Franz R. Hahn, Mitarbeiter des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes WIFO, analysiert die Auswirkungen von BaseI III auf die Finanzierungspraxis der österreichischen Banken. Er findet, dass die österreichischen Banken das regulatorische Eigenkapitalerfordernis nach Basel II in einem so hohen Ausmaß übererfüllen, dass es schwer vorstellbar ist, dass sie Basel III nicht nachkommen.
1. Auswirkungen von Basel III auf
die KMU-Finanzierung
Studie des WIFO im Auftrag des AWS
Franz R. Hahn
20.9.2011
2. Warum Eigenkapitalvorschriften
für Banken?
Zusammenbruch einer Bank hat negative (externe)
Effekte für die gesamte Bankwirtschaft (alle Banken
haben in der Regel dadurch Nachteile).
Warum keine Eigenkapitalvorschriften für
Autoindustrie?
Konkurs eines Autoproduzenten hat in der Regel
keine negativen (externen) Effekte für die gesamte
Branche (die Konkurrenten haben in der Regel
dadurch Vorteile).
3. Eigenkapitalvereinbarungen laut Basel
Basel I Basel II
Eigenmittel Eigenmittel Bankenaufsicht Marktdisziplin
Qualitative
Ein Risikomaß
Überprüfung der
Mehrere Transparenz
Risiko-
Ein Bewertungs- Risikomaße durch
bewertung und
ansatz Flexible Ansätze erweiterte
der Einhaltung
Feine Offenlegungs-
instituts-
Grobe Risikostruktur pflichten
spezifischer
Risikostruktur
Risikostandards
Anwendungsbereich Anwendungsbereich
Q: WIFO, DBB.
4. Eine gestärkte Eigenkapitalvereinbarung:
Von Basel II zu Basel III
Prozent der Eigenkapitalanforderungen Zusätzliche
risiko- makroprudentiale
gewichteten Komponente
Aktiv a
Hartes Kernkapital Eigenkapital der Klasse Gesamtkapital Antizyklisches Zusätzliches
1 Polster Polster für
Mindest- Kapital- Erforderlich Mindest- Erforderlich Mindest- Erforderlich Bandbreite system-
anforderung erhaltungs- anforderung anforderung relevante
polster Insitute1)
Basel II 2 4 8
Nachrichtlich: Entspricht nach neuer Definition Entspricht nach neuer
rund 1% für eine durchschnittliche Definition rund 2% für
international tätige Bank eine durchschnittliche
international tätige
Bank
Basel III 4,5 2,5 7 6 8,5 8 10,5 0 bis 2,5 Zusätzliche
Neue Eigenkapital-
Definition und anforderung
Kalibrierung für system-
relevante
Institute?
Q: BIZ. – 1) Modalitäten noch festzulegen.
5. Zielsetzung von Basel III
Stärkung der Finanzsystemstabilität durch
• Höhere, und qualitative bessere Eigenkapital-
ausstattung der Banken (hartes Kernkapital)
• Höhere Liquidität der Banken (Liquiditätspuffer)
• Begrenzung des Wachstums der Banken (leverage
ratio, Untergrenze von Kernkapital zu
modifizierter Bilanzsumme und außerbilanziellen
Forderungen)
6. Wirtschaftspolitische (gesamtwirtschaftliche)
Befürchtungen im Zusammenhang mit Basel III
Kredite an Unternehmen, insbesondere KMU, werden teurer
(und daher knapper) wegen erhöhter Bonitätserfordernisse
(Kostenargument).
Kann gesamtwirtschaftlich unter Umständen erwünscht sein.
Kredite an Unternehmen, insbesondere KMU, werden knapper
wegen Eigenkapitalschwäche der Banken (Mengenargument).
Gesamtwirtschaftlich eindeutig unerwünscht, insbesondere
bei bankendominierter Außenfinanzierung der Unternehmen.
7. Empirische Evidenz
• Kostenargument
Wird insbesondere im Zusammenhang mit KMU von
verschiedenen Studien gestützt (z.B. durch jüngste IHS-
Studie); es gibt aber auch gegenteilige Evidenz (FMA:
Kosten durch Basel III vernachlässigbar).
• Mengenargument
Wird insbesondere im Zusammenhang mit KMU von
verschiedenen Institutionen und "öffentlichen Personen"
häufig gegen Basel III benutzt; aktuelle empirische Studien,
die das Mengenargument stützen, gibt es dazu uWn für
Österreich nicht.
10. Polemischer Einschub
Die österreichischen Banken übererfüllen das
regulatorische Eigenkapitalerfordernis nach Basel II in
einem so hohen Ausmaß, dass es schwer vorstellbar ist,
dass sie Basel III nur bedingt erfüllen.
Wo ist das Problem?
11. Hapert es doch an hartem, echtem Kernkapital bei den
(österreichischen) Banken?
ODER
Haben Basel II und Basel III das wirtschaftlich notwendige
Eigenkapital für viele strukturschwache Banken noch zusätzlich
erhöht?
ODER
Haben Basel II und Basel III die Strukturprobleme des
österreichischen Bankensektors noch deutlicher offengelegt
(zu viele, zu kleine Banken mit ausgeprägten Klumpenrisken,
d. h. extrem suboptimale Unternehmensgrößen im
Bankensektor)?
12. Stylized facts: Österreichischer Bankensektor
im internationalen Vergleich
Ø 2005 bis 2008 Cost/ Eigen- Eigen- Return Return Pene- Zahl der Einwohner Einwohner
Income kapital- kapital- on on tration Banken je Haupt- je Bank-
1 3 4 5
Ratio quote ) quote Assets ) Equity ) Ratio ) anstalt stelle
2
lt.Basel )
Neuseeland 0,44 6,6 10,8 1,54 21,7 143,7 17 251.453 –
Slowenien 0,58 7,4 44,3 1,08 13,4 82,3 22 91.677 2.591
Slowakei 0,64 6,7 13,1 1,49 22,5 41,1 25 214.868 4.460
Irland 0,47 3,9 13,1 0,56 12,5 372,8 42 102.557 4.519
Belgien 0,59 3,5 16,0 0,05 1,5 133,2 52 203.730 1.222
Niederlande 0,73 3,3 10,8 0,38 10,7 298,7 99 165.789 4.483
Dänemark 0,52 5,7 – 0,88 13,4 111,8 103 52.942 2.652
Schweden 0,57 5,5 21,6 1,03 17,4 76,3 123 74.495 4.099
Japan 0,66 4,5 – 0,42 8,3 87,5 125 1.026.187 –
Norwegen 0,54 5,2 12,0 1,06 18,5 97,8 148 31.741 3.581
Luxemburg 0,40 3,9 – 0,53 12,3 499,7 155 3.078 2.501
Spanien 0,45 7,4 11,5 0,93 11,8 158,5 277 160.757 1.007
Schweiz 0,64 5,0 – 0,33 5,8 250,2 288 26.197 2.023
Finnland 0,45 8,1 – 1,01 11,6 80,5 337 15.677 3.451
Frankreich 0,72 4,0 – 0,41 9,4 102,6 356 178.987 1.809
Polen 0,58 9,0 13,1 2,03 21,0 37,1 648 58.890 6.240
Italien 0,60 7,5 13,9 0,84 10,8 90,8 789 75.071 1.768
Österreich 0,61 6,0 17,7 0,49 8,1 142,6 872 9.499 1.606
Deutschland 0,71 4,3 – 0,26 6,2 123,2 1.874 43.935 2.031
USA 0,63 10,0 – 1,19 11,2 57,6 17.056 17.642 –
Q: OECD, Bank Profitability. - 1) Capital & reserves as % of balance sheet total. - 2) Total regulatory capital as % of risk-
weighted assets. - 3) Profit before tax as % of balance sheet total. - 4) Profit before tax as % of equity. - 5) Loans as % of GDP.
13. Die zentralen Fragen der WIFO-Studie
Die Studie beschäftigt sich primär mit dem gesamt-
wirtschaftlich bedeutsameren Mengenargument (höhere
Eigenkapitalerfordernisse der Banken führen zur Verknappung
von Krediten an Unternehmen, insbesondere an KMU).
1. Ist Umfang der Kredite an KMU quantitativ bedeutsam?
1.
2. Sind Banken, die primär in der KMU-Finanzierung tätig
sind, durch Eigenkapitalschwäche in der Kreditvergabe
beschränkt?
1.
2.
3. Sind KMU durch eigenkapitalschwache Banken in ihrem
Wachstum eingeschränkt?
14. Die WIFO-Studie untersucht diese drei Fragen anhand eines
umfangreichen, vernetzten Datensets auf Unternehmens-/
Einzelbankebene für die Periode 2004 bis 2009 (anonymisierte
Daten, Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen).
Elemente des Datensets:
1. Einzelbankdaten für alle österreichischen Kreditinstitute
(mehr als 800 aus OeNB-WIFO-Bankenpanel, im
Wesentlichen Bilanzdaten).
2. Unternehmensdaten (einschließlich Ratings) für nicht-
finanzielle Unternehmen (etwa 7.000 aus KSV1870
Unternehmensdatenbank, im Wesentlichen Bilanzdaten,
Umsatz, Beschäftigte usw.).
3. Zusammenführung beider Datenbanken über Nennung
der Hausbank(en) jedes Unternehmens im
KSV 1870 Unternehmens-Sample.
15. Die WIFO-Studie findet folgende Evidenz
für die drei Fragestellungen:
Frage 1: KMU-Kredite bedeutsam JA
Frage 2: Eigenkapitalschwäche der Banken
beschränkt KMU-Kreditvolumen JA
Frage 3: KMU-Wachstum behindert durch
eigenkapitalschwache Banken JA (?)
16. Frage 1: KMU-Kredite bedeutsam
Regionalbanken (Hauptfinanciers der KMU) begeben mehr
als die Hälfte der gesamten Unternehmenskredite.
17. Frage 2: Eigenkapitalschwäche der Banken
beschränkt KMU-Kreditvolumen
Bei Regionalbanken mit Eigenkapitalquote (Stammkapital plus
Rücklagen in % der Bilanzsumme, ALSO NICHT NACH BASEL)
von weniger als 8% (Median) beschränkt Eigenkapital die
Kreditvergabe.
Das betrifft etwa 80% der von Regionalbanken gewährten
Kredite, d.h. zumindest 40% der gesamten
Unternehmenskredite (Untergrenze).
18. Frage 3: KMU-Wachstum behindert durch
eigenkapitalschwache Banken
Bei KMU, finanziert durch Banken mit Eigenkapitalquoten von
weniger als 8%, haben Kredite eine beschränkende (statistisch
jedoch nicht signifikante) Wirkung auf Wachstum (Umsatz).
19. Wirtschaftspolitische Lösungsansätze
1. Lockerung der Eigenkapitalvorschriften für KMU-Kredite
(österreichische Lösung; Behandlung ähnlich wie
Konsumkredite – bei diesen hat Eigenkapital keine
beschränkende Wirkung) wird durch unsere Berechnungen
gestützt, ist jedoch gesamtwirtschaftlich suboptimale
Lösung (perpetuiert Strukturproblem des Bankensektors;
kann auch negative allokative Folgen haben).
20. Wirtschaftspolitische Lösungsansätze /Fortsetzung
2. Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Banken, sodass
negativer Link zwischen Eigenkapital und Kreditvergabe
verschwindet (wie jetzt bei Banken mit Eigenkapitalquote
von über 8%). Gesamtwirtschaftlich wünschenswerte
Lösung, dauert jedoch und erzeugt Anpassungskosten (die
hoch sein können). Durch Fusionen am ehesten umsetzbar.
21. Wirtschaftspolitische Lösungsansätze /Fortsetzung
3. Abschwächung der einschränkenden Wirkung auf die
Kreditvergabe an KMU wegen Unterkapitalisierung der
Banken durch förderpolitische Korrektur dieser "negativen
externen Effekte" von Basel III (z. B. Maßnahmen durch
AWS).