Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Mann, Nieland: Leitfaden zum Fotorecht
1. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L5 Fotografie
Leitfaden zum Fotorecht
Herstellung, Erwerb und Veröffentlichung von Fotografien
Dr. Roger Mann
Rechtsanwalt in der Kanzlei Damm & Mann, Hamburg
Dr. Holger Nieland
Rechtsanwalt in der Kanzlei Damm & Mann, Hamburg
Inhalt Seite
1. Die Herstellung 2
1.1 Personenfotos („Bildnisse“) 2
1.2 Sachfotos („Bilder“) 4
1.3 Gesetzliche Fotografierverbote 5
1.4 Checkliste 6
2. Der Erwerb 6
2.1 Sind Fotografien immer geschützt? 7
2.2 In welchem Umfang darf ich fremde Fotos nutzen? 8
2.3 Muss ich prüfen, wer die Rechte hat? 9
2.4 Wo erfahre ich, wer Inhaber der Nutzungsrechte ist? 10
2.5 Checkliste 10
3. Die Veröffentlichung 11
3.1 Betroffene Rechtspositionen 11
3.2 Freie Nutzungsbefugnis gegenüber dem Abgebildeten 11
3.3 Freie Nutzungsbefugnis gegenüber dem Fotografen 16
3.4 Checkliste 22
4. Die Folge von Rechtsverletzungen 23
4.1 Überblick 23
4.2 Der Zahlungsanspruch nach Bereicherungsrecht 24
4.3 Der Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) 26
4.4 Der materielle Schadensersatzanspruch 29
Checkliste: Herstellung des Fotos zulässig? 6
Checkliste für den Erwerb von Bildmaterial 10
L
Die Prüfungsfolge für die Abbildungsfreiheit 11 5.4
S. 1
Checkliste: Freie Publikation von Bildmaterial 22
40 Kultur & Recht Januar 2008
2. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L5 Fotografie
1. Die Herstellung
1.1 Personenfotos („Bildnisse“)
Personenfotos werden in der Sprache des Gesetzes (§§ 22, 23 KUG)1 als „Bild-
nisse“ bezeichnet. Das KUG macht die Herstellung nicht von der Einwilligung
des Abgelichteten abhängig2. Die Rechtsprechung verlagert das Recht am eigenen
Bild jedoch bereits auf die Phase der Herstellung vor. Dies führt dazu, dass in
Ausnahmefällen nicht erst die Veröffentlichung des Bildes unzulässig ist, sondern
schon das Fotografieren an sich unzulässig sein kann.
Zulässige Herstellung von Bildnissen
Als Faustregel gilt: Die Herstellung von Bildnissen ist zulässig, wenn auch die
spätere Veröffentlichung zulässig wäre. Ob letzteres der Fall ist, beurteilt sich
nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung.
Beispiele: Der Fotograf darf die noch unbekannte Begleitung eines Pro-
minenten „auf Vorrat“ fotografieren. Denn falls und sobald sie sich zur
ständigen Begleitung und Vertrauten entwickelt, wäre die Veröffentlichung ihres
Bildes zulässig.3
Ist es also denkbar, dass das Bildnis zu irgend einer Zeit rechtmäßig veröffent-
licht werden dürfte, so darf der Pressefotograf es grundsätzlich auch herstellen.
Die Anfertigung des Bildnisses unterfällt der Recherche und ist vom Grundrecht
der Pressefreiheit geschützt.4
Zulässig sind ferner Bildnisse, die zu Beweiszwecken angefertigt werden.
Beispiele: Der Arbeitgeber lässt Fotos einer Arbeitnehmerin anfertigen,
die sich wegen einer schweren Grippe krankschreiben lässt und danach
mit männlicher Begleitung einen Einkaufsbummel durch die Innenstadt macht5.
Ein Grundstückseigentümer fotografiert ein auf dem angrenzenden Schulhof
spielendes Kind, um zu beweisen, dass es den schlechten Zustand des trennenden
Zaunes mitverursacht hat.6
Personen dürfen auch dann zulässigerweise fotografiert werden, wenn sie auf
dem Foto nur als Beiwerk zu einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit er-
L
scheinen, was im Bereich der Urlaubsfotografie relevant ist.7
5.4
S. 2 Stets zulässig sind solche Bildnisse, die mit Einwilligung des Abgebildeten her-
gestellt werden.
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3. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L5 Fotografie
Unzulässige Herstellung von Bildnissen
Unzulässig ist die (unautorisierte) Herstellung von Bildnissen demgegenüber,
wenn es die Menschenwürde oder die Intimsphäre des Abgebildeten verletzt.
Die Intimsphäre ist regelmäßig betroffen bei Nacktfotos, ferner bei der Darstel-
lung von Krankheiten, Gebrechen oder Tod.
Unzulässig kann auch das Erschleichen von Bildnissen sein8. Damit ist die
heimliche Herstellung von Fotos in der Privatsphäre des Betroffenen gemeint.
Die Privatsphäre beschränkt sich dabei nicht auf die eigenen vier Wände. Auch
wer an öffentlichen Orten begründetermaßen davon ausgehen durfte, unbeobach-
tet zu sein (z. B. abgeschiedener Winkel eines Gartenlokals9), kann den Schutz
der Privatsphäre genießen.
Die vorgenannten Ausnahmefälle der (zivilrechtlich) unzulässigen Bildnisherstel-
lung, hat der Gesetzgeber mit dem neuen § 201 a StGB (eingefügt durch das 36.
Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.07.2004) nun sogar unter Strafe gestellt. Der
Strafschutz ist jedoch nicht deckungsgleich, sondern greift etwas kürzer. § 201 a
StGB verbietet das unbefugte Herstellen von Bildnissen, wenn die abgebildete
Person sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschütz-
ten Raum befindet und durch die Bildaufnahme in ihrem höchstpersönlichen
Lebensbereich verletzt wird. Aus der Gesetzesbegründung10 geht hervor, dass
mit dem „höchstpersönlichen Lebensbereich“ der im Zivilrecht übliche Begriff
der Intimsphäre gemeint ist, der allein aus sprachlichen Gründen nicht in § 201 a
StGB eingeflossen ist.11 Das strafrechtliche Fotoverbot des § 201 a StGB kommt
z. B. in folgenden Konstellationen zur Anwendung:
Beispiele: Unbefugtes Foto von gynäkologischer Untersuchung einer
Frau im ärztlichen Behandlungszimmer, unbefugtes Foto von Personen
bei der Benutzung von Toiletten, Saunen, Solarien oder Umkleidekabinen. Dem-
gegenüber ist § 201 a StGB nach seinem Gesetzeszweck grundsätzlich nicht
einschlägig bei unbefugten Fotos in Geschäfts- oder Diensträumen.12
Von § 201 a StGB erfasst ist neben dem Herstellen des Bildnisses auch dessen
Übertragung. Hiermit hatte der Gesetzgeber Echtzeitübertragungen mittels Web-
cams oder Spycams im Blick.13
Unabhängig von § 201 a StGB macht der Fotograf sich auch dann strafbar, wenn
er zur Herstellung des Fotos unbefugt in umfriedetes Besitztum eindringt (Haus-
friedensbruch, § 123 StGB). L
5.4
S. 3
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4. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L5 Fotografie
Folgen der unzulässigen Herstellung
Die rechtswidrige Herstellung eines Fotos führt nicht zu einem Verwertungsver-
bot. So kann die Veröffentlichung erschlichener Bildnisse im Ausnahmefall
durchaus rechtmäßig sein. Hierzu bedarf es jedoch eines qualifizierten Informati-
onsinteresses der Öffentlichkeit, etwa wegen der Aufklärung erheblicher Miss-
stände14 (beispielsweise Korruptionsskandale etc.). Das LG Köln15 (bestätigt
vom OLG Köln16) hat vor diesem Hintergrund die Ausstrahlung heimlicher Film-
aufnahmen eines sog. „Hasspredigers“ als zulässig angesehen.
Zum Zeitpunkt der Herstellung wird dem von der Bildniserschleichung Betroffe-
nen z. T. ein Notwehrrecht zugebilligt (z. B. Zuhalten des Objektivs, es gelten
Verhältnismäßigkeitsgrenzen).17 Tatsächlich ist hier jedoch Zurückhaltung gebo-
ten, denn in der Situation der Bildniserstellung lässt sich nicht zuverlässig beur-
teilen, ob die spätere Veröffentlichung möglicherweise nach § 23 KUG zulässig
wäre. Anders liegt es freilich in denjenigen Fällen der Bildniserschleichung, die
nach § 201 a StGB unter Strafandrohung stehen.
1.2 Sachfotos („Bilder“)
Das Ablichten von Sachen, etwa Pflanzen, Autos oder Häusern im öffentlichen
Raum kann vom Eigentümer grundsätzlich nicht untersagt werden.
Beispiel: Der Eigentümer eines 200 Jahre alten Friesenhauses auf Sylt
stellt fest, dass ein Unternehmer die Außenansicht seines Hauses fotogra-
fiert hat und damit nun seine Firmenprospekte illustriert. – Zulässig! Etwaiger
Urheberrechtsschutz wäre abgelaufen. Aus seinem Eigentumsrecht kann der
Sylter die Herstellung des Fotos nicht verbieten. Das Eigentum wird nicht ver-
letzt, da er an der Benutzung des Hauses nicht gehindert wird (vgl. dazu BGH
GRUR 1990, 390 - Friesenhaus).
Zulässig kann das Fotografieren von Sachen selbst dann sein, wenn sie ihrerseits
(noch) urheberrechtlich geschützte Werke sind. So genießen etwa Einfamilien-
häuser, Geschäftshäuser, Brücken, Denkmäler oder gar Gartenanlagen – die er-
forderliche Individualität vorausgesetzt – Urheberrechtsschutz als Werke der
Baukunst (§ 2 Nr. 4 UrhG). Sie dürfen gleichwohl ohne Einwilligung des Urhe-
bers oder Nutzungsrechtsinhabers unter den Voraussetzungen des § 59 UrhG frei
fotografiert werden (sog. „Panoramafreiheit“). Dafür ist es erforderlich, dass das
L Werk sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet. Ein
Urheber, der sein Werk bleibend im öffentlichen Raum präsentiert, kann es als
5.4
Teil der alltäglichen Umwelt nicht länger monopolisieren.18
S. 4
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