Speziell Unternehmen der IT-Branche sind immer wieder mit dem Phänomen unvollendeter Projekte konfrontiert – oft sind festgefahrene Meinungen über die Fähigkeiten von Kunden und eigenen Mitarbeitern die Ursache - von Walter Petri, PM Associate der PM Firefighters
Von den gefürchteten „90-Prozent-Projekten“ – und wie man sie bewältigt
1. Von den gefürchteten „90-Prozent-Projekten“ – und wie man sie bewältigt
Speziell Unternehmen der IT-Branche sind immer wieder mit dem Phänomen
unvollendeter Projekte konfrontiert – oft sind festgefahrene Meinungen über die
Fähigkeiten von Kunden und eigenen Mitarbeitern die Ursache
von Walter Petri, PM Associate der PM Firefighters
Wer in der IT-Branche arbeitet, egal ob auf Kunden- oder Dienstleisterseite, kennt das
Phänomen von Projekten, die zwar seit langer Zeit fast fertig sind, aber trotzdem nie ganz
abgeschlossen werden. Die Rede ist von Vorhaben, die zu 90 Prozent dem vereinbarten
Leistungsumfang entsprechen, aber nicht abgenommen werden, weil etwa noch
Beschreibungen, Funktionalitäten oder Übersetzungen fehlen. Für Projekte, die in dieser
Phase hängenbleiben, ist oftmals eine regelrechte Erstarrung innerhalb des Projektteams
charakteristisch. Nichts geht mehr voran und die Ziellinie gerät immer weiter aus dem Blick,
während einer auf die Initiative des anderen wartet. Typische Symptome sind verfestigte
kritische Urteile über die Motivation, Disziplin oder Qualifikation von Beteiligten.. Die
Situation ist schmerzlich für den Dienstleister, denn nicht selten wird erst nach vollständiger
Abnahme des fertigen Produkts gezahlt. Außerdem sind solche Team-Erfahrungen eine
schwere Hypothek für künftige Projekte. Und auch für den Auftraggeber stellt sich der
Zustand nicht weniger unerfreulich dar – schließlich können mit einem unvollendeten Produkt
die damit verbundenen Ziele kaum erreicht werden.
Doch wie begegnet ein Projektmanager solchen „90-Prozent-Projekten“ am sinnvollsten um
sie schließlich zu Ende zu führen – insbesondere dann, wenn er als externer Krisenmanager
hinzu gerufen wird? Bewährt hat sich in entsprechenden Fällen ein ressourcenorientiertes,
motivatorisches Vorgehen, für dessen Erfolg psychologische und kommunikative Fähigkeiten
eine größere Rolle spielen als klassische Projektmanagement-Techniken. Der
Projektmanager übernimmt in dieser Situation in weiten Teilen die Aufgabe eines Mediators,
wobei die Fähigkeit zu empathischem Vorgehen hier von besonderer Bedeutung ist. .
Die erste Frage, die gestellt werden muss, wenn es um die erfolgreiche Beendigung eines
„90%-Projektes“ geht, gilt den vorhandenen Ressourcen: Welche Anlagen und Kapazitäten
sind im Team vorhanden? Hier ist eine eigenständige, möglichst objektive Urteilsbildung
besonders wichtig. Schnell wird der Projektmanager bei der Beantwortung der Ressourcen-
Frage mit Eindrücken und Wertungen der Stakeholder konfrontiert, von denen er sich jedoch
nicht beeinflussen lassen darf. Denn gerade an solchen Urteilen muss im Zuge einer neuen
Bewusstseinsbildung gearbeitet werden. Ein Umdenken kann nur im Team erreicht werden
und muss jeden mit einbeziehen, der auf Dienstleister- und Kundenseite mit dem Projekt
befasst ist. Auch von Seiten der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes ist
uneingeschränkte Loyalität gegenüber allen Mitwirkenden des Projekts unabdingbar.
Voraussetzung hierfür ist, dass das Top-Management zuvor vom neuen Konzept überzeugt
wird.
Ein weiterer Sachverhalt, den es zu klären gilt, ist die Frage, ob die aktuelle Situation auf
einen Mangel an personellen Kapazitäten, auf die Kompetenz der Projektmitarbeiter oder
aber auf deren innere Einstellungen zurückzuführen ist. Dies erfordert viel Erfahrung und
eine ordentliche Portion Fingerspitzengefühl von Seiten des Projektmanagers, Essentiell ist
darüber hinaus die Beantwortung der folgenden Fragen: Welche Ressourcen werden
benötigt, um das Projekt abzuschließen und reichen die vorhandenen Ressourcen für einen
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2. erfolgreichen Abschluss aus? Die Untersuchung der formalen Rahmenbedingungen des
Projekts steht ebenfalls auf der Aufgabenliste: Ungünstige Vertragskonstellationen,
schwierige hierarchische Verhältnisse, unzureichende Besprechungsroutinen und
unvollständige Dokumentationen können sich als schwere Hypothek für ein Projekt erweisen
und müssen gegebenenfalls angepasst werden.
Im nächsten Schritt steht die Aktivierung der bereits vorhandenen Fähigkeiten mit Hilfe
positiver Erfahrungen aus der Vergangenheit im Mittelpunkt. Alle Ressourcen, die bereits in
der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt wurden, können in der Gegenwart neu aktiviert
werden. Dazu gehört zunächst einmal eine Analyse der aktuellen Situation und ihrer
Ursachen. Basis hierfür ist, dass die Beteiligten Einfühlungsvermögen für diejenigen
entwickeln, die ihrer Meinung nach am Misserfolg bzw. an der Stagnation des Projektes
schuld sind. Sie müssen lernen zu verstehen, wie die anderen Parteien fühlen, denken und
handeln. Einwände und gegenseitige Beschuldigungen wie „mit diesen Mitarbeitern schaffen
wir es nie“ oder „auf diese Leute ist kein Verlass“ dürfen nicht akzeptiert werden. Stattdessen
geht es um die Konfrontation jedes einzelnen Teammitglieds mit der Frage: „Was kannst Du
tun, um zum erfolgreichen Abschluss des Projekts beizutragen?“ Dabei ist unter anderem die
Bereitschaft gefordert, Aufgaben, die eigentlich von der anderen Partei erledigt werden
müssten, selbst zu übernehmen.
Schließlich folgt die gemeinsame Erarbeitung der Schritte, die zur Vollendung des Projekts
notwendig sind. Gebraucht wird ein detaillierter Zeitplan, dessen Umsetzung intensiv
vorbereitet und abgestimmt werden muss. Die Lösung sollte idealweise zunächst simuliert
und trainiert werden, bevor es an die Umsetzung geht. Ist es dann soweit, ist der
Projektmanager gut beraten, allergrößten Wert auf schnelle Erfolge zu legen, die dann zur
weiteren Motivation im Team auch gebührend gewertschätzt und gefeiert werden sollten
Folgende Schlüsselfragen dienen zur Bewertung eines „90-Prozent-Projekts“:
Wie reden die Projekt-Mitarbeiter mit- und übereinander? In welcher Atmosphäre findet
der Informationsaustausch statt, welche Routinen gibt es?
Wird Verantwortung bevorzugt auf Andere verschoben?
Ist die Bereitschaft im Team vorhanden, eine Veränderung mitzutragen?
Wie lösungsorientiert denken die Mitarbeiter?
Welche praktischen Erfahrungen haben die Mitarbeiter in der gemeinsamen
Zusammenarbeit gemacht, zeigen sie sich als Teamplayer?
Wie einfühlsam und zugänglich sind die Beteiligten für die Belange der Anderen?
Wie vorurteilsbelastet ist das Team im Hinblick auf die gesellschaftlichen und kulturellen
Besonderheiten ausländischer Beteiligter?
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bedeutung der Softskills – im
Besonderen ein vertieftes Verständnis von Gruppendynamik und die Fähigkeit zur Empathie
– in den letzten Jahren stark zugenommen. Projektmanager müssen sich intensiv mit den
Skills der einzelnen Teammitglieder und der Teamzusammensetzung auseinandersetzen -
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3. nur dann können Hochleistungsteams gebildet werden, komplexe Projekte erfolgreich
durchgeführt und abgeschlossen werden und das Risiko in „90-Prozent-Projekten“ stecken
zu bleiben, minimiert werden.
Hamburg, 16. November 2010
Der Autor
Walter Petri ist PM Associate bei der PM Firefighters Project Management
GmbH (www.pm-firefighters.eu). Seit 1985 arbeitet er im Projektmanagement
nach internationalen Standards wie PMI, IPMA und CMMI. Nachdem er über
lange Zeit die harten Fakten des magischen PM-Dreiecks (Qualität, Budget,
Termine) gesteuert und erfüllt hat, arbeitete er in den letzten Jahren immer
intensiver an den Softskills in seinen Projektteams.
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