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Entwicklungstheorie und –politik II:
Mikrofinanzen

Informationsasymmetrien und moral
hazard – Kreditrationierung

Christian Becker, 17.6.2007
Kreditrationierung
   • Versagen des Kreditmarktes – kreditwürdige
     Bewerber können keine formellen Kredite
     erhalten
            • Auch arme Menschen können kreditwürdig sein!
   • Folge: (Potenzielle) Unternehmer können
     Geschäft nicht aufbauen bzw. ausweiten
   • Weitreichende gesamtwirtschaftliche
     Konsequenzen
   • Strukturelles Problem in Entwicklungsländern


                 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                        2
Übersicht
                           Kreditrationierung




                               Zinssatzwahl




              Adverse Selektion            Moral Hazard




                       Informationsasymmetrien
                          Beschränkte Haftung


            Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                   3
Beschränkte Haftung
   • Ein Kreditgeber erhält Kreditsumme + Zinsen
     nicht automatisch zurück!
   • Aufgrund mangelnder Rechtsgrundlagen und
     aus sozialen Aspekten(!) können säumige
     Schuldner in Entwicklungsländern oftmals
     faktisch nicht belangt werden
   • Gleiches gilt für das Eintreiben von Pfänden
   • Oft einziges Drohmittel: Verweigerung von
     zukünftigen Krediten
   • Informationen bezüglich der Kreditwürdigkeit
     daher von zentraler Bedeutung

            Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                   4
Informationsasymmetrien
   • Kreditnehmer wissen mehr über sich selbst,
     als Banken über sie
            • Eigenschaften
               • Talentierter Unternehmer oder nicht?
            • Verhalten (moral hazard)
               • ex ante: Anstrengung, um Gewinn zu erzielen?
               • ex post: Rückzahlung im Erfolgsfall? (Enforcement)


   • Informationsasymmetrien können zu
     Kreditrationierung führen

                  Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                         5
Stiglitz/Weiss ‘81
   • Erklärungsversuch von Gleichgewichten
     auf Kapitalmärkten unter
     Kreditrationierung
   • auf Basis von rationalen
     Verhaltensannahmen für Gläubiger und
     Schuldner
   • Joseph Stiglitz gewann 2001 zusammen
     mit George Akerlof und Michael Spence
     den Nobelpreis in Wirtschaft für seine
     Beiträge zur Analyse von Märkten mit                             Joseph Stiglitz
     unvollständiger Information
     (insbesondere „Screening“)
   • Motivation entstand durch Besuche in
     Entwicklungsländern, insbesondere in
     Kenia


             Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                               6
Kreditrationierung: Definitionen
   nach Stiglitz/Weiss
            a) Aus einer Gruppe identischer Bewerber erhalten
               einige Kredit, andere nicht – selbst wenn sie zu
               höheren Zinszahlungen bereit wären
            b) Bei gegebener Menge an verfügbaren Krediten
               können identifizierbare Bevölkerungsgruppen
               keinen Kredit bekommen, obwohl sie bei
               höherer Kreditmenge c.p. bedient würden




                 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                        7
Zinssatzwahl (I)
   • Banken kennen die allgemeine
     Risikosituation ihrer Klientel, aber nicht
     die eines einzelnen Kundens (akzeptable
     Modellvereinfachung)
   • Daher müssen sie jedem Kunden den
     gleichen Zinssatz anbieten
   • Dieser wird gewinnmaximierend gewählt




            Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                   8
Zinssatzwahl (II)
   • Solange Nachfrage besteht, sollten Banken den
     Zinssatz gewinnbringend erhöhen können
     (neoklassische Preistheorie)
                             Nachfrage             Angebot
                    Preis
                    p*




                                                  Menge
                                          q*

   • Aber: Informationsasymmetrien!
            Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                   9
Adverse Selektion (I)
   • Ein höherer Zinssatz selektiert tendenziell
       riskantere Kunden (                          Eigenschaften)
            • Ein risikoarmes Projekt kann bei steigendem
              Zinssatz schnell unprofitabel werden
            • Riskante Projekte werfen im Erfolgsfall
              regelmäßig hohe Gewinne ab, die entsprechend
              Zinsen decken
              • Im Nichterfolgsfall werden Kreditsumme und Zinsen
                nur anteilig oder gar nicht gedeckt – die Bank macht
                einen Verlust!




                 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                        10
Adverse Selektion (II)
   • Beispiel: Zwei Risikogruppen – niedriges und
     hohes Risiko

                                                                 Niedrigrisikogruppe springt ab!
      Erwarteter Gewinn der Bank




                                                              Nur Hochrisiko-
                                                              gruppe bewirbt sich



                                     Beide Gruppen
                                     bewerben sich                                                ^
                                                                                                  r

                                                         r1                      r2   in Anlehnung an Stiglitz/Weiss, S. 397

                                   Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                                                                11
Adverse Selektion (III)
   • Verschärfung: Bank kann allein die
     Hochrisikogruppe profitabel bedienen
                                                                                                  ^
                                                                                                  r
                         0
      Erwarteter Gewinn der Bank




                                                              Nur Hochrisiko-
                                                              gruppe bewirbt sich



                                     Beide Gruppen
                                     bewerben sich


                                                         r1                      r2   in Anlehnung an Stiglitz/Weiss, S. 397

                                   Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                                                                12
Ex-ante moral hazard (I)
   • Ein höherer Zinssatz verleitet zu
     tendenziell riskanteren Projekten
       (       Verhalten)
            • Unternehmer schauen nur auf den erwarteten
              Gewinn
            • Wird der Zinssatz erhöht, so werden riskantere
              Projekte c.p. profitabler




                 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                        13
Ex-ante moral hazard (II)
 Zwei Projekte mit Kreditsumme 100
                                      r = 10%                             r = 20%
       Projekt A
   Einnahmen                            155                                155
   Rückzahlung                          110                                120
   Gewinn                               145                                135


                                      r = 10%                             r = 20%
       Projekt B            Erfolg            Misserfolg         Erfolg            Misserfolg
                            p=0,5              q=0,5             p=0,5              q=0,5
   Einnahmen                 300                   0              300                  0
   Rückzahlung               110                   0              120                  0
   Gewinn                    290                   0              280                  0
   Erw. Gewinn                          145                                140

                                     Indifferenz               Projekt B wird präferiert!
                   Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                                       14
Ex-ante moral hazard (III)
   • Verschärfung: Höhere Anstrengung
     nötig, um Erfolg zu erzielen
            Höherer Zinssatz regt zu weniger Anstrengung
            an!




              Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                     15
Zwischenfazit
   • Ein höherer Zinssatz
            • selektiert tendenziell riskantere Kunden (adverse
              Selektion)
            • verleitet zu tendenziell riskanteren Projekten (ex-ante
              moral hazard)
   • Darüber sind sich Banken bewusst!
   • Sie können daher Schlüsse über Eigenschaften
     und Verhalten der Kreditnehmer ziehen
     (Screening), die bestimmte Zinssätze mit sich
     bringen



                  Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                         16
Zinssatzwahl (III)
   Banken wählen einen gewinnmaximalen Zinssatz, der nicht
   unbedingt die Nachfrage deckt!
            Erwarteter Gewinn der Bank




                                                                    ^                       Zinssatz
                                                                    r*
                                                                                                         aus: Stiglitz/Weiss, S. 394

                                         Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                                                                      17
Ex-post moral hazard (Enforcement)
   • Unternehmer verweigert Rückzahlung an die Bank
     mit der Begründung, sein (tatsächlich
     erfolgreiches) Projekt sei fehlgeschlagen
      • Vorteilhaft, wenn
               Rückzahlungssumme > Pfand x Wkt(Eintreibung)
                (Armendáriz/Modurch 2005)
               Rückzahlungssumme > Wert zukünftiger Löhne
                (Ghatak/Guinnane 1999)


            • Fazit:
               • Hohe Pfände nötig – schließt Arme aus!
               • Alternativ: Rechtssystem, sozialer Druck

                  Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                         18
Abhilfe durch Mikrokredite?
   • Praktische Erfolge, theoretische
     Erklärungsversuche!
   • Reduktion von Informationsasymmetrien
            • Bessere Selektion und Kontrolle durch lokale
              Präsenzen
            • Kreditgemeinschaften
               • Gruppenbildung mit gleichartigen Risikoträgern
               • Gemeinsame Haftung – Versagung von (zukünftigem)
                 Kredit
               • Sozialer Druck wirksam gegen ex-ante und ex-post
                 moral hazard (effektiver als rechtliche Mittel!)


                 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                        19
Referenzen
   • Lehrveranstaltung Informationsökonomie (LS Bester)
   • Armendáriz de Aghion, Beatriz; Modurch, Jonathan (2005):
     The Economics of Microfinance, Cambrige, Massachusetts,
     London: The MIT Press
   • Ghatak, M., and W.T. Guinnane, 1999. The economics of
     lending with joint liability: Theory and practice. Journal of
     Development Economics, vol. 60, 195-228.
   • Mehrteab, Habteab Tekie (2004): Adverse Selection and Moral
     Hazard in Group-Based Lending: Evidence from Eritrea,
     Dissertation, University of Groningen
   • Simtowe, Franklin; Zeller, Manfred (2006): Determinants of
     Moral Hazard in Microfinance: Empirical Evidence from Joint
     Liability Lending Programs in Malawi, MPRA Paper No. 461,
     http://mpra.ub.uni-muenchen.de/461/
   • Stiglitz, Joseph E.; Weiss, Andrew (1981): Credit Rationing in
     Markets with Imperfect Information, The American Economic
     Review, Vol. 71, No. 3 (Jun., 1981), 393-410

             Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung
17.6.2007                                                                    20
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Informationsasymmetrien und Moral Hazard - Kreditrationierung

  • 1. Entwicklungstheorie und –politik II: Mikrofinanzen Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung Christian Becker, 17.6.2007
  • 2. Kreditrationierung • Versagen des Kreditmarktes – kreditwürdige Bewerber können keine formellen Kredite erhalten • Auch arme Menschen können kreditwürdig sein! • Folge: (Potenzielle) Unternehmer können Geschäft nicht aufbauen bzw. ausweiten • Weitreichende gesamtwirtschaftliche Konsequenzen • Strukturelles Problem in Entwicklungsländern Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 2
  • 3. Übersicht Kreditrationierung Zinssatzwahl Adverse Selektion Moral Hazard Informationsasymmetrien Beschränkte Haftung Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 3
  • 4. Beschränkte Haftung • Ein Kreditgeber erhält Kreditsumme + Zinsen nicht automatisch zurück! • Aufgrund mangelnder Rechtsgrundlagen und aus sozialen Aspekten(!) können säumige Schuldner in Entwicklungsländern oftmals faktisch nicht belangt werden • Gleiches gilt für das Eintreiben von Pfänden • Oft einziges Drohmittel: Verweigerung von zukünftigen Krediten • Informationen bezüglich der Kreditwürdigkeit daher von zentraler Bedeutung Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 4
  • 5. Informationsasymmetrien • Kreditnehmer wissen mehr über sich selbst, als Banken über sie • Eigenschaften • Talentierter Unternehmer oder nicht? • Verhalten (moral hazard) • ex ante: Anstrengung, um Gewinn zu erzielen? • ex post: Rückzahlung im Erfolgsfall? (Enforcement) • Informationsasymmetrien können zu Kreditrationierung führen Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 5
  • 6. Stiglitz/Weiss ‘81 • Erklärungsversuch von Gleichgewichten auf Kapitalmärkten unter Kreditrationierung • auf Basis von rationalen Verhaltensannahmen für Gläubiger und Schuldner • Joseph Stiglitz gewann 2001 zusammen mit George Akerlof und Michael Spence den Nobelpreis in Wirtschaft für seine Beiträge zur Analyse von Märkten mit Joseph Stiglitz unvollständiger Information (insbesondere „Screening“) • Motivation entstand durch Besuche in Entwicklungsländern, insbesondere in Kenia Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 6
  • 7. Kreditrationierung: Definitionen nach Stiglitz/Weiss a) Aus einer Gruppe identischer Bewerber erhalten einige Kredit, andere nicht – selbst wenn sie zu höheren Zinszahlungen bereit wären b) Bei gegebener Menge an verfügbaren Krediten können identifizierbare Bevölkerungsgruppen keinen Kredit bekommen, obwohl sie bei höherer Kreditmenge c.p. bedient würden Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 7
  • 8. Zinssatzwahl (I) • Banken kennen die allgemeine Risikosituation ihrer Klientel, aber nicht die eines einzelnen Kundens (akzeptable Modellvereinfachung) • Daher müssen sie jedem Kunden den gleichen Zinssatz anbieten • Dieser wird gewinnmaximierend gewählt Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 8
  • 9. Zinssatzwahl (II) • Solange Nachfrage besteht, sollten Banken den Zinssatz gewinnbringend erhöhen können (neoklassische Preistheorie) Nachfrage Angebot Preis p* Menge q* • Aber: Informationsasymmetrien! Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 9
  • 10. Adverse Selektion (I) • Ein höherer Zinssatz selektiert tendenziell riskantere Kunden ( Eigenschaften) • Ein risikoarmes Projekt kann bei steigendem Zinssatz schnell unprofitabel werden • Riskante Projekte werfen im Erfolgsfall regelmäßig hohe Gewinne ab, die entsprechend Zinsen decken • Im Nichterfolgsfall werden Kreditsumme und Zinsen nur anteilig oder gar nicht gedeckt – die Bank macht einen Verlust! Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 10
  • 11. Adverse Selektion (II) • Beispiel: Zwei Risikogruppen – niedriges und hohes Risiko Niedrigrisikogruppe springt ab! Erwarteter Gewinn der Bank Nur Hochrisiko- gruppe bewirbt sich Beide Gruppen bewerben sich ^ r r1 r2 in Anlehnung an Stiglitz/Weiss, S. 397 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 11
  • 12. Adverse Selektion (III) • Verschärfung: Bank kann allein die Hochrisikogruppe profitabel bedienen ^ r 0 Erwarteter Gewinn der Bank Nur Hochrisiko- gruppe bewirbt sich Beide Gruppen bewerben sich r1 r2 in Anlehnung an Stiglitz/Weiss, S. 397 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 12
  • 13. Ex-ante moral hazard (I) • Ein höherer Zinssatz verleitet zu tendenziell riskanteren Projekten ( Verhalten) • Unternehmer schauen nur auf den erwarteten Gewinn • Wird der Zinssatz erhöht, so werden riskantere Projekte c.p. profitabler Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 13
  • 14. Ex-ante moral hazard (II) Zwei Projekte mit Kreditsumme 100 r = 10% r = 20% Projekt A Einnahmen 155 155 Rückzahlung 110 120 Gewinn 145 135 r = 10% r = 20% Projekt B Erfolg Misserfolg Erfolg Misserfolg p=0,5 q=0,5 p=0,5 q=0,5 Einnahmen 300 0 300 0 Rückzahlung 110 0 120 0 Gewinn 290 0 280 0 Erw. Gewinn 145 140 Indifferenz Projekt B wird präferiert! Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 14
  • 15. Ex-ante moral hazard (III) • Verschärfung: Höhere Anstrengung nötig, um Erfolg zu erzielen Höherer Zinssatz regt zu weniger Anstrengung an! Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 15
  • 16. Zwischenfazit • Ein höherer Zinssatz • selektiert tendenziell riskantere Kunden (adverse Selektion) • verleitet zu tendenziell riskanteren Projekten (ex-ante moral hazard) • Darüber sind sich Banken bewusst! • Sie können daher Schlüsse über Eigenschaften und Verhalten der Kreditnehmer ziehen (Screening), die bestimmte Zinssätze mit sich bringen Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 16
  • 17. Zinssatzwahl (III) Banken wählen einen gewinnmaximalen Zinssatz, der nicht unbedingt die Nachfrage deckt! Erwarteter Gewinn der Bank ^ Zinssatz r* aus: Stiglitz/Weiss, S. 394 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 17
  • 18. Ex-post moral hazard (Enforcement) • Unternehmer verweigert Rückzahlung an die Bank mit der Begründung, sein (tatsächlich erfolgreiches) Projekt sei fehlgeschlagen • Vorteilhaft, wenn Rückzahlungssumme > Pfand x Wkt(Eintreibung) (Armendáriz/Modurch 2005) Rückzahlungssumme > Wert zukünftiger Löhne (Ghatak/Guinnane 1999) • Fazit: • Hohe Pfände nötig – schließt Arme aus! • Alternativ: Rechtssystem, sozialer Druck Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 18
  • 19. Abhilfe durch Mikrokredite? • Praktische Erfolge, theoretische Erklärungsversuche! • Reduktion von Informationsasymmetrien • Bessere Selektion und Kontrolle durch lokale Präsenzen • Kreditgemeinschaften • Gruppenbildung mit gleichartigen Risikoträgern • Gemeinsame Haftung – Versagung von (zukünftigem) Kredit • Sozialer Druck wirksam gegen ex-ante und ex-post moral hazard (effektiver als rechtliche Mittel!) Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 19
  • 20. Referenzen • Lehrveranstaltung Informationsökonomie (LS Bester) • Armendáriz de Aghion, Beatriz; Modurch, Jonathan (2005): The Economics of Microfinance, Cambrige, Massachusetts, London: The MIT Press • Ghatak, M., and W.T. Guinnane, 1999. The economics of lending with joint liability: Theory and practice. Journal of Development Economics, vol. 60, 195-228. • Mehrteab, Habteab Tekie (2004): Adverse Selection and Moral Hazard in Group-Based Lending: Evidence from Eritrea, Dissertation, University of Groningen • Simtowe, Franklin; Zeller, Manfred (2006): Determinants of Moral Hazard in Microfinance: Empirical Evidence from Joint Liability Lending Programs in Malawi, MPRA Paper No. 461, http://mpra.ub.uni-muenchen.de/461/ • Stiglitz, Joseph E.; Weiss, Andrew (1981): Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, The American Economic Review, Vol. 71, No. 3 (Jun., 1981), 393-410 Informationsasymmetrien und moral hazard – Kreditrationierung 17.6.2007 20