Wie lässt sich der (Miss-)Erfolg eines Bürgerhaushalts messen? Erfahrungen und Desiderate aus Frankfurt
1. Wie lässt sich der (Miss-)Erfolg eines
Bürgerhaushaltes messen?
Erfahrungen und Desiderate aus Frankfurt
Alma Kolleck / Martina Neunecker
Goethe Universität Frankfurt
22. November 2012
15.11.2012
2. Übersicht
• War der Frankfurter Bürgerhaushalt ein Erfolg?
• Wer definiert Erfolg und Misserfolg? – Perspektiven unterschiedlicher
Akteure
• Methoden der Frankfurter Evaluation
• Beispiel: Erfolgskriterien des Frankfurter Bürgerhaushaltes aus Sicht
von Verwaltung und Politik
• Evaluation zwischen „Hofberichterstattung“ und wissenschaftlichem
Erkenntnisinteresse
• Desiderate für künftige Bürgerhaushaltsevaluationen
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3. War der Frankfurter Bürgerhaushalt ein Erfolg?
• „Der Frankfurter Bürgerhaushalt ist ein teurer Irrtum, der schleunigst
beendet gehört“
Tobias Rösmann in der FAZ, 21.12.2011
• „man muss sich ernsthaft die Frage stellen, worin der Mehrwert dieses
Projektes liegt und ob die jährlichen Kosten […] nicht an anderer
Stelle besser eingesetzt wären“
FDP Frankfurt, 21.12.2011
• „wir haben nicht so viele erreicht, wie wir uns vorgestellt haben“
Uwe Becker, Stadtkämmerer, 20.12.2011 in der FNP
• „Die von einigen Politikern und Journalisten bemängelte Qualität oder
Kreativität der Vorschläge ist schlichtweg nicht richtig“,
Anna Latsch, SPD-SV, 10.09.2012
• „Wir waren begeistert von einigen Vorschlägen, vor allem im
Bürgerforum“
Anne Rückschloß, Stadtverwaltung Frankfurt, 21.09.2012
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4. Wer definiert Erfolg oder Misserfolg?
Medien Stadtpolitik
Wissenschaft (Miss-)Erfolg Teilnehmer
Stadtverwaltung Bürgerschaft
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5. Methoden der Frankfurter Evaluation
a) Perspektiven der Bürgerschaft und Teilnehmer
• repräsentative Befragung der Bürgerschaft
• Befragung der Teilnehmer an der Online-Phase
• Befragung der Teilnehmer am Bürgerforum in drei Wellen
b) Perspektiven von Verwaltung und Politik
• Leitfaden-Interviews mit Vertretern aus Verwaltung und Politik
c) Beobachtung der Medienberichterstattung
d) Perspektiven der Wissenschaft
• Auswertung der Vorschläge und Diskussionen mittels quantitativer
Inhaltsanalyse
• Teilnehmende Beobachtung am Bürgerforum
• demokratietheoretische Fragestellungen
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6. Erfolgskriterien des Frankfurter Bürgerhaushaltes (I)
Ziele von Politik und Verwaltung laut Magistratsvorlage (M22) zur
Einführung des Bürgerhaushaltes in Frankfurt:
1. Verbesserung des Dialogs insbesondere mit nicht-organisierten
Bürgerinnen und Bürgern
2. Gewinnung von Entscheidungshilfen zur Verwendung von (knappen)
finanziellen Mitteln
3. Erhöhung der Verständlichkeit und Transparenz des Haushalts der
Stadt Frankfurt am Main
offizielle Ziele der Stadt
für die Evaluation „gesetzte“ Ziele
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7. Erfolgskriterien des Frankfurter Bürgerhaushaltes (II)
zusätzliche Ziele:
4. Herstellung einer Identifikation mit der Stadt Frankfurt
5. Größere Akzeptanz stadtpolitischer Entscheidungen
entwickelt im Gespräch zwischen BH-Projektleitung der Stadt und
Evaluations-Team; basierend auf Vorschlägen des Evaluations-Teams
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8. Beispiel: Ziel „Dialog mit den nicht-organisierten
BürgerInnen verbessern“
Was spricht für einen Misserfolg?
• Soziodemographisches Profil der Online-Teilnehmer: junge, weniger
gebildete, nicht-organisierte BürgerInnen und BürgerInnen mit
Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert
• Soziodemographisches Profil der Bürgerforums-Teilnehmer: aus
Online-Phase rekrutiert, Repräsentativität hinsichtlich Alter und
Geschlecht angestrebt, dennoch Verzerrung
Was spricht für einen Erfolg?
• guter Austausch zwischen Verwaltung und Bürgern im Rahmen des
Forums (in Interviews, Befragungen und im Forum selbst betont)
(Miss-)Erfolg ist schwer zu messen: „weiches“ Ziel;
Fokus auf Input (Zahl und Soziodemographie der Teilnehmer)
Throughput (Erfahrungen der Teilnehmer im Prozess)
oder Output (Umsetzung von Verfahrens-/Policy-Vorschlägen)?
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9. Beispiel: Ziel „Entscheidungshilfen gewinnen“
Was spricht für einen Misserfolg?
• Themen und Vorschläge des Bürgerhaushaltes in Politik und
Verwaltung (fast) alle schon bekannt und diskutiert
• keine „konkreten Handlungsempfehlungen“ für Politik und Verwaltung
Was spricht für einen Erfolg?
• Bürgerhaushalt mit „Informationsfunktion“ für die Stadt Frankfurt:
„Stimmungslagen“ und „Präferenzen“ der Teilnehmer offen gelegt
• Ablehnung städtischer Großprojekte (bspw. Ausbau Museum der
Weltkulturen) durch Bürgerhaushalts-Teilnehmer wird deutlich
unterschiedliche Wahrnehmungen der städtischen Akteure;
wann ist ein Vorschlag eine Entscheidungshilfe:
- von Mehrheit der Bürger bzw. Teilnehmer unterstützt?
- Umsetzung des Vorschlages?
-…
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10. Evaluation zwischen „Hofberichterstattung“ und
wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse
• Evaluation des Drittmittelgebers: wie viel Kritik ist erwünscht?
• praktische „Zwickmühle“: einerseits kritische Distanz für „objektive“
Betrachtung; andererseits enge Zusammenarbeit an vielen Stellen
nötig (Informationsaustausch, Zugang zu Daten)
• unterschiedliche Ziele von Politik/Verwaltung und Wissenschaft:
- Mittel- und Zeiteffizienz als Prinzip der Verwaltung
- normorientierte Ideale und demokratietheoretische Fragestellungen
als Interesse der Wissenschaft
(z.B. Rekrutierung der Teilnehmer, Repräsentierung unterschiedlicher
Interessen)
potenzieller Konflikt zwischen praktischen Zielen der Stadt und
Erkenntnisinteresse der Wissenschaft
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11. Desiderate für künftige
Bürgerhaushaltsevaluationen (I)
• vergleichbare Erhebungsmethoden
• gleichlautende Formulierungen bspw. für Befragungen
• Katalog von möglichen Zielen
• Zusammenhang von Verfahrensdesign und Zielerreichung
• systematische Berücksichtigung unterschiedlicher Akteure und ihrer
Perspektiven auf „Erfolg“
• zeitliche und inhaltliche Planungshilfen für die Stadt
• bessere Vernetzung der Evaluationsteams
ideal: „Handbuch zur Begleitung und Evaluation von Bürgerhaushalten“;
Webseite; Tagungen
ermöglicht Vergleich und Zusammenfassung von Ergebnissen
unterschiedlicher Bürgerhaushalts-Evaluationen
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12. Desiderate für künftige
Bürgerhaushaltsevaluationen (II)
Flankierung der Evaluation („Auftragsforschung“) durch weitergehende
wissenschaftliche Fragestellungen und zusätzliche Erhebungsmethoden
zur Schließung von Forschungslücken, bspw.:
• experimentelle Gruppen
• Analyse der Deliberation in Kleingruppen des Bürgerforums
• Analyse der Umsetzung der Vorschläge
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13. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
kolleck@soz.uni-frankfurt.de
neunecker@soz.uni-frankfurt.de
Projektleitung: Prof. Dr. Brigitte Geißel
Goethe-Universität Frankfurt/Main
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