Durch digitale Technologien (IKT) können bestehende Gesundheitsprogramme ausgebaut und verbessert werden. Dieser Report versammelt innovative Beispiele aus Ghana, Tansania und Indien. Und zeigt, was bereits mit geringen Ressourcen möglich ist.
2. Ich bin schon seit langem der
Meinung, dass Unterschiede in der
medizinischen Versorgung eine
der größten Ungerechtigkeiten in
der Welt sind.
Es ist ungerecht und unannehmbar,
dass Millionen von Kindern jedes
Jahr an Ursachen sterben, die
verhindert oder behandelt werden
können.«
Bill Gates, Jahresbrief 2014
»
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 2
3. Was ist mHealth?
Bereits 2005 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
ihren Mitgliedsstaaten, Informations- und Kommunikationstech-nologien
(IKT) in der Gesundheitsversorgung einzusetzen, um die
Reichweite und Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
Unter den Stichworten mHealth und eHealth (mobile bzw. elek-tronische
Gesundheit) werden seitdem Gesundheitsleistungen
zusammengefasst, die über Handys, Apps, das Internet und
transportable Geräte funktionieren. Das Potenzial von IKT in der
Gesundheitsversorgung liegt vor allem in der Diagnose, Prävention
und Behandlung von Krankheiten, aber auch in Administration
und Management sowie (Weiter-) Bildung von medizinischem
Personal.
Was sind IKT?
IKT steht für Informations- und Kommunikationstechnologien
und umfasst prinzipiell alle Medien vom Internet bis hin zu
Radio- und Fernsehsendern. In der heutigen Verwendung bezieht
sich IKT in erster Linie auf den digitalen Bereich. Dazu gehören
Computer, Handys, Smartphones oder Tablets etc. Die Gren-zen
zwischen den einzelnen Technologien werden dabei immer
fließender und der Interaktionsraum für Nutzer wächst. IKT sind
eines der zentralen Instrumente für die langfristige Verbesserung
der Entwicklungszusammenarbeit und nachhaltiger Entwicklung
in Ländern mit geringem Einkommen. Durch die bessere Ver-netzung
werden Informationen für bisher marginalisierte Bevöl-kerungsgruppen
zugänglicher. Noch überwiegt die Mobilfunk-nutzung
mit klassischen Telefonieanwendungen und IKT können
strukturelle Schwierigkeiten aus dem politischen und wirtschaft-lichen
Bereich nicht allein überwinden. Die „Digitale Kluft”, so-wohl
zwischen sogenannten Entwicklungsländern und der west-lichen
Welt als auch innerhalb der Länder selbst (Stadt und Land,
Bildung und Analphabetismus), muss überwunden werden.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 3
4. Inhalt
Impressum 5
Einführung: Warum es sich lohnt, in Gesundheit zu investieren 6
Vorwort: Von Eseln zu E-Mails: Gesundheitsversorgung digital 8
Über diesen Report: mHealth in der Anwendung: Indien,
Ghana und Tansania 10
Logistik: Wie die Cloud den Zugang zu Medikamenten verbessert 11
Logistimo
„Vaccine Wastage Sentinel Monitoring System”
mBirth
mPedigree
Prävention: Wie die App MOTECH Mütter unterstützt 14
Telemedizin: Diagnose, Beratung und Behandlung
in entlegenen Regionen 18
Meradoctor
Bonsaaso villages telemedicine
Finanzierung: Gesundheitsversicherung per Handy 20
Tigo Bima
Ausblick: Weltweit mehr Gesundheit durch mehr Handys? 22
Anhang
Länderprofil Indien 24
Länderprofil Ghana 26
Länderprofil Tansania 28
Quellenverzeichnis 30
Endnoten 31
Überblick über die Fallstudien 32
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 4
5. Impressum
betterplace lab
gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft
Schlesische Str. 26
10997 Berlin
Redaktionsschluss: 15. August 2014
Über das betterplace lab
Das betterplace lab ist ein Think-and-do-Tank in Berlin. Als
Forschungsabteilung von Deutschlands größter Spendenplattform
betterplace.org erforscht das betterplace lab vor allem digitale
Anwendungen für den sozialen Sektor.
Mehr unter: www.betterplace-lab.org
Haben Sie Fragen? lab@betterplace.org
Über die Bill & Melinda Gates Foundation
Geleitet von der Überzeugung, dass jedes Leben den gleichen Wert
besitzt, setzt sich die Bill & Melinda Gates Foundation dafür ein, allen
Menschen dabei zu helfen, ein gesundes und produktives Leben zu
führen. In den Entwicklungsländern konzentriert sich die Stiftung auf
die Verbesserung der Gesundheit der Menschen und darauf, Ihnen eine
Chance zu geben, sich aus Hunger und extremer Armut zu befreien. In
den Vereinigten Staaten versucht die Stiftung sicherzustellen, dass alle
Menschen – insbesondere diejenigen mit den geringsten Mitteln –
Zugang zu den Möglichkeiten und Chancen erhalten, die sie brauchen,
um in der Schule und im Leben erfolgreich zu sein.
Mehr unter: www.gatesfoundation.org/de
Bildnachweis: Novartis Foundation/Nana Kofi Acquah
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 5
6. EINFÜHRUNG
Warum es sich lohnt, in
Gesundheit zu investieren
Die weltweite Gesundheitsversorgung hat in den vergangenen zehn
Jahren große Fortschritte gemacht: Mehr Kinder als je zuvor werden
geimpft, immer mehr Frauen überleben dank medizinischer Hilfe die
Geburt ihres Kindes und die Anzahl an Malaria-Infektionen sinkt weiter.
Was die Gesundheitshilfe heute zu leisten vermag: Seit 2000 konnten
Masern-Impfungen in Entwicklungsländern mehr als 14 Millionen
Todesfälle verhindern. Und mehr als 3,3 Millionen Malaria-Patienten
wurden erfolgreich behandelt. Jeden Tag sterben weltweit 17.000 Kinder
weniger als noch vor zehn Jahren! 1
Trotz dieser globalen Fortschritte sterben überproportional viele
Kinder in Subsahara-Afrika und Südasien: Vier von fünf Todesfällen (von
Kindern unter fünf Jahren) kommen in dieser Region vor. Und Kinder,
die in Armut geboren werden, sind einer zweimal so hohen Wahr-scheinlichkeit
ausgesetzt zu sterben – bevor sie das fünfte Lebensjahr
erreichen. 2
Die UN hat mit ihren Millennium-Entwicklungszielen vier und fünf
festgesetzt, bis 2015 die weltweite Kindersterblichkeit gegenüber 1991
um zwei Drittel und die Müttersterblichkeit gegenüber 1990 um drei
Viertel zu reduzieren. In ihrem jährlichen Millennium Goals Report 3
konstatiert die UN: „Es gibt Fortschritte, aber verstärkte Maßnahmen
sind nötig, um diese Ziele zu erfüllen.“ In vielen Ländern Subsahara-
Afrikas sind die Millennium-Entwicklungsziele kaum noch erreichbar.
Investitionen in die Gesundheit von Menschen in Ländern mit
geringem Einkommen können jedoch über die Millennium-Entwick-lungsziele
hinaus viel bewirken. Die internationale Lancet-Kommission
hat in der Studie „Global Health 2035: A World Converging within a
Generation“ untersucht, welche Fortschritte in der weltweiten Gesund-heitsversorgung
möglich sind. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass durch
den Ausbau bestehender Gesundheitsprogramme und Investitionen in
Forschung und Entwicklung in den nächsten 20 Jahren mehr als zehn
Millionen Menschenleben gerettet werden können. Die Kosten aller
Interventionen in Entwicklungsländern würden sich im Jahr 2035 auf
20 bis 24 US-Dollar pro Kopf belaufen – und sich in einem neun- bis
zwanzigfachen wirtschaftlichen Gewinn auszahlen. 4
Die Millennium-
Entwicklungsziele:
un-kampagne.de
Mehr zur Lancet-Studie:
globalhealth2035.org
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 6
7. Der gleiche Zugang zu Gesundheitsversorgung ist ein wichtiger Faktor
für soziale Gerechtigkeit. Und wer in Gesundheit investiert, investiert nicht
nur in die verbesserten individuellen Lebensverhältnisse, sondern auch
in soziale und finanzielle Sicherheit, in politische Stabilität und damit in
Wohlstand. Was die Ergebnisse der Lancet-Kommission auch zeigen: Diese
Investitionen werden innerhalb einer Generation Früchte tragen.
Neue Technologien spielen dabei laut Lancet-Kommission eine entschei-dende
Rolle: „Die digitale Explosion, die schnelle Verbreitung von Wissen
über neue Technologien (...) haben positive Auswirkungen auf Impfkam-pagnen
und die Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen. Historische
Erfahrungen deuten darauf hin, dass die Anwendung neuer Technologien
die Kindersterblichkeit um bis zu zwei Prozent reduziert.“ 5
Dieser vorliegende Innovationsreport stellt Ansätze vor, wie die Gesund-heitsversorgung
mit Hilfe neuer Informations- und Kommunikationstech-nologien
(IKT), im Folgenden als mHealth bezeichnet, weltweit verbessert
werden kann.
Weltgesundheit: Kinder- und
Müttersterblichkeit im Überblick
› Im Jahr 1990 starben weltweit noch mehr als 12 Millionen Kinder.
2012 hat sich diese Anzahl auf 6,6 Millionen Kinder nahezu
halbiert
› Vier von fünf Todesfällen (von Kindern unter fünf Jahren) kommen
in Subsahara-Afrika und Südasien vor
› Die Müttersterblichkeit reduzierte sich zwischen 1990 und
2013 bei weltweit um 45 Prozent: von 380 Todesfällen auf 210
Todesfälle bei 100.000 Lebendgeburten
› Nur die Hälfte der werdenden Mütter in Entwicklungsländern
erhalten die Gesundheitsversorgung, die sie brauchen
› Trotz Fortschritten wird der Rückgang in Mütter- und
Kindersterblichkeit nicht ausreichend sein, um die Millennium-
Entwicklungsziele (vier und fünf) bis 2015 zu erfüllen
Quelle: The Millennium Development Goals Report 2014
In dem Blog der Gates
Foundation finden Sie
Geschichten der Menschen,
die jeden Tag dafür kämpfen,
Armut zu lindern und
eine bessere Gesundheit für
alle zu gewährleisten:
impatientoptimists.
org
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 7
8. VORWORT
Von Eseln zu E-Mails:
Gesundheitsversorgung
digital
Vor 30 Jahren nähten Hilfsorganisationen in Afghanistan noch ihre
Medikamentenbestellungen in die Kleidung von Laufburschen ein, die
dann auf Eseln Wochen zum nächsten Telefon ritten. Heute genügt eine
E-Mail oder manchmal sogar eine Ferndiagnose per SMS oder Webcam.
Digitale Technologien, vor allem der Einsatz von Handys, zeigen neue,
effiziente Wege auf, um den bislang Unerreichten und Unterversorgten
Zugang zu Gesundheitsdiensten zu ermöglichen und Gesundheitshelfer
in ihrer Arbeit zu unterstützen. Informationen lassen sich digital problem-los
vervielfältigen und in Bruchteilen von Sekunden um die Welt schicken.
Diese Überwindung von Zeit und Raum führt zu einem neuen Maß an
Transparenz und Effizienz – besonders in der Entwicklungszusammen-arbeit
und ganz speziell für den Bereich der mobilen Gesundheitsversor-gung,
mHealth. Das Potenzial von mHealth liegt dabei vor allem in der
verbesserten Logistik für Medikamente, effizienterer Krankheitsprävention
durch Wissensverbreitung, schnelleren Diagnose und damit der besseren
Behandlung von Krankheiten.
mHealth
Logistik
Bildung
Finanzierung
Diagnose
Prävention
Behandlung
Die Einsatzmöglichkeiten von mHealth
Viele der mHealth-Innovationen entstehen in Afrika und Südasien,
weil dort die großen Lücken im Gesundheitssystem mit dem enormen
Wachstum des Mobilfunkmarktes zusammentreffen. Die Lücke zwischen
Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen ist in Bezug auf die
Nutzung von mHealth erstaunlich gering: 77 Prozent der ersteren und
87 Prozent der letzteren haben mindestens ein mHealth-Programm
umgesetzt.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 8
9. Das betterplace lab hat im Rahmen einer Forschungsreise, dem „lab
around the world“, weltweit digitale Innovationen erforscht und insgesamt
dreizehn Länder bereist. Dieser Report illustriert anhand vielfältiger
Fallstudien den aktuellen Status von mHealth in Indien, Ghana
und Tansania – Länder mit sehr unterschiedlichen Gesundheitssyste-men,
Finanzierungsmöglichkeiten und Technologiezugang. In Indien
gibt es beispielsweise bereits eine große Bandbreite an mHealth-Pro-jekten:
Vom handybasierten Medikamentenmanagement (siehe Seite
11) bis hin zur Diagnose-Hotline (S. 14). Ghana ist beispielhaft für die
zunehmend bessere Versorgung werdender Mütter – auch dank weit
gestreuter SMS-Informationskampagnen (S. 12). Und in Tansania sind
vorranging infrastrukturelle Themen wie Mikro-Krankenversicherungen
und Geburtsdatenbanken (S. 20) wichtig – hier legen neue Technologien
die Grundlage für eine bessere Gesundheitsversorgung.
In Partnerschaft mit der Bill & Melinda Gates Foundation haben wir
in diesen drei Ländern Nutzer von mHealth-Anwendungen, NGOs,
Unternehmen und Regierungsvertreter interviewt und Chancen sowie
Risiken neuer Lösungen in der Gesundheitsversorgung ermittelt. Be-sonders
innovative Beispiele stellen wir Ihnen in diesem Report vor. Er
ist ein Ausblick auf die Möglichkeiten für den Einsatz digitaler Infor-mations-
und Kommunikationstechnologien (IKT) und will Sie für das
Potenzial von Investitionen in Gesundheit begeistern.
Denn gemeinsam können wir skalierbare, nachhaltige Lösungen
verbreiten und entwickeln, die das Leben vieler Menschen in Entwick-lungsländern
verbessern können.
Dr. Joana Breidenbach
Leiterin betterplace lab
Mehr zur Forschungsreise:
betterplace-lab.org/
projekte/ lab-around-the-world
Mehr zum Potenzial von
mHealth: Seite 10
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 9
10. 10
Das betterplace lab hat auf der Forschungsreise „lab around the world“
zahlreiche Anwendungsbeispiele für mHealth aufgetan und ihre Erfinder,
Anwenderinnen und Förderer interviewt. Für diesen Report wurden
exemplarische mHealth-Anwendungen aus den drei Schwerpunktländern
ausgewählt und Chancen und Risiken ermittelt. Sie bekommen in diesem
Report einen breiten Überblick über die Möglichkeiten von mHealth,
denn Indien, Ghana und Tansania repräsentieren unterschiedliche Fort-schrittsstadien
in der Gesundheitsversorgung und somit verschiedene
Wirkungsfelder für mHealth.
Indien steht für große Erfolge in der Reduzierung der Kindersterblichkeit 6
und ist gleichzeitig eines der Länder mit der höchsten Technologie-Adaption –
fast 900 Millionen Menschen haben mittlerweile ein Handy, das sind nahezu
70 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes. Entsprechend ausgereift und
vielfältig sind hier die mHealth-Anwendungen.
Ghana repräsentiert besondere Erfolge in der Betreuung von werden-den
Müttern – laut Weltbank hatten 96 Prozent aller Schwangeren im Jahr
2011 Kontakt zu medizinischer Beratung. 7 Diese verbesserte Versorgung
steht auch in Verbindung mit dem Wachstum neuer Technologien: Seit
Beginn der 2000er ist die Anzahl der Mobiltelefone sprunghaft ange-stiegen
und mHealth-Anwendungen zur Betreuung von Schwangeren
bekommen mehr Reichweite (siehe Seite 14).
Tansania ist es gelungen, die Kindersterblichkeit von 1990 bis 2012 um
zwei Drittel zu verringern. 8 Digitale Lösungen spielen eine große Rolle um
strukturelle Herausforderungen wie fehlenden Zugang zu Impfungen und
mangelndes Gesundheitsmanagement zu meistern. Heute sind nur sechs
Prozent aller Kinder unter fünf Jahren offiziell registriert und nur sieben
Prozent der Routineimpfungen werden durch staatliche Behörden finan-ziert.
9 Neue Technologien bekommen aber immer mehr Reichweite – mehr
als die Hälfte der Bevölkerung hat heute einen aktiven Handyvertrag.
Wir gliedern die Fallstudien im Folgenden unter den in den drei analy-sierten
Ländern dominierten Anwendungsmöglichkeiten von mHealth:
betterplace-lab.org/
projekte/lab-around-the-world
Mehr über IKT in Indien
Seite 24
Mehr über IKT in Ghana
Seite 26
Mehr über IKT in
Tansania Seite 28
Über diesen Report
mHealth in der Anwendung:
Indien, Ghana und Tansania
Logistik:
Medikamenten-
Management
Prävention:
Wissenstransfer
für Schwangere
Diagnose:
Telemedizin
Finanzierung:
Mikro-
Versicherungen
Um Ihnen die Lektüre der Fallbeispiele zu erleichtern, haben wir jeweils am Seitenrand eine
Kurzinformation zu den Projekten angebracht.
11. Wie Impfungen
Kinderleben retten:
impatientoptimists.org/de
Suche: Impfen
Mehr auf Impatient Optimists
impatientoptimists.org/de
Suche: Logistimo
Logistik
Wie die Cloud den
Zugang zu Medikamenten
verbessert
Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen ist eine weltweite Heraus-forderung.
Deshalb wurde im Jahr 2000 die GAVI-Alliance gegründet,
ein globales Bündnis für Impfstoffe und Immunisierung aus Regierun-gen,
Herstellern, Nichtregierungsorganisationen und der Weltgesund-heitsorganisation.
Die Alliance hat seit dem Jahr 2000 dazu beigetragen,
440 Millionen Kinder gegen vermeidbare Krankheiten wie Masern oder
Röteln zu impfen – und hat so schätzungsweise sechs Millionen Todes-fälle
verhindert.
In entlegenen Regionen der Welt ist der Zugang zu Medikamenten,
insbesondere zu Impfstoffen, aber trotz allem noch immer eine logisti-sche
Herausforderung. Viele Dörfer und Gesundheitsstationen sind über
unwegsame Straßen, manchmal auch nur per Luft- oder Wasserweg,
zu erreichen. Umso wichtiger ist eine ausgeklügelte Logistik, die dafür
sorgt, dass Impfstoffe zum richtigen Zeitpunkt dort ankommen, wo sie
gebraucht werden und Medikamente rechtzeitig nachbestellt werden.
Logistimo
Das Unternehmen Logistimo hat ein cloudbasiertes Logistiksystem
entwickelt, das mit einfachen Mobiltelefonen funktioniert und den
Menschen hilft, zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament zur
Hand zu haben. Das System ist einfach: Ärzte, Pfleger oder Apotheke-rinnen
legen mit Hilfe des Handy-Menüs eine Liste der Medikamente
im Lager an und schicken sie per SMS an eine zentrale Datenbank.
Die Daten werden automatisch in Echtzeit aktualisiert. Wann immer
die Mediziner etwas aus dem Lager nehmen oder neue Ware eintrifft,
tragen sie das ebenfalls per SMS ein. Anhand dieser Daten berechnet
die Software von Logistimo, wann ein Medikament nachbestellt werden
muss und schickt eine SMS mit Empfehlungen für die Nachbestellung.
Die Logistimo-Software kommt in Gesundheitszentren mit einer Pati-entenreichweite
von insgesamt sechs Millionen Menschen zum Einsatz.
Dieses einfache System ist so überzeugend, dass die WHO es mittler-weile
auch für die nationale Impfkampagne im Südsudan sowie für die
HIV-Versorgung von Frauen in der Demokratischen Republik Kongo
nutzt und adaptiert.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 11
12. Mehr auf Impatient Optimists:
impatientoptimists.org/de
Suche: Amponsa
Mehr auf Impatient Optimists:
impatientoptimists.org/de
Suche: RITA
„Vaccine Wastage Sentinel
Monitoring System”
„Wir vermuten, dass ungefähr dreißig Prozent der Impfstoffe in
Ghana nicht genutzt werden können“, sagt Dr. Kwame Amponsa,
vom Ghanaischen Gesundheitsministerium. Die Hauptursachen sind
Unterbrechungen der Kühlkette, Bruch und Diebstahl. „Wie viel genau
an Impfstoffen verloren gehen und wie und wo, wissen wir bisher aber
nicht.“ Das ghanaische Gesundheitsministerium gibt im Jahr knapp 5,3
Millionen US-Dollar für Impfstoffe aus. Es lohnt sich also, ein besseres
Monitoring zu entwickeln. Das Projekt versucht, Verluste zu ermitteln
aus einem System von regelmäßigen SMS-Nachrichten durch das
empfangende Pflegepersonal entlang der Transportkette und durch
elektronische VVMs („Vaccine Vial Montiors“), die Temperatur und
Standort verzeichnen. Gezielte Maßnahmen sollen die Verluste anschlie-ßend
verringern. Die Pilotphase läuft seit dem 26. Februar 2014 in sechs
ausgewählten Gesundheitszentren in zwei Landkreisen pro Region.
mBirth
Um zu wissen, welche Kinder wann geimpft werden müssen, brau-chen
Länder eine zentrale Stelle, die die Geburten erfasst. In Tansania
sind nur sechs Prozent aller Kinder unter fünf Jahren offiziell registriert.
„Das bedeutet, niemand weiß, wann und wo wie viele Kinder zur Schule
gehen sollten oder welche Impfungen in welcher Menge vergeben
werden müssten“, erzählt Hawi Bedasa von UNICEF. Die Hilfsorga-nisation
hat zusammen mit dem Telekommunikationsunternehmen
Tigo und der staatlichen Registrierungsbehörde (RITA) ein Programm
ins Leben gerufen, das es möglich macht, Geburten per SMS in einer
zentralen Datenbank zu erfassen. Wenn ein Kind geboren wird, müssen
die Gesundheitshelfer nur noch Name, Geburtsdatum und -ort per SMS
an eine Kurzwahl schicken. Die App sendet dann diese Informationen
an eine zentrale Datenbank. Die Behörden können mit Hilfe der Daten
sehen, wo besonders viele Kinder geboren werden, welche Krankenhäu-ser
und Gesundheitsstationen also eventuell mehr Mittel und Personal
benötigen. In einem Pilotprojekt in Mbeya wurden mit der App inner-halb
von zehn Monaten mehr als 150.000 Kinder registriert. Noch in der
zweiten Jahreshälfte 2014 wird das Programm in einer zweiten Region,
in Mwanza, gestartet.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 12
13. Mehr über mPedigree:
goldkeys.org
mPedigree
Mehr als zehn Prozent der Medikamente in armen Ländern sind
gefälscht. Um den Handel mit gefälschten Medikamenten einzudäm-men,
bringt das Projekt mPedigree Pharmaunternehmen, die Regierung
und Mobilfunkunternehmen mit den Konsumenten zusammen. Mit
Hilfe von mPedigree kann jeder Käufer die Echtheit seines Medikaments
überprüfen: Dazu ist eine zehnstellige Nummer auf das Medikament
aufgebracht, die der Käufer per SMS an mPedigree schickt. Auf einer
zentralen Plattform sind dort alle notwendigen Informationen gespei-chert
und werden mit der Medikamentennummer überprüft. Nach nur
wenigen Minuten bekommt der Käufer eine Nachricht, ob sein Medi-kament
gefälscht ist. In Ghana hat mPedigree eine Reichweite von 50
Prozent unter allen produzierten Medikamenten. Das bedeutet, dass die
Hälfte aller in Ghana verfügbaren Medikamente bei mPedigree regist-riert
sind und auf ihre Echtheit getestet werden können.
Das Potenzial von IKT für
Medikamentenlogistik:
› Automatisiertes Lagermanagement via SMS beugt Fehlmanage-ment
und Misswirtschaft vor
› Automatisierte Medikamenten-Bestellung per SMS sichert
Verfügbarkeit von bspw. Impfstoffen
› Tracking von Impfstoffen mit Hilfe von SMS-Reporting und Sen-dern
minimiert Verluste und garantiert Qualität des Impfstoffs
› Digitale Verifizierungsmöglichkeiten von Medikamenten sichert
Wirksamkeit der Behandlung
› Zentrale Geburtsregistrierung per SMS ermöglicht bessere
Planbarkeit von Impfkampagnen und präventiven Gesundheits-maßnahmen
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 13
14. Mehr über Müttergesundheit
hier:
impatientoptimists.org/de/
Posts/2013/03/Die-Gesundheit-von-
Frauen-und-Mädchen-bes-ser-
schützen
Prävention
Wie die App MOTECH Mütter
unterstützt
Frauen spielen eine entscheidende Rolle für das Wohlergehen
und die Gesundheit ihrer Familien. Wie gut, dass es weltweite
Fortschritte in der Müttergesundheit gibt: Zwischen 1990 und
2012 fiel die weltweite Müttersterblichkeitsrate von 380 auf
210 pro 100.000 Lebendgeburten. Und mehr als die Hälfte al-ler
Schwangeren in Entwicklungsländern hat vier oder mehr
Vorsorgeuntersuchungen bekommen – das ist eine Steige-rung
von 37 Prozent gegenüber der Schwangerschaftsversor-gung
1990. 10 mHealth-Anwendungen können dafür sorgen,
dass nützliche, möglicherweise lebenswichtige Informationen
für Mütter schnell und nahezu kostenlos verfügbar werden
– und damit zur weiteren Verbesserungen in der Gesund-heitsversorgung
von Frauen beitragen. Es gibt viele Initiativen
weltweit, die auf ähnlichen Prinzipien aufbauen. Das Beispiel
MOTECH aus Ghana vereint verschiedene Best-Practice-Lö-sungen.
Lag 1990 die Kindersterblichkeitsrate (von Kindern unter fünf Jahren)
in Ghana noch bei 128 von 1.000 Lebendgeburten, hat sich bis 2012
diese Anzahl auf 72 per 1.000 nahezu halbiert. 11 Die im Vergleich mit
Ländern mit hohem Einkommen immer noch erhöhte Sterblichkeit
ist neben der Unterversorgung durch die Gesundheitshilfe auch durch
fehlendes Wissen über Schwangerschaft und Kinderpflege in der Bevöl-kerung
zu begründen. Mit einer kostenlosen Handy-Anwendung will
das mHealth-Projekt „MOTECH“ („MObile TEchnology for Community
Health“) für eine bessere Versorgung von Schwangeren und ihren
Kindern in ländlichen Gebieten sorgen.
Die „Mobile Midwife App“ von MOTECH ist ein SMS-Service speziell
für Schwangere. Ziel ist es, werdende Mütter mit Hilfe von wöchent-lichen
Infonachrichten und regelmäßigen Erinnerungen an wichtige
Vorsorgetermine zu unterstützen. Der Service funktioniert in enger
Zusammenarbeit mit lokalen Gesundheitsstationen in vier Regionen
Ghanas. Bei einer der ersten Untersuchungen registriert die Hebam-me
oder Krankenschwester die Schwangere und gibt an, in welcher
Schwangerschaftswoche sie sich befindet. Einmal registriert, bekommt
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 14
15. Mehr auf Impatient Optimists:
impatientoptimists.org/de
Suche: motech
sie nun wöchentliche Nachrichten mit Informationen zu jeder Phase
ihrer Schwangerschaft – nach der Geburt gibt der Service Hinweise zur
Säuglingspflege.
Die App passt sich an die Nutzerinnen an
Viele der Einwohnerinnen ländlicher Gebiete in Ghana können
weder lesen noch schreiben. Bei der Registrierung können sie deshalb
entscheiden, ob sie die Schwangerschaftsinformationen als SMS oder
Sprachnachricht bekommen möchten. Auch die entsprechende lokale
Sprache können sie auswählen. Dass sich die App auf individuelle Text-und
Sprachkommunikation einstellen lässt, zahlt sich aus: 99 Prozent
der Nutzerinnen abonnieren die Sprachnachrichten und der Großteil
von ihnen wählt einen lokalen Dialekt. Das Abrufen der Sprachnach-richten
erfolgt über eine Identifikationsnummer – wenn sich mehrere
Frauen ein Handy teilen, können sie eine Hotline-Nummer anrufen, die
Identifikationsnummer dort angeben und anschließend einzig die für sie
bestimmte Information abhören.
Wissen sorgt vor und bekämpft Irrglauben
Die vermittelten Informationen in den „Mobile Midwife“-Nachrichten
sind vor allem präventiver Natur. So werden die Nutzerinnen beispiels-weise
vor der Malaria-Gefahr für ihr Baby gewarnt und bekommen
erklärt, warum Schwangere immer unter einem Moskito-Netz schlafen
sollten. Spätere Nachrichten bereiten die Mutter auf die Anzeichen einer
bevorstehenden Geburt vor – zum Beispiel indem sie darauf hinweisen,
wie einsetzende Wehen erkannt werden.
Die Nachrichten sollen nicht nur wichtige Informationen liefern,
sondern auch Irrglauben bekämpfen. „Manche Frauen in dieser Region
glauben, wenn man Anämie hat, sollte man Tomatenmark mit Coca
Cola essen“, erklärt Patricia Antwi, Leiterin der Gesundheitsbehörde im
Landkreis Awutu-Senya. Solche Vorstellungen lassen sich per Nachricht
vom Fachpersonal korrigieren.
Betreuung auch nach der Geburt – mit der
„Nurses-App“
Das Konzept von MOTECH ist aber nicht nur auf eine bessere Infor-mation
der Mütter ausgerichtet. Ein zweiter Bestandteil des Programms
ist die „Nurses-App“, die es den betreuenden Krankenschwestern,
Hebammen oder Pflegern ermöglicht, ihre Arbeit besser zu strukturieren
und die Entwicklung der Kinder zu dokumentieren: Mit einem Smart-
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 15
16. phone kann das Pflegepersonal in der Gesundheitsstation für jedes Kind
dessen Impfplan, die Entwicklung seines Körpergewichts, seinen Ernäh-rungszustand
und viele andere Daten in eine digitale Datenbank hoch-laden
und einsehen. Das erlaubt eine Dokumentation der Entwicklung
der Kinder und die frühzeitige Erkennung von Problemen, aber auch das
Nachhaken bei verpassten Impfterminen.
Vorbild im mHealth-Bereich
2009 startete das erste Pilotprojekt von MOTECH – unter diesen
ersten Akteuren war die Grameen Foundation, die seitdem eng mit der
Regierung als Implementierungspartner zusammenarbeitet. Der Pilot
war so erfolgreich, dass er 2011 in die Region Awutu-Senya übertragen
wurde – drei weitere Regionen folgten.
MOTECH Ghana gilt im mHealth-Sektor als wichtiges Erfolgsbeispiel
für die Anwendung von Handys in der Gesundheitspflege. In den vier
Regionen, in denen das Projekt aktiv ist, haben sich seit 2011 mehr
als 26.000 Frauen registriert. Die Software, mit der die Apps betrieben
werden, ist jetzt als Open-Source-Software unter „MOTECH Suite“
veröffentlicht worden und wird bereits in anderen Ländern erfolgreich
benutzt.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 16
17. MOTECH:
mHealth für gesunde Mütter
Potenziale
› Das mHealth Programm richtet sich an Patienten- und Versor-gerseite
gleichermaßen und sichert so die umfassende Gesund-heitsversorgung:
– Die mobile Midwife App kommuniziert an die werdende Mutter,
– die Nurses App richtet sich an das Gesundheitspersonal und
hilft beim Patientenmanagement
› Die Anwendung passt sich an die Bedürfnisse der Nutzerinnen
an und gewährleistet, dass die Informationen ankommen:
– Nutzerinnen können zwischen Sprach- und Textnachrichten
wählen
– Informationen werden in lokaler Sprache versendet
Risiken
› Nutzerinnen haben oft wenig Technologiekompetenz und müs-sen
in das Programm ausführlich eingewiesen werden. MO-TECH
hat speziell zu diesem Zweck Gesundheitshelferinnen
geschult, die die App den Schwangeren erklären können.
› Ausreichend Netzabdeckung muss vorhanden sein. Das Pro-gramm
funktioniert nur, wenn diese in der Region vorhanden
ist. Sinnvoll ist hier, dass die Nutzerinnen wählen können, wann
sie die Nachrichten abrufen – und so sicherstellen, dass sie an
einem Ort mit Handyempfang sind.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 17
18. meradoctor.com
Telemedizin:
Diagnose, Beratung und
Behandlung in entlegenen
Regionen
In ländlichen Regionen mit einer schwachen Gesundheitsversorgung
ist die Bevölkerung meist auf sogenannte Gesundheitsstationen an-gewiesen.
Diese sind jedoch personell und materiell schlechter ausge-stattet
und vom Patientenansturm überlastet. Dabei könnten laut einer
Studie in Indien mehr als die Hälfte ambulanter Patientenanfragen zu
chronischen Krankheiten wie Asthma oder Diabetes per Telefon geklärt
werden. 12 Auch ist die technische Infrastruktur solcher Gesundheitssta-tionen
meist mangelhaft und damit auch die Verbindung zum Wissen
der Krankenhäuser in der Stadt. Daten von Patientinnen und Diagnosen
werden überwiegend auf Papier gesammelt und auf langen und unzu-verlässigen
Transportwegen zur Auswertung weitergeleitet. So können
nicht nur Daten verloren gehen, in vielen Fällen erfährt das Gesund-heitspersonal
bzw. zuständige Ministerium erst von einer Krise, wenn
es bereits zu spät ist. Hier eröffnen sich durch mHealth-Anwendungen
neue Möglichkeiten für Diagnose, Behandlung und Beratung.
MeraDoctor
In Indien bekommen nur wenige Patienten eine ausführliche
medizinische Beratung. Teilweise ist auch Korruption ein Problem
– wenn Ärzte nur gegen Schmiergeld Medikamente verschreiben.
Aus diesen Gründen bietet MeraDoctor eine 24-Stunden Hotline mit
qualifizierten Ärzten an. Für eine Jahresgebühr von 1.000 Rupien (etwa
zwölf Euro) können die Kunden dort Tag und Nacht anrufen. Ein Arzt
ruft sofort zurück, berät den Patienten und verschreibt auch dringend
benötigte Medikamente per SMS. Nach einer Beratung gibt es immer
einen Follow-Up-Anruf, der sich nach dem Erfolg der Behandlung
erkundigt und letzte Fragen zum Beispiel zur Medikamenteneinnahme
klärt. Außerdem bekommen die Patienten über MeraDoctor vergüns-tigte
Konditionen für Tests und Scans in ausgewählten Laboren und
Krankenhäusern. Wenn der Patient doch einen Spezialisten braucht,
vermitteln die Telefonärzte einen vertrauenswürdigen Arzt in der Nähe.
Klar ist, dass diese Hotline in vielen Fällen nicht den Besuch beim Arzt
ersetzt. Dennoch ist sie gerade bei beratungsintensiven Themen wie
Diabetes, Bluthochdruck oder Schwangerschaft eine gute Ergänzung
zur eher basismedizinischen Versorgung in den Gesundheitsstationen.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 18
19. Bisher wurde der Service 27.000 Mal in Anspruch genommen. Förderer
ist unter anderem die schwedische Entwicklungshilfe (Sida).
Bonsaaso Villages Telemedicine
In der Region Bonsaaso leben 32.000 Menschen. Weil es nur sieben
Gesundheitszentren gibt, müssen die Bewohner für ihre Gesundheitsver-sorgung
oft weite Wege zurücklegen. Die Novartis Stiftung für Nachhaltige
Entwicklung will im Rahmen einer „Public Private Partnership“ die Ge-sundheitsversorgung
wesentlich verbessern – über eine Gesundheits-Hot-line.
Damit diese nutzbar ist, musste die Netzabdeckung der Region erhöht
werden. Zusätzliche Funkmasten und Antennen sorgen nun dafür, dass alle
sieben Gesundheitszentren und die meisten Dörfer rundherum Handynetz
haben. Die Gesundheitsstationen wurden mit Handys ausgestattet und eine
kostenlose Gesundheitsnummer eingerichtet. Krankenschwestern, Hebam-men
und Ärzte wurden in einem Workshop darin geschult, medizinische
Beratung über das Telefon zu vermitteln und zu empfangen. Durch den
Ausbau der Handyverbindung haben jetzt die Gesundheitshelfer die Mög-lichkeit,
mit einem Spezialisten im Referenzkrankenhaus des Distrikts zu
sprechen. Außerdem lernten sie den Umgang mit einer Diagnose-Software,
die ihnen dabei hilft, im Beratungsfall zu entscheiden, ob eine Überweisung
ins Distriktkrankenhaus sinnvoll ist – zum Beispiel bei Herzproblemen. Falls
ein Patient eine weiterführende Behandlung benötigt, können Zuständig-keiten
und Verfügbarkeiten schnell geklärt werden. Das mHealth-Projekt
ist eine Zusammenarbeit mit dem „Millennium Villages Project“ (MVP),
den Ministerien für Gesundheit und Kommunikation in Ghana und den
Telekommunikationsunternehmen Airtel und Ericsson.
Potenzial von IKT zur medizinischen
Beratung und Behandlung
› Die Verbreitung von Handys in entlegenen, armen Regionen
eröffnet neue Zugänge für telemedizinische Beratung
› Engmaschigere Betreuung von Patienten mit chronischen
Krankheiten wird möglich:
– Strukturiertere Gesundheitsversorgung, bspw. durch Erinne-rungen
an Kontrolltermine und Medikamentendosierung
– Kurzfristige Beratung bei Unsicherheiten – ohne langen An-fahrtsweg
in die Gesundheitsstation
› Bessere Priorisierung von Behandlungsbedarfen durch digital
unterstützte Diagnose
Mehr auf Impatient Optimists:
impatientoptimists.de
Suche: Bonsaaso
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 19
20. Finanzierung:
Gesundheitsversicherung
per Handy
Mikroversicherungen ermöglichen Menschen, die bisher vom me-dizinischen
Versicherungssystem ausgeschlossen waren, einen Zugang
zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Denn in Ländern ohne ein
strukturiertes Gesundheitssystem müssen die Patienten ihre Behandlung
meist selbst zahlen. Mikroversicherungen können für die Bezahlung
medizinischer Behandlungen eingesetzt werden – teilweise schon über
sehr geringe Beträge von zehn US-Dollar. Diese „Kleinversicherungen“
werden zunehmend über Handys abgewickelt: Ein wichtiger Bestandteil
von Mikroversicherungen sind mobile Bezahlsysteme per Handy, die
immer weiter verbreitet sind. Sie verbinden Gesundheitsservices mit
Handys und machen sie so für viele Menschen leichter zugänglich.
Tigo Bima
Der Mobilfunkanbieter Tigo bietet in Ghana und Tansania Mikrover-sicherungen
für Gesundheitsleistungen an. Für die Umsetzung hat sich
das Unternehmen einen schwedischen Mikroversicherer mit ins Boot
geholt – Bima. Weltweit versichert Bima sieben Millionen Menschen in
den Bereichen Kranken-, Unfall- und Lebensversicherung und ist in
Afrika, Asien und Lateinamerika aktiv. Wer eine SIM-Karte von Tigo
kauft, kann sich für eine Gesundheitsversicherung registrieren, ein
weiteres Familienmitglied wird ebenfalls in den Versicherungsschutz
aufgenommen. Der Kunde kann durch eine monatliche Gebühr von
ca. 30 Cent die Versicherungssumme auf 440 Euro erhöhen. Ohne diese
Zusatzgebühr hängt die Auszahlung davon ab, wieviel Prepaid-Gutha-ben
monatlich verbraucht wird und variiert zwischen 100 und 500 Euro.
Der Handynutzer kann sich einfach registrieren und wird per SMS über
seinen monatlichen Versicherungsstand informiert. Bima kümmert sich
um die Bearbeitung der Anfragen und ihre Auszahlung im Schadensfall.
Eine Studie der National Insurance Commission in Ghana zeigt, dass
die Tigo-Versicherung die erfolgreichste Mikro-Versicherungsinitiative
des Landes ist. Bisher wurden insgesamt über eine Million Menschen
in Ghana versichert. Vorteile gibt es wohl für beide Seiten – zum einen
steigt die Kundenbindung für Tigo, zum anderen ist so eine einfache
Versicherung ein erster Schritt zu mehr finanzieller Sicherheit und der
Auseinandersetzung mit Versicherungen im Allgemeinen.
Mehr über mPesa hier:
trendreport.betterplace-lab.
org/case/m-pesa
bimamobile.com/
tigo-ghana/
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 20
21. Das Potenzial von
Mikroversicherungen
› Bisher von Gesundheitsversicherung Ausgeschlossene bekom-men
Zugang zu einfachen Versicherungsleistungen
› Gesundheitsversorgung wird für mehr Menschen möglich, da
finanzierbar
› Finanzielle Sicherheit für arme Bevölkerungsgruppen – ein un-erwarteter
Krankenhausaufenthalt kann durch die Versicherung
abgedeckt werden
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 21
22. AUSBLICK
Weltweit mehr Gesundheit
durch Handys?
»Weltweit haben mehr Menschen ein Handy
als Zugang zu Toiletten.«
Stellvertretender UN-Generalsekretär Jan Eliasson 13
Rund sieben Milliarden Menschen leben auf dieser Welt. Laut
UN-Daten besitzen davon sechs Milliarden ein Handy, aber nur 4,5
Milliarden haben Zugang zu Toiletten oder Latrinen. Die Verfügbarkeit
von sanitären Anlagen ist ein zentraler Aspekt für die Erhaltung der
Gesundheit. Durch Abwässer verunreinigtes Trinkwasser ist einer der
Hauptgründe für den frühen Tod von Kindern.
„In Tansania haben mehr Menschen Zugang zu Handys als zu saube-rem
Trinkwasser“, sagt Annie Feighery, Geschäftsführerin von mWater.
Deshalb testen Gesundheitshelfer mithilfe der Smartphone-App die
Qualität von Trinkwasser in der Region Mwanza in Tansania und veröffentlichen
die Ergebnisse auf einer Online-Karte. Mithilfe dieser Daten
soll die Gesundheitsbehörde den Zugang zu sauberem Wasser verbes-sern.
400 Wasserstellen wurden bereits getestet – viele werden folgen.
Etwa 90.000 Menschen werden von dem Einsatz der App profitieren.
Dieses Beispiel aus Tansania zeigt, wie Entwicklungsländer die digitale
Revolution nutzen können, um die Lebensbedingungen im Land zu
verbessern und die Gesundheit der Bevölkerung zu unterstützen. Wir
glauben: mit dem Ausbau bestehender Gesundheitsprogramme und
der Verbesserung ihrer Effizienz durch mHealth-Anwendungen kann
die Gesundheitsversorgung in armen Ländern grundlegend verbessert
werden. Von besserem Medikamentenmanagement per SMS (siehe
Logistimo S. 11) über Mikro-Sender zur Überwachung der Kühlkette
von Impfstoffen (S. 12) bis hin zur Gesundheits-Hotline für Schwangere
(MOTECH S. 14):
mHealth-Anwendungen tragen dazu bei, selbst mit
geringen Ressourcen die Gesundheitsversorgung
in armen Ländern effektiver zu gestalten. Nun ist
es an der Zeit, sich für skalierbare, nachhaltige
Lösungen einzusetzen, die das Leben von
Menschen in Entwicklungsländern verbessern.
Wie die Gates Stiftung dieses
Problem bekämpft:
impatientoptimists.org/de
Suche: reinvent
mwater.co
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 22
23. Das Potenzial von mHealth
im Überblick
› mHealth Anwendungen können dabei helfen, Krankheitsausbrüche
einzudämmen,
– indem sie den Radius der Behandlungsmaßnahmen vergrößern,
– Patienten bei der selbständigen Behandlung überwachen,
– durch Informationen das Bewusstsein für Krankheitsausbrüche
erhöhen und Verhaltensmaßnahmen zur Krankheitseindäm-mung
verbreiten
› Dank mHealth-Anwendungen werden Entwicklungen wie digitale
Patientenakten und virtuelles Informationsmanagement vorangetrieben.
Das sind essentielle Bestandteile eines modernen
Gesundheitssystems.
– Die Kosten des Sammelns gesundheitsrelevanter Daten
reduzierten sich mit mHealth Programmen um 24 Prozent
› Die Nutzung von mHealth unterstützt Patienten und Gesundheitspersonal
sich besser zu informieren, neue Techniken kennenzulernen
und aktiv ihre Gesundheit zu fördern – mit positiven
Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Teilhabe.
– Die Muttersterblichkeit bspw. sinkt in Verbindung mit
mHealth-Maßnahmen um bis zu 30 Prozent
– Insgesamt wird der Nutzen neuer Technologien mit einer
Verringerung der Kindersterblichkeitsrate (unter fünf) von
ca. zwei Prozent pro Jahr beziffert
› Die Lücke zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen
ist in Bezug auf die Nutzung von mHealth erstaunlich
gering: 77 Prozent der ersteren und 87 Prozent der letzteren
haben mindestens ein mHealth-Programm umgesetzt.
› Die meisten mHealth Projekte kommen aus Afrika.
Quelle: Information and Communications for Development 2012: Maximizing
Mobile, Weltbank.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 23
24. Anhang
Länderprofil Indien
• Bevölkerung: 1,23 Mrd.
• Human Development Index: 136 von 187
• BIP: 1.086 Mrd. US-Dollar
• Pro-Kopf-Einkommen: 1.503 US-Dollar
• BIP Wachstumsrate: 4,7 Prozent 14
• Handynutzer pro 100 Einwohner: 70,78
• Internetnutzer: 12,58 Prozent 15
1. Dynamik des IKT Sektors
Indien ist das Land der Superlative, wenn es um IKT geht: Die meis-ten
internationalen Technologie- und Internetkonzerne haben Depen-dancen
oder Forschungsabteilungen im Land und jedes Jahr schließen
ungefähr 300.000 Inder ein IT- oder Technologiestudium ab und finden
weltweit Arbeit in Internet- und Softwareunternehmen. 2012 generierte
der indische IKT-Sektor einen Umsatz von 100 Milliarden US-Dollar.
Internet und Mobilfunk gehören für die Mehrheit der Bevölkerung
zum Alltagsleben. Seit 2008 hat sich die Anzahl der Handy-Nutzer mehr
als verdoppelt. Fast 900 Millionen Menschen haben mittlerweile ein Mo-biltelefon
(Stand 2013), das sind nahezu 70 Prozent der Gesamtbevölke-rung
des Landes. Insbesondere in den Städten besitzt jeder Einwohner
mindestens ein Handy – hier liegt die Versorgung bei 140 Anschlüssen
pro 100 Einwohnern – während sie auf dem Land bei nur etwa 40 liegt.
Weniger als ein Viertel dieser Mobiltelefone sind Smartphones, Handys
sind derzeit noch in der Mehrzahl. Festnetztelefone waren in Indien
noch nie wichtig – etwa 2,5 Prozent der Einwohner haben einen An-schluss,
und die Tendenz ist fallend.
Der Ausbau der Internet-Verfügbarkeit geht in Indien schnell voran:
Die meisten Nutzer greifen von mobilen Geräten wie Smartphones und
Tablets darauf zu – wie viele Nutzer das mobile Internet hat, darüber ge-hen
die Meinungen auseinander, bewegen sich aber in einem Spektrum
zwischen 150 und 220 Millionen. Insgesamt haben etwa zwölf Prozent
der Bevölkerung Zugang zum Internet. Für die ländlichen Regionen, in
denen ungefähr 68 Prozent der Bevölkerung leben, ist der Zugang zu
diesen Technologien nur eingeschränkt möglich – aufgrund von Netz-abdeckung,
Stromversorgung, Bildung und finanziellen Ressourcen. Der
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 24
25. Ausbau von Breitbandinternet per Festnetz wird von der Regierung stark
angetrieben, geht aber im ländlichen Bereich nur langsam voran.
2. Rolle der Regierung für IKT
Die Regierung spielt eine wichtige Rolle in der Digitalisierung des
gesamten Landes. Die „National Telecom Policy“ von 2012 hat zum Ziel,
bis 2020 allen Indern – also mindestens einem Mitglied jeder Familie –
einen Internetanschluss zu garantieren. Das soll vor allem die digitale
Kluft zwischen Stadt und Land verringern. Der tatsächliche Ausbau stockt
aber, da sich die Gesetzgebung zwischen den Bundesstaaten teils stark
unterscheidet und große Distanzen zu überbrücken sind.
Der „National E-Governance Plan“ sorgt seit Anfang der 2000er
Jahre dafür, dass öffentliche Dienstleistungen online zugänglich sind.
Staatliche Hilfsleistungen, Pässe oder Baugenehmigungen können im
Internet beantragt werden – das spart nicht nur Zeit, sondern verhindert
Korruption. In einer landesweiten Open-Data-Initiative veröffentlicht und
analysiert die Regierung offen zugängliche Daten zur Bevölkerung und
lädt ihre Bürger dazu ein, auf Hackathons und Wettbewerben Apps und
andere Anwendungen zu entwickeln, die diese Daten für die Verbesserung
der Lebensumstände nutzen. Die Regierung hat mittlerweile das Potenzial
dieser digitalen Innovationen für das Soziale entdeckt und unterstützt in
groß angelegten Programmen neue Entwicklungen oder die Verbreitung
erfolgreicher Projekte.
3. Ausblick auf die digital-soziale Szene
Die Akteure des indischen IT-Sektors, Gründer, Programmierer,
Finanzierer, haben bereits das Potenzial von Internet und mobilen
Technologien für den guten Zweck entdeckt.
» Der Ausdruck ‚Tech 4 Good’ ist in Indien weit verbreitet.
Er beschreibt, mit welchen Mitteln Internet und
Mobiltelefone das Leben von armen Menschen
erleichtern oder sogar revolutionieren können. Ein
Beispiel ist die verbesserte Medikamenten-Logistik
in Gesundheitsstationen auf dem Land, die per SMS
organisiert werden kann.«
Medje Prahm
hat für das betterplace lab in Indien geforscht.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 25
26. Länderprofil Ghana
• Bevölkerung: 25,4 Mio.
• HDI: Rang 135 von 187
• BIP: 40,71 Mrd. US-Dollar
• Pro-Kopf-Einkommen: 1.605 US-Dollar
• BIP Wachstumsrate: 7,9 Prozent 16
• Mobilfunkverträge pro 100 Einwohner: 108,19
• Internetnutzer: 12,3 Prozent 17
• SMS Preis Durchschnitt: 0,01 Euro
1. Dynamik des IKT-Sektors
Ghanas Wirtschaft wächst. Das gilt auch für den IKT-Sektor. Seit Be-ginn
der 2000er ist die Anzahl der Mobiltelefone sprunghaft angestiegen.
Verfügten im Jahr 2003 nur zwei von Hundert Einwohnern über eine ak-tive
SIM-Karte, lag diese Rate im Jahr 2012 bereits bei 100,9 SIM-Karten
pro Hundert Einwohner. Das heißt, pro Person sind heute in der Regel
durchaus mehrere SIM-Karten in Benutzung. Damit liegt Ghana bei der
aktiven Handy-Nutzung an fünfter Stelle in Afrika. Das schlägt sich auch
im ghanaischen Alltagsleben nieder – mobile Technologien und Anwen-dungen
verbreiten sich schnell und werden rege genutzt.
Etwas zeitlich verzögert steigt in Ghana nun auch die Internetnut-zung.
Hatten 2009 nur rund fünf Prozent der Bevölkerung Zugang zum
Internet, stieg der Anteil innerhalb von nur drei Jahren auf zwölf Prozent
(2012).
Infrastrukturell gilt für Ghana – wie für viele andere afrikanische
Länder –, dass Festnetzanschlüsse und Breitbandinternet unüblich und
teuer sind. Pro 388 Einwohner gibt es nur einen Festnetzanschluss (die
Kosten für eine Breitbandverbindung liegen bei 35 bis 100 US-Dollar pro
Monat). Das mobile Internet ist günstiger und wird von vielen Firmen
über einen USB-Stick, ein sogenanntes Dongle (Transmitter-Dongle) zur
Verfügung gestellt. Hier sind die Kosten vor allem durch die steigende
Konkurrenz – MTN, Tigo, Airtel, Expresso, Vodafone und Glo sind die
größten Anbieter – gesunken. Dadurch ist das Internet heute auch für
viele Menschen mit geringerem Einkommen zugänglich.
Unterschiede in der Handynutzung finden sich allerdings zwischen
Stadt- und Landbevölkerung. In Ghana leben 47 Prozent der Bevöl-
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 26
27. kerung in ländlichen Gebieten. Hier ist die Netzabdeckung bis zu 15
Prozent geringer als in urbanen Gebieten und die Internetnutzung liegt
in etwa bei einem Siebtel der städtischen Vergleichszahlen. Auch wei-tere
Faktoren wie die höhere Analphabetenrate und die Altersstruktur
spielen eine Rolle.
2. Rolle der Regierung für IKT
Obwohl die nationale Regierung die Förderung des IKT-Sektors
als Priorität angibt, ist die IKT-Gemeinschaft nicht von dieser Politik
überzeugt. Ein Beispiel dafür ist das Prestigeprojekt „Hope City”. Dieses
kostspielige Technologiezentrum war von Anfang an sehr umstritten
und bleibt problembeladen. Vielmehr fordern die Akteure des Sektors
von Seiten der Regierung ein größeres Engagement für die Senkung der
Betriebskosten.
3. Ausblick auf die digital-soziale Szene
In Accra sind in den vergangenen Jahren mehrere „Tech-Hubs”
gegründet worden, die Ausgangspunkt für viele Start-Ups sind.
» Von der Regierung bis zu den NGOs sehen viele
besonders in Internet-Start-Ups einen Motor für die
Zukunft des Landes. Dieser Optimismus ist vor allem
bei vielen Jungunternehmern zu finden – junge, gut
ausgebildete Menschen mit großen Plänen.«
Ben Mason
hat für das betterplace lab in Ghana geforscht.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 27
28. Länderprofil Tansania
• Bevölkerung: 47,8 Mio.
• HDI: 152 von 187
• BIP: 28,2 Mrd.
• Pro-Kopf-Einkommen: 609 US-Dollar
• BIP Wachstumsrate: 6,9 Prozent 18
• Handynutzer pro 100 Einwohner: 56,6
• Internetnutzer: 3,95 Prozent 19
• SMS Preis im Durchschnitt: 0,02 Euro
1. Dynamik des IKT-Sektors
Tansanias Wirtschaft ist im Aufstieg: In den vergangenen zehn Jahren
wuchs sie jährlich um rund sieben Prozent. Zu diesem Aufschwung trägt
auch der Mobiltelefoniemarkt bei. 2005 wurde der Mobilfunkmarkt in
Tansania liberalisiert – seitdem stiegen die Nutzerzahlen sprunghaft an.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat heute einen aktiven Handy-vertrag.
Sechs große Mobilfunkanbieter haben sich am Markt etabliert:
Airtel, Tigo, TTCL, Vodacom, Benson und Zantel – damit ist Tansania
einer der liberalisiertesten Mobilfunkmärkte in Afrika. Entsprechend
profitieren die Nutzer von konkurrenzfähigen Preisen: Eine SMS kostete
2013 im Durchschnitt 0,02 Euro. Und jeder zweite Tansanier nutzt sein
Handy auch, um bargeldlos zu bezahlen.
Trotz des dynamischen Wachstums im IKT-Sektor bleibt die Anzahl
der Internetnutzer gering, da derzeit nur etwa vier Prozent der Bevölke-rung
regelmäßigen Zugang zum Internet haben. Das könnte sich bald
ändern, denn im Mai 2014 wurde in Tansania als erstem afrikanischen
Land 4G LTE eingeführt. Nun wird das mobile Internet schneller und
besser verfügbar. Dem „Global Information Technology Report 2013“
zufolge fehlt es Tansania bislang an Netzabdeckung, vor allem für rurale
Regionen, in denen 73 Prozent der Bevölkerung leben.
2. Rolle der Regierung für IKT
Die Regierung fördert gezielt den Ausbau der digitalen Infrastruktur
im Land und will diese nutzen, um einige der drängendsten Probleme
des Landes zu lösen. So hat beispielsweise das Ministry of Health and
Social Welfare Ende 2013 eine „eHealth Strategy“ veröffentlicht. Die
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 28
29. Rolle von IKTs wird hier als Unterstützung bei Planung, Management
und Umsetzung von Gesundheitsleistungen definiert. Handys sollen
beispielsweise dazu genutzt werden, Krankheitsausbrüche (z.B. Malaria)
zu lokalisieren und besser zu bekämpfen. Ein weiteres Beispiel für die
Förderung digitaler Lösungen durch die Regierung ist der DTBi-Inkuba-tor,
der digitale Start-ups fördert. Um den kreativen Digitalunternehmer-geist
weiter zu fördern, arbeitet das Ministerium für Wissenschaft und
Technologie derzeit auch an Guidelines für Innovatoren und Entwickler.
Die Regierung plant bereits seit mehreren Jahren einen Technologie-Park
mit Universität und Forschungseinrichtungen außerhalb Daressalams.
Das Projekt geht nur langsam voran.
3. Ausblick auf die digital-soziale Szene
» In Tansania geht es oft noch um die Grundlagen von
IKT: Kinder, Studenten, Behördenmitarbeiter lernen
mit dem Computer umzugehen. Dementsprechend
gibt es nur wenig etablierte digital-soziale
Anwendungen aus Tansania, dafür aber einige sehr
spannende Pilotprojekte.«
Kathleen Ziemann
war für das betterplace lab in Tansania.
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 29
30. Quellenverzeichnis
ICD (2013)
Building Digital Capacities. Enabling the
Drivers of Social Change through ICTs.
Annual Report 2013 www
ITU (2012)
Tele-Health in India. Landscape of
Tele-Health Infrastructure at Points-of-service
in India. International Telecom-munication
Union, Geneva www
Ministry of Health and Social Welfare of
the United Republic of Tanzania (2010)
eHealth in Tanzania. National Strategic
Plan www
Richard Heeks (2009)
The ICT4D 2.0 Manifesto: Where Next
for ICTs and International Development?
Development Informatics Group, Working
Paper Series, No. 42 www
Richard Heeks (2014)
ICT4D 2016: New Priorities for ICT4D
Policy, Practice and WSIS in a Post-2015
World. Development Informatics Group,
Working Paper Series, No. 59 www
Ruthann Richter (2014)
Health Care Aid for Developing Countries
Boosts Life Expectancy, Study Finds.
Stanford University: Center for Health
Policy/Center for Primary Care and Out-comes
Research www
The Lancet Commission (2013)
Global Health 2035: A World Converging
Within a Generation. The Lancet Com-mission
on Investing in Health www
The World Bank (2012)
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Communications for Development www
The World Bank (2012)
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World Bank Group Strategy for
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UNCTAD (2011)
Measuring the Impacts of Information
and Communication Technology for
Development. United Nations Conference
on Trade and Development
Current Studies on Science, Technology
and Innovation No. 3 www
UNDP (2014)
The Millenium Development Goals
Report 2014 www
World Economic Forum
Global Information Technology Report
2014 www
WHO (2012)
Measuring the Impact of eHealth.
Bulletin of the World Health Organisation
No. 90 www
WHO, UNICEF, UNFPA, The World Bank,
United Nations Population Division (2014)
Trends in Maternal Mortality: 1990 to
2013 www
Verwendete Online-Datenbanken
WHO Vaccine-preventable Diseases.
Monitoring System. 2014 Global Summary.
http://apps.who.int/immunization_moni-toring/
globalsummary/countries?coun-trycriteria[
country][]=IND
Mobile-cellular Telephone Subscriptions
Databank
http://data.worldbank.org/indicator/
IT.CEL.SETS.P2
Online-Publikationen
werden zitiert mit Autor,
Jahr, Titel und durch ein
www gekennzeichnet.
Um diese Artikel online
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31. Endnoten
1 Statistische Angaben aus dem UN Millennium Development Goals Report 2014. Als PDF ab-rufbar
hier: http://www.un.org/millenniumgoals/2014%20MDG%20report/MDG%202014%20
English%20web.pdf
2 Auf diese Angaben beruft sich das UN Millennium Development Goal 4 zur Reduzierung der
Kindersterblichkeit: http://www.un.org/millenniumgoals/childhealth.shtml
3 Diese Angabe ist dem UN Millennium Development Goals Report 2013 entnommen:
http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/report-2013/mdg-report-2013-english.pdf
4 Diese Berechnungen entstammen dem Lancet Report. Eine gute Zusammenfassung findet
sich hier: http://www.hsph.harvard.edu/wp-content/uploads/sites/21/2013/12/GH2035-Re-port-
Overview.pdf
5 Aus dem Lancet-Report, zusammenfassende Ausgabe, Seite 20.
6 Lag 1990 die Kindersterblichkeit (von Kindern unter fünf Jahren) in Indien noch bei 126 pro
1.000 Geburten, ist bis 2012 diese Zahl bei 56 pro 1.000 Geburten um mehr als die Hälfte
gesunken, Quelle: http://data.worldbank.org/indicator/SH.DYN.MORT.
7 Weltbank http://data.worldbank.org/indicator/SH.STA.ANVC.ZS
8 Weltbank http://data.worldbank.org/indicator/SH.DYN.MORT
9 WHO Health Profile Tanzania. http://www.who.int/gho/countries/tza.pdf?ua=1
10 Statistische Angaben aus dem UN Millennium Development Goals Report 2014. Als PDF
abrufbar hier: http://www.undp.org/content/undp/en/home/mdgoverview/mdg_goals/mdg5/
11 Weltbank http://data.worldbank.org/indicator/SH.DYN.MORT
12 World Bank Report Information and Communications for Development 2012, Information and
Communications for Development. Maximizing Mobile, Seite 56.
13 UN News Centre, 21. März 2013, Deputy UN chief calls for urgent action to tackle global
sanitation crisis, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=44452#.U_Xt3kh3ac9
14 Die vorangehenden Angaben entstammen dem entsprechenden Länderprofil Weltbank:
http://www.worldbank.org/en/country/india
15 Die vorangehenden Angaben entstammen den statistischen Auswertungen der International
Telecommunications Union: http://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Pages/stat/default.aspx
16 Die vorangehenden Angaben entstammen dem entsprechenden Länderprofil Weltbank:
http://www.worldbank.org/en/country/ghana
17 Die vorangehenden Angaben entstammen den statistischen Auswertungen der International
Telecommunications Union: http://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Pages/stat/default.aspx
18 Die vorangehenden Angaben entstammen dem entsprechenden Länderprofil Weltbank:
http://www.worldbank.org/en/country/tanzania
19 Die vorangehenden Angaben entstammen den statistischen Auswertungen der International
Telecommunications Union: http://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Pages/stat/default.aspx
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 31
32. Fallstudien im Überblick
Indien Logistimo Medikamente sind oft Mangelware im ländlichen Indien. Das Unter-nehmen
Logistimo hat dagegen ein cloudbasiertes Logistiksystem
entwickelt, das mit einfachen Mobiltelefonen funktioniert und den
Menschen hilft, zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament
zur Hand zu haben. Die Mitarbeiter in den einfachen Kliniken auf
dem Land können per SMS Inventur machen, neue Medikamente
bestellen und bekommen Hinweise, wann sie ein Medikament nach-bestellen
sollten, damit es nicht ausgeht. www.logistimo.com | S. 11
Indien MeraDoctor Indien ist nicht das beste Land, um krank zu werden. Gerade außer-halb
der Städte gibt es eine nur unzureichende medizinische Ver-sorgung,
oder die Ärzte sind nicht gut genug ausgebildet. Deshalb
bietet MeraDoctor Telefonärzte für Menschen auf dem Land und in
der Stadt an. Man zahlt einmal im Jahr eine Prepaid-Gebühr und
kann Tag und Nacht anrufen – ein Arzt ruft sofort zurück, berät und
verschreibt notfalls auch Medikamente per SMS. Und wenn es doch
einen Spezialisten braucht, vermittelt er einen vertrauenswürdigen
Arzt in der Nähe. www.meradoctor.com | S. 18
Tansania mBirth Mit Hilfe einer SMS-basierten Anwendung können Gesundheitshel-fer
und Hebammen Kinder direkt nach der Geburt offiziell in einer
zentralen Datenbank registrieren. Diese Daten geben der Regierung
wichtige Informationen als Entscheidungsgrundlage: Zum Beispiel,
wie viele Kinder wann in die Schule gehen müssten. Oder welche
Impfungen in welcher Menge vergeben werden sollten.
www.unicef.org/infobycountry/Tansania_71827.html | S. 12
Tansania Tigo Bima Diese Mikroversicherung ist an das Handyguthaben des Versicherten
gekoppelt. Der Versicherte kann je nach Auswahl eine Lebens- oder
Gesundheitsversicherung abschließen und diese per mobileMoney
oder Gesprächsguthaben bezahlen.
www.tigo.co.tz/value-added-services/tigo-bima | S. 20
Ghana MOTECH
Ghana
Die Säuglingssterblichkeit in Ghana ist mit 49 pro 1.000 Geburten 16
Mal so hoch wie in Deutschland. Das liegt sowohl an der gesundheit-lichen
Unterversorgung als auch an mangelnder Information der Be-völkerung.
MOTECH bekämpft das Problem an beiden Fronten: Frauen
erhalten Informationsnachrichten per SMS z.B. zu gesunder Ernäh-rung
während der Schwangerschaft und die „Nurses App“ unterstützt
Pfleger durch SMS-Registrierung ihrer Patientinnen und Erinnerungen
an wichtige Kontrolltermine. www.ghsmotech.org | S. 14
Ghana Vaccine
Wastage
Sentinel
Monitoring
System
(VWSM)
Für Impfstoffe in Ghana ist der Weg von Hersteller zum Patienten
unsicher. Ca. 30% der Impfstoffe werden durch schlechte Lage-rung,
Bruch beim Transport oder Diebstahl entlang der Lieferkette
verloren; dabei entsteht ein Schaden in Millionenhöhe. Derzeit ist
noch unklar, welches die kritischen Stellen sind. Dagegen sollen
SMS-Nachrichten des Gesundheitspersonals und elektronische
VVMs („Vaccine Vial Montiors“) helfen, indem Verluste nachgezeich-net
werden, um sie dann mit gezielten Maßnahmen verringern zu
können. Weitere Infos bei Impatient Optimists:
www.impatientoptimists.org/de/Posts/2014/03/Impfstoff-schtzen-
Kinder-SMSNachrichten-schtzen-Impfstoff | S. 12
Ghana Bonsaaso
Villages
Telemedicine
Project
In ländlichen Gebieten ist die Gesundheitsversorgung oft mangel-haft.
Für Behandlungen durch Fachärzte muss der Patient bis zum
nächsten Krankenhaus oft weit reisen. Neben der Schwierigkeit,
krank einen weiten Weg zurückzulegen, ist es auch eine große fi-nanzielle
Belastung für die Familien. Ein „Telemedicine“-Pilotprojekt
von der Novartis Stiftung verbindet Pfleger in ländlichen Dörfern mit
Spezialisten in Großstädten, um eine besser informierte Behandlung
ihrer Patienten zu ermöglichen und gleichzeitig, um unnötige Über-weisungen
in städtische Krankenhäuser zu vermeiden.
www.novartisfoundation.org/page/content/index.asp?Menu-
ID=652&ID=1980&Menu=3&Item=44.2 | S. 19
Ghana mPedigree Gefälschte Medikamente sind ein lebensbedrohendes und auch teures
Problem in Ghana. Dieses Problem bekämpft mPedigree mit Handys.
Auf einer Schachtel Medikamente gibt‘s eine Chiffre, die man per SMS
einreicht, um sofortige Bestätigung der Echtheit eines Medikaments zu
bekommen. Diese ghanaische Firma ist zu einem bekannten digita-len-
sozialen Erfolgsbeispiel geworden und schon in mehreren Ländern
aktiv. http://www.mpharma.org/ | S. 14
Für weitere interessante
Fallstudien zum Thema mo-bile
Gesundheitsversorgung
und andere Beispiele aus
dem Bereich digital-soziale
Innovationen empfehlen wir
Ihnen den Trendreport des
betterplace lab, online unter:
trendreport.
betterplace-lab.org
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 32
33. betterplace lab
gut.org gemeinnützige Aktiengesellschaft
Schlesische Str. 26
10997 Berlin
www.betterplace-lab.org/Innovationsreport 33