1. KUNDENSEGMENTIERUNG IM PRODUKTMANAGEMENT
Ein kleiner Leitfaden für die bedürfnisorientierte Herangehensweise an die Erstellung von Kundensegmenten und Personas
Das Wissen um Kunden und ihre Bedürfnisse ist ein kritischer
Erfolgsfaktor. Doch trotz der großen Relevanz dieses Themas kommt
es im Produktmanagement oftmals noch zu kurz. Deshalb möchte ich
Ihnen im Folgenden kurz aufzeigen, welchen Nutzen
Kundensegmentierungen und das Erstellen von Personas mit sich
bringen, wie man dabei am besten vorgeht und welche Fehler man
dabei besser vermeiden sollte.
Das dauerhaft erfolgreiche Platzieren eines Produktes ist möglich, wenn
dieses auch bestimmte Bedürfnisse der Zielkundschaft abdecken kann.
Denn nur wenn mithilfe des Produktes einen signifikanter Nutzen gestiftet
oder bestimmte Pain-Points beseitigt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit,
dass potentielle Kunden mit entsprechendem Kaufinteresse und
Zahlungsbereitschaft, bestehende Kunden mit Loyalität und
Weiterempfehlung auf das Angebot reagieren.
Ein für jeden Kunden passendes Angebot zu erstellen ist aber nicht einfach,
denn meist unterscheiden sich diese in relevanten Dimensionen erheblich
voneinander. So sind sowohl Demografie, Haltungen und Einstellungen als
auch das produktbezogene Verhalten innerhalb des Kundenstamms häufig
recht heterogen. In den meisten Fällen ist es deshalb kaum zielführend, alle
Kunden gleich zu behandeln, um ein Produkt möglichst erfolgreich zu
vermarkten bzw. zu optimieren. Optimal wäre natürlich, jedem Kunden auf
Basis seiner Bedürfnisse ein individuell auf ihn zugeschnittenes Angebot zu
machen. Doch diese Herangehensweise ist aufgrund des damit
verbundenen Aufwandes für die meisten Unternehmen kaum realisierbar.
Eine ökonomischere Lösung ist es, Segmente von Kunden zu bilden, die in
ihren Bedürfnissen und anderen Charakteristika homogen sind und somit
auch mithilfe des gleichen Nutzenversprechens erreicht werden können.
Ein solches Vorgehen bringt einige Vorteile mit sich:
MITHILFE EINER KUNDENSEGMENTIERUNG VER-
STEHEN SIE ZUM BEISPIEL,
- welche bewussten und unbewussten Bedürfnisse Ihre Kunden
antreiben Ihre Produkte zu kaufen
- wo sich Ihre Kunden untereinander in Ihren kaufrelevanten
Charakteristika ähneln und unterscheiden
- welche Probleme Ihre Kunden mithilfe Ihres Produktes bewältigen
möchten
- wie Sie Ihre Kunden segmentieren sollten, um sie möglichist
individuell anzusprechen
- welche Nutzenversprechen für welche Kundensegmente angebracht
sind
- welche Segmente wie viel des gesamten Kundenwertes generieren
HERANGEHENSWEISE AN DIE KUNDEN-
SEGMENTIERUNG:
Es gibt grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, um die Bedürfnisse Ihrer
Kunden ganzheitlich zu erfassen und entsprechende Kundensegmente
abzuleiten. Um das nötige Tiefenwissen zu generieren und in den
Ergebnissen gleichzeitig repräsentative Aussagekraft über die Gesamtheit
aller Kunden hinweg zu garantieren, bietet es sich bei geringem Vorwissen
über die Kundschaft an, hierzu moderne qualitative und quantitative
Methoden der Marktforschung zu kombinieren.
2. Mithilfe von persönlichen Interviews, ethnographischen Beobachtungen oder
der Repertory Grid-Technik ist es möglich, bei einer kleineren Stichprobe
Ihrer Kunden zunächst deren bewusste und unbewusste Bedürfnisse zu
erfassen. Diese können dann im Rahmen einer größeren Umfrage (je nach
Voraussetzung z.B. online, per Telefon) auf Ihre Verallgemeinerbarkeit hin
geprüft werden. Auf Basis dieser Analysen ist es möglich, sehr detaillierte
und gleichzeitig zuverlässige Segmentierungen durchzuführen, die Ihnen je
nach Zielsetzung z.B. helfen können,
- potentielle Kunden mit auf sie zugeschnittenen Produktvariationen
und Ansprachen zu überzeugen
- die Zufriedenheit unter bestehenden Kunden zu erhöhen und so
loyalere Kunden und höhere Weiterempfehlungsraten zu erhalten.
Möglicherweise haben Sie bereits viel Wissen über Ihre Kunden in internen
Datenbanken, CRM-Systemen etc. angesammelt oder führen regelmäßig
Marktforschungen durch. Dann sollte das Vorgehen zur Segmentierung
natürlich entsprechend an Ihren Kenntnisstand angepasst werden.
Nachdem die Segmentierungen mithilfe der erhobenen Daten durchgeführt
wurden, ist es empfehlenswert, in einem nächsten Schritt je eine Persona
pro Segment zu erstellen. Als Persona bezeichnet man einen virtuellen
Kunden, der das jeweilige Segment repräsentiert und Ihnen hilft, dieses zu
visualisieren. Ordnen Sie der Persona alle erhobenen oder zumindest die
aussagekräftigen Eigenschaften, Verhaltensweisen und
soziodemographischen bzw. sozioökonomischen Charakteristika des
entsprechenden Segmentes zu, und zwar im einfachsten Falle in einer dem
Mittelwert der jeweiligen Variable entsprechenden Intensität. Wenn also das
mittlere monatliche Bruttoeinkommen in einem Segment 4.000 Euro beträgt,
ordnen Sie der Persona ein Einkommen dieser Höhe zu.
Passen Sie bei dieser Herangehensweise aber auf, wie groß die
Spannweite der Kundendaten innerhalb der einzelnen Variablen ist. Wenn
die Hälfte der Kunden des Segmentes 7.000 Euro brutto monatlich verdient
und die andere Hälfte lediglich 1.000 Euro, ergibt sich zwar ein Mittelwert
von 4.000 Euro. Es macht dann aber dennoch nur begrenzt Sinn, der
Persona ein 4.000 Euro Einkommen zuzuordnen. Vielmehr sollten Sie in
solchen Fällen prüfen, ob das Segment wirklich vollkommen von nur einer
Persona abgebildet werden kann.
Eine weitere hilfreiche Herangehensweise zur Personaerstellung ist die
Betrachtung von realen Kunden innerhalb eines Segmentes, die dieses gut
repräsentieren. Wenn Sie mithilfe von Clusteranalysen segmentieren,
schauen Sie sich in Ihrem Statistikprogramm genau an, welche Kunden mit
Ihren Ausprägungen möglichst nah am Clusterkern liegen. An diesen
Kunden können Sie sich dann bei der Erstellung der Persona orientieren.
FEHLER, DIE SIE BESSER VERMEIDEN SOLLTEN:
Um das Maximum aus Ihren Segmentierungen herauszuholen, sollten Sie
Folgendes beachten.
NUR QUALITATIVE ODER QUANTITATIVE MAßNAHMEN
EINSETZEN
Sowohl qualitative, als auch quantitative Forschung hat Ihre spezifischen
Vor- und Nachteile. Gerade bei anspruchsvollen Aufgaben wie dem Erheben
von Kundenbedürfnissen sollten Sie aber die Vorteile beider
Herangehensweisen vereinen. Verlassen Sie sich nur auf qualitative
Verfahren, laufen Sie Gefahr, mit Ergebnissen zu arbeiten, die nicht
repräsentativ sind für Ihre gesamte Kundschaft. Folglich wird das Treffen
von Fehlentscheidungen wahrscheinlich. Verlassen Sie sich nur auf
quantitative Methoden, werden die generierten Insights in der Regel nicht
tiefgreifend genug sein, da Ihren Kunden Ihre eigenen Bedürfnisse teilweise
selbst nicht bewusst sind. Folglich tun sich viele Kunden schwer, ihre
Bedürfnisse überhaupt zu verbalisieren. Und entsprechend schwierig ist es
dann, derartiges Wissen über Kunden z.B. allein mithilfe von Online-
Befragungen zu erheben.
3. Eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Maßnahmen sorgt für
wertvolle und gleichzeitig generalisierbare Erkenntnisse, auf die Sie Ihre
Entscheidungen getrost fußen können.
SEGMENTIERUNG ALLEIN NACH DEMOGRAPHISCHEN ODER
SOZIOÖKONOMISCHEN VARIABLEN
Das alleinige Segmentieren der Kundschaft nach Variablen wie Alter,
Geschlecht oder Einkommen führt zweifellos zu sehr anschaulichen
Personas. Doch nur selten werden sich diese Kundensegmente auch in
Ihren Bedürfnissen deutlich unterscheiden. Um tatsächlich Segmente zu
erhalten, die sich unterscheiden im Nutzen, der ihnen durch das Produkt
entsteht, oder in den Pain-Points, welche das Produkt für sie beseitigt, ist es
nötig, direkt nach Bedürfnissen zu segmentieren. Nur so ist es möglich, die
Produkt und Kundenansprache auch wirklich segmentweise zu optimieren.
Die Verwendung soziodemographischer und sozioökonomischer Variablen
bietet sich dann in einem zweiten Schritt an, um handfeste Personas als
Beispielkunden für jedes Segment zu erschaffen.
DIE SEGMENTIERUNG LÄSST KEINE ZUORDNUNG NEUER
KUNDEN ZU DEN BESTEHENDEN GRUPPEN ZU
Segmentierungen helfen Ihnen primär zu verstehen, was sich
unterschiedliche Kundentypen von Ihrem Produkt erhoffen. Mithilfe dieses
Wissens können Sie zukünftige Kunden eines Typs mit einem auf die
speziellen Wünsche dieser Kundengruppe hin optimierten Angebot
überzeugen. Doch dies ist nur möglich, wenn auch neue Kunden den
bestehenden Segmenten ohne allzu großen Aufwand zugeordnet werden
können.
ALLEINE DAS DURCHFÜHREN EINER SEGMENTIERUNG
REICHT FÜR EINE KUNDENORIENTIERTE HERANGEHENS-
WEISE NICHT AUS
Für ein am Kunden orientiertes Produktmanagement reicht es nicht aus, die
Kunden einmal nach Bedürfnissen zu segmentieren. Vielmehr beginnt die
größte Arbeit erst mit Fertigstellung der Segmentierung. Denn nun gilt es,
praktische Handlungsempfehlungen abzuleiten und diese auf verschiedenen
Ebenen umzusetzen. Betroffen sind häufig z.B. das Produkt selber, das
aktuelle Pricing und die bisherigen Kommunikations-Maßnahmen. Primäres
Ziel bei der anschließenden Durchführung entsprechender Maßnahmen
sollte stets steigende Kundenzufriedenheit sein.