturelle und ethnische Hintergründe, Sexualität, Glauben und
Lebensstile.“
Museums should become an integral part of societies around them.
Museums should be an institution in the service of society and its
development.
Quellen: Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
http://archives.icom.museum/diversity.html
http://icom.museum/the-governance/general-assembly/resolutions-adopted-by-icoms-general-assemblies-1946-to-date/shanghai-2010/
CULTURAL DIVERSITY: Recognition and affirmation of cultural diversity at
the local, regional and international levels and the reflection of this diversity in
all policies and programs of museums across the world.
ICOM Cultural Diversity Charta 2010
Deutscher Museumsbund
2014
ICOM 1972, 1974
ICOM 1992, 2010
10. Diversity in Museen?
Status
“This hard-hitting report outlines the lack of
diversity in the sector at all levels. We need
decisive, meaningful action now from funders and
sector bodies if we are to make a real difference
on these issues for future generations. The time
for talking is over.”
Museums Association
2016, S. 2
„This analysis indicates cultural workers have sets
of ethical and political values that are different
from people in many other occupations in society.“
„This difference, taken with our analysis of values
and attitudes, adds to the picture of a ‘creative
class’ quite distinct from the rest of society.“
Panic! Social Class, Taste
and Inequalities in the Creative
Industries, UK 2018, S. 28, 33
13. Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
Diversity in Museen?
Status
Das Museumspublikum ist
... überproportional weiblich,
... geringfügig älter als der Bevölkerungsdurchschnitt,
... überwiegend ein Akademikerpublikum,
... in großen Städten zu Hause,
... in einer höheren Stellung im Beruf,
... ist sozial höher gestellt,
... wohlhabender als der Bevölkerungsdurchschnitt,
... vor allem im Liberal Intellektuellen-Milieu verortet.
Museumsbesucher*innen
in Deutschland
14. Diversity in Museen?
Zukunftsaufgabe!
Steigende Zahl an Museen !
Sinkende Zahl an Besuchen
Weniger Interessent*innen in der jungen Generation !
Schrumpfende nachfolgende Generation !
Mehr ältere Besucher*innen !
Geringe Diversität beim Museumspersonal !
Diversity im Museumsprogramm?
Diversity im Veranstaltungsprogramm?
Museen müssen aktiv werden!
Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
16. Outreach: Strategisches
Diversity Instrument
„Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die
Kulturinstitution strategische Maßnahmen
abteilungsübergreifend plant, durchführt und evaluiert,
um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die das
Kulturangebot aus unterschiedlichen Gründen nicht
eigeninitiativ wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine
Veränderung in der Haltung der Institution, der
Diversität des Personals, ihrer Programmgestaltung
und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die
Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft“
Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
17. Outreach: Zusammenspiel von
Audience Development, Partizipation
und sozialer Inklusion
Outreach
Audience
Development
InklusionPartizipation
Outreach ist Involvieren und Audience
Development ist Adressieren.
Outreach ohne Partizipation
ist kein Outreach.
Outreach definiert die gesellschaftliche
Rolle eines Museums neu.
20. School-Outreach
Museumsboxen,
Museumskoffer
Mobile Museen,
Wanderausstellungen
Ko-Kreative
Ausstellungsentwicklun
g
Peer-Guide Ausbildung
mit Instrumenten des
Digital-Outreach
Community-Outreach
Museumsboxen,
Museumskoffer
Mobile Museen,
Wanderausstellungen
Ko-Kreative
Ausstellungsentwicklun
g
Interventionen wie
Flash-Mobs
mit Instrumenten des
Digital Outreach
Digital-Outreach
Digitalisierung der
Sammlung
Ko-Kreative
Ausstellungsentwicklun
g mit Digitalisaten
Aneignungs- und
Transformationsformate
wie Remixen
Webseiten als
interaktive Plattformen
Apps, MOOCs,
Videotutorials,
Webinare
Satellitenmuseen
Quelle:
Scharf, Ivana, Wunderlich, Dagmar, Heisig, Julia: Museen und Outreach. Outreach als strategisches Dversity Instrument, Waxmann 2018, erscheint 2018
21. Quelle:
Abbildung: http://www.glasgowlife.org.uk/museums/about-glasgow-museums/open-museum/about-the-Open%20Museum/resources/Pages/default.aspx
Zitat: D. Wunderlich, Wem gehören eigentlich die Museen? „Public Engagement – Ein Blick nach Schottland
http://www.museum-outreach.de/veroeffentlichungen
Glasgow Museums
The Open Museum
Wie das Museum der Bevölkerung dienen kann, zeigen die Glasgow Museums.
„Dafür musste sich das Selbstverständnis der Museen und ihr Blick auf die Besucher
ändern. Access und Ownership sind dabei zentrale Begriffe.“ Das Open Museum ist
ein Beispiel für die Aktivitäten des Outreach Departments.
26. Mehr über Outreach erfahren?
Blog
www.museum-outreach.de
Demnächst
Museen und Outreach
Outreach als Strategisches Diversity Instrument,
Waxmann
Zitierangabe für die Präsentation
Outreach, Museen & Diversity
Ivana Scharf
Ivana Scharf leitet bei MUTIK die bundesweiten
Netzwerkprojekte an der Schnittstelle von Kultur
und Bildung. Sie ist Gründerin weiterer
Initiativen im Bereich kultureller Bildung. Dazu
Zählen Geschichtomat und das bundesweite mobile
Bildungsangebot „on.tour – Das JMB macht Schule“
des Jüdischen Museums Berlin. Hier baute sie die
erste Outreach Abteilung in einem deutschen
Museum auf.
Die Summe der Besuche 2016 ist in den Museen der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich
zum Vorjahr um 2.546.107 auf 111.877.085 Besuche gesunken. Das entspricht einem Rückgang
von 2,2 % (2015: 114.423.192 Besuche). Im Vorjahr hatte es einen Besuchszahlenanstieg von
2,2 % gegeben.
Gründe:
Weniger große Gruppen
Große Sonderausstellung im vergangenen Jahr
Weniger Touristen
Weniger Sonderausstellungen
Bauarbeiten, Sanierungen, Schließung etc.
Diversität sollte sich auf alle Bereiche im Museum beziehen: die Diversität der Besucher, der Sammlungen, der Programme und Veranstaltungen sowie des Museumspersonals.
Basically, you have a set of people who look very much like the audience that they are serving. We could consider the cultural sector a closed segment of society.
Die Gesellschaft verändert sich. Für die Museen wird eine genauere Kenntnis ihres Publikums und potenziellen Publikums zunehmend relevant. Wie spiegelt sich Diversity im Museumspublikum wider?
Die Gesellschaft verändert sich. Für die Museen wird eine genauere Kenntnis ihres Publikums und potenziellen Publikums zunehmend relevant. Wie spiegelt sich Diversity im Museumspublikum wider?