Seit den 1990er-Jahren bewegt sich die Sparquote der Haushalte hierzulande zwischen 16 und 18 Prozent, die gesamtwirtschaftliche Sparquote beträgt gar über 30 Prozent des Volkseinkommens. Diese Werte haben sich auch in den letzten Jahren nur wenig verändert – obwohl Ersparnisse wegen der tiefen Zinsen kaum noch Renditen abwerfen. Das Nullzinsumfeld betrifft vor allem Pensionskassen, die, seit die zweite Säule 1985 für obligatorisch erklärt wurde, mehr als 850 Milliarden Franken angehäuft haben.
Warum der Chief Digital Officer sich selber abschafft
Zukunftsfond: Pensionskassengelder für Start-ups
1. Pensionskassengelder für Start-ups
DIE SCHWEIZ IST IN
VIELEN BEREICHEN TOP –
ABER NICHT BEIM
UNTERNEHMERGEIST.
EIN ZUKUNFTSFONDS, DER
DIE VERSORGUNG VON
JUNGUNTERNEHMEN MIT
WAGNISKAPITAL VERBES-
SERN SOLL, WILL NUN
ABHILFE SCHAFFEN.
PUNKTmagazin DURCHSCHNITT
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WIRTSCHAFT
2. Text BARBARA KALHAMMER
Seit den 1990er-Jahren bewegt sich die Spar-
quote der Haushalte hierzulande zwischen
16 und 18 Prozent, die gesamtwirtschaftli-
che Sparquote beträgt gar über 30 Prozent des
Volkseinkommens. Diese Werte haben sich
auch in den letzten Jahren nur wenig verän-
dert – obwohl Ersparnisse wegen der tiefen
Zinsen kaum noch Renditen abwerfen. Das
Nullzinsumfeld betrifft vor allem Pensions-
kassen,die,seit die zweite Säule 1985 für ob-
ligatorisch erklärt wurde, mehr als 850 Mil-
liarden Franken angehäuft haben. Um keine
unnötigen Risiken einzugehen,werden die-
se Vermögen seit jeher konservativ angelegt:
Gemäss einer Studie der Credit Suisse beträgt
der Anteil der Obligationen rund 35 Pro-
zent,während Aktien 29 und Immobilien 17
Prozent ausmachen. Mit diesem Anlagemix
war es zwischen 2009 und 2012 möglich,ei-
ne durchschnittliche Jahresrendite von etwas
mehr als vier Prozent zu erzielen.
Doch nun stehen die Pensionskassen
vor einem Dilemma.«Die Aufhebung des Eu-
ro-Mindestkurses durch die SNB und die da-
mit einhergehenden Negativzinsen wirken
sich auch auf die Sparvermögen aus»,schreibt
der Unternehmensarchitekt Roger Basler.
Vermögen schmelzen,statt Rendite abzuwer-
fen.Dies führt dazu,dass Pensionskassen
mittlerweile darüber nachdenken,einen Teil
des Geldes in Bar zu verwalten.Dieses Sicher-
heitsdenken ist zwar verständlich,hat jedoch
einen negativen Nebeneffekt: Statt dass das
Kapital investiert wird und zur Steigerung
der Wirtschaftsleistung beitragen kann,liegt
es nutzlos in Tresoren.«Die grossen Erspar-
nisse des Landes werden nicht mehr in direkt
produktive wertschöpfende Investitionen im
Land kanalisiert»,bemängelt eine Studie der
Universität Basel.
Dabei gibt es zahlreiche Jungunter-
nehmen, die dieses Kapital gut gebrauchen
könnten. Die Schweiz mit ihren zahlrei-
chen weltweit tätigen Konzernen gilt zwar als
sehr wettbewerbsfähig, doch an Unterneh-
mergeist mangelt es: Nur gerade sieben Pro-
zent sind hierzulande unternehmerisch tä-
tig. Mitschuld an diesem Wert sind auch die
Schwierigkeiten bei der Finanzierung.
Mangelndes institutionelles Kapital
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr hier-
zulande nur gerade 457 Millionen Franken
in Start-ups investiert.Dabei spielt gemäss
Thomas Heimann von der Seca (Swiss Priva-
te Equity & Corporate Finance Association)
auch das Sicherheitsdenken der Pensionskas-
sen eine Rolle: «Grundsätzlich gibt es in Euro-
pa zu wenig institutionelles Kapital von Vor-
sorgeeinrichtungen oder Versicherungen für
Startups.» Gerade diese Investitionen hätten
für die Jungunternehmen den Vorteil,lang-
fristig und in substanziellem Umfang ver-
fügbar zu sein.Heimann bemängelt,dass oft
einseitig von Risiko gesprochen wird.Doch
wo Risiken sind,sind auch Chancen.Er gibt
zu bedenken,dass es Risiko per se nicht gibt,
sondern es davon abhängt,wie man damit
umgeht.Heute werden jedoch infolge behörd-
licher Reglementierung nur Anlagen mit ver-
meintlich geringerem Risiko getätigt.
Von den Finanzierungsphasen, die
ein junges Unternehmen durchläuft, ist die
erste Runde meist die einfachste: Es gibt
zahlreiche Preise und Wettbewerbe, die den
Start ermöglichen, oft helfen auch Freun-
de und Familie aus. «Doch sobald es um Fi-
nanzierungen zwischen zwei und zehn Mil-
lionen Franken geht,wird es kritisch», sagt
Heimann. In einer Studie der Jungunter-
nehmer-Plattform CTI Invest beklagen sich
acht von zehn Gründern in der Schweiz da-
rüber, dass die erforderlichen Gelder nur
schwer oder mit grösstem Aufwand zu be-
schaffen seien. Hier schliesst sich der Kreis
zu den Pensionskassen, die aktuell nur gera-
de 0,02 Prozent ihres Vermögens als Wagnis-
kapital, oder eben Chancenkapital, zur Verfü-
gung stellen. In den USA ist es ein Vielfaches
mehr: Die dortigen Pensionskassen inves-
tieren satte fünf Prozent via Venture Capital
(VC) Funds in Jungunternehmen.
Zukunftsfonds auf gutem Weg
Eine Erhöhung des Wagniskapitalanteils bei
Pensionskassen ist das erklärte Ziel des Zu-
kunftsfonds, den Henri B. Meier, ehemali-
ger Finanzchef von Roche, initiiert hat. So-
wohl Ständerat wie Nationalrat haben einer
entsprechenden Motion bereits zugestimmt,
nun beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des
Bundes damit, den gesetzlichen Rahmen da-
für zu schaffen. Zu den Massnahmen zählt
beispielsweise die Ausklammerung der Zu-
kunftsfonds-Investitionen aus der jährlichen
Deckungsgradberechnung oder deren Anla-
gezugehörigkeit unter die Aktienquote.
Da Direktinvestitionen in Jungun-
ternehmen viel Know-how erfordern,an-
spruchsvoll und zugleich risikobehaftet sind,
würden sie nicht von den jeweiligen Pensi-
onskassenmanagern vorgenommen – das Ri-
siko wäre für die einzelnen Unternehmen zu
gross –, sondern in einem Zukunftsfonds ge-
bündelt. Dieser Dachfonds würde von fach-
kundigen Managern mit Leistungsausweis
geführt, die einzelnen Pensionskassen wür-
den entsprechend ihrer Grösse einen gewis-
sen Anteil des Dachfonds halten. Zentral für
den Erfolg eines solchen Zukunftsfonds ist
gemäss Heimann eine hinreichend grosse
Diversifikation über verschiedene Entwick-
lungsphasen der Unternehmen wie auch
über mehrere Branchen. Da die Pensionskas-
sen ihre Kräfte bündeln würden, wäre auch
mit wenig Einsatz viel zu holen. «Selbst wenn
die Hälfte aller Pensionskassen zu Beginn le-
diglich ein halbes Prozent der Neugelder in
den Zukunftsfonds investierten, kämen pro
Jahr rund 175 Millionen Franken zusam-
men», zitiert Startupticker Patrick Burger-
meister, der bei der von Henri B. Meier ge-
gründeten VC-Gesellschaft BioMedPartners
arbeitet. Die Ökonomen der Universität Ba-
sel rechnen bis 2030 mit Investitionen in
Höhe von 40 Milliarden Franken.
Von diesen Geldern würden nicht
nur die hiesigen Start-ups profitieren, son-
dern auch ausländische Unternehmen und
Forscher, die auf der Suche nach einem in-
novativen Standort sind. Um das Potenzi-
al der Forscher und Unternehmen in der
Schweiz voll auszuschöpfen und das Wohl-
standsniveau zu halten, sei die Schaffung ei-
nes Zukunftsfonds unumgänglich, schliesst
die Studie der Universität Basel.
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